Frau Tolkacheva und Herr Baranov sind Abgeordnete der Moskauer Gebietsduma. Dieses Parlament ist für das Gebiet um Moskau zuständig, das in etwa dem Freistaat Bayern entspricht, vor allem was die Bedeutung im Hinblick auf Industrie und Wirtschaft betrifft. Wir haben mit der Moskauer Gebietsduma ein Partnerschaftabkommen. Im Rahmen dieses Abkommens sind die Kollegin und der Kollege drei Tage bei uns.
Lassen Sie mich ganz persönlich, als jemand, der in den Zeiten des kalten Krieges groß geworden ist, hinzufügen: Ich freue mich, dass wir uns heute als Freunde auf dieser Partnerschaftsebene austauschen und uns gegenseitig bei unserer Arbeit unterstützen. Vielen Dank für Ihren Besuch.
Ich gebe jetzt das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Antrag der Abgeordneten Gote, Paulig und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend „Verwaltungsreform – Zusammenführung von Fachbereichen der Bayerischen Beamtenfachhochschule in Hof“ auf Drucksache 15/2448 bekannt. Mit Ja haben 15, mit Nein 89 Kolleginnen und Kollegen gestimmt. Es gab 32 Stimmenthaltungen. Der Antrag ist damit abgelehnt.
Wir fahren jetzt mit der Diskussion fort. Als Nächster hat Herr Kollege Hallitzky das Wort. Guten Morgen, Herr Hallitzky.
Hochverehrter Herr Präsident! Vielen Dank für den besonderen Gruß. Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine wirksame Verfolgung der Schwarzarbeit, gerade der organisierten Schwarzarbeit, ist dringend erforderlich.
Erstens. Hier geht es um Größenordnungen von 350 bis 400 Milliarden Euro, die jährlich durch Schwarzarbeit am Fiskus und an den Sozialversicherungen vorbeigeschleust werden. Ein Staat, der, um handlungsfähig zu sein, auf stabile und ausreichende fi nanzielle Ressourcen angewiesen ist, kann diese Ausfälle nicht akzeptieren.
Zweitens. Für die illegal Beschäftigten entstehen hohe Risiken. Sie haben keinerlei fi nanzielle Ansprüche bei Arbeitslosigkeit, keine Rentenansprüche und müssen Sozialleistungen, die ihnen zu Unrecht gewährt wurden, zurückzahlen.
Drittens. Zudem verzerrt die Schwarzarbeit die Marktpreise zu Ungunsten der steuerehrlichen Unternehmen und drängt sie im Extremfall vom Markt. Hier geht es also um Steuerehrlichkeit und um Rechtstreue. Eine funktionierende Marktwirtschaft lebt davon.
Deshalb dürfen wir es nicht zulassen, dass der Ehrliche – also der ehrliche Steuerzahler – der Dumme ist. Das als Vorbemerkung.
Aus diesen Gründen – ausreichende Steuereinnahmen einerseits und Steuergerechtigkeit andererseits – ist es auch gefährlich, wenn von einigen Interessenvertretern so genannter oder besser gesagt selbst ernannter Steuerzahlerorganisationen, aber auch von manchen Politikern am marktliberalen Rand der Gesellschaft, Verständnis für derartige Praktiken signalisiert wird. Diesen Leuten müssen wir ganz klar und immer wieder sagen, dass es kein Verständnis für Schwarzarbeit gibt. Das ist kein Kavaliersdelikt, sondern es ist hoch kriminell.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, weil das so ist, müssen wir auf allen staatlichen Ebenen das Unsere dazu tun, und Schwarzarbeit, vor allem organisierte Schwarzarbeit, mit ganzer Kraft zu bekämpfen.
Zunächst müssen die Ursachen der Schwarzarbeit bekämpft werden: In einzelnen Bereichen gibt es zu hohe Steuer- und Sozialabgaben. Wir müssen aber auch die Fahndung verstärken. Auf beiden Feldern handelt RotGrün vorbildlich. Das wissen Sie auch, auch wenn Sie es in der Regel nicht zugeben.
Zunächst zur Senkung von Steuer– und Sozialabgaben: Der Eingangssteuersatz ist unter Rot-Grün von 25,9 auf 15 % gesunken. Durch die Einführung der Minijobs sind die Anreize für legale Beschäftigung gestiegen. Durch die Gesundheitsreform wurden Spielräume zur Senkung der Sozialversicherungsbeiträge eröffnet. Durch die ökologische Steuerreform wurde dafür gesorgt, dass die Rentenversicherungsbeiträge heute 2 % niedriger sind.
Zur verbesserten Fahndung ist eine bundesweite Ermittlergruppe „Finanzkontrolle – Schwarzarbeit“ eingerichtet worden. Diese Ermittlergruppe wurde unlängst um 1800 qualifi zierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erweitert. Dafür sollten Sie der Bundesregierung dankbar sein.
Inzwischen arbeiten rund 7000 qualifi zierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter daran, der Schwarzarbeit in Deutschland den Boden zu entziehen. Erste Erfolge sind sichtbar. Die Umsätze durch die Schwarzarbeit lagen im Jahr 2003 bei 370 Milliarden Euro. Im Jahre 2004 lagen sie noch bei 356 Milliarden Euro, also um 14 Milliarden Euro niedriger. Für die Jahre 2004 und 2005 werden weitere Rückgänge erwartet. Wie erfolgreich die Ermittlergruppe „Finanzkont
rolle – Schwarzarbeit“ bezüglich der Prävention und der Abschreckung der organisierten Schwarzarbeit arbeiten kann, hängt wesentlich davon ab, ob die bayerischen Justizbehörden personell überhaupt in der Lage sind, die begangenen Straftaten zügig und konsequent zu verfolgen. Hier ist die Bayerische Staatsregierung am Zug. Liebe Frau Ministerin, Sie haben bisher leider nichts zur Problemlösung beigetragen.
Die Staatsregierung hat im vergangenen Jahr versucht, Personalprobleme der Justiz über eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit zu lösen. Das funktionierte jedoch nicht. Das hat lediglich dazu geführt, dass die rechnerischen Überstunden geringer geworden sind. Außerdem wird durch die Wiederbesetzungssperren das Problem weiter verschärft. Wir brauchen zusätzliches Personal – nicht in Wochenstunden, sondern in Stellen. Konkret stehen 25 Stellen bei den Staatsanwaltschaften und 25 Stellen bei den Richtern im Raum. Manche sprechen sogar von über 100 Stellen, die benötigt würden. Das sagen übrigens nicht wir, sondern die Betroffenen. Frau Kollegin Haderthauer, Sie haben sich eben erfreut darüber gezeigt, dass wir Ihnen zugehört haben. Ich hätte Ihnen gerne dieses Kompliment zurückgegeben, aber Sie sind leider nicht da.
Frau Kollegin Haderthauer hat behauptet, wir würden die Beamten schlecht reden, indem wir diese Stellen einfordern. Das ist nicht richtig. Wir wollen den Beamten die notwendige Unterstützung geben, die Sie ihnen versagen.
Das sollte eigentlich selbstverständlich sein, scheiterte bisher aber am unsinnigen Nein des Finanzministers – unsinnig deshalb, weil das auch zu mehr Staatseinnahmen führt. Die Staatsregierung will also offensichtlich Rot-Grün den politischen Erfolg, dass das Problem auf Bundesebene sehr wirksam angegangen wird, nicht gönnen und leistet in Bayern aus rein machtpolitischem Kalkül nicht das Ihre dazu. Darunter leiden Bayern und Deutschland.
Die notwendige Umsetzung dieser Selbstverständlichkeit, hierfür Stellen einzubringen, ist Absicht des Antrages der SPD. Weil wir diesen Antrag für sehr sinnvoll und es für dringend notwendig halten, dass in Bayern etwas getan wird, werden wir ihm auch zustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal auf einen speziellen Aspekt des Problems eingehen, den Kol
legin Dr. Kronawitter und Kollege Hallitzky soeben angesprochen haben. Erstens. Ich möchte daran erinnern, dass wir hier vor wenigen Wochen den Haushalt für die Justiz beschlossen haben und dass die Frau Justizministerin damals zu dem Bild gegriffen hat, dass die Justiz in Bayern so billig sei, dass sie für jeden Einzelnen nur so viel koste wie eine Pizza. Dieses Beispiel haben Sie gebracht. Wir haben entgegengehalten, dass das zu wenig ist – zu wenig deshalb, weil die Kosten nur deswegen so gering sind, weil Sie seit Jahren hinnehmen, dass viele der Mitarbeiter in der Justiz personell am Anschlag arbeiten, weit über das zulässige Maß hinaus.
Es ist im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Schwarzarbeit deutlich geworden, dass das, was wir behauptet haben, stimmt. Es ist ausgeführt worden, dass der Bund seine Hausaufgaben macht und dafür gesorgt hat, dass Schwarzarbeit effektiv dadurch bekämpft werden kann, dass eine Vielzahl von Beamten neu damit beauftragt worden ist.
Die Ermittlungsergebnisse sind nicht, wie Sie, Frau Staatsministerin, ausgeführt haben, unbrauchbar oder enthalten wenig Konkretes, sondern sind nach unseren Informationen sehr wohl inhaltsvoll und eignen sich, zu Anklagen gebracht zu werden. Sie können aber leider nicht bearbeitet werden, weil es in den Staatsanwaltschaften an Mitarbeitern fehlt. Das haben wir aber auch schon vorher gewusst.
Ich darf darauf verweisen, dass wir im Jahr 2002 in Bayern 579 000 Neuzugänge von Strafanzeigen hatten; im Jahr 2003 waren es bereits 599 000 – das ist ein Anstieg um 20 000. Im Jahr 2002 hatten wir 65 227 Anklagen, im Jahr 2003 bereits 67 988 – das ist eine Zunahme um 2761. Das hat vielerlei Ursachen. Das liegt nicht daran, dass diese Gesellschaft um so viel mehr krimineller geworden ist, sondern das hat Ursachen, die auch beim Gesetzgeber zu suchen sind. Das hat etwas mit neuen Formen der Kriminalität zu tun, zum Beispiel auch im Zusammenhang mit E-Commerce, mit Ebay-Versteigerungen und vielen anderen neuen Deliktstypen. Sie treffen auf eine Situation, in der unsere Staatsanwälte weit mehr leisten, als man ihnen eigentlich zumuten kann. Es gibt Untersuchungen – Sie kennen sie besser als ich –, dass die normalen Pensen bei der Staatsanwaltschaft bereits bei 1,32 liegen, nach der neuesten Untersuchung, der PEBB§Y-Studie, in der Spitze gar bei 1,51.
Das Problem ist nun, dass Sie das genauso wie wir erkennen, aber dennoch überhaupt keine Anstrengungen unternehmen, um die Situation in den Griff zu bekommen, sondern ganz im Gegenteil – das ist bereits im Zusammenhang mit dem Doppelhaushalt angesprochen worden – gemeint haben, weitere Stellen für Richter und Staatsanwälte einsparen zu können. Das wird sich rächen, wenn die Entwicklung so weitergeht und bei der Staatsanwaltschaft letztlich noch mehr Anzeigen herumliegen, weil sie nicht bearbeitet werden können.
Meine Damen und Herren, Sie sind in der Verantwortung; ausschließlich Sie, nicht der Bund. Ausschließlich diese Staatsregierung ist in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass auch in diesem Bereich der Kriminalität das getan
wird, was erforderlich ist. Wir regen uns in bestimmten Abständen hier immer wieder darüber auf, dass Kriminalität zunimmt, dass sie wegen angeblich zu wenig scharfer Gesetze nicht verfolgt werden kann, fordern alle paar Wochen neue Verschärfungen. Wenn es dann darauf ankommt, den bestehenden Gesetzen zum Durchbruch zu verhelfen, indem man die festgestellten Straftäter auch anklagt, fühlt man sich aber plötzlich nicht mehr zuständig und tut so, als ginge einem das nichts an.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Staatsministerin, Sie haben vor kurzem das Bild gebraucht, die Staatsanwaltschaft sei die Kavallerie der Justiz, und haben Don Quixote bemüht. Sie haben ein schönes Bild gemalt. Mittlerweile ist es so, dass das Pferd von Don Quixote, die Rosinante, zunehmend lahmt. Dafür sind Sie verantwortlich. Deswegen muss auch im Sinne unseres Antrages etwas unternommen werden.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu Beginn sagen, dass der Antrag der CSU, so wie er vorgetragen wird, eigentlich scheinheilig statt scheinselbstständig heißen müsste. Ihr larmoyantes Jammern überrascht. Als ich 1998 in dieses Haus kam und zu Herrn Staatsminister Wiesheu gesagt habe, dass er eigentlich der größte Heizer auf der Lok der Lohndumper im öffentlichen Nahverkehr ist, wurde ich beschimpft. Der damalige Antrag, das Tariftreuegesetz einzuführen, wurde von Ihnen abgelehnt. Heute kommen Sie daher. Für Sie gilt das Gleiche, was letzte Woche für Minister Schnappauf galt: Guten Morgen!
Sie haben die Zügel schleifen lassen und wundern sich jetzt, dass wir fast im Graben gelandet sind. Sie haben auch in Bayern zugelassen, dass durch das unselige Hetzen der Arbeitgeber die Löhne gesunken sind. Nach einer Auskunft der AOK von heute sind die abgabenpfl ichtigen Löhne in der Summe auf der Höhe von 1951 gelandet. Ausgerechnet Sie beklagen sich ständig darüber, dass wir deswegen die Lohnnebenkosten senken müssen, weil sonst die sozialen Systeme zusammenbrechen. Sie sollten sich einmal überlegen, was Sie durch Ihr Verhalten in den Systemen bisher angerichtet haben.
Meine Damen und Herren, Folgendes ist geradezu schön: Sie haben in Ihren Reihen einen Kollegen Wuermeling bei der EU, der das Gesetz befeuert. Warum bremsen Sie denn den nicht ein? Warum sagen Sie ihm nicht das, was Sie hier beklagen? – Dass das, was er will, für dieses Land und auch für andere Länder schädlich ist, vor allem auch schädlich ist für das Zusammenwachsen Europas, weil der Arbeitnehmer in Europa Europa eigentlich nur als Konkurrenz und als Druckmittel erlebt. Meine Damen und Herren, wenn wir wollen, dass dieses Europa ernst genommen und von den Menschen angenommen wird, wird es höchste Zeit, dass wir uns darum kümmern, dass das, was Menschen betrifft – in erster Linie ist das nun einmal
das Einkommen –, gesichert wird und dass die Menschen nicht gegeneinander in Konkurrenz gesetzt werden. Wir brauchen uns nicht zu wundern, wenn am rechten Rand Urstände gefeiert werden. Sie vergessen auch, dass es der Bundeskanzler war, der als einer der ersten gesagt hat: Dieses Gesetz kann so nicht kommen.
Darum wundert es uns, dass ausgerechnet Sie einen fairen Wettbewerb fordern. Das hätten Sie in Bayern im Nahverkehr längst machen können. Sie haben es nicht gemacht. Sie hätten vorangehen können, was Sie sonst immer gerne tun. Sie haben es nicht getan. Jetzt stellen Sie einen Antrag und sind fast beleidigt, wenn wir Ihnen sagen, das ist scheinheilig. Es ist scheinheilig.