Protokoll der Sitzung vom 18.07.2012

Sie wollen den demografischen Wandel und die durchschnittliche Bevölkerungsdichte mehr berücksichtigt haben. Ich möchte Ihnen eines klipp und klar sagen: Unsere Vorgehensweise und unsere Zielrichtung sind anders. Wir wollen nämlich weniger Berücksichtigung der Bedarfanalysen, da diese Bedarfsanalysen kritisch zu betrachten sind. Sie hingegen wollen noch mehr solcher Analysen. Die Arbeitslosenzahlen in den Bundesländern, auch wenn Sie immer meinen, dass sie vom Himmel fallen und gottgegeben sind, sind Ausdruck der politischen Arbeit vor Ort, und dafür müssen Sie auch zur Rechenschaft gezogen werden. Das können Sie nicht im Länderfinanzausgleich gegenrechnen. Deswegen lehnen wir das ab.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Die FDP wird in ihrem Gutachten drei Ziele forcieren. Es geht um eine stärkere Anreizorientierung und um eine Entkoppelung der Verteilungsmechanismen von der Bedarfsorientierung - genau das Gegenteil von dem, was Sie wollen. Es ist überhaupt nicht erstaunlich, dass wir verschiedene Wege einschlagen. Schließlich möchten wir eine größere Steuerautonomie der Bundesländer. Wir werden mit Sicherheit noch viel miteinander zu diskutieren haben.

Eines muss an dieser Stelle auch klar sein - das möchte ich am Ende noch einmal klipp und klar sagen -, nämlich die Botschaft nach außen. Unsere Botschaft ist: Dieser Länderfinanzausgleich ist schräg. Er ist schräg aufgrund der Punkte, die ich vorhin erwähnt habe; aber er ist auch schon schräg, weil die Bayern mittlerweile 50 % des Aufkommens tragen. Deshalb muss er geändert werden.

Wir setzen uns ein für eine Verbesserung, für eine Anreizorientierung in Deutschland. Das ist das klare Signal nach draußen, dass wir die Interessen der bayerischen Bürgerinnen und Bürger und der Wählerinnen und Wähler wahrnehmen. Ihre Botschaft lautet einfach, ständig die Staatsregierung zu attackieren, weil sie sich auf Bundesebene aufstellt, um diesem Ziel näherzukommen. Sie schwächen gemeinsam mit Ihren Kolleginnen und Kollegen, die in den Nehmerländern sitzen, die bayerische Position auf Bundesebene. Das finde ich ein schlechtes Signal. Wir setzen andere Signale. Unsere Botschaft ist klar: eine Verbesserung des Länderfinanzausgleichs zugunsten der bayerischen Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Damit kommen wir zu der Zwischenbemerkung des Kollegen Halbleib. Bitte.

(Vom Redner nicht autori- siert) Herr Kollege Klein, ich bedanke mich ausdrücklich für Ihre Ausführungen, weil Sie mir Gelegenheit geben, auf drei wunde Punkte hinzuweisen. Wenn Sie vom Gutachten der FDP-Fraktion zur Frage der Verfassungsgemäßheit des Länderfinanzausgleichs sprechen, muss ich daraus schließen, dass es ein Gutachten der Staatsregierung, das dem Landtag vorgelegt werden könnte, nicht gibt. Sie sprechen als Mitglied der Regierungskoalition von Parteigutachten bzw. Fraktionsgutachten. Hier geht es um eine Gesamtschau der Angelegenheit. Ich bitte um Verständnis, dass wir unbeschadet des Bemühens der FDP-Fraktion darauf Wert legen, dass es darum geht, was die Staatsregierung macht.

Ich finde es schon bemerkenswert, dass Sie uns massive Kritikpunkte entgegenhalten, aber selber sagen, dass Ihnen das von Ihnen in Auftrag gegebene Gutachten darüber, was denn konkret geändert werden soll, überhaupt noch nicht vorliegt. Das ist doch ein Zeichen dafür, dass Sie seit Beginn der Debatte noch kein Konzept dazu haben, was Sie am Länderfinanzausgleich konkret ändern wollen.

Damit bin ich schon beim nächsten Punkt. Wir haben ziemlich exakt vor zwei Jahren - es ist zwei Jahre und einen Monat her - hier in diesem Hause beantragt, die Staatsregierung möge ein Konzept vorlegen - ein solches haben Sie als Fraktion erst verspätet in Auftrag gegeben -, das genau diese Punkte enthält, nämlich ganz konkret darzustellen, was aus Sicht der Staatsregierung geändert werden muss. Dies liegt bis heute, bis zu dieser Plenardebatte nicht vor. Ich möchte Ihre Bewertung dazu haben, dass wir seit drei Jahren ohne eine konzeptionelle Grundlage der Staatsregierung über diese Dinge diskutieren.

Ich hätte auch gerne - das war auch aufschlussreich eine Auskunft darüber, was denn, wenn Sie schon kein Konzept haben, Grundlage der Gespräche mit den anderen Bundesländern war, welches Konzept zur Änderung des Länderfinanzausgleichs diesen Gesprächen zugrunde lag.

Vielleicht noch eine Fußnote, die Sie als Sprecher der FDP-Fraktion besonders interessiert - aber auch der stellvertretende Ministerpräsident soll zuhören -: Kollege Hahn, FDP, stellvertretender Ministerpräsident in Hessen, auch einem Geberland, wird zitiert, ihm sei es nicht bekannt, dass die Nehmerländer die Verhandlungen aufgekündigt hätten.

Bei Ihnen sind also wunde Punkte vorhanden. Diese können Sie mit lautstarker Rhetorik nicht überdecken. Sie sind in der Pflicht, ein Konzept vorzulegen. Das haben Sie bis heute nicht getan.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Herr Klein, bitte.

Herr Kollege Halbleib, zunächst habe auch ich nicht behauptet, dass die Verhandlungen aufgekündigt wurden. Wir haben aber von Anfang an klar gemacht, dass wir ernsthafte Verhandlungen wollen. Diese sind auf der Seite der Nehmerländer einfach nicht erkennbar. Man kann immer über vieles verhandeln. Wenn aber der Verhandlungspartner auf der anderen Seite auf Zeit spielt und trotz dreimaliger Anfrage keine konkreten Zeitpläne und Ähnliches zulässt, dann ist es folgerichtig, dass wir neben den Verhandlungen, für die wir immer offen sind, den Klageweg einschlagen werden. Wir werden diese Klage auch einreichen, wenn sich nichts verändert.

(Beifall bei der FDP)

Ihr zweiter Punkt war das Thema Gutachten und Staatsregierung. Kollege Kreuzer spricht gleich. Er ist der richtige Mann und sollte über die Pläne und über das von der Staatsregierung Erreichte sprechen.

(Zuruf von der SPD)

- Ich bin überhaupt nicht nervös, weil wir eine ganze Menge erreicht haben. Ich habe Ihnen schon dargestellt, dass wir beim ersten Gutachten und auch bei dem zweiten Gutachten klare Ziele vorgegeben haben, Herr Kollege Halbleib. Uns geht es nämlich um eine Verbesserung der Anreizorientierung. Das muss anschließend natürlich auch juristisch und hinsichtlich der Funktion entsprechend gefasst werden.

Das Ganze untermauern wir jetzt noch einmal mit einem Gutachten. Es stimmt nicht, dass wir keine Idee davon haben, wie wir die Neuausrichtung des Länderfinanzausgleichs gestalten wollen. Das unterscheidet uns im Übrigen auch von Ihnen. Sie haben wirklich keine Vorstellung. Sie haben kein Konzept. Sie tragen nur Kritik vor. Sie sagen hier immer: Das ist falsch; das ist nicht richtig; das muss anders laufen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Sie sind in der Regierungsverantwortung!)

Sie haben kein Konzept. Wir haben eine klare Richtschnur. Noch einmal: Das aktuelle System ist anreizfeindlich. Jeder, der mehr Steuereinnahmen hat, muss diese zum allergrößten Teil in den Topf geben. Das wollen wir ändern.

(Natascha Kohnen (SPD): Wie denn? - Volkmar Halbleib (SPD): Wie soll das Gesetz aussehen?)

Wir wollen, dass die Länder einen Anreiz haben, damit sie sich anstrengen. Dann könnten sie von ihren Steuereinnahmen mehr behalten. Das war von Anfang an unsere Zielrichtung. Das habe ich bereits im Jahre 2010 gesagt.

(Natascha Kohnen (SPD): Ein Ziel braucht ein Konzept, um es zu erreichen!)

Sie haben weder im Jahr 2010 noch im Jahr 2011 zugehört. Sie werden auch 2012 nicht zuhören. Im Jahre 2013 werden Sie wieder nach draußen laufen und den Bürgerinnen und Bürgern in Bayern erzählen, dass diese Koalition kein Konzept habe.

(Volkmar Halbleib (SPD): Sie haben keine Antwort!)

Wir tragen die Staatsregierung, die das beste Konzept in ganz Deutschland hat, mit. Deshalb tilgen wir auch zwei Milliarden Euro Schulden.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Jetzt folgt die Sicht der Staatsregierung. Herr Staatsminister Kreuzer, Sie haben das Wort.

(Volkmar Halbleib (SPD): Jetzt sind wir sehr gespannt!)

Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, Hohes Haus! Ich freue mich über den Antrag der Regierungsfraktionen und möchte mich im Namen der Bayerischen Staatsregierung für die Unterstützung ganz herzlich bedanken. Die Bayerische Staatsregierung hat gestern im Kabinett entschieden, dass sie die Verfassungsmäßigkeit des bundesstaatlichen Finanzausgleichs überprüfen lässt. Sie wird bzw. muss Klage vor dem Bundesverfassungsgericht einreichen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Wann?)

Ich betone es noch einmal: Sie muss Klage einreichen, weil sie von den Empfängerländern dazu gezwungen wurde. Die Schwäche des geltenden Systems und insbesondere die Schieflage sowie die Fehlanreize sind allseits bekannt und überwiegend anerkannt - auch in diesem Hause, liebe Kolleginnen und Kollegen. Deswegen lassen Sie mich zu dieser Geschichtsklitterung der Kollegen Halbleib und Hallitzky Stellung nehmen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Ich wäre vorsichtig!)

Wenn Sie in der Geschichte des Finanzausgleichs zurückgehen, müssen Sie anerkennen, dass Bayern schon einmal in großen Teilen erfolgreich gegen den

Finanzausgleich geklagt hat. Im Jahr 1999 hat Bayern vor dem Bundesverfassungsgericht recht bekommen. Wir haben anschließend verhandelt. Herr Kollege Hallitzky, die Verhandlungen sind schwierig, weil die Verhältnisse oft 1 : 15 oder, wenn man Glück hat, 2 : 14 stehen. Somit hat Bayern einen schweren Stand. Trotzdem war Bayern in diesen Verhandlungen erfolgreich. Wir haben einen Abschluss erzielt, der uns mehrere Hundert Millionen Euro gespart hat. Ich möchte mich noch heute bei Edmund Stoiber und Erwin Huber, die dies damals ermöglicht haben, bedanken. Dies war ein guter und für Bayern richtiger Abschluss.

(Beifall bei der CSU)

Deswegen war es richtig, dass die Landesgruppe dem zugestimmt hat. Wo liegen die Probleme? - Anders als im Jahre 2001 erhofft, konnten die Defizite durch die damals verhandelten Neuerungen nicht endgültig beseitigt, sondern nur lange Zeit kaschiert werden. In den letzten Jahren traten sie jedoch immer mehr zutage und treffen nun vor allem den Freistaat Bayern mit voller Wucht.

(Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER): War das nicht absehbar?)

Das liegt daran, dass sich die Leistungsfähigkeit zwischen Bayern und den anderen Ländern in erheblichem Maße auseinanderentwickelt hat. Meine Damen und Herren, das liegt daran, dass in den von Ihnen regierten Ländern weder wirtschafts- noch finanzpolitisch etwas auf die Beine gestellt wird.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Dass Sie so erfolglos sind, konnte im Jahre 1999 selbst von uns nicht abgesehen werden.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Deshalb kann es in Zukunft nicht so weitergehen.

Zum Kollegen der FREIEN WÄHLER sage ich: Der Schluss, dass der Länderfinanzausgleich entweder von Anfang an oder gar nicht verfassungswidrig war, ist juristisch falsch. Obwohl etwas rechtmäßig ist, können sich die Verhältnisse in einem Ausgleichsystem so ändern, dass nachträglich keine Rechtmäßigkeit mehr vorliegt.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Herr Kollege, wenn Sie mir das nicht glauben, rate ich Ihnen, das im Urteil des Bundesverfassungsgerichts nachzulesen, nachdem wir die Klage eingereicht haben und sobald das Gericht entschieden hat. Das

liegt völlig auf der Hand. Eine Regelung, die richtig und rechtmäßig ist, kann sich durch eine vollständige Änderung der tatsächlichen Verhältnisse selbstverständlich nachträglich zu einer unrechtmäßigen Regelung entwickeln.

(Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER): Wenn es unvorhersehbar war!)