Protokoll der Sitzung vom 18.07.2012

Vielen Dank, Herr Staatsminister Herrmann. - Wortmeldungen liegen uns keine weiteren vor, deshalb können wir die Aussprache schließen und zur Abstimmung kommen.

Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf auf Drucksache 16/11983, die Änderungsanträge auf den Drucksachen 16/12751, 16/12763 und 12945 sowie die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit auf Drucksache 16/13222 zugrunde.

Vorweg lasse ich über die vom endberatenden Ausschuss zur Ablehnung vorgeschlagenen Änderungsanträge auf den Drucksachen 16/12751 und 16/12945 abstimmen.

Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Änderungsantrag der Fraktion der FREIEN WÄHLER auf Drucksache 16/12751 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der FREIEN WÄHLER und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. - Das sind die Fraktionen der CSU, der SPD und der FDP. Enthaltungen? - Sehe ich keine. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Änderungsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN auf Drucksache 16/12945 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN. Die Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. - Die Fraktionen der CSU und der FDP. Enthaltungen? - Das sind die FREIEN WÄHLER. - Danke schön. Damit ist dieser Änderungsantrag ebenfalls abgelehnt.

Zum Gesetzentwurf empfiehlt der federführende Ausschuss Zustimmung mit der Maßgabe von Änderungen. Dieser Beschlussempfehlung stimmt der Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und

Verbraucherschutz bei seiner Endberatung zu. Ergänzend schlägt er vor, in Artikel 66 in Absatz 1 als Datum des Inkrafttretens den "1. August 2012" und in Absatz 2 als Datum des Außerkrafttretens den "31. Juli 2012" einzufügen. Wer dem Gesetzentwurf in der Fassung des endberatenden Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der CSU, der FDP, der FREIEN WÄHLER und der SPD. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen - Stimmenthaltungen? - Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Damit ist das so beschlossen.

Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, können wir die Schlussabstimmung durchführen. Sie ist allerdings in namentlicher Form beantragt worden, und ich bitte, mit den Kärtchen zu den Urnen an den üblichen Stellen zu gehen. Sie haben fünf Minuten Zeit. Mit dem Abstimmungsvorgang kann begonnen werden.

(Namentliche Abstimmung von 9.36 bis 9.41 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Abstimmungsvorgang ist abgeschlossen. Die Stimmen werden außerhalb des Saals ausgezählt. Das Ergebnis geben wir Ihnen dann bekannt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes (Drs. 16/12316) - Zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache. Als Erster hat sich für die CSU-Fraktion Herr Unterländer zu Wort gemeldet. Er hat fünf Minuten Redezeit. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die zuständigen Ausschüsse haben dem Gesetzentwurf der Staatsregierung mit Ausnahme der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zugestimmt, sodass das Landeserziehungsgeld, ein bayerisches Erfolgsmodell, auch an ausländische Familien gezahlt wird, die nicht EU-Staatsbürger sind. Das geht auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zurück.

Die Konsequenz, die daraus zu ziehen ist, wird dadurch realisiert, dass man in der Rechtsänderung nicht mehr an die Staatsangehörigkeit anknüpft, sondern in Zukunft die Regelungen des Bundeselterngeldgesetzes und des Elternzeitgesetzes heranzieht. Das ist sinnvoll, und es ist selbstverständlich, dass diese Konsequenz aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gezogen wird.

Ich möchte an dieser Stelle - das war schon in der Ersten Lesung und auch in den Ausschussberatungen Gegenstand der Diskussion - daran erinnern, dass der Bayerische Verfassungsgerichtshof noch im Jahr 2007 darauf verwiesen hat, dass das Gesetz in seiner bisherigen Fassung nicht rechtswidrig sei. Aber wir vollziehen das in Bayern, und das ist zu akzeptieren.

Ich möchte noch einmal nachdrücklich betonen, dass das Bayerische Landeserziehungsgeld ein Kernstück der Familienpolitik der CSU/FDP-Koalition und der Bayerischen Staatsregierung ist und dass ein Landeserziehungsgeld nur noch in drei anderen Bundesländern gezahlt wird. Es ist ein Erfolgsmodell bayerischer Familienpolitik; wir entlasten Familien.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Dies lässt sich auch anhand von Zahlen eindeutig belegen. Seit seiner Einführung haben wir fast 2,8 Milliarden Euro an Leistungen an Familien gezahlt. Wie hoch der Stellenwert ist, den das Landeserziehungsgeld für die Entscheidung für das Ja zum Kind in der Familienplanung hat, weiß ich aus Gesprächen mit Vertretern von Schwangerenkonfliktberatungsstellen und Familienberatungsstellen. Deshalb müssen wir diese familienpolitische Komponente auch als sozialpolitisches Element sehen. Ich wehre mich dagegen, Familien- und Sozialpolitik gleichzusetzen, weil sonst ein breiterer Ansatz notwendig wäre. Aber hier spielt das Landeserziehungsgeld in der Tat eine wichtige Rolle.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade nach den Änderungen, die hier im Parlament beschlossen wurden, das Landeserziehungsgeld in erster Linie als Anschlussleistung an das Bundeselterngeld zu zahlen - ich darf mich an der Stelle ausdrücklich zu dieser Leistung des Bundeselterngeldes bekennen -, ist die Diskussion aufgekommen, es auf den Prüfstand zu stellen. Ich halte dies im Zusammenhang mit der familienpolitischen Diskussion für fragwürdig; denn wir brauchen sowohl das Elterngeld als auch das Landeserziehungsgeld. Diese unmittelbare Anschlussleistung, meine Damen und Herren, und die Anhebung der Einkommensgrenzen haben dazu geführt, dass wieder weit mehr als 40 % aller betroffenen Eltern im Freistaat Bayern das Landeserziehungsgeld in Anspruch nehmen können. Und diese Zahl wird in den kommenden Jahren noch nach oben gehen.

Deswegen ist es wichtig, dass wir einen breiten Konsens in Sachen Förderung der Familien herstellen. Das Filetstück ist neben dem Ausbau der qualitativen Sicherung der Kinderbetreuung die Entlastung der Fa

milien. Dafür steht insbesondere die CSU-Fraktion, aber auch die Koalition. Ich bitte um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Danke, Herr Kollege Unterländer. - Für die SPD-Fraktion hat sich Herr Kollege Pfaffmann zu Wort gemeldet. Er hat ebenfalls fünf Minuten Redezeit.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Änderung des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes tragen wir mit, weil damit eine Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts vollzogen wird.

Es geht hierbei nicht um die Frage, ob wir das Landeserziehungsgeld als Erfolgsmodell oder als eine ohne Zweifel familienentlastende Maßnahme diskutieren. Das ist unstrittig. Hierbei geht es um die Tatsache, dass Sie sich als Koalition seit Jahren weigern, Menschen, die nicht aus Deutschland oder aus EULändern kommen, ebenfalls in den Genuss des Landeserziehungsgeldes kommen zu lassen. Das ist verfassungswidrig.

Neben der Diskussion, die man trefflich über die Frage führen kann, ob Landeserziehungsgeld eine sinnvolle Maßnahme ist oder nicht - das kann man machen, das ist auch sachlich begründet -, hat dieser Gesetzentwurf eine andere Dimension. Es geht darum, ob wir hier ein Gesetz für alle Familien schaffen. Sie wollen das nicht. Sie wollen das seit Jahren nicht. Es ist seit Jahren ein Gesetz der Ausgrenzung. Deswegen geht es nicht um die Frage, ob Landeserziehungsgeld gut oder schlecht ist, sondern es geht um die Frage, dass Sie seit Jahren ein Diskriminierungsgesetz für Menschen von außerhalb der EU am Leben halten wollen. Um diese Frage geht es.

(Beifall bei der SPD)

Sie wollten das auch so. Sie fühlen sich - das kommt auch in Ihren Parteiinitialen zum Ausdruck - immer den christlichen Werten verbunden. Sie fühlen sich der Verfassung verpflichtet, wie wir auch. Ich darf Ihnen, lieber Herr Unterländer, aber schon sagen, dass einer der christlichen Werte der Grundsatz ist: Alle Menschen sind gleich. Seit Jahren ignorieren Sie diesen Grundsatz, gerade in Bezug auf dieses Gesetz. Es brauchte ein Bundesverfassungsgerichtsurteil, um Sie auf den neuen Weg zu bringen. Das ist doch beschämend!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ihre Haltung ist nicht neu, Herr Unterländer; wir konnten das schon mehrmals erleben: Auf der einen Seite tragen Sie die Monstranz christlicher Werte vor sich her, auf der anderen Seite machen Sie eine Politik, die diesen christlichen Werten widerspricht.

(Beifall bei der SPD)

Genau das ist der Punkt, und das ist die Dimension, die dieses Gesetz hat. Es geht hier nicht um die Frage, ob das Landeserziehungsgeld sinnvoll ist oder nicht.

Aber es ist noch dramatischer, weil Sie das genau so wollen. Seit 2007, als das Gesetz zur Neuordnung des Bayerischen Landeserziehungsgeldes in Kraft trat, wird über diesen Punkt diskutiert. Diese Koalition wollte ein Gesetz zur Ausgrenzung und Diskriminierung am Leben erhalten. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ist eine Ohrfeige nicht nur für die Koalition, sondern auch für den Bayerischen Verfassungsgerichtshof. Deswegen müssen Sie heute das Gesetz ändern. Sie hätten dieses Diskriminierungsgesetz gern noch so lange, wie Sie an der Regierung sind, aufrechterhalten, weil Sie bewusst und wissentlich Bürger aus Nicht-EU-Staaten ausgrenzen wollen. Wenn nicht das Bundesverfassungsgericht diesem unwürdigen, letztlich diskriminierenden Spiel ein Ende bereitet hätte, hätten Sie das Gesetz nie und nimmer geändert.

Ich komme zum Schluss. Vielleicht sollten Sie an Ihre Politik denken, wenn Sie sonntags in die Kirche gehen, Herr Unterländer. Sie von der CSU können sich nicht auf der einen Seite als die christliche Partei feiern lassen, wenn Sie auf der anderen Seite hier in diesem Haus nicht entsprechend den Prinzipien handeln, die Sie doch angeblich vorleben wollen. Das ist die Dimension dieses Gesetzes, nicht etwa die Frage, ob wir familienentlastende Maßnahmen wollen oder nicht; die wollen auch wir, Herr Unterländer.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Danke, Herr Kollege Pfaffmann. - Für die FREIEN WÄHLER bitte ich Frau Gottstein nach vorn. Bitte schön.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Landeserziehungsgeld ist bisher an die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaates gekoppelt. Ich schließe mich der Meinungsäußerung der FREIEN WÄHLER in der Ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs voll an:

Erstens. Ich halte es immer noch für erbärmlich, dass das Gesetz, das in der Sache doch gut und positiv ist,

erst jetzt geändert wird. Man wartet - Kollege Pfaffmann hat es noch einmal ausführlich dargestellt -, bis das Bundesverfassungsgericht Nägel mit Köpfen macht. Ich halte Ihnen vor, dass dies mit dem christlichen Menschenbild, für das Sie doch stehen wollen, nicht zu vereinbaren ist. Aber auch mit dem Wortsinn von "Landeserziehungsgeld" ist die bisherige Regelung nicht zu vereinbaren; denn wenn Sie diesen ernst genommen hätten, dann hätten nicht Bewohner dieses Landes, die das Geld doch bekommen sollen, nur deshalb ausgegrenzt werden dürfen, weil sie nicht die entsprechende Staatsangehörigkeit haben.

Zweitens. Die FREIEN WÄHLER befürworten immer noch das Landeserziehungsgeld und damit auch diese Gesetzesänderung. Nach 14 Monaten Elterngeld kann man zwischen sechs und zwölf Monaten je nachdem, um das wievielte Kind es sich handelt Landeserziehungsgeld in Anspruch nehmen. Das ist auch aus unserer Sicht Ausdruck echter Wahlfreiheit für die Mütter bzw. die Familie, die selbst entscheiden wollen, welche Art der Betreuung für ihr Kind und ihre Familiensituation die beste ist. Es ist nach wie vor unsere Meinung, dass es ein Schritt in die richtige Richtung ist, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Das ist die Basis dafür, dass sich die Frauen unseres Volkes dafür entscheiden, Mütter zu werden. Damit garantieren sie letztlich auch die Existenz unseres Volkes.

Allerdings gibt es auch bei diesem Modell einen großen Wermutstropfen, die Altersarmut, die droht, wenn man sich gegen eine Berufstätigkeit entscheidet. Deswegen appellieren wir FREIEN WÄHLER auch bei diesem Anlass an die Regierung, insbesondere an die Staatsministerin, die unsinnige, weil hoch bürokratische und nicht zielführende Idee des Betreuungsgeldes aufzugeben.

Verehrte Frau Staatsministerin, es tut mir leid, dass man Sie so im Regen hat stehen lassen mit Ihrer Forderung, dass sich der Verwaltungsaufwand, der entstehe, auch im Haushalt niederschlagen müsse. Sie haben zu Recht erkannt, dass die geplante Regelung hoch bürokratisch ist. Mir tun aber noch mehr die vielen Verwaltungskräfte in den Kommunen, in Ihrem Haus, wo auch immer, leid, die die zusätzliche Aufgabe des Betreuungsgeldes schultern sollen, ohne dass es in irgendeiner Weise zu einer personellen Anpassung kommt. Da wird Personal verheizt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wir FREIE WÄHLER fordern Sie nach wie vor auf, die hohe Summe, die vom Bund für das Betreuungsgeld zur Verfügung gestellt werden soll, auch weil gerade Bayern so darauf pocht, für eine Art Pflicht- oder Zu

satzversicherung zu verwenden. Versichern Sie die Frauen für die Zeit, in der sie Elterngeld bzw. Landeserziehungsgeld in Anspruch nehmen! Damit bekommen die Mütter eine entsprechende Altersversorgung, und sie können diese Leistungen beruhigt in Anspruch nehmen, ohne Angst haben zu müssen, nach einer Scheidung oder im Alter in ein finanzielles und damit auch menschliches Loch zu fallen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Der Gesetzesänderung stimmen wir zu. Aber ich wiederhole: Sie kommt viel zu spät und nur auf Druck des Bundesverfassungsgerichts zustande. Wir sagen nach wie vor: Es ist moralisch nicht zu rechtfertigen, dass Sie erst so spät reagieren.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke, Frau Kollegin Gottstein. - Für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN hat sich Frau Ackermann zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das bisherige Landeserziehungsgeldgesetz ist verfassungswidrig. Es hat, wie bereits ausgeführt, eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 07.02.2012 bedurft, um die Ungleichheit bei der Wahrnehmung von Grundrechten festzustellen. Im Klartext: Man hat Nicht-EU-Bürger ausgegrenzt, indem man sie nicht für berechtigt hielt, auch in den Genuss des Landeserziehungsgeldes zu kommen. Diese Haltung hat man jahrelang durchgehalten, und man hat sich dabei gut gefühlt. Dass das vonseiten der Mehrheitsfraktion guten Gewissens geschehen ist, lässt tief blicken bei der Frage, welche Haltung in der Mehrheitsfraktion gegenüber Nicht-EU Bürgern vorherrscht.