Protokoll der Sitzung vom 17.10.2012

(Beifall bei der FDP)

Frau Kollegin, wenn Sie bitte am Redepult verbleiben. Frau Kollegin Ackermann, bitte.

Frau Kollegin Meyer, Sie haben humanitäre Verbesserungen gefordert. Diese Forderung nehme ich Ihnen auch ab, weil ich Ihre Einstellung kenne und weil ich weiß, dass Ihre Einstellung aufrichtig ist. Bezüglich der dritten Erstaufnahmeeinrichtung glaube ich allerdings, dass Ihre Argumente etwas zu kurz gedacht sind. Das Argument, dass wir im Augenblick die Situation mit der Forderung nach einer dritten Erstaufnahmeeinrichtung nicht entspannen, kenne ich schon seit Jahren. Hätte man bereits vor Jahren angefangen, sich mit dem Gedanken anzufreunden, dass es auch weiterhin in diesem Land Flüchtlinge geben wird und dass diese Flüchtlinge endlich einmal menschenwürdig untergebracht werden müssen, hätte man vor Jahren schon mit der dritten Erstaufnahmeeinrichtung beginnen können. Deswegen ist es auch jetzt richtig, mit den Planungen für eine dritte Erstaufnahmeeinrichtung zu beginnen.

Denn eines kann ich Ihnen prophezeien: Die Flüchtlingszahlen werden auch in den nächsten Jahren steigen. Schauen Sie in die Krisengebiete in Arabien, in Syrien oder in Afghanistan. Was glauben Sie, wo die Menschen hingehen, die ihrer Not entfliehen? Sie werden zu uns kommen, und wir werden einen Anstieg der Flüchtlingszahlen bekommen.

Deswegen appelliere ich an Sie: Den Flüchtlingen hilft die Planung der dritten Erstaufnahmeeinrichtung im Moment vielleicht nichts, aber den Flüchtlingen, die nächstes oder übernächstes Jahr kommen werden,

würde es etwas helfen. Deshalb ist diese Forderung richtig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin Ackermann, erstens einmal schließen wir die dritte Erstaufnahmeeinrichtung nicht grundsätzlich aus. Sie ist nur jetzt im Moment keine Lösung und auch keine vordringliche Aufgabe. Zweitens ist es nicht unser Ziel und soll es auch nicht unser Ziel sein, die Menschen so lange wie möglich in diesen Erstaufnahmeeinrichtungen zu halten. Wir wollen sie so schnell wie möglich von dort rausbringen.

(Dr. Hans Jürgen Fahn (FREIE WÄHLER): Aber menschenwürdig!)

Wir wollen, dass sie so schnell wie möglich irgendwo anders menschenwürdig untergebracht werden. Dann reichen die Kapazitäten vor Ort auch ein bisschen länger.

Jetzt hat noch Kollege Pfaffmann um das Wort zu einer Zwischenbemerkung gebeten.

Ich habe vor einigen Tagen in der Zeitung gelesen, dass die FDP ein neues Programm habe. Das wurde mit verschiedenen Punkten groß angekündigt. Unter anderem enthält es die Forderung nach Errichtung einer dritten Erstaufnahmeeinrichtung. Können Sie den Widerspruch aufklären, dass Sie hier im Landtag sagen, wir bräuchten diese Einrichtung doch nicht so schnell und so akut, dass Sie aber auf der anderen Seite in Ihrem Programm den Wählerinnen und Wählern im Hinblick auf das Wahljahr 2013 sagen, Sie forderten eine dritte Einrichtung?

Das Gleiche gilt für die Essenspakete. Sie fordern in Ihrem neuen Programm für das Wahljahr 2013 die Abschaffung der Essenspakete. Hier lehnen Sie die entsprechenden Anträge ab. Es nimmt Ihnen jeder ab, liebe Frau Meyer, dass Sie in der Flüchtlingspolitik anders handeln würden, wenn Sie nicht in der Koalition wären. Das ist völlig unstrittig.

(Dietrich Freiherr von Gumppenberg (FDP): Unterstellungen!)

Zur Ehrlichkeit gehört aber auch, dass man solche Widersprüche aufklärt. Es geht nicht, auf der einen Seite etwas zu fordern, auf der anderen Seite hier, wenn es um die Entscheidung geht, die Forderung zu relativieren. Vielleicht können Sie das aufklären.

(Beifall bei der SPD)

Ich will es versuchen, Herr Kollege Pfaffmann. Zum ersten Punkt habe ich schon auf die Frage von Frau Ackermann geantwortet. Wir schließen nicht grundsätzlich aus, dass wir eine zusätzliche Aufnahmeeinrichtung brauchen.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Nein, Sie haben eine gefordert!)

Ich gebe zu, dass ich gar nicht einmal sagen kann, ob diese Forderung in unserem Wahlprogramm explizit genannt ist. Die Kollegen hier sagen Nein. Ich glaube, dazu habe ich aber auch schon Ausführungen gemacht.

Zu den Sachleistungen. Sie werden jetzt in diesem Paket auch keine Aussage dazu finden. Sie haben auch keinen Antrag zu den Essenspaketen gestellt, den ich jetzt ablehnen könnte. Die Essenspakete sind eine bundespolitische Angelegenheit. Auf Bundesebene steht in der Tat in unserem Koalitionsvertrag, dass wir die Essenspakete evaluieren wollen. Das passiert momentan.

(Dr. Hans Jürgen Fahn (FREIE WÄHLER): Seit fünf Jahren wird evaluiert! - Thomas Hacker (FDP): Solange ist die Bundesregierung noch gar nicht im Amt!)

Es wird evaluiert, auch wenn Sie sagen, dass schon seit drei Jahren evaluiert wird. Wir sind gegen Essenspakete, und dazu stehe ich auch. Ich werde mich auch immer dafür einsetzen, dass wir da andere Lösungen finden.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Fahn, bitte.

Frau Meyer, Sie sagen, dass es wichtig sei, sofort etwas für die Flüchtlinge zu tun. Auf der anderen Seite haben Sie nur einen Berichtsantrag gestellt. Was können Sie mit diesem Berichtsantrag bewegen?

(Thomas Hacker (FDP): Das müssen Sie die CSU fragen, und nicht Frau Meyer!)

Es sind keine Maßnahmen, die Sie fordern. Es soll nur berichtet werden. Dann dauert es wieder Wochen und Monate, bis neue Anträge kommen. Was soll dieser Berichtsantrag konkret an Handlungen bringen?

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Der Bericht auf den Antrag unserer Kolleginnen und Kollegen der CSU wird in einem halben Jahr oder in ein paar Monaten, wenn er gegeben wird, beweisen und belegen, dass wir tatsächlich aktiv geworden sind.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CSU)

Jetzt hat Herr Staatsminister Herrmann für die Staatsregierung ums Wort gebeten.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zahl der nach Deutschland kommenden Asylbewerber ist in den letzten Wochen dramatisch angestiegen. Für Bayern bedeutet dies fast eine Verdreifachung des Zugangs innerhalb kurzer Zeit. Während im Juni noch 539 Asylbewerber hierher verteilt wurden, waren es im September schon 1.400. Vorgestern wurde auf der gesamtdeutschen Ebene die Grenze von 50.000 bundesweit in diesem Jahr in den Aufnahmeeinrichtungen registrierten Asylbewerbern überschritten. Damit sind wohlgemerkt alle Prognosen von Anfang des Jahres auch auf Bundesebene Makulatur. Es ist offenkundig, dass die Asylbewerberzahlen weiter steigen werden.

Auffällig ist die zuletzt extrem hohe Zahl von Asylbewerbern aus Staaten des ehemaligen Jugoslawien, vor allem aus Serbien und Mazedonien. Im August letzten Jahres kamen bundesweit nur 170 neue Asylbewerber aus diesen beiden Ländern in Deutschland an. Im August dieses Jahres waren es 1.411 und im September bereits 3.421. Das heißt, im Moment kommt jeder zweite Asylbewerber, der in Deutschland ankommt, aus einem Westbalkanland. Jeder Zweite! Dabei kann niemand - auch von Ihnen habe ich heute dazu nichts gehört - behaupten, dass sich an der realen Situation in Mazedonien oder in Serbien in den letzten zwölf Monaten irgendetwas signifikant verändert hätte.

(Zuruf von den GRÜNEN: Woher wissen Sie das?)

Verändert hat sich in den letzten zwei Jahren Folgendes, und diese Zusammenhänge sind unbestreitbar: Seit Ende 2009 bzw. seit Ende 2010 können Bürger aus fünf Staaten des ehemaligen Jugoslawien kraft EU-Recht visumfrei in den Schengenraum einreisen. Zum anderen gibt es das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli, wonach die öffentlichen Leistungen für Asylbewerber deutlich erhöht werden mussten.

(Zuruf von den GRÜNEN: 90 Euro!)

Beides hat offenkundig dazu geführt, dass in den Westbalkanländern die Versuchung, nach Deutschland einzureisen und die entsprechenden Leistungen in Anspruch zu nehmen, übergroß geworden ist.

Wir sind nun in der Situation, dass zur Bewältigung dieses Anstiegs der Asylbewerberzahl die Kapazitäten der Aufnahmeeinrichtungen und der Gemeinschaftsunterkünfte kurzfristig erweitert werden müssen. Dies werden wir in den nächsten Wochen und Monaten so schnell wie möglich voranbringen.

(Dr. Hans Jürgen Fahn (FREIE WÄHLER): Container!)

Wir werden dazu alle baulichen Möglichkeiten nutzen. Im Übrigen ist die Unterbringung in Containern wirklich nicht menschenunwürdig, Herr Kollege Fahn. Es gibt heute viele Gelegenheiten, für die, egal ob für Büros, Kindergärten oder sogar Krankenhäuser Container als Ausweichmöglichkeiten benutzt werden. Es gibt überhaupt keinerlei Anlass, den Einsatz von Containern auch für diese Zwecke zu diskreditieren. Im Übrigen will ich nur darauf hinweisen - Frau Kollegin Ackermann, Sie haben es angesprochen -, dass in Zirndorf bereits eine große Gemeinschaftsküche betrieben wird, sodass es dort keine Essenspakete gibt. Das ändert aber nichts daran, dass Zirndorf überfüllt ist und wir deshalb den Ausbau dieser Einrichtung betreiben müssen.

Ich habe im Einvernehmen mit dem Finanzminister gestern auch entschieden, dass wir kurzfristig die Möglichkeit zur Einstellung von zusätzlichen Hausmeistern und von zusätzlichem Verwaltungspersonal in der Größenordnung von 60 bis 90 Stellen schaffen und auch die entsprechenden Unterkünfte. Die Regierungen haben die Möglichkeit, in den nächsten Tagen mit der Einstellung dieses zusätzlichen Personals zu beginnen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Das ist dringend notwendig, um eine vernünftige Versorgung zu gewährleisten.

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Ackermann?

Nein, ich möchte jetzt erst einmal im Zusammenhang vortragen, was der Staatsregierung am Herzen liegt.

Diese Maßnahmen, Ausbau der Unterkünfte und zusätzliches Personal in den Unterkünften, können aber nicht ersetzen, dass wir gleichzeitig auch Maßnahmen

ergreifen müssen, um den systematischen Missbrauch von Asyl- und Sozialrecht zu bekämpfen. Beides gibt es offensichtlich auch. Der Ministerrat hat sich deshalb gestern darauf verständigt, zum einen nachdrücklich vom Bund zu fordern, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur Beschleunigung der Verfahren dort mit zusätzlichen Mitarbeitern ausgestattet wird. Aus meiner Sicht sind mindestens 200 zusätzliche Mitarbeiter erforderlich, um die Antragsaufnahme und die weiteren Entscheidungsverfahren sinnvoll zu beschleunigen. Ich habe heute mit Freude gehört, dass in der nächsten Woche, also sehr kurzfristig, 60 Beamte der Bundespolizei zur Bearbeitung der Erstaufnahmeakten abgeordnet werden sollen. Davon werden dann auch einige den bayerischen Außenstellen zur Verfügung stehen. Ich sage aber ganz klar: 60 sind bundesweit zur Beschleunigung der erforderlichen Verfahren zu wenig. Ich erwarte deshalb vom Bund, egal ob das der Bundestag oder die Bundesregierung zu entscheiden hat, dass mindestens 200 Mitarbeiter in allernächster Zeit zusätzlich zur Verfügung gestellt werden.

Ein weiterer Punkt ist, dass es hinsichtlich des Westbalkans einen offensichtlichen Zusammenhang mit der Visafreiheit gibt. Die Visafreiheit für Serbien und Mazedonien muss zumindest temporär ausgesetzt werden. Das ist aber, wohlgemerkt, kein Schnellschuss und auch kein Punkt, der erst heute auf die Tagesordnung gekommen wäre. Dieses Thema ist bereits vor einem knappen Jahr in Brüssel diskutiert worden. Schon vor einem knappen Jahr haben dort nicht nur die Bundesrepublik Deutschland, sondern auch Schweden und andere Länder angesichts des sich schon damals abzeichnenden Zugangs aus diesen Ländern gefordert, dass in Zukunft die Möglichkeit bestehen muss, die Visafreiheit auch wieder auszusetzen, wenn es zu einem signifikanten Anstieg der Asylbewerberzahlen kommt. Seitdem sind die Kommission und das Parlament mit dem Auftrag des Ministerrats konfrontiert, dafür die Voraussetzungen zu schaffen. Die entsprechende Verordnung liegt aufgrund anderer Probleme seit Monaten im Parlament brach. Wir fordern dringend, dass das vorangebracht wird. Ich sage ausdrücklich: Dies ist nicht nur eine Forderung aus Deutschland, sondern das wird auch von Schweden, den Niederlanden und anderen europäischen Ländern dringend gefordert.

Ich halte es auch für genauso erforderlich, darüber zu diskutieren, dass die Liste der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten ergänzt wird. Ich darf darauf hinweisen, Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, dass es in Berlin seit Langem ein breites Einvernehmen darüber gibt, auch mit Zustimmung Ihrer Fraktionen, dass zum Beispiel Mazedonien in die Nato und in die EU aufgenommen werden soll. Dieses Verfah

ren scheitert bekanntlich seit Jahren nur an dem Sprachenstreit mit Griechenland. Ich kann aber nicht ernsthaft vertreten, dass ein solches Land in die Nato und in die EU aufgenommen werden soll, und gleichzeitig behaupten, dass dort massenhaft Verfolgung stattfindet, weshalb die Leute hier, in unserem Land, Asyl bekommen sollen. Entweder - oder.

(Lebhafter Beifall bei der CSU und der FDP)