Protokoll der Sitzung vom 29.01.2013

(Beifall bei der FDP)

Schön, dass wir uns heute einig sind und dass wir die Sache gemeinsam anpacken wollen. Fakt ist: Für eine zukunftsgerichtete Rentenpolitik bedarf es der Bildung, durch eine florierende Wirtschaft geschaffener Arbeitsplätze und eines gegenseitigen Einstehens füreinander, das auch bei der Rente Berücksichtigung finden muss. Für die Zukunft gilt: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist nach unserer Auffassung eines der ausschlaggebendsten Zukunftsthemen. Mitbürgerinnen und Mitbürger, welche an beiden Fronten größten Einsatz beweisen, dürfen in dieser Gesellschaft nicht benachteiligt werden. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass familienfreundliche Arbeitszeiten, qualifizierte Kinderbetreuungseinrichtungen, eine ausreichende Beratung und Unterstützung pflegender Angehöriger, aber auch die Anerkennung von Pflegeund Erziehungszeiten bei der Rente berücksichtigt werden. Für uns Liberale ist klar: Mit Blick auf die demografische Entwicklung müssen wir in unserer Ge

sellschaft alle etwas näher zusammenstehen. Menschen, welche sich im Pflegefall um ihre Angehörigen kümmern und welche sich bewusst dafür entscheiden, sich innerhalb der ersten Lebensjahre ihrer Kinder voll und ganz der Erziehung zu widmen, dürfen bei der Rentenberechnung nicht benachteiligt werden.

(Beifall bei der FDP)

Diese Menschen sind Eckpfeiler unserer Gesellschaft. Daher fordern wir mit unserem Dringlichkeitsantrag die Bayerische Staatsregierung auf, sich beim Bund, gegebenenfalls über eine Bundesratsinitiative, dafür einzusetzen, Kindererziehungszeiten auch für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, sowie Pflegezeiten bei der Rentenberechnung anzuerkennen.

Wir bitten, unseren Antrag, den FDP und CSU gemeinsam eingebracht haben, zu unterstützen. Wir werden im Gegenzug den Antrag der FREIEN WÄHLER unterstützen, weil er die gleiche Intention hat und in die gleiche Richtung geht. Wir werden die Anträge der GRÜNEN und der SPD ablehnen, weil sie für uns ein Stück zu weit gehen. Wir freuen uns, dass wir diese Initiative auf den Weg bringen können, und bitten um Unterstützung.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Meyer. Der nächste Redner ist schon unterwegs. Bitte, Herr Kollege Imhof. Gleich darauf folgt Frau Kollegin Gottstein. Bitte, Herr Imhof.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Herausforderung, im Alter menschenwürdig leben zu können und Altersarmut vorzubeugen, ist sicher eines der zentralen Themen, die unser Land bewegen. Das ist auch ganz im Sinne von sozialer Gerechtigkeit, von Teilhabe und von Menschenwürde. Wer sein Leben lang gearbeitet und Vorsorge getroffen hat, der soll im Alter angemessen leben dürfen. Das ist unsere Auffassung, und das stellt eine große Herausforderung dar.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Rentensystem ist weltweit vorbildlich. Es ist leistungsorientiert, es ist paritätisch finanziert und es ist solidarisch. Wenn wir dieses System in Zukunft so oder in ähnlicher Weise bei einer gewaltigen, demografisch bedingten Herausforderung erhalten wollen, brauchen wir auf der einen Seite die Erwerbstätigen, also die Beitragszahler, und auf der anderen Seite Frauen und Eltern, die sich Zeit nehmen, ihre Kinder in dieser Gesellschaft großzuziehen. Das ist die Grundlage dafür, dass ein Rentensystem auch in Zukunft funktioniert.

Deswegen ist es in keiner Weise ein Geschenk oder eine gute Gabe, wenn wir speziell etwas für Mütter tun wollen, die ihre Kinder vor 1992 geboren haben, sondern es ist eine unerlässliche Notwendigkeit. Ich schließe mich meiner Vorrednerin an: Der Bundesfinanzminister kann nicht damit argumentieren, dass es nicht finanzierbar sei. Es ist nicht nur Vieles finanzierbar, sondern hinsichtlich unseres Anliegens hat das Priorität allerersten Grades.

(Volkmar Halbleib (SPD): Nicht der Bundesfinanzminister, sondern der Deutsche Bundestag beschließt diese Änderung, Herr Kollege! Darüber entscheiden CSU und FDP!)

Wir müssen die Bayerische Staatsregierung in keiner Weise auffordern. Wie Sie wissen, meine Damen und Herren, ist Christine Haderthauer bundesweit federführend tätig, um dieses Anliegen deutlich zu machen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Es ist doch eine schändliche Argumentation, dass ihr euch hinter dem Bundesfinanzminister versteckt!)

Mütter, die ihre Kinder vor 1992 geboren haben und in keiner Weise über die Infrastruktur verfügen können, die Frau Kollegin Meyer gerade dargestellt hat, unterstützen wir. Die jetzige Infrastruktur umfasst Transferleistungen, Kindergeldverbesserungen, Betreuungsgeld − ganz deutlich erwähne ich das Betreuungsgeld − und das Landeserziehungsgeld. All diese Dinge können Mütter nach 1992 geborener Kinder Gott sei Dank in Anspruch nehmen. Der sukzessive Ausbau dieser Infrastruktur in qualitativer und quantitativer Hinsicht darf nicht zu Ende gehen. Dieser Aufgabe stellen wir uns als CSU und als FDP. Es steht nicht infrage, dass die Mütter vor 1992 geborener Kinder eindeutig besserzustellen sind. Stellen Sie sich vor, dass ein Entgeltpunkt bisher etwa 28 Euro bedeutet. Wenn dieser Betrag verdreifacht wird, ist das eine echte Hilfe. Bei zwei Kindern ergibt sich ein Betrag von etwa 150 Euro mehr im Monat. Das geschieht natürlich sukzessive und soll Altersarmut vorbeugen.

Das ist aber nur ein Eckpfeiler, meine Damen und Herren. Den anderen hat Frau Kollegin Meyer auch deutlich genannt. Entscheidend wird sein, wie Menschen in unserem Land ausgebildet und weitergebildet werden. Bildung ist das zentrale Thema. Dazu sage ich Ihnen: Wenn ein Staat wie der unsere ein Drittel seines Haushalts für Bildung ausgibt, besteht der entscheidende Faktor darin, Altersarmut auf Dauer geringer zu halten und hoffentlich eines Tages zu verhindern.

Wir haben als CSU-Fraktion in Wildbad Kreuth ein Papier erstellt, das sicher allen bekannt ist; deswegen gehe ich nur punktuell darauf ein. Wir haben uns die

Aufgabe gestellt, dass wir uns des Themas Arbeit generell, gerechter Arbeit, menschenwürdiger Arbeit annehmen.

(Harald Güller (SPD): Warum habt ihr dann in den letzten Jahren nichts getan? Null getan! Außer warmen Worten nichts!)

- Herr Güller, im Unterschied zu Ihnen sehen wir ordnungspolitisch einen Tarifmindestlohn vor und keinen gesetzlich aufgepfropften Mindestlohn, weil er die Ordnung einer sozialen Marktwirtschaft erheblich behindert und einschränkt. Das ist der erste Punkt.

Zweiter Punkt: Die Zeitarbeit hat auch ein Maß und eine Grenze. Die Zeitarbeit werden wir in Zukunft flankierend begleiten.

(Harald Güller (SPD): Hohles Gerede!)

Ein Drittes, Frau Kollegin Meyer, Sie haben es auch gesagt: Familie und Beruf besser miteinander in Einklang zu bringen, heißt für die Unternehmer, einiges mehr zu tun. Als Stichworte nenne ich nur maßgeschneiderte Arbeitszeiten, gezielte Fort- und Weiterbildung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und eine ganzheitliche Verbesserung der Förderung im Betrieb.

Die Lebensleistungsrente, wie sie die Bundesarbeitsministerin proklamiert, ist für uns unvollkommen. Es ist kein Konzept, das uns wirklich überzeugt.

(Volkmar Halbleib (SPD): Sie haben doch überhaupt kein Konzept vorgelegt!)

Deswegen halten wir unsere Vorstellungen, die Vorstellungen der CSU, zusammen mit unserem Koalitionspartner in Bayern, der FDP, dagegen. Lebensleistung Arbeit und Lebensleistung Erziehung sind die beiden Eckpfeiler, und diese beiden Eckpfeiler gilt es nach vorne zu bringen.

(Beifall bei der CSU - Volkmar Halbleib (SPD): Keine gute Leistung! Das halten wir schon einmal fest!)

Danke schön, Herr Kollege Imhof. Frau Kollegin Gottstein ist schon unterwegs. Ihr folgt dann Frau Scharfenberg. Frau Gottstein, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die zuständige Ministerin ist jetzt gerade bei dem für sie wichtigen Thema nicht da. Das ist jetzt aber kein Problem.

(Harald Güller (SPD): Gerade einmal ein Mitglied der Staatsregierung ist überhaupt im Raum!)

Sie liegt - - Nein, seit Brüderle muss man ganz vorsichtig sein. Natürlich liegen die Äußerungen der Staatsministerin gerade vor Ihnen auf dem Tisch. Das heißt, Sie haben heute ein wunderbares Blatt mit dem Titel "Bayern sozial: Themen & Trends" ausgeteilt bekommen. Vielfarbig geht es hier weiter. Es heißt: "Altersarmut durch rentenrechtliche Änderungen vermeiden". Das Foto, das Altersarmut zeigen soll, trifft nicht zu, denn die Dame auf dem Foto trägt zu viel Schmuck. Die Äußerungen als solche lauten:

Die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer setzt sich für Reformen im Rentenrecht ein, welche die Familiensorgearbeit im Alter honorieren und Altersarmut insbesondere von Frauen vermeiden sollen. Hierfür ist eine Ausweitung der Kindererziehungszeiten für Geburten vor 1992 notwendig. Auch pflegende Angehörige …

Man meint eigentlich, man sei im falschen Film. Wir reden zu einer Uhrzeit, die noch menschlich ist, ewig davon, dass wir uns verbessern müssen. Das steht doch schon hier. Das wird doch von der Regierung schon so gesehen. Ich frage mich nur, wo die Verbesserungen bleiben.

(Florian Streibl (FREIE WÄHLER): Wo bleibt denn die Regierung? - Volkmar Halbleib (SPD): Wo bleibt sie denn?)

Nicht einmal einem Gymnasiasten oder Studenten − ich glaube, niemandem − kann man erklären, dass eine Regierungspartei eindeutige Forderungen aufstellt, die nicht erfüllt werden. Ich verstehe das nicht. Daher ist es auch super, wenn es heißt: "Seehofer kündigt harten Kurs bei Mütterrente an". Dazu kann man nur sagen: Gut gebrüllt, kleiner Löwe. Das war es aber schon. Das ist doch scheinheilig. Da muss man schon sagen: Landauf, landab sammelt die Frauen-Union momentan Unterschriften. Wofür denn sammelt sie die Unterschriften? Für etwas, was Sie erfüllen können! Sie müssen doch sagen, wir sammeln Unterschriften für eine Sache, die wir alle wollen, die wir aber nicht durchsetzen wollen. Das ist nicht nachvollziehbar. Damit setzen Sie die politische Glaubwürdigkeit von uns allen aufs Spiel, denn damit fördern Sie die Politikverdrossenheit.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD)

Wir gehen mit Forderungen hausieren, deren Erfüllung in unserer Macht steht. Fangen Sie doch nicht damit an, hier auf Ihre Bundesfamilienministerin zu

schimpfen. Setzen Sie eine andere ein. Sie sind doch in der Koalition und nicht wir.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD)

Der Finanzminister ist doch aus Ihrer Regierung. Er sagt, die Rentenreformen seien nicht möglich, weil das Betreuungsgeld so teuer sei. Machen Sie doch erst Ihre Hausaufgaben und nehmen Sie auf die Mütter Rücksicht, die ihre Kinder bereits geboren haben. Reden Sie nicht immer so scheinheilig daher; erst dann reden wir über das Betreuungsgeld und machen weiter.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Nächste Rednerin ist Frau Scharfenberg. Danach kommt Frau Dr. Strohmayr. Bitte schön, Frau Scharfenberg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Gottstein hat völlig recht. Man fragt sich wirklich, welche Nebelkerzen hier geworfen werden. Dem Betrachter − es sind nicht viele hier − erschließt sich nicht, was eigentlich gewollt ist. Wenn er die Anträge durchliest, meint er, dass wir alle dasselbe vorhaben. Die Position der CSU ist allerdings auf Bundesebene nicht einmal innerhalb der Unionsfraktion einheitlich. Wie Kesselflicker streiten sich CDU und CSU vor der Sitzung des Koalitionsausschusses in Berlin am kommenden Donnerstag. So kündigt Horst Seehofer wieder einmal den harten Kurs gegenüber der CDU an. Sie können ruhig gelangweilt sein. Wir ersparen es Ihnen nicht. Wir lassen es Ihnen nicht durchgehen, dass Sie hier Wirres sagen und sich als der große Zampano aufführen, während Sie im Bund immer die Hosen voll haben. Sie setzen doch gar nichts durch. Sie machen bloß Publicity. Mein Gott, das haben wir schon lange durchschaut.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Ich gebe Ihnen Folgendes mit auf den Weg: Schaffen Sie es einfach einmal, mit einer Stimme zu sprechen, meine Damen und Herren von der CSU.

Noch schöner wäre es, wenn Sie eine Position finden würden, mit der Sie nicht nur an der Oberfläche kratzen, sondern endlich einmal die vielfältigen Ursachen von Altersarmut bei Frauen wirksam bekämpfen würden. Armut im Alter ist weiblich. Sie wollen dem mit der Anerkennung von Erziehungszeiten für Kinder begegnen. Damit bin ich d'accord. Das ist völlig klar.

Das schaffen Sie sowieso nicht. Aber wir werden es schon machen, denn wir übernehmen dann die Verantwortung. Es reicht nicht, meine Damen und Herren von CSU und FDP, wenn Sie nur mit dem kleinen Finger diese kleinen Schräubchen drehen. Nicht einmal die können Sie drehen. Bei der Anrechnung von Pflege- und Kindererziehungszeiten für Frauen − es geht wirklich nur um Frauen − geht es momentan nur um ein paar Cent mehr. Die müssen Sie den Frauen zugestehen. Auf dieser Baustelle müssen Sie arbeiten, sodass Sie endlich einmal ins Schwitzen kommen. Warum ist denn die Rente für Frauen so viel geringer als die Rente für Männer? Warum denn? Die Frauen verdienen schon vorher weniger, meine Damen und Herren. Deswegen brauchen wir endlich den allgemeinen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Der ist seit Jahren überfällig.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Sie werden es nicht begreifen, deswegen brauchen wir den Mindestlohn. Wissen Sie, warum die Rente bei Frauen so gering ist? Sie können eine Stelle nicht zu hundert Prozent ausfüllen und sie arbeiten in Minijobs teilweise nur für den Mindestlohn. Die Frauen machen das zum größten Teil. Deswegen können sie nicht in die Rente einzahlen. Deswegen ist die Altersarmut weiblich. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.

Wenn Sie von einer Untergrenze beim Mindestlohn schwafeln, sage ich Ihnen: Setzen Sie sich bitte einmal damit auseinander, dass es einen gesetzlichen Mindestlohn geben muss, wie es zum Beispiel in Großbritannien der Fall ist. Dort wurde gesagt: Wir, der Gesetzgeber, wollen einen Mindestlohn und geben die Festsetzung dieses Mindestlohnes einer Kommission in Auftrag. An dieser Kommission können auch Gewerkschaften beteiligt sein. Die Entscheidung geht aber wieder zurück an den Gesetzgeber. Warum soll sich der Gesetzgeber hier nicht einbringen, meine Damen und Herren? Er muss schließlich auch zahlen, wenn es nachher darum geht, Aufstocker über die Runden zu bringen. Da darf dann der Gesetzgeber zahlen. Vorher darf er sich aber nicht einbringen. Diese Logik müssen Sie mir einmal erklären.

(Joachim Unterländer (CSU): Tarifautonomie!)