Protokoll der Sitzung vom 23.05.2012

chen NSU-Morde abgestellt. Ich meine, dass es zu früh ist, diesen Zusammenhang herzustellen. Wir wissen es noch nicht - und haben uns entschieden, einen Untersuchungsausschuss zu installieren, um genau zu überprüfen -, woran es denn gelegen hat, dass das passieren und zehn Jahre lang nicht aufgedeckt werden konnte.

Ob in diesem Zusammenhang auch das Parlamentarische Kontrollgremium-Gesetz einer Veränderung bedarf, kann ich heute noch nicht abschließend beurteilen. Ich glaube, wenn alles untersucht worden ist, kann es möglicherweise erforderlich werden, noch viel weitergehendere Änderungen auch in Richtung der Aufgaben, Befugnisse und der Arbeitsweise des Landesamtes für Verfassungsschutz und dann damit korrespondierende Änderungen beim PKG vorzunehmen. Das glaube ich, weiß ich aber noch nicht.

Die Herstellung eines Zusammenhangs halte ich allerdings für etwas voreilig, sodass ich mir das augenblicklich nicht zu eigen machen möchte. Aber dennoch herzlichen Dank an die GRÜNEN für diesen Gesetzentwurf. Wir werden ihn in den zuständigen Ausschüssen mit großer Ernsthaftigkeit diskutieren.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Schindler. Als Nächster hat Herr Kollege Mannfred Pointner von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das PKG-Gesetz wurde 2010, wie Kollege Weiß schon erwähnt hat, auf der Grundlage eines gemeinsamen Entwurfs der vier Fraktionen CSU, FDP, SPD und FREIE WÄHLER geändert. Die Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN hat damals Änderungsvorschläge eingebracht, die aber abgelehnt worden sind. Das Bekanntwerden der schrecklichen Mordserie der Tätergruppe NSU veranlasst nun offenbar die GRÜNENFraktion, ihre damals schon vorgesehenen Änderungsvorschläge wieder mit einem Gesetzentwurf einzubringen.

Zunächst darf ich bezweifeln, ob dieser Anlass eine Änderung des bestehenden Gesetzes rechtfertigt. Ich halte es, gelinde gesagt, auch für bedenklich, wenn ein Anlass für diesen Gesetzesvorschlag die Zweifel daran sind, dass das Parlamentarische Kontrollgremium ausreichend an der Klärung interessiert sei. So kommt es nämlich in der Begründung rüber. Ich kann nur sagen, dass nach meiner Erfahrung im Gremium alle Informationen und Berichte, die der Aufklärung dienen, eingefordert und auch gegeben wurden. Ich glaube auch nicht, dass die vorgesehenen Änderun

gen die Aufklärung erleichtert oder verbessert hätten bzw. in Zukunft erleichtern und verbessern würden.

Ich kann natürlich über die einzelnen vorgeschlagenen Änderungspunkte reden; wir werden das in den Ausschüssen tun. Im Einzelnen will ich nur auf die folgenden Punkte eingehen.

Die Forderung nach zeitnaher Aufklärung oder Berichterstattung kann man durchaus akzeptieren - das ist klar -, wobei ich feststelle, dass, wenn wir etwas eingefordert haben, das auch zeitnah gegeben worden ist. Es wird eigentlich nur das, was schon ist, dann tatsächlich im Gesetz festgeschrieben.

Der Änderungsvorschlag zu Artikel 4 Absatz 1 Satz 2, dass eines der Mitglieder sonstige Berichte einfordern kann, würde Individualrechte für einzelne Mitglieder begründen. Ich kann mich da an dem Kollegen Weiß orientieren: Wenn das Parlament einem Gremium ein Kontrollrecht überträgt, hat dieses Gremium als Ganzes das Kontrollrecht inne, nicht aber jedes einzelne Mitglied.

Eines möchte ich auch zu bedenken geben: Niemand weiß, ob nicht irgendwann einmal - wir hoffen, dass es nicht eintritt - auch extremistische Kräfte im Landtag diese Rechte für sich in Anspruch nehmen könnten. Deshalb wäre es bedenklich, wenn ein einzelnes Mitglied des Kontrollgremiums Rechte dieses Kontrollgremiums dazu benutzen könnte, um möglicherweise Missbrauch zu betreiben.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der FDP)

Zu den Änderungsvorschlägen zum Artikel 5 habe ich gleich einmal eine Auslegungsfrage. Sie haben beim Artikel 4 Absatz 1 Satz 2 vorgeschlagen: "…oder eines der Mitglieder", und im Artikel 5 heißt es: "… und seine Mitglieder". Das ist rechtlich ein Unterschied. Wenn ich lese: "… und seine Mitglieder", dann sind es wieder alle Mitglieder. Also entweder wollen Sie eines seiner Mitglieder haben oder alle. Dann müssten Sie das aber noch ändern. Das müsste dann noch diskutiert werden.

Auch über die Zweidrittelmehrheit kann man reden. Ich kann nur darauf hinweisen, dass diese Regelung vom Bund übernommen worden ist wie auch ein Großteil der anderen Regelungen. Es hat natürlich seine Gründe, warum das im Bund so gemacht worden ist. Wer das PKG informiert, muss darauf vertrauen können, dass das Gremium die Geheimhaltung wahrt; wenn davon ausnahmsweise Abstand genommen wird, muss eben eine qualifizierte Mehrheit darüber entscheiden. Ob das jetzt eine einfache Mehrheit oder eine qualifizierte Mehrheit ist, wird man diskutie

ren können. Aber es hat sicherlich auch seine Gründe, warum das hier so geregelt ist.

Zum Schluss zur Personal- und Sachausstattung. Diese Regelung gibt es im Übrigen beim Bund bereits. Darüber kann man natürlich auch diskutieren. Allerdings müssen in Bayern nicht zwei Geheimdienste und eine Verfassungsschutzbehörde kontrolliert werden, sondern eben nur eine Verfassungsschutzbehörde. Da muss man schauen, ob das rechtfertigt, dass man hier zusätzliches Personal beschäftigt.

Wir werden das, wie gesagt, in den Ausschüssen diskutieren. Eines ist mir auch noch wichtig: Es wird jetzt ein Untersuchungsausschuss eingerichtet. Man sollte dann, wenn man wirklich Änderungen aufgrund dieser Anlässe will, das Ergebnis dieses Ausschusses abwarten.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege Pointner. Als Nächster hat nun Kollege Dr. Andreas Fischer das Wort für die FDP. Bitte schön.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Vor zwei Jahren haben wir in diesem Haus ein Gesetz verabschiedet - überfraktionell, sehr konstruktiv, sehr sachlich. Nicht, dass es vorher nicht funktioniert hätte, aber wir haben etwas Entscheidendes geändert: Wir haben Rechte für das Parlamentarische Kontrollgremium geschaffen, und das war auch gut so.

Nun wollen Sie, Vertreterinnen und Vertreter des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, die Effizienz verbessern. Kollege Schindler, Sie haben gesagt, es soll eine Effizienzsteigerung erreicht werden, und schon deshalb sei es ein guter Ansatz. Ich muss sagen, so bescheiden bin ich nicht. Ich messe einen Gesetzentwurf nicht danach, ob er ein gutes Ziel verfolgt, sondern ob er das gesteckte Ziel auch tatsächlich erreicht - und das wage ich zu bezweifeln.

Was mich sehr stört, ist der Eindruck, den Sie hier auch erwecken, dass nämlich im Parlamentarischen Kontrollgremium - Sie haben es, glaube ich, gerade so formuliert - eine Mehrheit sitze, die keine Auskünfte haben will. Wenn ich das höre, dann habe ich den Eindruck, Sie sitzen in einem anderen Gremium als ich.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Ich habe diesen Eindruck noch nie mitgenommen. Ich finde es schlicht unredlich, wenn Sie hier den Eindruck erwecken wollen, irgendjemand wolle etwas

verschleiern. Das Gegenteil ist richtig. Ich möchte feststellen, dass Sie jede Auskunft bekommen haben, die Sie wollten.

Was die Änderungsvorschläge im Einzelnen betrifft, ist Folgendes anzumerken: Wir haben die Frage der Individualrechte bei der Verabschiedung des PKGGesetzes ausführlich diskutiert. Es ist schon gesagt worden - ich kann es nur noch einmal wiederholen -, dass das Parlament das Kontrollrecht hat. Es kann dieses an ein Gremium übertragen. Aber die Übertragung auf ein einzelnes Mitglied ist höchst problematisch. Individualrechte können ein solches Gremium lahmlegen, erst recht, wenn in einer der nächsten Legislaturperioden eventuell eine Partei in diesem Gremium vertreten sein könnte, die damit Missbrauch treiben würde. Ich halte ein solches Individualrecht schlicht und einfach für nicht zielführend. Ich halte es für gefährlich und werde deswegen einem solchen Individualrecht nicht zustimmen.

Ich sehe es auch als problematisch an, wenn Sie die Mitarbeiter einbeziehen wollen. Wir haben derzeit im Parlamentarischen Kontrollgremium sieben Personen. Mit den Mitarbeitern würden Sie diese Zahl ohne Not verdoppeln. Und wie Sie wissen, ist die Gefahr einer undichten Stelle umso größer, je mehr Menschen in einem solchen Gremium vertreten sind. Deshalb sollten wir auch von diesem Vorschlag Abstand nehmen.

Was mich besonders stört, ist die Einleitung zum Gesetzentwurf. Ich meine den Zusammenhang mit den NSU-Morden. Da ist eine schreckliche Sache passiert, aber hier einen Zusammenhang mit dem Parlamentarischen Kontrollgremium und dem PKG-Gesetz zu schaffen, ist schlicht und einfach nicht angemessen. Es gibt keinerlei Hinweise darauf. Wir haben den Untersuchungsausschuss noch nicht einmal eingerichtet, und Sie wissen jetzt schon, dass es Ihrer Meinung nach anders sein sollte. Ich sage: Es gibt keinerlei Hinweise, dass das PKG irgendetwas hätte verhindern können oder müssen, und es gibt auch keinerlei Hinweise, dass im bayerischen Verfassungsschutz irgendetwas falsch gelaufen wäre.

Ich möchte noch etwas aufgreifen, was Kollege Schindler bereits angesprochen hat. Sie, Kollege Schindler, haben die zahlreichen Befugnisse des Verfassungsschutzes angesprochen. Ja, natürlich, die gibt es. Aber ich möchte in diesem Zusammenhang auch betonen, dass diese zahlreichen Befugnisse des Verfassungsschutzes in dieser Legislaturperiode zurückgefahren worden sind. Das Einzige, was wir hier geändert haben, war die Abschaffung des heimlichen Betretens von Wohnungen im Rahmen der OnlineDurchsuchung. Das geschah auf Betreiben der FDP.

Es ist demgegenüber nichts hinzugekommen. Das festzustellen, gebietet die Ehrlichkeit.

Mein Fazit zum Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist einfach: Nichts ist neu. Nichts ist geeignet, die parlamentarische Kontrolle zu verbessern. Deshalb ist das Gesetz für mich auch nicht zustimmungsfähig.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Danke schön, Herr Dr. Fischer. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist die Aussprache geschlossen. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 b auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Hans-Ulrich Pfaffmann, Christa Steiger u. a. und Fraktion (SPD), Margarete Bause, Dr. Martin Runge, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Änderung des Bayerischen Blindengeldgesetzes (Drs. 16/12525) - Erste Lesung

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Erste Rednerin ist Kollegin Steiger.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wie in allen anderen Bundesländern besteht auch in Bayern ein Blindengeldgesetz. Aufgrund dieses Bayerischen Blindengeldgesetzes erhalten blinde Menschen zum Ausgleich der ihnen entstehenden Nachteile ein Blindengeld. Das Blindengeld beträgt 85 % der Blindenhilfe nach dem SGB XII.

Nach der Definition des Bayerischen Blindengeldgesetzes ist blind, wem das Augenlicht vollständig fehlt oder dessen Sehschärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als ein Fünfzigstel beträgt oder wenn Störungen des Sehvermögens von Schweregraden bestehen, die mit einem Fünfzigstel gleichzusetzen sind.

So weit, so gut, möchte man meinen. Aber es ist leider eben nicht "so weit, so gut". Denn in Bayern leben derzeit 100 taubblinde Menschen, 6.100 hochgradig sehbehinderte Menschen und 75 hochgradig sehbehinderte Menschen mit gleichzeitiger Taubheit oder hochgradiger Schwerhörigkeit.

Diese 6.275 Menschen erhalten kein Blindengeld. Das wollen wir mit unserem Gesetzentwurf ändern.

Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention bedeutet eben auch, behinderten Menschen eine uneingeschränkte Teilhabe am gesamtgesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Das ist Inklusion. In Bayern haben wir nun über 6.000 Menschen, die keine Möglichkeit zur gesamtgesellschaftlichen Teilhabe haben. Damit besteht eine Lücke im Gesetz; denn wir haben hier eine Exklusion.

Die besondere Situation von taubblinden Menschen ist im Bayerischen Blindengeldgesetz nicht berücksichtigt. Ebenso erhalten hochgradig sehbehinderte Menschen und hochgradig sehbehinderte Menschen, bei denen gleichzeitig eine Gehörlosigkeit vorliegt, keine Leistungen nach dem Blindengeldgesetz.

Diese Personengruppen haben aufgrund ihrer Sehschädigung bzw. aufgrund der zusätzlichen Gehörlosigkeit oder ihrer hochgradigen Schwerhörigkeit einen außerordentlich großen Hilfebedarf und einen außerordentlich großen Assistenzbedarf zur Kommunikation auf der einen Seite und zur Bewältigung des ganz schlichten alltäglichen Lebens auf der anderen Seite.

Vielleicht kennen Sie die Geschichte der taubblinden Helen Keller. Ansonsten empfehle ich Ihnen, deren Geschichte nachzulesen. Taubblinde Menschen können nur durch Lormen kommunizieren. Diese Kommunikation entsteht durch das in die Hand hineingetippte Alphabet. Ohne einen qualifizierten, geübten Begleiter könnte ein taubblinder Mensch oder ein fast taubblinder Mensch seine vier Wände nicht verlassen. Menschen mit solch ganz massiven Handicaps benötigen oft sehr teure Hilfsmittel und Hilfe durch qualifizierte Assistenz, um ihren Alltag einigermaßen bewältigen zu können, um vor die Türe gehen zu können, um am Straßenverkehr teilnehmen zu können oder auch nur, um kommunizieren zu können, damit sie nicht vereinsamen. Dieser dauerhafte Hilfebedarf bedeutet erhebliche finanzielle Belastungen, die durch die Leistungen der GKV, der Eingliederungshilfe, der Grundsicherung und viele andere Dinge leider nicht aufgefangen werden können.

Es geht hier nicht um Bevorzugung, sondern um einen Ausgleich. Durch die Aufnahme dieses Personenkreises in das Bayerische Blindengeldgesetz kann die selbstbestimmte Teilhabe am gesamtgesellschaftlichen Leben wesentlich gefördert werden. Das zeigen die positiven Erfahrungen, die mit dem Blindengeld gemacht worden sind.

Schauen Sie sich einmal die Blindengeldgesetze der anderen Bundesländer an. Da erkennt man durchaus Möglichkeiten zur Hilfe. Im Rahmen unseres Föderalismus haben zwar alle Bundesländer eigene Regelungen, aber in den meisten Bundesländern gibt es für

die Gruppe der taubblinden Menschen, der schwerst gehörgeschädigten Menschen verbunden mit Blindheit oder hochgradiger Sehbehinderung, gesetzliche Regelungen. Und das wollen wir in Bayern auch.

Deshalb schlagen SPD und GRÜNE mit ihrem gemeinsam eingebrachten Gesetzentwurf, der mithilfe des Bayerischen Blindenbundes erarbeitet worden ist, eine entsprechende Lösung für Bayern vor. Damit sollten wir uns ernsthaft auseinandersetzen.

Diese Lösung sieht in unseren Augen folgendermaßen aus: Blinden Menschen im Sinne des Bayerischen Blindengeldgesetzes mit vollständigem Hörverlust oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit, und zwar unabhängig davon, in welchem Alter die Schwerhörigkeit eingetreten ist, soll ein Blindengeld in doppelter Höhe gewährt werden. Wir müssen davon ausgehen - und das zeigen auch die Daten und entsprechenden Prognosen -, dass wir es zunehmend mit Menschen zu tun haben, die schwer sehbehindert und gleichzeitig schwerhörig, die also blind und taub sind. Dem müssen wir gerecht werden.

Für hochgradig sehbehinderte Menschen soll ein Blindengeld in Höhe von 30 % des an blinde Menschen bezahlten Blindengeldes gewährt werden, und für hochgradig sehbehinderte Menschen mit vollständigem Hörverlust oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit soll, ebenfalls unabhängig davon, in welchem Alter die Schwerhörigkeit eingetreten ist, ein Blindengeld in doppelter Höhe des verminderten Blindengeldes an hochgradig sehbehinderte Menschen gezahlt werden. Das klingt vielleicht kompliziert, ist es aber überhaupt nicht.