Protokoll der Sitzung vom 14.11.2001

Begutachtung innerhalb von 14 Tagen jegliche Zweifel ausräumen. Das ist nicht nachvollziehbar.

Weitere technische Mängel kennen wir selbstverständlich. Da gehen Kugeln aus Kugellagern verloren; da gab es in den neunziger Jahren gebrochene Tellerfedern im Atomkraftwerk. Es wäre angezeigt, eine umfangreiche, tief gehende und fachlich-materielle technische Sicherheitsüberprüfung durchzuführen. Genau deswegen stellen wir unseren Antrag.

Es sind auch die Fragen zu stellen: Wie wurden der Austausch dieser Leitungen und die Reparatur überprüft? Welche Rohre wurden ausgetauscht? Sind weitere Risse nach 1993 aufgetreten? Wurden sämtliche Unterlagen auf ihre Korrektheit hin überprüft, oder gab es tatsächlich Manipulationen, Mängel, Zurückhaltung oder Fälschung von Unterlagen? Letztlich steht auch die Frage im Raum, wie der TÜV die Überprüfung durchführt, mit eigenen Mitarbeitern, mit Mitarbeitern des Betreibers, mit einer Vier-Augen- oder Sechs-Augen-Kontrolle? All diese Überprüfungen sind intensiv und unabhängig zu führen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Angesichts der erhobenen Vorwürfe, die auch durch verschiedene Aussagen und Beteiligungsänderungen nicht entschärft wurden, fordern wir eine erneute Sicherheitsüberprüfung sowohl fachlich-technischer Art als auch der innerbetrieblichen Organisationsabläufe.

Wir meinen, es ist sowohl die Einflussnahme der Betreiber auf den TÜV und dessen Unabhängigkeit als auch die Organisation in der Atomaufsichtsbehörde dahingehend zu überprüfen, warum so viele Vorfälle erst relativ spät oder verzögert ans Licht kommen. Heute haben wir festgestellt, dass Abläufe bezüglich der Füllstandshöhe und der Bohrkonzentration im Atomkraftwerk Isar II der Atomaufsichtsbehörde erst mit drei Jahren Verspätung mitgeteilt wurden.

Im zweiten Antrag fordern wir, den Bericht der Firma Colenco zur Verfügung zu stellen. Ich hoffe, dass auch Ihnen das Begehren Sicherheit in den Atomkraftwerken ein echtes und ehrliches Anliegen ist und dass Sie unseren Anträgen zustimmen; denn es geht nicht, dass man zwar von Sicherheitskultur spricht, aber gleichzeitig die notwendigen Überprüfungen von einer Firma durchführen lässt, deren Unabhängigkeit in verschiedenen Beziehungen – sowohl bezüglich der Auftraggeber als auch des Personals und der Beteiligungen – nicht gegeben ist. In diesem Sinne fordere ich im Interesse der Sicherheit für die bayerische Bevölkerung, unseren Anträgen zuzustimmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Bevor ich Herrn Kollegen Hofmann das Wort erteile, darf ich den Stellvertretenden Vorsitzenden des Sozial- und Gesundheitsausschusses des ungarischen Parlaments, Herrn Dr. András Csaski, und den früheren

Generalkonsul der Republik Ungarn, Herrn Rögesz, herzlich willkommen heißen.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Kollege Hofmann, bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Frau Kollegin Paulig, erstens müssten Sie spätestens in der letzten Diskussion des Umweltausschusses zur Kenntnis genommen haben, dass es für die CSU im Bayerischen Landtag immer ein echtes und ehrliches Anliegen ist, wenn es darum geht, die Sicherheit bayerischer Kernkraftwerke nachzuweisen, und im Fall, dass dieses nicht möglich ist, die Aufsichtbehörde so einschreiten zu lassen, dass dadurch das Sicherheitsbedürfnis der bayerischen Bevölkerung nicht beeinträchtigt ist.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Zweitens gibt es im Bayerischen Landtag und in seinen Ausschüssen ein großes Problem. Denn wir stimmen im Bayerischen Landtag in den Ausschüssen Anträgen der SPD und der GRÜNEN zu, wenn es darum geht, dass der Umweltminister zu gegebener Zeit über die notwendigen Sicherheitselemente in den bayerischen Kernkraftwerken umfassend Bericht erstattet. Aber gleichzeitig wird im Bayerischen Landtag mit Dringlichkeitsanträgen der Eindruck erweckt, dass es erstens nicht korrekt gemacht würde. Zweitens wird das Ergebnis einer solchen intensiven Beratung vorweg genommen, indem man erklärt, es würde nicht ergebnisoffen überprüft, es gebe Firmen, wie etwa Colenco, die, wie Frau Paulig erklärte, über viele Wege mit der Atomenergie verknüpft sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wird außer Acht gelassen, dass im Bayerischen Landtag heute Vormittag aufgrund der Fragestunde der Umweltminister in diesem Zusammenhang auf alle relevanten Fragen umfassend einging und in seinen Antworten darauf hinwies, dass unbeschadet unterschiedlicher Haltungen zur friedlichen Nutzung der Kernenergie der Bundesumweltminister bzw. das Bundesumweltministerium umfassend informiert sind und dass seitens des Umweltministeriums in diesem Zusammenhang nicht nur keinerlei Beanstandungen an die bayerischen Behörden gerichtet wurden, sondern dass im Gegenteil auch im Nachhinein nichts kritisiert wurde.

Die Firma Colenco ist, soweit ich das in vorhandenen schriftlichen Lektüren und im Internet nachvollziehen konnte, ein unabhängig vom jetzigen Besitzstand international renommiertes Unternehmen, das in vielen Bereichen kerntechnischer Fragen berät und Empfehlungen ausarbeitet.

Frau Kollegin Paulig, Sie sagen, die Firma rühme sich im Internet, in Tschechien den Betreibern von Temelin beraten zu haben. Ich verstehe nicht, weshalb man „rühmt sich“ formuliert; denn es ist einfach festgestellt worden, dass sie den Betreiber beraten hat, und dies in der Ver

gangenheit offensichtlich nicht ganz falsch, sonst könnte der EU-Kommissar und SPD-Abgeordnete Verheugen im Zusammenhang mit Temelin in der „Passauer Neuen Presse“ am 22.10.2001 nicht erklärt haben, alle Sicherheitsbedenken seien ausgeräumt.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Kellner?

Ja, bitte schön.

Herr Kollege Hofmann, ist es aus Ihrer Sicht eine vertrauensbildende Maßnahme, wenn hier ein Gutachter zur Sicherheitsüberprüfung eingesetzt wird, der vor Jahren in Baden-Württemberg dadurch auffiel, dass er das Ministerium falsch informiert hat?

Herr Kollege.

Frau Kollegin Kellner, wir werden am 6. Dezember diesen Fragenkomplex miteinander sehr umfassend diskutieren. Herr Staatsminister Dr. Schnappauf ist heute bereits darauf eingegangen. Sie sollten korrekterweise und seriöserweise dazusagen – die Zuhörer sind nun leider nicht mehr da –, dass der Beschuldigte diese Vorhaltungen überzeugend hat zurückweisen können. Wir werden darauf im Einzelnen noch zu sprechen kommen.

Es ist für uns ein großes Problem und eine Schwierigkeit, diesen gesamten umfassenden Fragenkomplex so zu diskutieren, dass sich am Ende keine neuen Fragestellungen ergeben. Die Politik der rot-grünen Bundesregierung – auch die der bayerischen SPD und der GRÜNEN – trägt sehr schnell dazu bei, dass eigenständige Unternehmen in Bezug auf die Wissenschaft und Forschung mit dem Ergebnis vernachlässigt werden, dass deutsche bzw. bayerische Ingenieure möglicherweise nicht mehr die Kompetenz haben, die notwendig wäre, um in diesen Fragen das entscheidende Know-how zu bieten. Wir werden sehr schnell feststellen, dass in den nächsten Jahren in unseren Ingenieurwesen ein enormer Kompetenzbedarf notwendig ist, wenn es darum geht, die weitere Nutzung der Kernenergie, die auch von Ihnen über die nächsten 20 Jahren gewollt ist, so zu begleiten, dass die Beamten der Aufsichtsbehörden, aber auch unabhängige Ingenieurbüros über die notwendige Kompetenz verfügen, um fachkundigen Betreibern vom Wissen her mit Waffengleichheit gegenüber treten zu können.

Frau Kollegin Paulig, Frau Kollegin Kellner, Sie hätten ehrlicherweise und seriöserweise hinzufügen sollen, dass nicht nur ein zuständiger Ingenieur der Firma Colenco im Atomkraftwerk Isar I anwesend war, um Untersuchungen vorzunehmen und Feststellungen zu treffen, sondern dass er von zuständigen Herren der Aufsichtsbehörde, des Bayerischen Umweltministeriums, begleitet wurde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie können nicht den Eindruck erwecken wollen, der bayerischen CSU, Umweltminister Dr. Schnappauf oder seinen Beamten sei die Sicherheit bayerischer Kernkraftwerke ein geringeres Herzensanliegen als möglicherweise das Ihrige. Das kann wohl nicht sein. Ich habe im Umweltausschuss des Bayerischen Landtags mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass wir als CSU an diese Aufgaben nicht nur ergebnisoffen herangehen, sondern gnadenlose Kontrollen erwarten und einfordern, gerade weil wir als CSU zu den Befürwortern der friedlichen Nutzung der Kernenergie gehören. Leider bringt davon die Presse nichts, weil sie sagt, durch die Aktionseinheit mit der CSU werde nicht diese, sondern der Minister zitiert mit dem Ergebnis, dass die Bevölkerung nicht weiß, was die CSU zu diesem Thema sagt; aber das ist eine andere Frage.

Aus dieser Kontrolle begründen wir unsere hohe Sicherheitsphilosophie, die Werner Schnappauf als Minister dankenswerterweise nicht nur heute, sondern auch in der damaligen Umweltausschusssitzung in überzeugender Weise dargestellt hat.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Überzeugend?)

Herr Dürr, dass Sie davon keine Ahnung haben, wissen wir alle miteinander; deshalb sollten Sie auch den Mund halten!

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zum Antrag der GRÜNEN auf der Drucksache 14/7901. Dort wird verlangt, dass bei den entsprechenden Untersuchungen eine hinreichende Unabhängigkeit gewährleistet werden soll. Ich stelle fest:

Erstens. Durch die Begutachtung seitens eines beauftragten Unternehmens, das international renommiert ist und an dem der Bundesumweltminister keinen Anstoß genommen hat, aber auch durch Überprüfungen seitens der Aufsichtsbehörde ist eine hinreichende Unabhängigkeit gewährleistet.

Zweitens. Eine Interessenkollision, die die Sicherheit der Kernkraftwerke in Bayern infrage stellt, ist für mich nicht erkenntlich.

Drittens. Der Argwohn, dass Aufsichtsbehörden mit Gutachtern und Betreibern kungeln, wurde auch heute nicht überzeugend begründet. Das ist im Grunde genommen immer wieder die alte Leier, um die Akzeptanz der friedlichen Nutzung der Kernenergie in der Bevölkerung infrage zu stellen. Dass der Bundesumweltminister umfassend informiert worden ist, haben wir heute mehrmals feststellen können. Es wurde betont, dass im Nachhinein keine Zweifel vorhanden sind.

Alles andere, was Sie, Frau Kollegin Paulig, in diesem Zusammenhang hier dargestellt haben, ist im Grunde genommen abzuhaken und unter die Rubrik „Was kann ich noch alles tun, um die friedliche Nutzung der Kernenergie zu unterlaufen?“ einzuordnen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben am 6. Dezember eine umfassende Diskussion zu dem gesamten Fragenkomplex. Ich sage noch einmal: Die CSU geht in dieser Diskussion sehr offen und natürlich mit dem hohen Anspruch um, höchste Sicherheit der bayerischen Kernkraftwerke im Interesse des Sicherheitsempfindens der bayerischen Bevölkerung zu erhalten und sie dort, wo das möglich ist, auch in entsprechender Weise weiterzuentwickeln.

Ich halte es für notwendig und folgerichtig, dass wir erst sehr umfassend mit dem Minister und seinen zuständigen Beamten diesen Themenkomplex miteinander diskutieren, um dann, wenn notwendig und erkennbar, neue Schlussfolgerungen zu ziehen und sie in entsprechenden Antragspaketen des Bayerischen Landtages zu behandeln, zu diskutieren und möglicherweise dann auch gemeinsam zu beschließen. Die CSU-Fraktion lehnt deshalb den Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN auf Drucksache 14/7901 ab. Die CSU-Fraktion stimmt allerdings dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 14/7903, den die Kollegen von den GRÜNEN gestellt haben, zu.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Brav!)

Ach, Herr Dürr, hören Sie doch mit Ihrem blöden Gschmarr auf! Wenn Sie mich provozieren, dann lehnen wir ihn ab. Das ist doch kein Problem.

(Unruhe bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nein, das muss man sich einmal vorstellen: Da sagt der derzeitige Fraktionssprecher der GRÜNEN, weil die CSU einem Antrag der GRÜNEN zustimmt, „brav“. Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ein überflüssiger Kommentar, weil es für uns eine Selbstverständlichkeit ist – –

(Unruhe beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Glocke des Präsidenten – Frau Schopper (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Eigentlich haben wir einen Zwischensprecher! – Heiterkeit bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Hofmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Schieder?

Ich möchte sagen, Sie haben mich schwer getroffen.

Bitte schön, Frau Kollegin Schieder.

Herr Kollege Hofmann, mich wundert jetzt Ihre Empfindlichkeit. Ich frage Sie: Haben Sie sich selbst schon einmal zugehört bei Ihren Zwischenrufen und darüber nachgedacht, was in diesen Zwischenrufen zum Ausdruck kommt?

(Beifall bei der SPD – Heiterkeit bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Hofmann.

Sie merken, auch ein 62-Jähriger kann noch einmal rot und verlegen werden.

(Allgemeine Heiterkeit)