Protokoll der Sitzung vom 18.07.2012

Sie machen der Bevölkerung ein X für ein U vor. Das ist Ihr Problem.

(Georg Schmid (CSU): Herr Kollege Halbleib, mit Ihrer Rede vertreten Sie keine bayerischen Interessen!)

- Ich bedanke mich für die Zwischenrufe. Das Problem ist die Wahrnehmung bayerischer Interessen durch die CSU und durch den heutigen Ministerpräsidenten damals im Bundestag. Das Ergebnis ist, dass wir jetzt eine massive Belastung haben. Das war Ihre Wahrnehmung der bayerischen Interessen.

(Georg Schmid (CSU): Stimmen Sie für eine Klage, dann sehen wir es doch!)

Wir nehmen die bayerischen Interessen wahr, indem wir ein klares Konzept auf den Tisch legen. Wir wollen mit den anderen Bundesländern verhandeln und nicht fahrlässig mit dem Verfassungsgericht umgehen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN - Georg Schmid (CSU): Machen wir eine namentliche Abstimmung! Dann müssen Sie Farbe bekennen, Herr Halbleib!)

Der nächste Redner, Herr Kollege Pointner, ist schon unterwegs. Ich darf Ihnen das Wort geben.

Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben das Thema Finanzausgleich in diesem Jahr schon dreimal behandelt. Herr Kollege Klein, ich kann mich erinnern, dass Sie von einem Gutachten gesprochen haben. Sie wollten mir dieses Gutachten geben; das haben Sie aber nicht gemacht. Gibt es ein solches Gutachten, oder gibt es keines? Das wäre ganz interessant.

(Thomas Hacker (FDP): Einfach noch einmal anrufen! Das haben wir da!)

Schauen wir uns einmal die Fakten an: Im Jahre 2001 wurde der Finanzausgleich ausgehandelt. Das ist unbestritten. Er wurde mit den Stimmen der CSU-Fraktion im Bundestag und mit der Zustimmung des Landes Bayern beschlossen.

(Ministerpräsident Horst Seehofer: Mit der Folge, dass eine Milliarde Euro weniger bezahlt wurde!)

- Das hätte ich jetzt gesagt.

Sie haben damals ein Maßnahme-Gesetz und ein Finanzausgleichsgesetz beschlossen. Seither sind keine Änderungen dieser Gesetze erfolgt. Sie gelten noch genauso wie damals. Die Auswirkungen: Zunächst gab es bei den Zahlungen einen Rückgang. Die Hessen und die Baden-Württemberger haben mehr gezahlt. Jetzt zahlt Bayern etwa um die Hälfte mehr, die Hessen und die Baden-Württemberger weniger. Allerdings blieb der Gesamtbetrag mit etwa 7,5 Milliarden Euro in etwa gleich. Solange die anderen mehr und die Bayern weniger gezahlt haben, hat das wohl keine so große Rolle gespielt.

Für uns ist klar: Der Finanzausgleich muss geändert werden, weil für die Länder keine Anreize bestehen. Zusätzliche Einnahmen gehen weitgehend in die Ausgleichsleistung. Deshalb stellt Bayern auch keine Steuerprüfer oder Steuerfahnder ein; denn wenn 75 % der Einnahmen wieder abgeführt werden müssen,

rentieren sich die nicht. Das ist Fakt. Das müssen wir so festhalten.

Wenn diese Regelung nun verfassungswidrig ist und wenn eine Klage erhoben werden soll, sollte sie sofort und schnellstmöglich erhoben werden; denn mit jedem Jahr gehen dem Freistaat Bayern weitere Finanzmittel verloren. Herr Ministerpräsident, wenn diese Regelung verfassungswidrig ist, haben Sie damals etwas ausgehandelt, was zum Nachteil Bayerns ist.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN - Georg Schmid (CSU): Die Fakten haben sich geändert!)

Das hat sich jetzt herausgestellt. Diesen Missstand müssen wir so schnell wie möglich beseitigen.

Herr Kollege Schmid, die Fakten haben sich nur bei den Zahlen geändert. Der Inhalt des Gesetzes hat sich aber nicht geändert. Ein Gesetz kann nur insgesamt verfassungswidrig sein, und nicht nur dann, wenn ein Bestimmter mehr zu zahlen hat. Darüber können wir nachher noch reden.

Wir müssen verhindern, dass Bayern aufgrund eines verfassungswidrigen Vertrages noch mehr Geld in den Finanzausgleich hineinzahlen muss. Wir dürfen deshalb nicht abwarten, sondern müssen das schnellstmöglich erledigen. Vielleicht kann man diese Frage mit den Themen ESM und ESFS verbinden; denn hier geht es um vergleichbare Fälle. Morgen wird im Bund beschlossen, dass die spanischen Banken unterstützt werden. Das ist ebenfalls eine Art Finanzausgleich innerhalb Europas. Wir könnten diese Fragen gleich anhängen. Bitte werden Sie hier aktiv.

Die Klage wird in zweierlei Hinsicht Klarheit bringen. Deshalb unterstützen wir sie. Wenn die Klage Verfassungswidrigkeit ergibt, können wir die Verantwortlichen suchen, die damals zugestimmt haben. Das waren Sie von der CSU bzw. Ihre Kollegen im Bundestag. Die CSU war auf jeden Fall daran beteiligt. Ist die Klage nicht erfolgreich, haben Sie offenbar nur ein Ablenkungsmanöver gemacht, um dieses Thema in den Wahlkampf zu bringen. Ich sehe das leidenschaftslos. Wenn Sie ein Gutachten haben und sicher sind, dass eine Klage erfolgreich ist, sollten Sie klagen.

Eines möchte ich betonen: Die beiden Dringlichkeitsanträge der GRÜNEN und der SPD sind in Ordnung. Wenn klar ist, dass nichts weitergeht, muss man die Klage aus den von mir genannten Gründen führen. Nur eine Aufforderung: Sie sollten parallel weitere Verhandlungen führen. Ich denke, dass die Klage ein Anstoß ist. Eine Verhandlungslösung sollte aber nicht ausgeschlossen werden. Ich möchte einmal eine Ein

schätzung abgeben: Sie wollen die Klage einreichen. Das geschieht vielleicht nicht gleich, sondern erst kurz vor der Wahl, damit vorher nicht entschieden wird. Dann wird diese Klage zwei Jahre beim Bundesverfassungsgericht rumliegen. In den Jahren 2016 oder 2017 wird dann eine Entscheidung fallen, obwohl das Jahr 2019 vor der Türe steht. Das bringt uns nichts. Wir brauchen gleich eine Klärung. Deswegen unterstützen wir diese Klage. Noch einmal: Wir brauchen das Gutachten und sollten weiterverhandeln.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Herr Kollege Klein ist der nächste Redner.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte versuchen, die Debatte zu versachlichen.

(Tanja Schweiger (FREIE WÄHLER): Jetzt hat Herr Kollege Pointner schon so sachlich gesprochen!)

Herr Kollege Hallitzky ist gerade aus dem Raum gestürmt. Eine Versachlichung ist sicher sinnvoll.

Ich möchte zunächst noch einmal sagen, was passiert ist. Die FDP-Fraktionen aus Hessen, Baden-Württemberg und Bayern haben am 29. Juni 2010 ein Gutachten in Auftrag gegeben. Dieses Gutachten hatte vor allem den Sinn, sich noch einmal damit auseinanderzusetzen, ob der aktuelle Länderfinanzausgleich noch verfassungskonform ist oder nicht. Dies ist die erste Frage, die man angehen muss, wenn man sich diesem Thema widmet. Das Gutachten wurde am 24. September 2010 vorgestellt. Die FDP-Fraktion hat dem Hohen Haus am 19. Oktober 2010 die Möglichkeit gegeben, im Rahmen einer Aktuellen Stunde über das Ergebnis dieses Gutachtens zu diskutieren. Jeder kann das im Protokoll nachlesen. Schon damals war die Reaktion vonseiten der GRÜNEN und der SPD nur, dieses Thema in die Lächerlichkeit zu ziehen und schlechte Argumente anzuführen. Mit der Sache selbst haben Sie sich aber damals nicht auseinandergesetzt.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Nachdem wir festgestellt haben - ich werde darauf gleich noch einmal im Detail eingehen -, dass der aktuelle Länderfinanzausgleich klare Elemente von Verfassungswidrigkeit aufweist, haben die FDP-Fraktionen von Hessen, Baden-Württemberg und Bayern ein zweites Gutachten in Auftrag gegeben. Das Ziel war, Veränderungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Dieses Gutachten wurde am 16. März 2012 in Auftrag gegeben. Wir erwarten das Ergebnis im Herbst 2012.

Damit entkräften wir schon den allerersten Vorwurf, den Herr Kollege Hallitzky bereits mehrmals erhoben hat, dass nichts getan würde. - Nein, Herr Kollege Hallitzky, wir arbeiten die Themen sachlich und lösungsorientiert ab und werden von dieser Position aus nicht ständig Luftblasenangriffe starten. Wir werden die Problematik sachlich lösen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte zwei Gründe anreißen, warum wir eine Verfassungsproblematik sehen.

Herr Kollege Klein, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein; das können wir am Ende machen.

Zum einen geht es - das habe ich hier schon mehrmals ausgeführt - um die Bundesergänzungszuweisungen und um das verfassungsrechtliche Nivellierungsverbot des Länderfinanzausgleichs. Beim Länderfinanzausgleich haben wir nämlich am Ende bei den Pro-Kopf-Steuereinnahmen der Bundesländer praktisch ein ausgeglichenes Niveau. Dies darf laut Grundgesetz, laut unserer Verfassung nicht entstehen. Die Situation ist aber momentan so. Man muss doch auch einmal anerkennen, dass an dieser Stelle Nachbesserungsbedarf vorhanden ist, statt ständig unsere Vorstöße zu attackieren.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Zum anderen ist es schon erschreckend, dass es im Länderfinanzausgleich zusätzliche Mittel, Sonderbedarfsmittel für die politische Führung gibt. Wenn von 16 Bundesländern 10 nicht in der Lage sind, ihre politische Führung zu finanzieren, sondern aus dem Topf Geld bekommen müssen, wird doch endlich klar, dass dieses System nicht mehr zukunftsfähig ist und geändert gehört, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP)

Wir sind dabei, diese Schritte abzuarbeiten. Wir arbeiten daran. Wir haben gemeinsam mit der CSU, der Staatsregierung, den Nehmerländern ein Gesprächsangebot, ein Verhandlungsangebot gemacht - dreimal schon, Herr Ministerpräsident. Jetzt muss festgehalten werden, dass bisher vonseiten der Nehmerländer außer warmer Worte und Pressekonferenzen überhaupt nichts passiert ist.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Sie betreiben eine Hinhaltetaktik, die für die Bürgerinnen und Bürger in Bayern nicht auszuhalten ist. Wir werden das nicht zulassen. Wir haben von Anfang gesagt: Wenn es kein ernst zu nehmendes Verhandlungsangebot mit Milestones und Eckpunkten gibt, werden wir die Verhandlungen zwar gerne weiterführen, aber parallel auch den Klageweg einschlagen, weil wir dies den Bürgerinnen und Bürgern und den Steuerzahlern in Bayern einfach schuldig sind.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Ich komme dazu, dass von Ihnen, Herr Kollege Hallitzky, von diesem Pult aus immer gerne vollmundige Worte gesprochen werden. Ich werde sagen, was von Ihrer Seite eigentlich passiert ist. Sie erzählen immer, dass Sie gemeinsam mit den GRÜNEN-Kollegen ein Konzept vorgelegt haben. Wo ist denn das Konzept? Weder auf der Internetseite der Fraktion der GRÜNEN in Bayern noch in Hessen noch in Baden-Württemberg finden Sie dieses Konzept. Das Einzige, was in Baden-Württemberg zu finden ist, ist eine Zusammenfassung. Ich will Ihnen nun sagen, was gemäß dieser Zusammenfassung Kern Ihrer Reform ist.

Sie wollen einen kompletten Systemwechsel, nämlich von einem horizontalen Länderfinanzausgleich zu einem vertikalen Länderfinanzausgleich. Warum wollen Sie das? - Nicht, weil das besser ist, sondern weil es Ihnen und Ihren Kolleginnen und Kollegen in Nordrhein-Westfalen unter anderem auf die Nerven geht, dass die Bayern, die das Geld geben, ständig sagen: Strengt euch mehr an, damit ihr besser werdet. Das ist doch der Grund. Ihr wollt diese Diskussion nicht mehr haben. Das ist aber kein Grund für einen Systemwechsel.

(Alexander König (CSU): Leistungsfeindliche Partei!)

Dann kommt in drei Punkten, dass ihr die Bedarfsausweitung anvisiert. Die Arbeitslosenzahlen und der demografische Wandel sollen mehr berücksichtigt werden. Ich möchte an dieser Stelle sagen: Wir haben uns schon mit euren Konzepten auseinandergesetzt.

(Margarete Bause (GRÜNE): Dann kennt ihr es ja doch!)

- Das ist die Zusammenfassung. Sie sollten vielleicht besser zuhören. Ich habe eben gesagt, dass man diese Zusammenfassung auf der Internetseite der GRÜNEN in Baden-Württemberg abrufen kann. Mehr als die drei Punkte, die ich jetzt nenne, stehen dort nicht. Das ist etwas wenig - darauf komme ich aber gleich noch.

Sie wollen den demografischen Wandel und die durchschnittliche Bevölkerungsdichte mehr berücksichtigt haben. Ich möchte Ihnen eines klipp und klar sagen: Unsere Vorgehensweise und unsere Zielrichtung sind anders. Wir wollen nämlich weniger Berücksichtigung der Bedarfanalysen, da diese Bedarfsanalysen kritisch zu betrachten sind. Sie hingegen wollen noch mehr solcher Analysen. Die Arbeitslosenzahlen in den Bundesländern, auch wenn Sie immer meinen, dass sie vom Himmel fallen und gottgegeben sind, sind Ausdruck der politischen Arbeit vor Ort, und dafür müssen Sie auch zur Rechenschaft gezogen werden. Das können Sie nicht im Länderfinanzausgleich gegenrechnen. Deswegen lehnen wir das ab.