Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Zunächst zur Frage von Frau Kollegin Gote nach den Elisa-Tests. An den Landesuntersuchungsämtern werden derzeit zwei verschiedene Elisa-Test-Verfahren angewandt, die im Zusammenhang mit dieser Frage von Interesse sind. Zum einen ist es ein Elisa-Test zum Nachweis der ordnungsgemäßen Erhitzung von Tiermehl. Der andere Elisa-Test dient der Tierartenbestimmung. Er wird unter anderem eingesetzt, um festzustellen, ob in Lebensmitteln wie zum Beispiel Wurstwaren Rinderprotein enthalten ist. Zur Prüfung, ob in Futtermitteln Tiermehl vorhanden ist, ist der Erhitzungstest ohnehin nicht geeignet. Der Test zur Tierartenbestimmung, also der Test, ob in der Wurst Rinderprotein enthalten ist, kann hier nicht angewandt werden. Warum? Bei der ordnungsgemäßen Erhitzung von Tiermehl unter Drucksterilisationsbedingungen – 133 Grad Celsius mit 3 Bar und 20 Minuten lang – werden die Eiweißstrukturen soweit zerstört, dass ein Nachweiß von tierischem Protein nicht
mehr gelingt. Die Entwicklung und Validierung geeigneter Nachweisverfahren ist eine Herausforderung für wissenschaftliche Einrichtungen. Sie kann in der Regel nicht an den Landesuntersuchungsämtern durchgeführt werden. An der Landesanstalt für Ernährung wird derzeit auf Anweisung des Landwirtschaftsministeriums mit Nachdruck an der Weiterentwicklung einer PCR-Methode gearbeitet.
Zur Frage Nummer 12 des Kollegen Hartenstein: Bis 30. September 2000 war aufgrund bundesrechtlicher Regelungen die Verwendung entsprechender Materialien von genusstauglichen Tieren ohne Drucksterilisierung zulässig. Seit dem 1. Oktober 2000 sind Risikomaterialien aus der Nahrungskette zu entfernen und zu verbrennen. Dessen ungeachtet unterzieht die in Bayern zugelassene Fettschmelze in Würzburg, welche auch Fette für die Lebensmittelindustrie herstellt, bereits seit 1996 die Rohfettanlieferung einer intensiven Kontrolle auf Fremdbeimengungen wie Rückenmarksanteile, Gehirn, Leber, Milz, Bauchspeicheldrüse, Galle oder Knochen. Die Rohwarenzulieferer wurden auf die strenge Einhaltung der Rohmaterialtrennung hingewiesen. Darüber hinaus werden Fremdbeimengungen bei der Rohfettanlieferung von firmeneigenem Personal aussortiert, separat gelagert und an einen weiterverarbeitenden Betrieb abgegeben.
Ich darf zu den Betrieben nach § 6 Absatz 2 Satz 2 Tierkörperbeseitigungsgesetz noch sagen: Wenn das eine menschenverachtende Praxis war – es handelt sich ja um ein Bundesgesetz –, dann stellt sich natürlich die Frage, ob der zurückgetretenen Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer dieses Problem entgangen ist und warum sie in dieser Sache nicht tätig geworden ist. Insofern sitzen wohl alle im gleichen Boot, und primär ist die Bundesebene gefordert.
Zu Frage 13: Seit 1. Oktober 2000 gilt unter anderem das Gehirn von über zwölf Monate alten Rindern als Risikomaterial. Es muss getrennt gesammelt und in einer TBA zur Entsorgung von Risikomaterial verarbeitet werden. Das daraus hergestellte Tiermehl ist zu verbrennen. Davor war es nach Bundesrecht – in diesem Fall das Tierkörperbeseitigungsgesetz und die Futtermittelherstellungsverordnung – zulässig, Rinderschädel von als tauglich beurteilten Tieren in so genannten Spezialbetrieben zu Fleischknochenmehl zu verarbeiten. Ebenso war es zulässig, aus diesen Fleischknochenmehlen Fette zur Weiterverarbeitung in Futtermitteln und Dikalziumphosphat zur Herstellung von Mineralfutter zu gewinnen.
Zu Frage 14: Tierfette zur Verarbeitung in Futtermitteln stammten entweder aus Tierkörperbeseitigungsanstalten oder aus Betrieben nach § 6 Absatz 2 Nummer 2 des Tierkörperbeseitigungsgesetzes. In Tierkörperbeseitigungsanstalten ist das Drucksterilisationsverfahren vorgeschrieben – 133 Grad Celsius, 20 Minuten, 3 Bar Druck. Dieses Verfahren ist nach den nationalen Rechtsvorschriften in den oben genannten Spezialbetrieben, soweit sie Knochen oder Grieben verarbeiten, seit 1. Juli
2000 verpflichtend. Davor waren die Produkte zu hygienisieren, so dass Indikatorkeime wie etwa Salmonellen in Fleischknochenmehlen nicht nachgewiesen werden konnten. Für Fettschmelzen ist ein Drucksterilisationsverfahren bisher nicht vorgeschrieben.
Die Staatsregierung begrüßt ausdrücklich, dass die Europäische Kommission jetzt beabsichtigt, eine entsprechende Verpflichtung einzuführen. Leider konnte sich auch die neue Bundesministerin mit dieser Forderung im Agrarrat noch nicht durchsetzen. Tierische Fette zur Verwendung als Einzelfuttermittel wurden in Bayern hergestellt von acht Tierkörperbeseitigungsanstalten, drei knochenverarbeitenden Spezialbetrieben und einer Fettschmelze.
Zu Frage 15: Spezialbetriebe zur Verarbeitung von Knochen tauglicher Tiere – Knochenmühlen – müssen das Drucksterilisationsverfahren nach den nationalen Rechtsvorschriften erst seit 1. Juli 2000 anwenden. Bis dahin schrieb das Bundesrecht kein spezielles Verfahren vor. In Bayern gibt es, wie ich vorhin schon erwähnt habe, drei zugelassene knochenverarbeitende Spezialbetriebe.
Zu Frage 17: Dass die Drucksterilisation für knochenverarbeitende Betriebe durch EU-Recht und Bundesrecht erst zum 1. Juli 2000 verpflichtend eingeführt wurde, ist im Licht der heutigen Erkenntnisse natürlich kritisch zu beurteilen. Gestützt auf die Stellungnahmen des wissenschaftlichen Lenkungsausschusses der Europäischen Kommission sah die Europäische Kommission eine Befreiung von der Sterilisationspflicht der für den menschlichen Verzehr geeigneten Knochen aus folgenden Gründen für gerechtfertigt an:
Erstens. Eiweißhaltiges Material aus der Verarbeitung von Wiederkäuerknochen durfte seit 1994 nicht mehr an Wiederkäuer verfüttert werden.
Zweitens. Gereinigtes Fett, das auch aus Knochen gewonnen werden kann, wurde hinsichtlich einer möglichen BSE-Übertragung als unbedenklich angesehen. Erst das BSE-Geschehen in Deutschland und anderen Mitgliedstaaten weist nun auf ein mögliches Übertragungsrisiko über Tierfette und gegebenenfalls proteinhaltige Rückstände in Mineralfuttermitteln hin. Die Europäische Kommission hat darauf entsprechend reagiert. Die Europäische Kommission hat am Montag angekündigt, künftig auch Tierfette dem Drucksterilisationsverfahren unterziehen zu wollen. Dies wurde jedoch, wie ich bereits erwähnt habe, vom Agrarrat noch nicht akzeptiert. Wir hoffen, dass sich das noch ändert.
Zu Frage 18: Ohne Drucksterilisation dürfen nach der bundesrechtlichen Regelung nur noch Fette aus Schlachtabfällen von genusstauglichen Tieren hergestellt werden. Die Staatsregierung begrüßt die Initiative der Europäischen Kommission, auch für die Verarbeitung von Fetten das Drucksterilisationsverfahren einzuführen. Dies ist bisher leider – das habe ich bereits erwähnt – gescheitert. Das mit Gesetz vom 1. Dezember 2000 beschlossene Verfütterungsverbot proteinhaltiger Erzeugnisse und Fette von Säugetieren schließt Tierfleisch, Knochenmehle und Tierfette von der Verwen
dung als Futtermittel für Nutztiere aus. Ob die Ausgangserzeugnisse, wie Schlachtabfälle oder gefallene Tiere, drucksterilisiert sind oder nicht, spielt deshalb für die Futtermittelsicherheit keine Rolle mehr, weil es grundsätzlich nicht mehr verfüttert werden darf.
Da das Gesetz kein weitergehendes Verwertungsverbot vorsieht, ist die Verwendung von proteinhaltigen Erzeugnissen für andere Zwecke, wie zum Beispiel Düngemittel oder technische Zwecke, nicht verboten. Bayern hat dies wiederholt, zuletzt auf der Sonderkonferenz in Bremen am 29. Januar 2001 eingefordert, um die missbräuchliche Verwendung und Wiedereinschleusung solcher Produkte in die Futtermittelkette sicher zu verhindern. Die Bayerische Staatsregierung spricht sich hier für die zwingende thermische Verwertung von Tiermehl und Tierfett aus. Auch bei dieser müssen die Ausgangserzeugnisse ohne Ausnahme der Drucksterilisation unterzogen werden, um das Personal in den Müllverbrennungsanlagen keiner Gefährdung auszusetzen. Ich hoffe, dass diese Position auch EU-weit durchgesetzt werden kann.
Herr Kollege Wörner hat bereits vorhin die Frage gestellt, inwieweit ein diesbezüglicher Tourismus möglich wäre. Ich werde auch aufgrund dieser Fragestunde diesem Problem meine besondere Aufmerksamkeit schenken.
Herr Minister Sinner, ich beziehe mich in der Zusatzfrage auf den Elisa-Test, der die ausreichende Erhitzung der Tiermehle überprüfen soll. Kann mit Hilfe dieses Tests die vollständige, als die für den Verbraucher und die Verbraucherin allein Sicherheit gewährleistende Inaktivierung der Prionen garantiert werden, und zwar vor dem Hintergrund, dass allein ein Erhitzen der Anlage auf die nötige Temperatur noch nicht garantiert, dass auch das Produkt, das Tiermehl, diese nötige Temperatur erreicht und außerdem mit der Erhitzung auf die vorgeschriebene Temperatur allein noch nicht garantiert ist, dass die Prionen auch vollständig deaktiviert sind?
Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Frau Kollegin Gote, das ist ein relativ kompliziertes Thema. Es gibt verschiedene Elisa-Tests. Bevor ich Ihnen jetzt aus dem Stegreif etwas sage, was dann nicht standhält, werde ich Ihnen diese Frage schriftlich und in aller Detailliertheit beantworten. Es macht keinen Sinn, jetzt aus dem Stegreif irgendetwas zu sagen, womit Sie nicht zufrieden sind und womit neue Missverständnisse erzeugt werden können.
Herr Staatsminister, welche Chancen sieht die Staatsregierung, über eine Strafanzeige die politisch Verantwortlichen wegen Untätigkeit doch noch zur Verantwortung ziehen zu können?
Zunächst einmal möchte ich Ihnen meinen herzlichen Glückwunsch zu Ihrem neuen Amt aussprechen. Nachdem Sie nicht näher darauf eingegangen sind, frage ich Sie, wie die Fette aus der Fettschmelze verarbeitet bzw. bearbeitet werden, um eine Sicherheit vor BSE-infiziertem Material zu gewährleisten. Ich frage Sie, ist davon auszugehen, dass bis heute ohne die notwendige Inaktivierung der Prionen Fette aus der Fettschmelze in die Lebensmittelverarbeitung sowie in die Kälbermilchaustauscher, in Kälber-Starter und in Mittel gegen Kälberdurchfall gelangen?
Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Ich verweise hier auf eine Aussage des Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin vom 29. Januar dieses Jahres. Darin wird davon ausgegangen, dass möglicherweise BSE-Risikomaterial, zum Beispiel Gehirn und Rückenmark, in der Speisefettproduktion verwendet worden ist. Um dies festzustellen, wurden fünf Länder aufgefordert zu prüfen, ob bis Ende September 2000 Gehirn und Rückenmark zur Fettherstellung verwendet wurden. Die Aufforderung erging an Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Baden-Württemberg und Bayern, wo es sechs Fettschmelzen gibt. Seit Oktober 2000 ist die Verwendung dieses Risikomaterials generell verboten. In der Speisefettherstellung durfte es auch zuvor nicht verwendet werden. Wir müssen die Ergebnisse der jetzt angelaufenen Untersuchung abwarten. Ich werde Ihnen darüber berichten. Wenn die Materialien nur bis auf 80 oder 100 Grad erhitzt wurden, reicht das natürlich nicht aus, um eventuell vorhandenes Risikomaterial sicher zu machen.
Herr Staatsminister, eine ganz praktische Frage: Wenn Tierfutter, Kälbermilchaustauscher und Kälber-Starter ver
seucht sind, möchte ich wissen, wie man sich den Weg vorstellen muss, auf dem die Bauern gewarnt werden. Es gab den Fall der Firma Deuka in Regensburg. Ich habe in der Oberpfalz einige Bauernveranstaltungen durchgeführt. Ich kenne in der Oberpfalz keinen einzigen Bauern – –
Hat die Firma Deuka mit diesen Milch-Austauschern die letzten Adressen der Glieder in der Abnahmekette, nämlich die der Bauern, oder bekommen die Genossenschaften die Information, um die Adressaten zu warnen? Ist es nicht auch die Aufgabe einer staatlichen Organisation, die Bauern zu warnen? Es geht hier schließlich um die Gesundheit der Menschen.
Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Ich bin bei der Beantwortung der ersten Fragen ausführlich darauf eingegangen, wie dieses Warnsystem läuft. Zunächst werden die Bauern und die Hersteller gewarnt. Wenn das nicht ausreicht, werden öffentliche Warnungen ausgesprochen. Dies war auch beim Fall der Firma „Deuka“ so. Ich möchte auf diese Ausführungen verweisen. Ich weiß nicht, ob Sie diese Fragestunde verfolgt haben. Dieses Thema war mehrfach Gegenstand von Fragen und Zusatzfragen. Sie sollten zunächst das Protokoll auswerten. Wenn sich daraus noch offene Fragen ergeben, können wir darauf noch eingehen.
Herr Staatsminister, was hat die Staatsregierung bislang unternommen, um herauszufinden, zu welchen Produkten die beanstandeten Fette bzw. Öle verarbeitet wurden?
Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Da muss man nicht so viel unternehmen. Ich habe vorhin das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin zitiert. Derartige Fette werden in der Lebensmittelindustrie unter anderem in Backglasuren, Weihnachtsstollen und Margarine eingesetzt. Zusätzlich besteht der Verdacht, dass Milchaustauscher zur Kälberaufzucht unter Verwendung von Lebensmittelfetten hergestellt wurden. Ich habe auf die Untersuchung, die jetzt anlaufen wird, hingewiesen. Wir werden die entsprechenden Ergebnisse vorlegen.
Wie werden gegenwärtig bei diesen genannten Produkten Untersuchungen durchgeführt? Wer macht sie und welche Konsequenzen werden gezogen, um die Risikoprodukte aus dem Markt zu nehmen?
Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Ich habe auf die laufende Untersuchung hingewiesen, von der ich vor kurzem erfahren habe. Ich kann Ihnen aus dem Stegreif nicht sagen, wer diese Untersuchung durchführt.
Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Es kann nicht ausgeschlossen werden. Bleiben wir einmal bei dieser Formulierung.
Herr Staatsminister, meine Frage schließt direkt an: Welche Initiativen wird die Staatsregierung ergreifen, um sicherzustellen, dass die noch nicht verarbeiteten problematischen Fette bzw. Öle sofort aus dem Verkehr gezogen werden?