Protokoll der Sitzung vom 10.10.2001

Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf der Drucksache 14/7494, das ist der Antrag der CSU-Fraktion, seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und Herr Kollege Hartenstein. Gibt es Gegenstimmen? – Ich sehe keine. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltung. Damit ist dieser Antrag angenommen.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf der Drucksache 14/7496, das ist der Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, in der geänderten Fassung seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und Herr Kollege Hartenstein. Gibt es Gegenstimmen? – Keine. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltung. Dann ist auch dieser Antrag angenommen.

Zur gemeinsamen Beratung rufe ich jetzt auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Maget, Dr. Scholz, Hoderlein und Fraktion (SPD)

Initiative Schienenverkehrstechnik Bayern (Druck- sache 14/7495)

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Christine Stahl, Dr. Dürr, Gote und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erhalt des ICE-Werkes Nürnberg (Drucksache 14/7503)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Der erste Redner ist Herr Kollege Dr. Scholz.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hoffe, dass die soeben in Gang gesetzte Abstimmungsmaschinerie auch bei diesem Antrag weiterläuft. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei diesen Dringlichkeitsanträgen geht es darum, der Schienenverkehrstechnik und den in diesem Bereich Beschäftigten eine Zukunft hinsichtlich der Entwicklungen und der Arbeitsplätze zu geben. Dabei geht es im Wesentlichen um die Ausbesserungswerke der Deutschen Bahn. Diese sind aber nur ein Teil des Themas „Schienenverkehrstechnik“. Wir müssen dieses Thema deshalb in einem größeren Zusammenhang sehen. Meine Damen und Herren, in der Schienenverkehrstechnik ist es fünf vor zwölf. In den vergangenen Jahren ging viel verloren. Ich erinnere nur an die Domäne, die die Stadt Donauwörth einmal im Wagonbau hatte. Davon ist nichts übrig geblieben.

Ich erinnere auch an die Reduzierungen, die es in München – nicht nur in Neuaubing – gegeben hat. Außerdem erinnere ich an das, was in Nürnberg in der Vergangenheit geschehen ist. In der Firma „Adtranz“, früher MAN, waren in der Schienenverkehrstechnik über hundert Jahre hinweg Tausende Menschen beschäftigt. Inzwischen ist davon nur noch ein kleiner Rest übrig geblie

ben. Auch die bisherigen Anstrengungen, diese Firma zu erhalten, wurden eingestellt. Die Industrie- und Handelskammer hat noch vor zwei Jahren erklärt, dass in der Region Nürnberg im Bereich „Verkehr und Logistik“ rund 63000 Menschen beschäftigt sind. Die Hälfte davon waren in der Zulieferungsbranche beschäftigt. Eine Säule dieser Verkehrstechnik ist die Schienenverkehrstechnik.

Kolleginnen und Kollegen, die Geschehnisse der Vergangenheit sind für die Entwicklung des nordbayerischen Raums äußerst bedenklich. Diese Entwicklung darf sich nicht fortsetzen. Die Ankündigung, das DBAusbesserungswerk zu schließen, ist nur die letzte Negativmeldung, aber, wie ich soeben ausgeführt habe, beileibe nicht die einzige. Die Überprüfung, die der Freistaat Bayern mit der DB AG und der Bundeskanzler mit Herrn Mehdorn vereinbart haben, ist ein positives Signal für München-Neuaubing, weil dort die Elektronik erhalten bleibt. Diese Überprüfung ist jedoch keine Garantie dafür, dass auch für den Standort Nürnberg eine positive Entscheidung getroffen wird.

Dem Standort Nürnberg wird von der DB AG und dem Berger-Gutachten vorgeworfen, dass dort nicht der nötige Background, also die nötige Kompetenz, vorhanden sei. Die Staatsregierung hat für die gebeutelte Region ein Zwölf-Punkte-Programm aufgelegt, in dem unter anderem die Schaffung eines Lehrstuhls für Verkehrsplanung, Verkehrstechnik und Verkehrsabwicklung gefordert wird. Daraus ist jedoch nichts geworden. Unser Antrag, wonach die Betriebe der Region mit den Universitäten zusammenarbeiten sollten, um neue Projekte zu erarbeiten und um eine Bündelung der Kompetenz zu erreichen, wurde von der CSU abgelehnt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine weitere Studie zum Thema „Schienenverkehrstechnik“, die das Wirtschaftsministerium in Auftrag gegeben hat, weist angeblich auf Defizite beim Ausbesserungswerk in Nürnberg hin und warnt vor einer möglichen Gefährdung. Diese Studie hat Herr Dr. Wiesheu, trotz mehrfacher Aufforderung, noch nicht herausgegeben. Ich halte es nicht für der Weisheit letzten Schluss, wenn solche Aktivitäten immer dann unternommen werden, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Was ist zu tun? Ich meine, dass wir hier Einfluss nehmen können. Der Landtag und die Staatsregierung müssen die Schienenverkehrstechnik als eine Zukunftsbranche ansehen, die nicht nur von den Vorhaben der Deutschen Bahn AG lebt, sondern auch von den Vorhaben in Deutschland, in Europa und weltweit. Diese Zukunft braucht natürlich ein entsprechendes Konzept und eine entsprechende Planung.

Ich möchte auf das Land Nordrhein-Westfalen verweisen, das bereits im Jahre 1996 eine „Initiative Bahntechnik“ gestartet hat. Dort wird die Bahntechnik als Zukunftsbranche verstanden. Mit dieser Initiative wird in Nordrhein-Westfalen die Wettbewerbsfähigkeit der in der Bahntechnik Beschäftigten gestärkt, insbesondere die Wettbewerbsfähigkeit der kleinen und mittleren Unternehmen. In Nordrhein-Westfalen wird diese Initiative als Plattform zur Stärkung des Gesamtsystems „Schiene“ verstanden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine solche Initiative brauchen wir auch in Bayern. Wir müssen diese Aufgabe in Angriff nehmen. Wir brauchen eine Kommunikation, Kooperation und Vernetzung der Hersteller, der Anwender, der Systemhäuser, der Zulieferer, der Wissenschaft sowie der Unternehmer und der Politiker. Die Förderung innovativer Techniken und Entwicklungen rund um den Schienenverkehr ist notwendig. Dieses Thema muss in den Fokus gerückt werden.

Was wir brauchen, sind auch eine individuelle Hilfe und Beratung der Unternehmen, und zwar nicht erst dann, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist.

Wir brauchen die Unterstützung der Unternehmen bei der Erschließung von Auslandsmärkten, d. h. wir brauchen Verbundforschung und Verbundmarketing, wie wir das in anderen Bereichen – ich nenne nur die Medizintechnik und bestimmte Bereiche der Life-sciences- und IT-Techniken – auf die Beine gestellt haben.

Die Erhaltung und die Zukunft des Ausbesserungswerks in Nürnberg sind der erste, vordringlichste Meilenstein. Aber – da komme ich auf den Antrag der GRÜNEN zu sprechen, auch kurz darauf, dass Minister Wiesheu in Nürnberg vor den Mitarbeitern des DB-Ausbesserungswerks gesprochen hat – der Minister hat dort bereits in Aussicht gestellt, dafür 40 Millionen DM in die Hand zu nehmen, um im Zusammenhang damit Strukturmaßnahmen zu finanzieren.

Es ist aber nicht nur wichtig, zu sagen, dass man Geld in die Hand nehme, sondern es ist auch ein Konzept darüber notwendig, wofür das Geld sein soll und wie es dann weitergehen soll. Dieses Konzept wollen wir mit unserem Antrag erreichen.

Deshalb beantragen wir das in drei Punkten.

In dem Punkt über das DB-Ausbesserungswerk sagen wir, dass wir über die Vereinbarung mit der DB AG hinaus bezüglich Retrofit – Aufwertung von Schienenverkehrseinrichtungen – und bezüglich Wartung und Instandhaltung, die ebenso ein großes Sicherheitsthema darstellen, etwas tun wollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie deshalb um Zustimmung zu diesem Konzept und diesem Antrag. Das bisherige konzeptionslose Nachhecheln darf so nicht weitergehen, wenn wir etwas für die Arbeitsplätze in diesem Bereich tun wollen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Kollege Dr. Runge.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns zuletzt am 12. Juli im Plenum ausführlich mit der Problematik der Stilllegungsvorhaben der Werke der schweren Instandsetzung und der Ausbesserungswerke auseinander gesetzt. In der Einschätzung und den Forderungen waren wir uns quer durch die Fraktionen weitgehend einig.

Was die Schienenverkehrstechnik generell anlangt, staunen und zweifeln wir alle gleichermaßen. Wir thematisieren das auch immer wieder, vor allem im Ausschuss. Auf der einen Seite müssen wir uns mit angekündigten oder realisierten Werksschließungen auseinander setzen. Ich denke beispielsweise auch an Adtranz in Nürnberg, wo die Begründung gegeben wurde, die Kapazitäten seien bei weitem nicht ausgelastet. Aber nur einen oder zwei Tagesordnungspunkte später wurden wir damit befasst, dass beispielsweise Triebwagen verliehen werden müssten und daher nicht rechtzeitig nach München kommen könnten, und es hieß, dass die für Niedersachsen bestellten Wagen noch nicht da seien. Hier liegt, so denke ich, so einiges im Argen. Daran muss noch sehr viel gearbeitet werden.

Wir sind uns alle auch darüber einig, dass die Verkehrsleistungen, die die Bahn in der Zukunft erbringen soll, stark ansteigen sollen. Das betrifft vor allem den Güterverkehr, aber auch den Personenverkehr. Deswegen halten wir es für sehr, sehr wichtig, dass in die Verkehrstechnik investiert wird. Sie muss gestärkt werden.

Der Antrag der SPD findet selbstverständlich unserer Zustimmung, wenngleich er in manchen Punkten durchaus noch etwas konkreter hätte sein dürfen.

Wir haben einen eigenen Antrag, der für den Ausschuss vorgesehen war, dazugezogen. Da geht es um den Erhalt des ICE-Werks in Nürnberg. Die Staatsregierung wollen wir damit auffordern, zum Erhalt des Werkes beizutragen, indem in den nächsten drei Jahren insgesamt 60 Millionen DM zur Verfügung gestellt werden. Der Freistaat Bayern hatte hierzu schon zugesagt.

Die Kollegin Stahl hat sich angehört, wie Herr Wiesheu seine Versprechungen gemacht hat, seinen Beitrag zum Erhalt des Werks und damit zum Erhalt von Arbeitsplätzen leisten zu wollen. Dazu reicht ein Alternativgutachten nicht aus, sondern es müssen tatsächlich Mittel auch für andere Dinge bereitgestellt werden.

Der Wartungs- und Instandhaltungsbedarf besteht hier nicht nur für den Raum Süddeutschland – das wissen wir alle, darüber haben wir am 12. Juli diskutiert –, sondern für ganz Deutschland. Andernorts müssten die gleichen Kapazitäten erst mit einem sehr, sehr hohen Aufwand aufgebaut werden.

Deswegen bitte ich auch hier um Unterstützung unseres Antrags. Wir meinen, den Worten sollten hier Taten folgen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Kollege Dinglreiter.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zunächst zum Antrag über innovative Verkehrstechnik in Bayern. Wir haben überall im Bereich der Wirtschaft aus eigenem Antrieb selbst Innovationen. Bei der Bahn sind diese nicht ausreichend.

Das Problem ist: Wenn die Bahn den Wettbewerb verhindert, verhindert sie letztlich auch die Innovation. Denn Wettbewerb schafft Innovation. Die Bahnindustrie hat heute nur einen Auftraggeber, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Dieser eine Auftraggeber bestellt nicht kontinuierlich, sondern wie er gerade Lust und Laune hat. Das lässt es einfach nicht zu, dass sich die Dinge vernünftig entwickeln.

Wenn wir hier mit staatlichen Maßnahmen in den Bereich der Innovationen hineingehen, dann schaffen wir Krücken für eine Industrie, die eigentlich auch selber laufen könnte, wenn wir die richtigen Rahmenbedingungen setzen. Richtige Rahmenbedingungen – das bedeutet: Wir müssen Wettbewerb auf der Schiene schaffen.

Darüber hinaus müssen wir sagen, dass die Staatsregierung viel tut – der Wirtschaftsminister hat es immer wieder dargestellt –, Nürnberg als Standort für Bahntechnik, als Kompetenzzentrum für diesen Bereich zu fördern und zu unterstützen. Ich will es mir versagen, hierauf näher einzudingen, weil das möglicherweise der Staatssekretär noch tun wird.

Was den Kernbereich dieses Antrags betrifft, haben wir am 12. Juli 2001, also vor noch nicht allzu langer Zeit, einen Beschluss im Bayerischen Landtag gefasst, der die wesentlichen Teile des heute vorgelegten Dringlichkeitsantrags enthält. Aus diesem Grund sehen wir keine Notwendigkeit, noch einmal zu beschließen, was wir am 12. Juli bereits beschlossen haben.

Nun zu dem Antrag der GRÜNEN. Auch durch Vermittlung des Staatsministers Dr. Wiesheu ist vereinbart worden, dass auf der Grundlage des Stilllegungsbeschlusses noch einmal eine ergebnisoffene Überprüfung durch Einschaltung eines Gutachters vorgenommen werden soll. Dieser Beschluss steht bis heute. Der Gutachter arbeitet bereits.

Staatsminister Wiesheu hat die Förderbereitschaft erklärt. Dem stimmen wir zu. Aber wir können uns nicht dazu bereit erklären, schon jetzt von vornherein, obwohl das Ergebnis noch nicht feststeht, zu sagen: Wir werden uns mit 60 Millionen DM beteiligen. Wenn wir das nämlich tun, werden wir erpressbar. Dann wird die Bahn morgen oder übermorgen da oder dort eine Stilllegung vornehmen und von uns verlangen, dass wir unterstützend einspringen, wie wir es z.B. bei der ICE/Interregio-Strecke Regensburg – Hof gemacht haben.

Wenn es eine Förderungszusage gibt, müssen wir fördern, soweit es notwendig ist. Der Freistaat Bayern muss dann zusätzlich etwas unternehmen. Das wird auch bei dem Gutachten so herauskommen. Aber es darf keine Festlegung des Betrages im Voraus geben. Aus diesem Grund lehnen wir den Antrag ab.

(Beifall bei der CSU)

Das Wort hat Herr Dr. Scholz. Er hat noch zwei Minuten Redezeit.

Herr Kollege Dinglreiter, ich verstehe Sie wirklich nicht. Herr Wiesheu hat bereits selber Beträge genannt. Es ist ja nicht so, als sollte die Bahn diese Millionen kriegen. Bei den Millionen soll es sich um Investitionen in dem betreffenden Gebiet handeln.

Es handelt sich im Übrigen um europäisches Fördergebiet.

Insofern sind die Wettbewerbsgesichtspunkte anders zu sehen. Das war das Erste. Zum Zweiten: Aufzuzählen, was Herr Wiesheu schon gemacht hat und mit dieser Begründung den Antrag abzulehnen, ist eine Versündigung an der Zukunft der Schienenverkehrstechnik in Bayern und insbesondere in unserer Region. Begründungen für die Ablehnung habt ihr nicht geliefert.

(Beifall bei der SPD)

Herr Staatssekretär Spitzner hat um das Wort gebeten. Herr Staatssekretär, bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In aller Kürze. Lieber Kollege Scholz, ich glaube, wir brauchen uns nicht aufzuregen. Wir alle haben das gleiche Ziel, nämlich das Ausbesserungswerk in Nürnberg zu erhalten. Dafür hat es – das ist schon gesagt worden – eine Koalition im Landtag gegeben, aber auch draußen im Lande. Tatsache ist auch, dass sich Minister Dr. Wiesheu auch bei diesem Thema – das haben Sie dankenswerterweise anerkannt – äußerst engagiert hat. Wir konnten erreichen, dass der Stilllegungsbeschluss noch einmal überprüft wird – das war unser gemeinsamer Erfolg. Ich habe heute von dem Betriebsrat vor Ort, Herrn Weiß, ein Schreiben bekommen – ich darf zitieren: