Protokoll der Sitzung vom 19.06.2012

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Das Gleiche gilt für den gesamten Ganztagsbereich: Die gebundene Ganztagsklasse, die offene Ganztagsklasse, die Mittagsbetreuung und die Ferienbetreu

ung. Jedes Ministerium bastelt vor sich hin und überlegt, mit welchen Zuständigkeiten und Geldern die Konzepte realisiert werden können. Das geht auf Kosten der Effizienz dieser gemeinsamen Aufgabe. Deswegen muss ein Ministerium die Zuständigkeiten vereinen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN - Florian Streibl (FREIE WÄHLER): Bravo!)

Es gibt ein weiteres Beispiel für unsere Forderung: Die Schulsozialarbeit. Es gibt die Jugendsozialarbeit an Schulen. Vonseiten des Kultusministeriums gibt es jedoch noch keine echte Schulsozialarbeit. Das ist der Beweis dafür, dass ein Ministerium wissen muss, was es tut, wer was zahlt und wer wofür zuständig ist. Derzeit geschieht das nur parallel.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Dasselbe gilt für den Übergang an die Hochschulen. Es gibt Beratungsstellen an den Hochschulen und Fachhochschulen. An den Gymnasien und den Fachoberschulen finden ebenfalls Beratungen statt. In diesem Fall wäre es ebenfalls richtig, dies in einem Ministerium zu regeln. Herr Heubisch kann die Forschung an Herrn Zeil abgeben, damit noch ein wenig schneller geforscht werden kann.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD - Isabell Zacharias (SPD): Bravo!)

- Das habe ich ernst gemeint. Die anderen Bundesländer machen uns vor, dass es mit einem Bildungsministerium geht. Außerdem könnte Platz für ein Ministerium geschaffen werden, das wir für sehr wichtig halten, nämlich das Energieministerium. Anstatt alles nebeneinander zu regeln, könnte es endlich weitergehen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Unsere zweite Forderung lautet, wesentlich mehr Priorität auf bundeseinheitliche Standards zu legen. Herr Minister Spaenle, in Ihrer Amtszeit als Vorsitzender der Kultusministerkonferenz hätten Sie einige Möglichkeiten hierfür gehabt. Sie haben sich jedoch rumgedrückt. Sie müssten endlich Farbe hinsichtlich des Niveaus der jeweiligen Abschlussart bekennen. Wir brauchen einen einheitlich definierten Qualifikationsabschluss. Wir brauchen einen mittleren Schulabschluss, der einheitlich definiert wird. Wir brauchen ein einheitliches Abitur, im Rahmen dessen sichergestellt wird, was abgefragt und beherrscht werden muss. Bei allem Respekt für den Föderalismus muss man sich hinsichtlich der Bildungsstandards im Bund einigen. Sonst ist es einem hoch industrialisierten Land nicht mehr angemessen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Der erste Sündenfall, den Sie im Zusammenhang mit der Niveauabsenkung begangen haben, ist die Aufweichung der Übertrittsbedingungen. Wenn Sie das gegliederte Schulsystem so hochhalten, dann müssen Sie letztendlich auch Abgrenzungskriterien hochhalten. Sie haben einen Sündenfall begangen, indem Sie all das, was man über Jahrzehnte als bewährt empfunden hat, über Bord geworfen haben. Schüler, die bisher für bestimmte Schularten als nicht geeignet galten, sollten auf einmal geeignet sein, ohne dass ein Level gesenkt wurde und ohne dass eine wesentlich bessere Förderung angeboten wurde. Diese Rechnung kann nicht aufgehen.

So ist es auch mit der Diskussion über G 8, die in diesem Haus wahrscheinlich überhaupt keiner mehr hören kann. Sie haben die Zielvorstellungen für den Abschluss dieses Schultyps nicht definiert, wundern sich aber jetzt, dass Sie nicht weiterkommen, dass es immer wieder Kritik der Eltern und der Schüler gibt. Wir brauchen also klare Zielvorstellungen. Man muss Vorstellungen darüber entwickeln, wie man zu dem aufgestellten Ziel kommt. Man muss ebenfalls konsequent an dem Ziel festhalten, wenn wir nicht wollen, dass das Abitur letztlich nur für den Papierkorb ist und die Universitäten die Eingangsvoraussetzungen und die Eingangsprüfungen selber gestalten.

Sie haben in diesem Zusammenhang als Vorsitzender der Kultusministerkonferenz versagt. Sie hätten es in der Hand gehabt, etwas zu erreichen. Sie haben in diesem Punkt die politische Glaubwürdigkeit für mich verloren.

Ich erinnere mich sehr wohl an eine Podiumsdiskussion anlässlich einer Veranstaltung der bayerischen Wirtschaft zum Zentralabitur. Da hat derselbe Minister am Vormittag in der Diskussion etwas ganz anderes gesagt als in der Presseerklärung, die zeitgleich herausgekommen ist. In der Podiumsdiskussion haben Sie sehr wohl geäußert, Sie könnten sich mit den Vorstellungen einverstanden erklären. Aber die Presseerklärung lautete völlig anders. Entweder wissen Sie nicht, was Ihre Pressestelle sagt, oder Sie haben sich bewusst anders geäußert: einmal so und einmal so.

Sie erinnern sich vielleicht auch, wie in der Diskussion die Rede davon war: Das geht ja nicht usw. Da ist der Personalchef einer sehr großen Firma aufgestanden und hat gesagt, das gehe schon, er schaffe es, deutschlandweit 20.000 Ingenieure zentral zu prüfen. Die Herren von der Industrie- und Handelskammer sind aufgestanden und haben gesagt, sie würden es vormachen, eine einheitliche Prüfung bundesweit ab

zuhalten. Allerdings kriegen wir so etwas nicht zustande, obwohl es die Wirtschaft und die Eltern fordern.

Unsere nächste Forderung ist die echte Partizipation. Frau Will, es ist zwar schön, was Sie alles vorschlagen, aber Sie sollten sich vielleicht mehr dafür einsetzen, dass die Vorschläge umgesetzt werden. Wenn Sie schon in einer Regierungspartei sind und nicht auf die nächste Regierung warten wollen, ist dies wichtig.

Partizipation der Eltern heißt zunächst einmal, die Eltern dafür fähig zu machen. Wir sagen immer: Die Eltern können es nicht, die Eltern bringen es nicht mehr. Aber dann muss man als Staat einspringen und die Eltern für die Aufgaben fähig machen. Man muss von Eltern auch etwas einfordern. Wenn wir ein hoch entwickeltes Schulsystem anbieten, dann müssen wir die Eltern da abholen, wo sie sind. Wenn manche Eltern die Schule nicht unterstützen, dann muss man sie dazu befähigen, sich an den schulischen Notwendigkeiten zu beteiligen. Dies muss man von den Eltern auch einfordern.

Das Gleiche gilt für die Schüler. Das Bayerische Erziehungs- und Unterrichtsgesetz gibt es sehr wohl her, dass Schüler an der Möglichkeit, die Schule zu formen, anders partizipieren. Wir fordern es zu wenig ein. Wir fordern es zu wenig von unseren Schulleitern und Lehrern.

Letztlich muss auch der Träger ganz andere Mitwirkungsmöglichkeiten haben. Sie können natürlich von ihrer eigenverantwortlichen Schule und von der Bildungsregion sprechen. Aber dann müssen auch die Voraussetzungen stimmen. Das heißt, alle in der Schulfamilie, also Schüler, Eltern, Personal und Träger, müssen entsprechend ausgestattet sein. Es muss auch die entsprechenden Vorschriften geben. Das ist momentan aber nicht der Fall. Was notwendig ist, wird nicht eingeübt.

Weiter fordern wir weniger Bürokratie. In den Fachzeitschriften werden bereits kabarettmäßig E-Mails vorgestellt. Eine E-Mail kommt vormittags um acht Uhr. Um neun Uhr kommt die E-Mail vom Kultusministerium, wonach die Mail von acht Uhr nicht gilt. Um zehn Uhr wird gemailt, dass sie doch gilt. Aber das sind keine Kabarettstücke, sondern schulische Wirklichkeit.

Es gibt viele Verordnungen zu Details, die die Schule sowieso so gestaltet, wie sie will. Ein eigenverantwortlicher Schulleiter weiß sehr wohl, was er von den Vorschriften des Kultusministeriums ignorieren kann und was er nicht ignorieren darf. In dieser Hinsicht müssen Sie also wesentlich mehr auf die Eigenverantwortlichkeit der Menschen vor Ort abheben, um mehr Vertrauen zu schaffen.

Dann sage ich etwas zum Datenschutz. Wir haben vor ungefähr zwei Jahren von einem Zentralregister gesprochen, wo alle Daten aller Schüler gespeichert werden. Ein Teil des Hauses hier hat sich mit Recht dagegen gewehrt.

Umgekehrt waren Sie dann eine Zeit lang bereit, einen Schultrojaner einzusetzen, um den Verlagen entgegenzukommen, also um festzustellen, ob vielleicht unerlaubt kopiert wurde. Dazu gab es hier im Hause auf Ihrer Seite überhaupt keinen Widerspruch.

Jetzt geht es wieder los mit der Notenliste. Sehr viele Lehrer und Schulleiter wünschen sich den alten Notenbogen zurück. Denn aus Datenschutzgründen wollen wir dahin kommen, dass der Lehrer, der Erdkunde unterrichtet, nur die von ihm vergebenen Noten kennt, aber nicht sehen kann, was dieselben Schüler für Noten in Geschichte und Biologie bekommen. Sonst könnte ein Lehrer zu der Meinung kommen, dass ein bestimmter Schüler zwar begabt, aber faul ist.

Was beabsichtigt ist, ist vom Schulalltag weit weg. Wir bräuchten dann jeden Tag noch eine Teamarbeitsstunde. Wenn man diese den Lehrern gewährt, ist es in Ordnung. Dann könnten sich die Lehrer - sie sind ja Profis - besprechen und auf den ersten Blick sehen, was Sache ist und wie man die Eltern beraten kann. Aber dann wird alles noch viel komplizierter. Ich habe Verständnis für jeden Schulleiter, der sagt: Wir machen es wieder mit dem klassischen Notenbogen; wir verzichten auf die Technik des Notenblattes, wo man nämlich nach wie vor volle Einsicht nehmen kann.

Unsere vorletzte Forderung lautet: weniger Reformitis. Reformen sind sicher oft angebracht. Aber was wir in den letzten Jahren erlebt haben, ist eine Reformitis. Damit haben nicht Sie begonnen; das hat schon Ihr Vorgänger gemacht. Man sollte nicht eine Reform um der Reform willen machen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Die Gelenkklasse ist heute an einigen Stellen als Lachnummer entlarvt worden. Über das Intensivierungsjahr lacht momentan jeder, weil man überhaupt nicht sieht, wie man sich das vorzustellen hat. Schließlich wollen Sie auf die konstruktiven Vorschläge der Lehrerverbände nicht eingehen. Wenn bei individueller Förderung, mobiler Reserve und integrativer Reserve immer wieder mit einem bisschen Reformwillen angesetzt wird, dann sind das Aktionismus und zum großen Teil Populismus; das hat mit einer nachhaltigen Reform nichts zu tun.

Unsere letzte Forderung ist, Bildungspolitik nicht auf Kosten der Kommunen zu machen. Bei der Schulsozialarbeit, der Betreuung, der Ferienbetreuung und

auch sonst merkt man, dass der Trend dahin geht, die zusätzlichen Kosten nicht zu übernehmen, die dadurch entstehen, dass sich Schüler und Familien geändert haben. Man will diese Kosten nicht übernehmen und sagt, das sei Sache der Kommunen.

Das gilt auch bei der Inklusion. Alles ist noch sehr vage. Ich nenne die Schulbusbeförderung, von der man sagt, sie sei Sache der Kommunen. Sie kann aber nicht Sache der Kommunen sein. Die Kommunen haben genügend andere Aufgaben.

Bildung ist Aufgabe des Freistaates. So steht es in unserer Verfassung. Daran sollten wir uns auch in der Zukunft halten.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.

Zu einer zusammenfassenden Stellungnahme hat nun Herr Staatsminister Dr. Ludwig Spaenle das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bildung hat in Bayern Priorität. Wir benennen die Wege, die für die jungen Menschen in diesem Land geboten werden und die erfolgreich beschritten werden können. Wir benennen auch die Herausforderungen und Problemstellungen. Wir gehen die Herausforderungen an. Wir werden diese Probleme gemeinsam mit Ihnen und der Schulfamilie beheben und uns diesem hohen Anspruch stellen. Lassen Sie mich noch drei Bemerkungen machen:

Erstens. Kern der Aussagen vieler Kolleginnen und Kollegen der Opposition war der Wunsch, die Einheitsschule auf den Weg zu bringen. Das ist klar zu benennen. Dies wird ein Thema der Auseinandersetzungen bis zum Wahltag sein. Wir stellen diesem Modell ganz deutlich das differenzierte Bildungswesen mit hoher Durchlässigkeit, mit der Flächengarantie "Kein Abschluss ohne Anschluss" und mit der wohnortnahen Beschulung entgegen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir mit diesem Konzept im Gegensatz zu den Vorstellungen, die Sie entwickelt haben, große Zustimmung erfahren werden.

Zweitens. Die bayerische Wirtschaftsschule ist eine leistungsstarke Schule. Herr Kollege Gehring, von einem "Aushungern am ausgestreckten Arm", wie Sie es ausgedrückt haben, kann gar keine Rede sein. Wir haben in den vergangenen Monaten mit der gesamten Wirtschaftsschulfamilie eine umfassende Weiterentwicklung ins Werk gesetzt. Mit dem Modellversuch "Wirtschaftsschule und Mittelschule" haben wir eine

neue Möglichkeit geschaffen, beide Schularten unter ein Dach zu bringen. Leider haben sich private Träger bislang an diesem Versuch nicht beteiligt.

Drittens. Wir werden mit aller Kraft und nachhaltig die Investitionen in Bildung voranbringen. Wir stehen vor dem Beginn der Verhandlungen über den Doppelhaushalt 2013/2014, sodass wir vor der Sommerpause Klarheit haben werden. Wir werden das Bildungsland Bayern so entwickeln, dass wir dem Anspruch der Menschen nach Sicherung höchster Bildungsqualität gerecht werden.

(Beifall bei der CSU)

Damit ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Aktuelle Stunde gem. § 65 GeschO auf Vorschlag der SPD-Fraktion "Stehplatzgarantie in Fußballstadien - bezahlbare Karten und tolle Stimmung erhalten - Gewalt verhindern!"

Für die heutige Sitzung ist die SPD-Fraktion vorschlagsberechtigt.

In der Aktuellen Stunde dürfen die einzelnen Redner grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Auf Wunsch einer Fraktion erhält einer ihrer Redner bis zu zehn Minuten Redezeit. Dies wird auf die Anzahl der Redner der jeweiligen Fraktion angerechnet. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung das Wort für mehr als zehn Minuten, erhält auf Antrag einer Fraktion eines ihrer Mitglieder Gelegenheit, fünf Minuten ohne Anrechnung auf die Zahl der Redner dieser Fraktion zu sprechen. Der erste Redner ist Herr Kollege Harald Güller für die Fraktion der SPD.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gleich zu Beginn eines klarmachen: Wir haben diese Aktuelle Stunde nicht beantragt, um parlamentarischen Streit zu provozieren oder Vorwürfe zu erheben. Wir haben diese Aktuelle Stunde beantragt, damit sich das Parlament rechtzeitig zu einem anstehenden Thema äußert. Die Schieflage in der Diskussion ist durch eine Äußerung von Herrn Bundesinnenminister Friedrich entstanden, dem nach den Problemen beim Relegationsspiel Hertha BSC gegen Fortuna Düsseldorf nichts Besseres eingefallen ist, als wieder einmal den repressiven Hammer herauszuholen und das Verbot der Stehplätze zu fordern.

Ich möchte einen weiteren Punkt vorwegschicken: Ich gehe davon aus, dass das komplette Parlament jede