Protokoll der Sitzung vom 19.05.2006

Und dann fährt der Ministerpräsident hin, verspricht den Eschenlohern Soforthilfe und Sofortmaßnahmen, und als dann die so genannte Hilfe im Gemeinderat landet, stellt sich heraus, dass die Zinsen des Darlehens höher sind als bei einem Bankdarlehen. Also, wenn sie zur Bank gehen würden, bekämen sie ein günstigeres Darlehen, als wenn sie es beim Staat aufnehmen. Das ist die so genannte Hilfe. Eine solche Gemeinde wird dadurch völlig überfordert.

Kolleginnen und Kollegen, da hilft alles Nölen nichts.

(Johannes Hintersberger (CSU): Was heißt hier Nölen?)

Das sind Fakten. Sie können das nachlesen. Da hilft es nichts, wenn man die Fakten schön reden will; das ist so.

Keiner von uns übt an der ausgezeichneten Arbeit der Wasserwirtschaftsämter Kritik – ganz im Gegenteil. Wir standen stets den Wasserwirtschaftsämtern zur Seite, die Sie dank der Huberschen Verwaltungsreform derart dezimieren, dass sie nicht mehr handlungsfähig sind. Die Fachleute werden weniger, und Fachwissen geht verloren. Trotzdem stimmen Sie zu. Aber die Wasserwirtschaftsämter sagen, sie hätten das Problem, das Geld einzusetzen, weil das Fachpersonal nicht mehr in ausreichendem Maße vorhanden sei. Ich meine, das ist etwa so, als würden Sie bei einem Großbrand die Feuerwehr in Urlaub schicken. So benehmen Sie sich. Sie schicken bei einem Großbrand die Feuerwehr in Urlaub.

(Zuruf des Abgeordneten Johannes Hintersberger (CSU))

Das musste man ansprechen, Herr Kollege Hintersberger; denn Sie äußern, dass die Welt in Ordnung sei. Ich glaube, es war notwendig, die Sachlage zu verdeutlichen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Staatssekretär, es tut mir Leid. Ich bremse Sie noch einmal, Sie sollten in der Reihenfolge nach den Abgeordneten kommen. Herr Kollege Hintersberger hat um das Wort gebeten – Herr Kollege, auch wenn es eine Zwischenintervention ist, gehen Sie bitte ans Rednerpult.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Herrn Kollegen Wörner eine Zwischenfrage stellen. Er möge mir doch konkret die Wasserwirtschaftsämter benennen, die die zugewiesenen Haushaltsmittel nicht verwenden können.

(Henning Kaul (CSU): Die Frage haben wir wiederholt gestellt!)

Herr Kollege Wörner, wollen Sie darauf antworten?

(Ludwig Wörner (SPD): Es gibt einen Brief!)

- Herr Kollege Wörner, so können wir das nicht regeln. Das geht nur über das Mikrofon, nicht auf dem informellen Weg.

(Thomas Kreuzer (CSU): Ein Offenbarungseid ist das, Herr Kollege Wörner! – Ludwig Wörner (SPD): Es gibt einen Brief!)

Das Wort hat Herr Staatssekretär Dr. Bernhard.

Ich möchte die Sitzung zwar nicht unnötig verlängern, muss aber ein paar Dinge aus Sicht des Ministeriums sagen.

Sie liefern zu dem Dringlichkeitsantrag – hier muss ich Herrn Kollegen Magerl Recht geben – keine Belege. Sie streuen Befürchtungen, die Sie schon vor Monaten gestreut haben.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Die Belege kann ich Ihnen nennen, und Sie kennen sie auch! Das Problem ist jetzt weg, weil das Geld da ist!)

Diese Befürchtungen fi nden in der Realität keine Fundierung. Wie läuft es im Haushalt ab? – Wir haben leider jetzt auch in Bayern die Situation, dass der Haushalt oder der Nachtragshaushalt nicht mehr zum Ende des Jahres beschlossen wird, sondern im Laufe des nächsten Jahres. Es wäre schön, wenn das in Zukunft wieder anders würde. Die jetzige Situation führt dazu, dass es für die Ausgaben gewisse Restriktionen gibt, wobei das Finanzministerium die Sperren frühzeitig ausgegeben hat. Es muss jedoch immer unter dem Vorbehalt operiert werden, dass der

Landtag letztendlich das Geld zur Verfügung stellt. Das gilt für die bayerischen Haushaltsmittel, für die Bundesmittel, die vermutlich erst im Sommer zur Verfügung stehen werden, und für die EU-Mittel.

Wir wissen, dass es riesigen Druck gibt und dass es eine lange Prioritätenliste gibt, sodass keine Befürchtung bestehen muss, dass das Geld nicht ausgegeben werden könnte. Sie wissen, dass wir jede Menge an Maßnahmen haben. Wir müssen eine Prioritätenliste erstellen. Das ist doch klar. Wir können nicht jeden Antrag befürworten, sondern er muss zu den Prioritäten passen.

Sie haben dankenswerterweise unser Bemühen anerkannt, ein Programm aufzustellen, das wirklich vorbildlich ist. Wenn ich mich recht erinnere, so waren Sie vom Pfi ngsthochwasser betroffen. Wir haben uns bemüht, das Geld zusammenzuschaufeln. Richtig ist, dass der Bund zahlt. Ich verrate Ihnen aber kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage, dass es nicht einfach war, die Zusage durchzusetzen. Bayern hatte erhebliche Schwierigkeiten, das Geld zusammenzubringen, damit drei Jahre lang 150 Millionen Euro zur Verfügung stehen.

Nun zum Thema „Beteiligung der Kommunen“. Die unterschiedlichen Sätze rühren daher, dass die Situationen unterschiedlich sind. Es wäre also nicht zweckmäßig, einen einheitlichen Satz festzulegen. Zum Beispiel stellt sich bei einer Maßnahme die Frage nach dem überörtlichen oder dem örtlichen Nutzen. Davon hängt die Beteiligung ab. Oder es wird gefragt, welche ökologischen Aspekte eine Maßnahme hat. Schließlich wird Verschiedenes verwirklicht – nicht nur der technische Hochwasserschutz, sondern auch ökologische Maßnahmen. Hier stellt sich die Frage, ob damit die Kommunen belastet werden sollen. Diese Angelegenheiten sind in jedem Einzelfall anders zu entscheiden. So läuft das ab.

Mangel an Fachpersonal gibt es nicht. Ich weiß nicht, wer so etwas verbreitet. Ich reise zur Zeit viel durch die Lande. Überall höre ich, dass die Wasserwirtschaftsverwaltung optimal zusammenarbeitet und dass die dringlichen Projekte durchgeführt werden.

(Zuruf der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Ich höre keine einzige Klage, dass ein dringliches Projekt nicht bearbeitet wurde. Es gibt einen Fall, dass sich eine Gemeinde über die mangelnde Auszahlung beschwert, obwohl das Projekt noch nicht genehmigt ist. Solche Fälle gibt es auch. Das sind völlig irreale Klagen.

Für die Hochwasservorwarnung tun wir eine Menge. Sie wissen das. Für die Sanierung von Pegeln haben wir eine erhebliche Summe bereitgestellt. Auch für 2006 gibt es ein Finanzpaket zur Behebung der Schäden, zur Verbesserung der Pegel und für den Hochwasserwarndienst. Auch hier gibt es keine Defi zite. Ich sehe keinen Grund dafür, dass das Parlament Ihrem Antrag zustimmen sollte.

(Beifall bei der CSU)

Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Umwelt- und Verbraucherschutz empfi ehlt die Ablehnung des Dringlichkeitsantrages. Wer hingegen dem Dringlichkeitsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der SPD. Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der CSU. Das ist die Mehrheit. Stimmenthaltungen? – Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 f auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung über die Förderung der mittelständischen Unternehmen sowie der Freien Berufe (Mittelstandsförde- rungsgesetz – MfG) (Drs. 15/5475) – Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Staatsregierung begründet. Das Wort hat Herr Staatsminister Huber.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich bei Ihnen, Herr Präsident, und bei den Fraktionen dafür bedanken, dass die Beratung auf heute verlegt werden konnte. Ich musste gestern zu lange geplanten politischen Gesprächen in Berlin sein.

Das Mittelstandsförderungsgesetz hat eine lange und sehr erfolgreiche Geschichte in Bayern. Bayern war 1974 das erste Land, das ein Mittelstandsförderungsgesetz verabschiedet hat. Man hat in Bayern die Bedeutung des Mittelstandes sehr früh erkannt. In den gut 30 Jahren hat das Gesetz wesentlich dazu beigetragen, die Wettbewerbsposition des Mittelstandes in Bayern zu sichern und weiter auszubauen. Ich möchte das anhand von ein paar Zahlen belegen.

Seit 1974 ist die Zahl der mittelständischen Unternehmen in Bayern um 70 % gestiegen. Auf den Mittelstand entfallen jetzt rund drei Viertel der versicherungspfl ichtigen Arbeitsplätze. Im Allgemeinen meint man, die großen Unternehmen, die Konzerne, die Global Player wären die wichtigen bei der Bereitstellung von Beschäftigung. Sehr viel bedeutsamer ist der Mittelstand. Das zeigen die Zahlen. Drei Viertel der Arbeitsplätze stellt der Mittelstand. Er hat sich auch in schwierigen Zeiten als sehr beständig und als Job-Maschine erwiesen. Dass Bayern deutlich bessere Wirtschaftsdaten, größeres Wachstum auf dem Arbeitsmarkt, mehr Dynamik und Zukunftsfähigkeit als andere vorweist, ist insbesondere den vielen sehr leistungsfähigen mittelständischen Unternehmen zuzuschreiben. Wir haben seit 1980 beim Mittelstand eine Steigerung der Arbeitsplätze um 20 %. In der Aktuellen Stunde wurde bereits gesagt, dass 84 % der Ausbildungsplätze der Mittelstand bereitstellt.

Nachdem der Mittelstand gut dasteht, liegt die Frage nahe: Brauchen wir überhaupt noch eine Mittelstandsförderung und ein entsprechendes Gesetz? – Deshalb möchte ich zunächst darauf hinweisen, dass der Mittel

stand gerade in Zeiten des europaweiten und des globalen Wettbewerbs darauf angewiesen ist, faire Wettbewerbsbedingungen zu haben. Das Gesetz hat nicht die Aufgabe, den Mittelstand zu schützen und vor dem Wettbewerb zu bewahren. Das kann es in der Marktwirtschaft nicht geben. Aber der Mittelstand hat größenbedingte Nachteile. Eine wesentliche Zielsetzung des Gesetzes ist es, diese unternehmensgrößenspezifi schen Nachteile auszugleichen.

Das Gesetz hat vor allem die Aufgabe, die Gründung von selbstständigen Existenzen zu fördern. Bayern ist auch ein Gründerland. In einem einzigen Jahr fi nden bei uns etwa 80 000 Gründungen statt. Es ist notwendig, die Gründer zu begleiten, sie frühzeitig zu beraten und ihnen dafür eine gute Struktur anzubieten. Auch die Vorsorge für die Unternehmensnachfolge ist im Bereich des Mittelstandes immer wichtiger geworden. In den kommenden fünf Jahren stehen etwa 63 000 Unternehmensübergaben an. Viele Mittelständler bereiten sich zu spät oder ungenügend auf den Übergang vor. Das führt mitunter zu erheblichen Problemen, auch für die Beschäftigten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich lege Ihnen heute für die Staatsregierung die Fortschreibung dieses sehr bewährten Mittelstandsförderungsgesetzes vor mit der Zielsetzung, die neuen Herausforderungen in das Gesetz aufzunehmen und damit zum Gegenstand der Wirtschaftspolitik und der Tätigkeit der Behörden zu machen. Dazu gehört vor allem auch – das ist meine Bitte an das Parlament –, dass Rechtsvorschriften mittelstandsfreundlich gestaltet werden. Der Mittelstand kann sich in der Regel keine großen Rechtsabteilungen leisten, um vielleicht detaillierte oder perfektionistische Gesetze auszuführen; deshalb ist er darauf angewiesen, dass der Gesetzgeber immer die Wirkung seines Tuns auf den Mittelstand bedenkt. Wir wollen auch gerade investitions- und beschäftigungshemmende Vorschriften abbauen und die Verwaltungsverfahren insgesamt mittelstandsfreundlich gestalten. Wir wollen dazu beitragen, dass die Grenze zwischen der öffentlichen Tätigkeit und der privatwirtschaftlichen Tätigkeit klar gezogen wird – im Zweifel für die privatwirtschaftliche Aufgabenerfüllung.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Sie wollen das wirklich?)

Ja, und das ist gut so. Klar ist, dass eine Staatsquote von 48 % in Deutschland bedeutet, dass der Anteil des öffentlichen Sektors zu hoch ist. Sie trägt nicht dazu bei, dass wir die Herausforderungen der globalen Wirtschaft mit der gebotenen Dynamik bewältigen können.

(Beifall bei der CSU)

Vielleicht wäre es ganz gut, wenn auch unser Koalitionspartner in Berlin das berücksichtigen würde. Aber zunächst haben wir in Bayern eine schöne Mehrheit, um das bei uns vernünftig durchzusetzen.

Zu den wichtigsten Fördermaßnahmen gehört die Beratung bei Existenzgründungen, auch durch Gründerzentren. Es hat sich gezeigt, dass Gründer, die gut vorbereitet und beraten waren, zum Beispiel durch die Handwerks

kammern, die IHKs, beständiger und dem Wettbewerb besser gewachsen waren als diejenigen, die sich ohne entsprechende Vorbereitung in die Selbstständigkeit gewagt haben.

Ein ganz wichtiger Bereich sind Forschung und Entwicklung. Die Innovationsfähigkeit hängt mit Forschung und Entwicklung zusammen, aber insbesondere auch mit der Umsetzung von Forschungserkenntnissen in Produkte und Produktionsverfahren. Mit der in ganz Europa und darüber hinaus hochgeschätzten Clusterpolitik des Freistaates Bayern wollen wir dazu beitragen, dass gerade mittelständische Unternehmen an die Wissenstöpfe herangeführt werden. Gott sei Dank ist Deutschland noch das Land der Erfi nder und Entwickler. Etwa 27 % aller Patente, die in Deutschland angemeldet werden, stammen aus Bayern – und das bei einem Bevölkerungsanteil von etwa 15 %. Unser Nachbarland Baden-Württemberg kommt auf etwa 25 %. Insgesamt kommt damit über die Hälfte aller Patentanmeldungen in ganz Deutschland aus dem starken Süden.

Aber wir wollen natürlich nicht nur in der Patentstatistik gut dastehen, sondern aus den Patenten sollen auch Produkte entstehen. Wir müssen eine Veränderung im Wirtschaften in Deutschland herbeiführen. Entwicklung und Erforschung von Produkten allein bringen es natürlich nicht. Das Land kann nicht von Blaupausen leben. Wir müssen die Wertschöpfungskette wieder schließen: Es kann nicht sein, dass bei uns entwickelt wird, dann im Fernen Osten gebaut und bei uns wieder verkauft wird. Stattdessen müssen wir dafür sorgen, dass die Produktion im eigenen Land wieder vermehrt stattfi ndet.

(Beifall bei der CSU)

Die ganz großen Unternehmen haben natürlich den Vorteil, dass sie diese Umsetzung in der eigenen Forschungstätigkeit leichter schaffen, während der Mittelstand sich große Forschungsabteilungen nicht leisten kann. Die Clusterpolitik soll dazu beitragen, gerade auch dem Mittelstand diese Chance zu eröffnen.

Ich werde in absehbarer Zeit die Gelegenheit haben – darum bitte ich –, die Clusterpolitik darzustellen. Sie dient vor allem auch dem Mittelstand. Die Großen haben Zugang zu Forschungserkenntnissen; der Mittelstand hat ihn nicht. Hier einen Ausgleich zu schaffen, ist ein wesentliches Ziel unserer Politik.