Protokoll der Sitzung vom 29.11.2006

Ich bitte deshalb um Zustimmung zum Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Gesetzes zur Ausführung des Abwasserabgabengesetzes.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Wörner.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wir werden diesem Gesetzentwurf nicht die Zustimmung geben können, weil er die Kommunen dazu verdonnert, ein riskantes Glücksspiel einzugehen.

(Thomas Kreuzer (CSU): Ach!)

Was Herr Kollege Weichenrieder darstellt, so quasi, dass sich Kommunen zulasten von irgendjemandem bereichern, kann ich mir in Bayern gar nicht vorstellen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass es ein Verlassen der Solidargemeinschaft durch Kommunen gibt.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Zweitens, Sie sollten der Fairness halber dazusagen, worum es wirklich geht. Dieses Gerichtsurteil hat nämlich die Kampfkasse der Staatsregierung gefährdet. Sie hat immer die Mittel aus Abwasserabgaben für Hochwasserbauten genommen und so getan, als hätte sie diese Mittel, die sie bekommt, für den Hochwasserschutz eingestellt. Man sagt ja ganz offen auch im Gesetzestext, Herr Weichenrieder, dass man sich dieses Geld wieder holen will. Und das machen Sie jetzt. Sie stimmen heute einem Gesetz zu, damit sich die Staatsregierung das Geld, das ihr vom Gericht für die Hochwassermaßnahmen entzogen wurde, auf einem anderen Weg wieder holen kann. Sie bringen die Kommunen damit in die Problematik, sich zwischen zwei Systemen entscheiden zu müssen, bei denen sie, wenn es dumm läuft, das Nachsehen haben und damit auch die Bürgerinnen und Bürger.

Meine Damen und Herren, so kann man mit unseren Gemeinden, die Aufgaben erfüllen müssen und sollen, nicht umgehen. Sie sollten nicht erpresst werden. Denn es ist fast Erpressung, was da mit diesem Gesetz abläuft. Wir sollten ein Gesetz machen, das einer kommunalen Logik entspricht, nämlich der Zuverlässigkeit der Mittel, die Kommunen bekommen müssen.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Wir meinen, es wäre besser gewesen, ein Gesetz zu machen, das sicherstellt, dass erstens die Gelder, die hereinkommen, auch zweckgebunden wieder verwendet werden.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Das ist nicht der Fall. Nach wie vor ist nicht geregelt, was sein wird, wenn beim nächsten größeren Hochwasser

wieder wie bisher viele Mittel aus dem Abwasserabgabentopf abfließen. Es wird so sein, dass wir die Mittel für die Abwasserbeseitigung nicht mehr zur Verfügung haben. Es wird das passieren, was in den letzten Jahren passiert ist, dass nämlich der Haushalt für die Baumaßnahmen gegen null geht. Das führt dazu, dass Kommunen, die die bereits begonnenen Bauten selber finanzieren, also vorfinanzieren, Kredite aufnehmen und erhebliche Zinslasten tragen müssen, nur weil der Staat das Geld, das für etwas ganz anderes vorgesehen war, woanders hinschiebt.

Deswegen können wir dem Gesetz in dieser Form nicht zustimmen. Wir hätten es ganz gerne fair für die Gemeinden und vor allem langfristig berechenbar. Bitte, stimmen Sie dem Gesetz nicht zu.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Wörner. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Kamm.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Gesetzentwurf, den die Bayerische Staatsregierung vorgelegt hat, gibt sie vor, Rechtssicherheit zu schaffen. Hier steht drin, sie möchte Rechtssicherheit schaffen. Wozu dient aber dieser Gesetzentwurf? Der Gesetzentwurf dient lediglich dazu, die Einnahmen für einen bestimmten Topf im Umweltministerium zu sichern, und zwar die Einnahmen aus der Abwasserabgabe, die jährlich ein Volumen von ungefähr zehn Millionen Euro haben.

Was ist geschehen? Das Bundesverwaltungsgericht hat am 20. Januar 2004 den Kommunen die Möglichkeit eröffnet, Gewässerschutzinvestitionen mit geschuldeten Abwasserabgaben nicht nur mit Abwasserabgaben aufgrund von sanierungsbedürftigen Kanalbaumaßnahmen, sondern auch mit Abwasserabgaben aufgrund von sanierungsbedürftigen Kläranlagen rückwirkend mit Sanierungsinvestitionen zu verrechnen. Bis zu diesem Urteil war es in Bayern üblich, lediglich die Abgaben aufgrund von unzureichenden Kanalbaumaßnahmen zu verrechnen.

Um Rechtssicherheit, wie es hier heißt, zu erlangen, soll jetzt nun die Verrechnung zeitlich begrenzt werden. Die Kommunen sollen vor die Wahl gestellt werden, ob sie die gerichtlich festgestellten Verrechnungsansprüche geltend machen wollen. Dann werden sie von der staatlichen Förderung ausgeschlossen. Zudem – und hier wird in der Tat die Rechtssicherheit in den Kommunen gefährdet – sollen rückwirkend, nachträglich Förderungen begrenzt werden, die in dem Zeitraum vom 01.01.2004 nach Inkrafttreten des Änderungsgesetzes erfolgt sind.

Durch rückwirkende Widerrufe von Förderungen befindet sich eine Reihe von Kommunen in einem Schwebezustand. Kommunen, die seit Bekanntgabe des Urteils des Bundesverwaltungsgerichtes im Vertrauen auf die neue Rechtslage gehandelt haben, haben nun das Problem, dass Förderungen gekürzt werden sollen, obwohl bestehende Verträge zur Abwälzung des über Beiträge nicht zu erwirtschaftenden Investitionsaufwandes nicht mehr nachträglich geändert werden können.

Ihre Konstruktion der nachträglichen Zuwendungskürzung, um die Einnahmen des Umweltministers aus der Abwasserabgabe zu sichern, geht zulasten der Rechtssicherheit in den Kommunen.

Wir fordern Sie daher auf, diesen Gesetzentwurf zurückzuziehen und einen fairen und vernünftigen Gesetzentwurf zu machen, der auch die Rechtssicherheit bei den Kommunen und nicht nur die Einnahmensicherheit beim Umweltministerium sicherstellt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Herr Staatssekretär Dr. Bernhard.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich mich dafür bedanken, dass diese Gesetzesvorlage so schnell behandelt worden ist; denn es ist sehr wichtig, dass wir bei der Abwasserabgabe in Bezug auf die Mittel und auf die Diskussion wieder eine Stabilisierung bekommen.

Herr Kollege Wörner, es ist nicht richtig, dass, wie Sie behauptet haben – er ist gerade draußen –, die Abwasserabgabe in den Hochwasserschutz fließe. Das ist falsch.

Was soll erreicht werden? Was ist der Kern dieser Erlöschensregelung? Zum einen erlischt künftig der Anspruch auf Verrechnung ein Jahr nach der tatsächlichen Inbetriebnahme einer Anlage. Zum anderen wird es folgende Wahlpflichtklausel geben: Ausschluss der Förderung durch Zuwendungen bei Inanspruchnahme von Verrechnung; auch dies ist sinnvoll. Drittens wird es, und das ist der Streitpunkt, eine Übergangsregelung mit rückwirkender Zuwendungskürzung geben. Die anderen Punkte werden von den kommunalen Spitzenverbänden akzeptiert und für vernünftig gehalten.

Was hat es damit auf sich? Eine Kommune, die nachträglich verrechnen will – was sie kann –, muss dann in der Übergangsphase in Kauf nehmen, dass die Zuwendungen gekürzt werden; später spielt das keine Rolle mehr. Denn man kann nicht ernsthaft sagen, eine Kommune habe Vertrauensschutz dafür, dass sie am Ende mehr Geld bekommt als sie bekommen hätte, wenn es diese Gesetzesänderung nicht gegeben hätte. Da wird weder Vertrauen verletzt noch die Finanzmasse der Kommunen geschmälert, sondern es bleibt bei dem, was sie bekommen hat. Die Frage ist nur, ob die Zuwendung bleibt oder ob die Verrechnung in Anspruch genommen wird. Da gibt es eigentlich überhaupt kein Problem. Die Regelung ist fair, denn wir müssen eines sehen: Es gibt viele Gemeinden, die auch in Zukunft Geld brauchen. Es ist in der Tat schwierig, das alles abzufinanzieren. Ich glaube, die Gemeinden, die Geld brauchen und in Zukunft gefördert werden sollen, haben kein Verständnis dafür, dass andere Kommunen rückwirkend mit völlig unerwarteten, höheren Mitteln gefördert würden. Das wäre auch nicht gerecht. Im Übrigen ist die Regelung ganz verlässlich, denn die Kommunen können wählen, ob sie es so oder so machen, und sich ausrechnen, was günstiger ist, und das kann je nach Fall unterschiedlich sein. Danach verfahren

sie und das erklären sie, und dann wird das entsprechend abgewickelt. Auch da sehe ich wirklich kein Problem.

Dadurch verbessern wir die Fördersituation wieder. Es wird händeringend gewünscht, dass hierfür wieder mehr Geld zur Verfügung steht; ich bin draußen viel unterwegs in solchen Themen. Die Regelung ist auch im Bereich der Kleinkläranlagen eine gewisse Hilfe, wo die Kommunen zum Teil unter Druck stehen, kommunale Lösungen vorzunehmen. Diese Lösung reiht sich wirklich in eine sehr kommunalfreundliche Politik ein, die wir auf diesem Gebiet seit vielen Jahren betreiben. Da haben wir sehr viel Geld eingesetzt und draußen anerkanntermaßen auch sehr viel erreicht.

Es ist eine gute Regelung. Ich bitte, dieser Regelung in diesem Hohen Haus zuzustimmen.

(Beifall bei der CSU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf auf Drucksache 15/5659 und die Beschlussempfehlung mit Bericht des federführenden Ausschusses für Umwelt und Verbraucherschutz auf Drucksache 15/6845 zugrunde.

Der federführende Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz empfiehlt die unveränderte Annahme. Der Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen stimmt bei seiner Endberatung ebenfalls zu. Ergänzend schlägt er vor, in § 2 als Datum des Inkrafttretens den „01. Januar 2007“ einzufügen. In § 1 sind die neu angefügten Absätze 2 und 3 des Artikels 19 ebenfalls dementsprechend zu ergänzen.

Wer dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CSUFraktion. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – Das sind die SPD-Fraktion und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Keine. Dann ist das so beschlossen.

Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, führen wir gemäß § 56 der Geschäftsordnung sofort die Schlussabstimmung durch. Ich schlage vor, sie in einfacher Form durchzuführen. – Widerspruch erhebt sich nicht.

Wer dem Gesetzentwurf in der Fassung des endberatenden Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. – Das ist die CSUFraktion. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – Das sind die SPD-Fraktion und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Keine. Dann ist das Gesetz angenommen. Es hat den Titel: „Gesetz zur Änderung des Bayerischen Gesetzes zur Ausführung des Abwasserabgabengesetzes“.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Wassergesetzes (Drs. 15/6053) – Zweite Lesung –

hierzu:

Änderungsanträge der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drsn. 15/6376, 15/6377, 15/6378 und 15/6379)

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Im Ältestenrat wurde hierzu eine Redezeit von 15 Minuten pro Fraktion beantragt. Ich darf als erstem Redner Herrn Kollegen Hintersberger das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem sich sechs Ausschüsse mit diesem Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Wassergesetzes intensiv befasst haben, beraten wir heute die Zweite Lesung. Ich möchte die wesentlichen Inhalte noch einmal kurz darstellen. Worum geht es? Es geht ausschließlich um die Beschleunigung von Hochwasserschutzmaßnahmen und um den Einbau der EU-Richtlinie für die strategische Umweltprüfung; um nicht mehr und nicht weniger.

Welches sind die Inhalte im Einzelnen? Im Rahmen des Hochwasserschutzaktionsprogramms 2020 sind in den nächsten Jahren in erheblichem Umfang und mit hoher Priorität bauliche Hochwasserschutzmaßnahmen durchzuführen. Die Bayerische Staatsregierung, der Freistaat Bayern hat 2006, 2007 und 2008 für dieses Hochwasserschutzaktionsprogramm insgesamt jeweils 150 Millionen Euro pro Jahr bereitgestellt. Selbstverständlich hat auch der Bund Mittel in Höhe von jeweils 33 Millionen Euro pro Jahr bereitgestellt, sodass wir auf diese erhebliche Summe kommen. Es ist richtig und gut, die Maßnahmen möglichst schnell umzusetzen und damit die Erwartungen der Menschen zu erfüllen, die zu Recht davon ausgehen, dass diese Maßnahmen nicht in irgendwelchen Verwaltungs- oder Rechtsverfahren hängen bleiben, sondern beschleunigt umgesetzt werden, zum Beispiel Flutpolder, Deichbauten oder Deichrückverlegungen, zum Schutz für Leib, Leben und Sachwerte.

Der Gesetzentwurf zu dieser Änderung des Bayerischen Wassergesetzes sieht deshalb vor, dass die rechtlichen Verfahren zur Zulassung dieser baulichen Hochwasserschutzmaßnahmen beschleunigt werden. Folgende drei Aspekte sind konkret benannt und vorgesehen: Erstens. Zur Stärkung des Hochwasserschutzes bei der Abwägung in den Verwaltungsverfahren soll ein Programmsatz zugunsten der Schaffung von Retentionsflächen aufgenommen werden.

Ich glaube, dies ist unstrittig und in den Diskussionen über Hochwasserschutzmaßnahmen in den letzten Jahren auch parteiübergreifend so aufgenommen worden.

Zweitens. Die Zuständigkeit für die Zulassungsverfahren für gesteuerte Flutpolder soll zur effizienten Bündelung dieser Verfahren von den Kreisverwaltungsbehörden auf die Regierungen übertragen werden. Auch dies war in den Vorberatungen vergleichsweise unstrittig. Warum? Die strategische Ausrichtung und das Prinzip, Hochwasserschutzmaßnahmen umfassend in Flussgebietseinheiten zu sehen und den gesamten Flusslaufzyklus für die einzelnen Maßnahmen zu betrachten, machen Sinn, weil dadurch die verschiedenen Hochwasserschutzmaßnahmen effizienter durchgeführt werden können. Ich darf hierzu ein Beispiel nennen: Der Lech durchläuft in Bayern acht Landkreise und kreisfreie Städte. Daran sieht man ganz schnell, wie sinnvoll es ist, dass solche Hochwasserschutzmaßnahmen verfahrensmäßig in der Hand einer Regierung gebündelt werden.

Ein dritter Aspekt. Die Zulassungsverfahren sollen vereinfacht und beschleunigt werden, dass Maßnahmen auch schnell realisiert werden können. Dabei wird die Durchführung eines Erörterungstermins bei wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahren ins pflichtgemäße Ermessen der Behörden gestellt. So kann zum Beispiel auf den Erörterungstermin verzichtet werden, wenn bereits im Vorfeld adäquate Veranstaltungen stattgefunden haben und dort die Argumente mit den Betroffenen umfassend ausgetauscht worden sind. Sonst käme es in der Tat zu Verfahrensverzögerungen ohne zusätzlichen Erkenntnisgewinn. Selbstverständlich bleibt es den Betroffenen nach wie vor unbenommen, im Rahmen des gesetzlich vorgeschriebenen Anhörungsverfahrens auch schriftliche Einwendungen vorzubringen. Daher ist dies kein Ersatz, sondern in der Tat ein Wegfall, wenn bei adäquaten Veranstaltungen der gleiche Erkenntnisgewinn auf den Tisch gelegt wird.

Ein weiterer Punkt wurde immer wieder kontrovers diskutiert: Mit dieser Änderung des Bayerischen Wassergesetzes würden die Hochwasserstrategien geändert werden. Das ist keineswegs der Fall. Es bleibt selbstverständlich bei der bewährten Hochwasserschutzstrategie mit ihren drei Säulen: dem natürlichen Rückhalt, dem notwendigen technischen Hochwasserschutz und der weitergehenden Hochwasservorsorge. Der Gesetzentwurf enthält also keine einseitige Betonung des technischen Hochwasserschutzes, aber sehr wohl die schnelle Realisierung dieser notwendigen Maßnahmen – letztlich zum Schutz der Menschen und ihrer Güter.