Protokoll der Sitzung vom 23.05.2012

Für hochgradig sehbehinderte Menschen soll ein Blindengeld in Höhe von 30 % des an blinde Menschen bezahlten Blindengeldes gewährt werden, und für hochgradig sehbehinderte Menschen mit vollständigem Hörverlust oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit soll, ebenfalls unabhängig davon, in welchem Alter die Schwerhörigkeit eingetreten ist, ein Blindengeld in doppelter Höhe des verminderten Blindengeldes an hochgradig sehbehinderte Menschen gezahlt werden. Das klingt vielleicht kompliziert, ist es aber überhaupt nicht.

Wir können und müssen das in den entsprechenden Ausschüssen vertieft diskutieren. Ich hoffe sehr, dass wir dann zu einer einstimmigen Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf kommen. Das ist zu wünschen und auch zu hoffen im Sinne der Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention, die, wie ich schon erwähnte, den Schwerpunkt eindeutig auf die gesamtgesellschaftliche Teilhabe, die Inklusion, legt.

Jetzt grenzen wir leider noch Menschen aus, die in den Anspruch des Blindengeldes kommen müssen, es aber nicht tun und deshalb in weiten Bereichen nicht am gesamtgesellschaftlichen Leben partizipieren können. Das müssen wir ändern.

Ich bitte um Zustimmung des gesamten Hohen Hauses, um dieses Problem anzugehen und zu lösen. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächste hat Frau Kollegin Ackermann für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Heute Morgen hat Frau Landtagspräsidentin Stamm bei einer Feierstunde zugunsten schwerst kranker Kinder gesagt: Was Menschen brauchen, das müssen wir in den Mittelpunkt stellen. Sie hat auch gesagt - sinngemäß, ich habe die Worte nicht aufgeschrieben -: Es kann nicht nur um Haushaltskonsolidierung gehen, sondern Menschlichkeit muss auch noch möglich sein. - Korrigieren Sie mich, wenn es nicht stimmt.

Gestern wurde die Ausstellung des Blindenbundes eröffnet. Dabei hat Herr Vizepräsident Bocklet geäußert, "dass für blinde Menschen alles getan werden muss, was die Inklusion und die Teilhabe fördert."

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Ich finde, dass beide recht haben, dass sie genau das ausgedrückt haben, was für die blinden Menschen in unserer Gesellschaft notwendig ist.

Wir haben, weil wir genau dieser Meinung sind, noch bevor dies gesagt wurde, unseren Gesetzentwurf eingebracht. Er ist auf Vorschlag des Blinden- und Sehbehindertenbundes zustande gekommen. Es kann also nicht die Rede davon sein, dass er allein der Feder von SPD und GRÜNEN entsprungen ist, Frau Meyer; sondern er ist in Einigkeit mit den blinden Menschen entstanden und setzt sich für ihre Rechte, für die Rechte von taubblinden und von schwerst sehbehinderten Menschen, ein. Das ist der Sinn dieses Gesetzentwurfes, und ich bin gespannt, mit welchen Argumenten Sie sich jetzt wieder aus der Affäre ziehen wollen und diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen können.

Dieser Gesetzentwurf zeigt eine ungeheure Solidarität des Blindenbundes mit den anderen Gruppen von sehbehinderten und taubblinden Menschen. Denn wie wir uns erinnern, hat der Stoibersche Sparwahn 2004 dem Blindenbund 15 % des Blindengeldes gestrichen. Es wäre also nicht mehr als recht und billig, dieses Blindengeld jetzt, wo der Haushalt konsolidiert ist, wo ungeheuere Steuereinnahmen eingehen, wieder zu erhöhen. Der Blindenbund hat gesagt: Nein, wir begnügen uns damit. Aber wir möchten, dass das Blindengeld für taubblinde Menschen entsprechend erhöht wird, damit sie eine Teilhabe haben, damit Inklusion verwirklicht werden kann. Das ist das Anliegen dieses Gesetzentwurfs. Das ist noch nicht einmal die Verwirklichung der Inklusion, nein, das ist nur die ganz einfache Umsetzung von Menschenrechten, zu der Sie sich alle verpflichtet haben.

Wenn die taubblinden und die schwerst sehbehinderten und hörbehinderten Menschen diese Hilfe nicht erhalten, dann besteht die Gefahr, dass sie in Isolation und Armut abrutschen. Es droht ihnen auch die Einweisung in ein Heim. Meine Damen und Herren, das wird dann durchaus nicht billiger für die Gesellschaft, aber es ist unmenschlicher. Ob wir das wollen, können wir uns heute überlegen, wenn wir über diesen Gesetzentwurf abstimmen.

Meine Damen und Herren, wir hören sehr viele Sonntagsreden. Ich habe mir sagen lassen, dass Kollege Seidenath erst am vergangenen Samstag gesagt hat, er wäre durchaus dafür, für taubblinde Menschen das Blindengeld aufzustocken. Na gut, das war wieder einmal eine - in dem Fall - Samstagsrede. Aber, meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Wenn Sie das nur in Samstags- und Sonntagsreden äußern, dann können Sie sie einstampfen. Denn damit zeigen Sie nur, dass Sie nicht gewillt sind, das in den Mittelpunkt zu stellen, was Menschen brauchen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe, möchte ich sechs Teilnehmer der Special Olympics auf der Tribüne begrüßen.

(Allgemeiner Beifall)

Sie kommen aus dem Landkreis Main-Spessart, von den Mainfränkischen Werkstätten. Unsere Landtagspräsidentin hat sie gerade empfangen und sie nehmen nun an der Sitzung des Bayerischen Landtags teil. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt, viel Erfolg bei den Olympics und dann wieder eine gute Heimreise. Alles Gute.

(Allgemeiner Beifall)

Als Nächster hat Kollege Joachim Unterländer für die CSU-Fraktion das Wort.

Lieber Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Teilnehmer und Wettkämpfer der Special Olympics! Die CSU-Landtagsfraktion bekennt sich mit Nachdruck zum bayerischen Blindengeld als Bestandteil eines Nachteilsausgleiches für Menschen, die in unserer Gesellschaft unter erschwerten Bedingungen leben müssen. Die CSU sieht im Blindengeld einen wirksamen Ausgleich für Belastungen der blinden Menschen, einen echten Nachteilsausgleich. Das bayerische Blindengeld hat auch eine feste historische Tradition, die sich aus der Nachkriegszeit ergibt. Deswegen sollte man, wenn ich an die Diskussionen vor

zehn Jahren denke, den Bestand und die Grundfesten des Blindengeldes immer würdigen und schützen.

Der Bayerische Blinden- und Sehbehindertenbund, der in seiner ganzen Mitgliederstruktur natürlich nicht nur blinde, sondern eben auch sehbehinderte Menschen vertritt, hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es gerade bei taubblinden und schwerst sehbehinderten Menschen zu erheblichen Belastungen kommt, die nicht in gleicher Weise berücksichtigt werden, wie das bei vollständiger Erblindung der Fall ist.

Ich möchte die Aufmerksamkeit auf die Situation taubblinder Menschen richten. Ihre Beeinträchtigung und Sinnesbehinderung ist eine der schwersten Belastungen, mit denen sich Menschen auseinandersetzen müssen. Wenn sowohl das Sehen als auch das Hören beeinträchtigt oder überhaupt nicht vorhanden sind und nur mit dem von Frau Kollegin Steiger schon angesprochenen Lormen, also mit dem Buchstabieren in die Handflächen hinein, überhaupt eine Kommunikationsmöglichkeit besteht, muss die Situation dieser Menschen besonders sorgfältig und aufmerksam verbessert werden. Das muss unsere Aufgabe sein.

Mein Respekt gilt den Menschen, die diese Taubblinden begleiten und unterstützen, und auch denjenigen, die blinde und sehbehinderte Menschen immer wieder unermüdlich beraten. Dafür bedanken wir uns seitens der CSU-Landtagsfraktion nachdrücklich.

(Allgemeiner Beifall)

Der Bayerische Blinden- und Sehbehindertenbund ist schon seit einiger Zeit mit diesen Überlegungen unterwegs. Wir wissen das und führen auch seitens der CSU-Landtagsfraktion einen Dialog, um hier ein Gesamtkonzept zu entwickeln, wie das bayerische Blindengeld weiterentwickelt werden kann - dann hoffentlich in freudiger Kooperation in der Koalition. Ich denke, dass es notwendig ist, auch zu beachten, was für Beeinträchtigungen schwerst behinderte Menschen haben. Nur darüber zu sprechen und es nicht zu erleben, ist schwierig. Deswegen unterstützen wir entsprechende Überlegungen einer Fortschreibung.

Im Rahmen dieses Gesamtkonzeptes, das ich angesprochen habe, ist es natürlich auch notwendig zu sehen, welche Rechtslage gegenwärtig besteht und welche aktuelle Haushaltssituation wir beim bayerischen Blindengeld haben. Das kann entsprechend weiterentwickelt werden. Wir müssen im Gesamtkontext auch die Situation anderer sinnesbehinderter Menschen sehen, zum Beispiel der Gehörlosen. Gehörlose Menschen leiden, was Integrationsnachholbedarf anbelangt, genauso unter der Situation wie Blinde und Sehbehinderte.

Schließlich ist es notwendig, im Kontext der Inklusion der UN-Behindertenrechtskonvention ein Gesamtkonzept zu entwickeln. Wir arbeiten daran. Wir freuen uns auf konstruktive Beratungen über die Gesetzentwürfe und über darüber hinausgehende Überlegungen. Es lohnt sich immer, über Belange von Menschen mit Behinderungen miteinander zu diskutieren.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege Unterländer. Als Nächster hat Herr Professor Dr. Peter Bauer von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte heute mit folgendem Zitat beginnen:

Das bayerische Blindengeld ist hier ein wichtiger Beitrag, ihre Teilhabechancen in unserer Gesellschaft zu verbessern - ganz im Sinne des Inklusionsgedankens der UN-Behindertenrechtskonvention. Bayern steht zu seinen blinden Menschen.

So, meine sehr geehrten Damen und Herren, lautet die Pressemitteilung der Frau Staatsministerin Haderthauer vom 30. Juni 2011. Damals kündigte die Sozialministerin vollmundig eine Erhöhung des Blindengeldes zum 1. Juli 2011 an. Wie viele Euro sind es denn tatsächlich geworden? Sie können sich das überlegen. Ich sage es Ihnen: Es sind 5 € pro Monat geworden.

Das Blindengeld ist kein Almosen, meine Damen und Herren, sondern es ist der besonderen Situation dieser Menschen geschuldet und soll einen angemessenen Ausgleich für die durch die Behinderung entstehenden finanziellen Mehrkosten schaffen. Bedenken Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die UN-Behindertenrechtskonvention formuliert ganz klar das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft. Dazu gehört unmissverständlich auch ein finanzieller Ausgleich.

Im Jahr 2010 erhielten in Bayern 15.341 Personen Blindengeld, und der Haushaltsansatz betrug 80 Millionen Euro. Das Blindengeld ist - das hat Frau Steiger schon ausgeführt - eine reine Leistung des Freistaates. Von diesem Geld werden die Pflegeleistungen durch dritte Personen sowie Anschaffungen behindertengerechter Hilfsmittel, beispielsweise eines Punktschriftnotizblocks, bezahlt. Weiterhin zählen die Kosten für Haushaltshilfen, für Vorlesen und Begleitung dazu.

Das festzustellen ist wichtig, und das ist gut so; denn einer außergewöhnlichen Situation wird heute eben nicht Rechnung getragen, wie es im Gesetzentwurf der GRÜNEN und der SPD steht, nämlich der besonderen Situation von taubblinden Menschen.

Wir FREIEN WÄHLER sind der Ansicht, dass deshalb eine Änderung des Bayerischen Blindengeldgesetzes notwendig ist. Taubblinde haben einen außerordentlich großen Hilfsbedarf, beispielsweise für eine zusätzliche qualifizierte Kommunikation und bei der Bewältigung der Alltagsarbeiten. Diese Erfordernisse müssen zu einem finanziell deutlich höheren Beitrag durch den Freistaat Bayern führen.

Demnach kann ich nur sagen: Lassen Sie uns dem Beispiel anderer Bundesländer folgen und dafür auch in Bayern eine Regelung finden, dass blinden Menschen im Sinne des Bayerischen Blindengesetzes mit vollständigem Hörverlust oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit - das ist schon öfter gesagt worden - unabhängig vom Alter, in dem die Taubheit eintritt, Blindengeld in doppelter Höhe gewährt wird.

Wir reden hier von einem überschaubaren Haushaltsansatz. Dafür werden ungefähr 12,4 Millionen Euro benötigt. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Zahl der Blinden in den letzten Jahren gesunken ist. Der medizinische Fortschritt wird dazu führen, dass diese Zahl noch weiter zurückgehen wird.

Die von der Regierung Stoiber 2004 verhängte Haushaltssperre und die pauschale Kürzung um 15 % haben dem Freistaat Bayern insgesamt Einsparungen in Höhe von 15 Millionen Euro gebracht. Durch einen Federstrich wurden diese Gelder weggekürzt und eingespart. Nicht zuletzt deshalb fordern wir auch eine Änderung dieses Gesetzes, die längst überfällig ist.

Es geht hier, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, um ein besonderes Beispiel sozialer Gerechtigkeit. Deshalb werden wir den vorliegenden Gesetzentwurf eingehend prüfen. Dennoch kann ich Ihnen heute schon versichern: Wir stützen ihn politisch voll. Die FREIEN WÄHLER stehen hinter diesem Gesetzentwurf.

Außerhalb der Tagesordnung darf ich Sie einladen, sich die Ausstellung "Sehen" an der Westpforte des Landtags anzusehen. Es lohnt sich, sich hier mit dem Blindsein auseinanderzusetzen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege. Als Nächste erhält Frau Kollegin

Brigitte Meyer für die FDP das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Verehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Taubblindheit ist für mich mit die schlimmste Beeinträchtigung, die einem Menschen auferlegt sein kann. Sie ist eine eigene Art der Behinderung, welche nicht einfach nur einer Addition von Taubheit und Blindheit entspricht. Da beide Feinsinne geschädigt sind, können die Ausfälle des einen Sinnes nicht oder nur mangelhaft durch den jeweils anderen Sinn kompensiert werden.

Zentrale Probleme der betroffenen Menschen sind zum einen Mobilität und räumliche Orientierung, zum anderen die Kommunikation, die mithilfe einer Vielzahl unterschiedlicher Kommunikationssysteme ermöglich werden müssen. Ich denke, wir sind uns alle einig, dass Taubblindheit ein unvorstellbar schweres Schicksal darstellt. Schon der Verlust einer Fähigkeit bedeutet massive Einschränkungen. Aber der Verlust beider Fähigkeiten erscheint fast unerträglich.

In Bayern leben, wie wir gehört haben, derzeit rund hundert taubblinde Menschen und meistern täglich ihr schweres Schicksal. Bislang wird die besondere Situation dieser Menschen im Bayerischen Blindengeldgesetz nicht berücksichtigt. Denn taubblinde Menschen erhalten zum einen nur dann Blindengeld, wenn sie per Definition wirklich blind sind, und zum anderen erhalten sie denselben Satz wie Blinde ohne Gehörlosigkeit.

Taubblinde Menschen haben einen außerordentlich großen Hilfebedarf durch Assistenzkräfte - es wurde schon gesagt - zur Unterstützung der Kommunikation oder zur Bewältigung des Alltags. Dies führt bei den Betroffenen oft zu einer großen finanziellen Belastung. Deshalb ist das Blindengeld eine wichtige Einrichtung, die, Herr Professor Bauer, in ihrer Form überhaupt nicht zur Disposition steht.

Bei den Liberalen stößt Ihr Vorstoß, werte Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den GRÜNEN, die Leistungen für taubblinde Menschen auf den doppelten Satz anzuheben, um deren besonderen Bedürfnissen Rechnung zu tragen, grundsätzlich auf offene Ohren. Solches würde auch nach unserer Auffassung eine selbstbestimmte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention massiv fördern. Frau Kollegin Steiger, auch Sie haben hierauf hingewiesen.