Protokoll der Sitzung vom 10.10.2001

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In aller Kürze. Lieber Kollege Scholz, ich glaube, wir brauchen uns nicht aufzuregen. Wir alle haben das gleiche Ziel, nämlich das Ausbesserungswerk in Nürnberg zu erhalten. Dafür hat es – das ist schon gesagt worden – eine Koalition im Landtag gegeben, aber auch draußen im Lande. Tatsache ist auch, dass sich Minister Dr. Wiesheu auch bei diesem Thema – das haben Sie dankenswerterweise anerkannt – äußerst engagiert hat. Wir konnten erreichen, dass der Stilllegungsbeschluss noch einmal überprüft wird – das war unser gemeinsamer Erfolg. Ich habe heute von dem Betriebsrat vor Ort, Herrn Weiß, ein Schreiben bekommen – ich darf zitieren:

Sehr geehrter Herr Spitzner, vielen Dank für Ihre bisherige aktive Unterstützung im Kampf für den Erhalt unseres Werkes und damit der Arbeitsplätze in Nürnberg.

Ich zitiere aus dem Mittelteil des Briefes:

Wir stellen vor Ort fest, dass man von Seiten der DB AG nach wie vor bestrebt ist, den Schließungsbeschluss umzusetzen und augenscheinlich wenig Interesse hat, diesen eventuell ändern oder zurücknehmen zu müssen.

Mich stimmt dies sehr nachdenklich. Deshalb sollte zunächst aus strategischen Gründen – Kollege Dinglreiter hat hier völlig Recht – unser Ziel sein, und dafür sollten wir alles tun, damit der Stilllegungsbeschluss zurückgenommen wird. Dies müssen wir in der gemeinsamen konzertierten Aktion erreichen. Es wäre völlig falsch, in unseren gemeinsamen Bemühungen auf halbem Wege stehen zu bleiben. Wir müssen jetzt weitermarschieren.

(Dr. Scholz (SPD): Die brauchen eine Zukunftsperspektive!)

Herr Kollege Scholz, Minister Dr. Wiesheu hat dem Gutachter klar und deutlich signalisiert, dass man von Seiten Bayerns bereit sei, Geld in die Hand zu nehmen und

etwas zu tun. Jetzt ist zunächst der Bund gefordert. Es wäre äußerst positiv, wenn der Bund und die Bahn zu dem Entschluss kommen würden, dieses Werk aufrechtzuerhalten. Dann könnten wir die Gelder, die wir vielleicht für die Erhaltung einstellen, additiv ausgeben für die Zielsetzungen, die Sie angesprochen haben.

Es geht um eine gemeinsame konzertierte Aktion. Ich bitte Sie, aus strategischen Gründen jetzt nicht den dritten oder vierten Schritt vor dem ersten zu machen. Jetzt geht es um das Nahziel, nämlich die Aufhebung des Stilllegungsbeschlusses zu erreichen. Dann werden wir das Gutachten von Dr. Gold prüfen. Er wird sicherlich konkrete Vorschläge machen. Wir werden auch die Bahn auffordern, dazu etwas zu sagen.

Ich sage nochmals: An uns wird es nicht scheitern. Wir sollten aber jetzt nicht die falschen Schlachten schlagen, sondern die entsprechenden Entscheidungen treffen. – Bitte schön.

Herr Staatssekretär Spitzner, sind Sie der Meinung, dass es für die Durchsetzung dieser Überlegungen notwendig wäre, nicht nur zu sagen, dass Geld ausgegeben werde, sondern ein Konzept zu erstellen, das sagt, wie es in der Zukunft weitergehen soll. Dieses Konzept muss mehr sein als nur auf die Bahn zu schielen.

Zunächst ist die Bahn gefordert. Ich glaube, Herr Kollege Scholz, wir beide sind uns einig, dass die Argumente der Bahn und die des Berger-Gutachtens nicht zutreffen. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass bei den Mitarbeitern unwahrscheinlich großes Know-how vorhanden ist. Ich will die einzelnen Argumente nicht aufzählen, denn wir sind uns einig. Wir beide sind überzeugt, dass unsere gemeinsamen Argumente so gut sind, und wir deshalb die Bahn nicht einfach aus der Verantwortung entlassen dürfen.

Wir müssen natürlich konkret – mittelfristig und jetzt – entsprechende Konzepte erarbeiten. Ich darf auf ein Weiteres hinweisen: Wir sind derzeit nicht nur wegen des Ausbesserungswerks in Neuaubing oder wegen Nürnberg mit der Bahn im Gespräch, sondern wir stehen insgesamt mit der Bahn wegen eines Vertrags für die nächsten Jahre in Verhandlung. Sie wissen, dass Minister Dr. Wiesheu bestrebt ist, möglichst viele Vergünstigungen herauszuholen. Das sind strategische Überlegungen. Kollege Dinglreiter hat sie angedeutet.

(Dr. Scholz (SPD): Dann stimmt doch zu!)

Das wird zu gegebener Zeit – in den nächsten Wochen und Monaten –, wenn die Beschlüsse der Bahn vorliegen, geschehen. Ich sage noch einmal: Wir dürfen es der Bahn und dem Bund nicht erlauben, sich einfach zurückzuziehen. In dieser Meinung hat mich gerade auch das Schreiben des Betriebsrates bestätigt.

(Beifall bei der CSU)

Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 14/7495 – das ist der Antrag der Fraktion der SPD – seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der CSU. Stimmenthaltungen? – Keine. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 14/7503 – das ist der Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN – seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gibt es Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der CSU. Stimmenthaltungen? – Keine. Dann ist auch dieser Antrag abgelehnt.

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Dinglreiter und anderer und Fraktion (CSU)

Sonderprogramm „Verkehrsprojekte europäische Einheit“ (Drucksache 14/7497)

Ich eröffne die Aussprache. Wortmeldungen von Seiten der CSU? – Herr Kollege Dinglreiter.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Verkehrsprojekte, die sich im Zusammenhang mit der Erweiterung der Europäischen Union nach Osten ergeben, sind Not leidend. Wir wissen, dass die Verkehre im Ost-West-Bereich auf den Transitachsen um bis zu 160% anwachsen werden. Aber wir sind nicht ausreichend dafür gerüstet.

Wir beklagen, dass die Europäische Union bei der Süderweiterung einen hohen Milliardenbetrag – insgesamt 4 Milliarden Euro – für die Erweiterung der Infrastruktur zur Verfügung gestellt hat und dass sie nur einen Bruchteil dessen für die ganze Erweiterung von der Ostseeküste bis zur Adria zur Verfügung stellen will. Das ist nicht richtig.

Wenn es der Bundesregierung nicht gelingt, über einen eigenen Kommissar, den wir dafür haben, ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt zu bekommen, müssen wir fordern, dass der Bund selbst ein Verkehrsprojekt europäische Einheit auflegt analog zum Verkehrsprojekt deutsche Einheit, damit wir im Zuge der Erweiterung ausreichend gerüstet sind, die entstehenden Verkehre abgewickelt werden können und nicht ganze Regionen im Verkehr ersticken, was ganz erhebliche negative Auswirkungen für die Bevölkerung hätte.

Sowohl die Straßen, die Schienenverbindungen wie auch die Wasserstraßen sind angemessen auszubauen, damit wir den Anforderungen der Osterweiterung gerecht werden. Ich bitte um Zustimmung.

(Beifall bei der CSU)

Das Wort, aber nur ein kurzes Wort, hat Herr Kollege Schläger, weil ihm nur noch eine Minute zur Verfügung steht.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die EU-Kommission hat vor wenigen Tagen beschlossen, welche Ost-West-Verbindungen in die transeuropäischen Netze aufgenommen werden. Sie hat signalisiert, dass dafür bis zu 20% Zuschüsse gezahlt werden. Wegen der Kürze der Zeit zähle ich die einzelnen Projekte nicht auf.

Die Bayerische Staatsregierung wäre gut beraten, wenn sie ihr Staatsstraßenprogramm entsprechend einteilen würde. Dafür stehen seit Jahren EU-Mittel zur Verfügung und können nicht abgerufen werden, weil der bayerische Staat in seinem Haushalt die Mittel nicht zur Verfügung gestellt hat.

(Beifall des Abgeordneten Odenbach (SPD))

Insofern ist dieser Antrag insofern scheinheilig. Schon lange hätte hier etwas getan werden können. Diese Staatsmittel werden jetzt langsam aber sicher angehoben.

Mit der Süderweiterung kann man das überhaupt nicht vergleichen. Damals hat es die europäischen Strukturfonds überhaupt noch nicht gegeben. Wir können diesem Antrag deshalb nicht zustimmen.

(Prof. Dr. Stockinger (CSU): Das ist aber schade!)

Das Wort hat die Frau Kollegin Gote.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie haben hier wiederholt darauf hingewiesen, dass die EU-Kommission für die Erweiterung und insbesondere für die Grenzregionen, die an die neuen zukünftigen EU-Mitgliedstaaten grenzen, nicht genug Geld zur Verfügung stellen würde. Sie haben wiederholt darauf hingewiesen, auch im Ausschuss, dass bei der Süderweiterung 4 Milliarden DM an Förderung gezahlt worden seien. Kollege Schläger hat, obwohl er wenig Zeit hatte, richtig darauf hingewiesen, dass man in diesem Fall nicht Äpfel mit Birnen vergleichen kann. Zur Zeit der Süderweiterung hat es die Strukturfonds noch nicht gegeben. Deshalb kann man das, was jetzt an Grenzförderungsprogrammen aufgelegt wurde, im Umfang nicht damit vergleichen.

Wir haben mittels der Strukturfonds und vor allen Dingen mit der Weichenstellung, die in der Agenda 2000 vorgenommen wurde, sehr wohl eine Vorbereitung auf die EUErweiterung getroffen. Es hat eine Konzentration der Mittel für die Grenzregionen gegeben. Wie diese Mittel unter den Bundesländer aufgeteilt werden und was gefördert wird, das ist Verhandlungssache zwischen Bund und Ländern. Das wissen Sie genau so gut wie ich.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Willi Müller?

Vielleicht später, wenn ich mit meinen Ausführungen weiter gekommen bin.

Sie fordern hier mehr Geld von der Europäischen Union für die Grenzregionen; nicht nur Bayern hat Grenzregionen. Darüber müssen Sie sich klar werden. Brandenburg hat eine sehr lange Grenze zu Polen. Sie wissen so gut wie ich, dass dort noch sehr viel mehr Förderung nötig wäre als in den bayerischen Grenzregionen.

(Willi Müller (CSU): Ein Großteil der Mittel geht in die neuen Bundesländer!)

Das ist richtig. Ich finde, das ist gut so, dass ein Großteil der Mittel in die neuen Bundesländer fließt. Dort werden die Mittel viel mehr gebraucht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie eine Erhöhung dieser Mittel fordern, dann muss Ihnen klar sein, dass Sie damit gleichzeitig fordern, dass Deutschland in diesem Fall auch mehr Beiträge an die Europäische Union zahlen muss. Das widerspricht wiederum Ihrem Gejammer über die Nettobeitragszahlungen der Bundesrepublik Deutschland.

Sie führen die Debatte unehrlich. Wenn es mehr Geld gäbe, dann würde in den bayerischen Grenzregionen nach den geltenden Kriterien auch nicht viel mehr ankommen. Es wäre auch gar nicht richtig, auf diesem Weg weiter zu fördern. Sie haben hier einen Antrag gestellt, der sich ausdrücklich auf die Infrastrukturpolitik bezieht. Ich verstehe diesen Antrag so, dass er sich auf die Verkehrspolitik stützt. Sie fordern ein Sonderprogramm Verkehrsprojekte europäische Einheit. Verkehrsprojekte sind aber nicht die ausschließliche Aufgabe von Strukturförderung. Deshalb ist es gut, dass wir dafür andere Programme haben.

Die Europäische Kommission hat im September noch ihr Weißbuch zur europäischen Verkehrspolitik vorgelegt. Sie nimmt in diesem Weißbuch sehr wichtige Weichenstellungen vor. Damit sollen in der Vergangenheit gemachte Fehler, zum Beispiel bei der Süderweiterung, nicht wiederholt werden. Es soll nicht unsinnigerweise in Infrastrukturprojekte, zum Beispiel Autobahnen, investiert werden, die nachher weder gebraucht werden, noch sinnvoll angelegt sind.

In dem Weißbuch Europäische Verkehrspolitik schlägt die Europäische Kommission einen Aktionsplan vor, durch den Qualität und Leistungsfähigkeit des Verkehrs in Europa wesentlich verbessert werden sollen. Sie gibt darüber hinaus die Mittel an die Hand, um die ständige Verkehrszunahme und das Wirtschaftswachstum – das ist wichtig, Kolleginnen und Kollegen – zu entkoppeln und um den Druck auf die Umwelt sowie die Verkehrsüberlastung abzubauen, ohne die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union zu beeinträchtigen.

Maßnahmen, die dazu vorgeschlagen werden, sind unter anderem ein auf Dauer tragbares Verkehrssystem zu entwickeln. Die Vereinbarkeit des europäischen Ver

kehrs mit dem Umweltschutz muss eine Priorität sein. Ich bin froh, dass das zum ersten Mal von der Europäischen Union in dieser Deutlichkeit festgehalten worden ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)