Protokoll der Sitzung vom 01.04.2009

Mein positiver Eindruck ist, es gibt weniger Interventionismus und weniger Staatswirtschaft á la Stoiber und Wiesheu, und was viel wichtiger ist, es gibt weniger "Großkotz", das heißt weniger Hochtrabenheit und mehr Bescheidenheit. Das kommt auch in vielen Ausdrücken zur Geltung. Ich höre sehr viel seltener herausposaunt "Champions League". Anstelle von Begrifflichkeiten wie "Offensive Zukunft Bayern" oder "Hightech-Offensive" hören wir jetzt eher "Allianz Bayern Innovativ" oder "Regionalmanagement". Das ist gar nicht so schlecht.

Das jetzt angeklungene Lob muss ich gleich wieder revidieren, wenn ich Ministerpräsident Seehofer lese und höre. Gestern hat Herr Seehofer seine Haushaltsrede mit dem Satz begonnen, die aktuelle Haushaltsdebatte stehe unter einem ganz besonderen Vorzeichen. Damit hat er recht. Statt dann auf das Desaster der Bayerischen Landesbank und die originäre Verantwortung einiger CSU-Größen hierfür hinzuweisen, hat er sich nur auf die weltweite Wirtschaftskrise bezogen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf des Abgeordne- ten Kurt Eckstein (CSU))

Er hat dann, Herr Eckstein, von einem klaren Kurs gesprochen. Stellen Sie sich vor, Herr Seehofer spricht von einem klaren Kurs - gerade er. Anschließend hat er noch eines vollbracht, nämlich den Haushalt, der gerade diskutiert wird, einen "Leuchtturm" genannt. Meine Damen und Herren, wir erinnern uns alle, dass erst kürzlich ein von der CSU als "Leuchtturm-Projekt" glorifiziertes Vorhaben als "Armleuchter-Projekt" entlarvt wurde. Es ist dann auch ins Nirwana geschwebt. Mit dieser Begrifflichkeit sollten Sie also künftig etwas vorsichtiger umgehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bei dem, was anschließend in der Rede des Ministerpräsidenten kam, muss einem angst und bange werden um die Zukunft des Landes. Es waren nichts anderes als leere Versprechungen, weil volle Hose.

(Beifall und Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Er hat seinen Einsatz für die Bahnstrecke München Ingolstadt - Nürnberg gerühmt. Wir wissen aber alle, dass diese Strecke ein Milliardengrab war. Vier Milliarden Euro gehen uns in Bayern und der gesamten Republik für sinnvolle Verkehrsprojekte ab.

(Erwin Huber (CSU): Das ist Sache des Bundes!)

Er hat seine "Wackelpudding-" und "Gummirückgratpolitik" als ganz toll dargestellt. Das musste aber in die Hose gehen.

(Zuruf des Abgeordneten Erwin Huber (CSU))

Herr Ex-Minister Huber, seine Einlassung und die der CSU-Fraktion zur Mehrwertsteuer taugen nicht; denn seit Jahren gibt es die Möglichkeit, den Antrag in Brüssel zu stellen. Sie haben mit den krudesten Argumenten immer dagegen gehalten. Noch vor zwei Jahren hieß es, die erwarteten Effekte würden nicht eintreten. Zum zweiten hieß es, die Haushaltslage des Bundes gebe das nicht her, und am tollsten war ein Sprecher der CSU im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, der meinte, das ginge zulasten aller Steuerzahler, und die Gastronomie würde vom auf 19 % erhöhten Mehrwertsteuersatz profitieren, weil dadurch die Lohnnebenkosten stark abgesenkt würden. Das ist nichts anderes als eine unsäglich populistische Wackelpolitik.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Seehofer hat auch gesagt, wir müssten uns gegen den Abschwung stellen. Was wir allerdings vor allem machen müssen, meine Damen und Herren, wir müssen uns und die Bürgerinnen und Bürger auf den Abschwung einstellen. Wir müssen versuchen, die Folgen des Abschwungs abzupuffern. Hier fehlen die zehn Milliarden Euro, die im Landesbank-Desaster vergeigt wurden. Und uns fehlt vieles weitere. Das heißt, wir haben jede Menge an sonstigen Stoiber- und Faltlhauser-Altlasten abzuarbeiten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Finanzmarktdesaster hat uns in eine weltweite Wirtschaftskrise geworfen; allerdings hatte sich die Krise bereits zuvor abgezeichnet. Ich erinnere nur an die Explosion der Energiepreise im letzten Jahr wegen der Ölknappheit oder an die Welternährungskrise, an den Klimawandel mit seinen drohenden dramatischen Auswirkungen und an die immer größer werdende Ungleichverteilung vor allem zwischen Nord und Süd. Das alles zeigt uns, dass dringend gehandelt werden muss. Wir brauchen eine andere Wirtschaftspolitik, aber auch ein anderes Wirtschaften; Wirtschaften heißt eigentlich, haushälterisch mit den knappen Ressourcen umzugehen.

Wenn jetzt Politiker sagen, es gelte, diese Krisen nacheinander abzuarbeiten, dann, muss ich sagen, ist das grober Unfug. Man kann nur versuchen, insgesamt umzusteuern. Man muss für eine andere Umwelt- und Klimaschutzpolitik sorgen und wir brauchen mehr EineWelt-Gerechtigkeit, aber auch mehr Verteilungsgerechtigkeit bei uns in diesem Lande.

Herr Minister Zeil, wohin uns die Überhöhung des Marktes, die Liberalisierungs- und Privatisierungsdoktrin sowie der Deregulierungswahn gebracht haben, wird uns gerade deutlich vor Augen geführt. Von daher gilt es, die Rolle des Staates und der öffentlichen Hand insgesamt anders zu definieren. Und das gilt gerade für Krisenzeiten. Wie wir befürchten, kommen wir jetzt in eine längere Phase der Schrumpfung und da brauchen wir einen starken Staat. Starker Staat kann nicht nur heißen: Der Staat als letzter Bürge, sondern es muss auch heißen, der Staat als Regulierer und als Anbieter von Dienstleistungen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Grundsätzlich ist jetzt der Zeitpunkt gekommen - Herr Kollege Wörner ist leider draußen -, die Idee der Gemeinwirtschaft wieder zu stärken. Gemeinwirtschaft heißt nicht nur eine öffentlich-wirtschaftliche Tätigkeit, sondern dazu gehören weite Teile des Genossenschaftswesens, wie auch die Betätigung frei gemeinnütziger Unternehmen. Hier ist ein Umdenken angesagt. Dabei wollen wir keineswegs das dominierende Steuerungsprinzip Markt in unserem System der sozialen Marktwirtschaft infrage stellen. Wir waren an dieser Stelle immer diejenigen, die sich am meisten gegen die Staatswirtschaft oder Mischwirtschaft verwahrt haben, da, wo wir sagen, der Markt ist das bessere Steuerungsinstrument. Aber wir sagen auch ganz klar, der Markt ist nicht alles und kann nicht alles und der Markt braucht Regulierung. Und es gilt vor allem, die soziale Komponente in der sozialen Marktwirtschaft wieder stärker zu betonen, als dies in den letzten Jahren der Fall war.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Wirtschaftspolitik in Bayern muss dafür Sorge tragen, dass Bayern als Wirtschaftsstandort zukunftsfähig bleibt, dass die Chancen genutzt werden und dass Schwachpunkten und Defiziten entgegengearbeitet wird. Selbstverständlich ist Bayern noch ein wirtschaftsstarkes Land; das ist überhaupt nicht die Frage. Aber es gab schon das eine oder andere Fragezeichen vor der Wirtschaftskrise. Es gibt immer dieses Ranking zur Wirtschaftsdynamik der einzelnen Bundesländer und da fällt Bayern von Jahr zu Jahr zurück. Schauen Sie sich einmal die Disparitäten von Region zu Region, von Arbeitsamtsbezirk zu Arbeitsamtsbezirk an. Diese sind riesengroß. Wir haben tatsächlich Defizite in Feldern, die den Rahmen für die Wirtschaftspolitik setzen, wie beispielsweise die Bildungspolitik oder die Infrastrukturpolitik.

Das Thema Breitband ist hinreichend gewürdigt worden. Deshalb nur noch ein Satz von mir an dieser Stelle. Zu der Zeit, in der die Staatsregierung nicht nur bestrit

ten hat, dass es sich hier um eine öffentliche Aufgabe handelt, sondern sogar den Bedarf bestritten hat - Herr Huber, ich habe Ihr Zitat extra dabei, weil ich weiß, dass Sie jetzt dagegenhalten werden -,

(Erwin Huber (CSU): Das hat niemand bestritten!)

in dieser Zeit hat sich Rheinland-Pfalz bereits das entsprechende Förderprogramm in Brüssel notifizieren lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf des Abgeordne- ten Erwin Huber (CSU))

Was die aktuelle wirtschaftspolitische Situation anbelangt, die zunehmende Gefährdung von Unternehmen und Arbeitsplätzen, ist festzuhalten, dass der Werkzeugkasten der Bundesländer begrenzt ist, wenn wir auch mit der Wirtschaftsförderung ein ganz wesentliches Instrument haben. Herr Zeil, Sie haben richtigerweise gesagt "Chance durch Wandel in Richtung Nachhaltigkeit". Da werden wir Sie beim Wort nehmen und alles genau hinterfragen. Denn angesagt ist hier, wirklich innovative, ressourcensparende Techniken und Strukturen voranzubringen. Selbstverständlich muss der Freistaat bemüht sein, nach Kräften Unternehmen, die in eine Schieflage geraten sind, zu unterstützen: Beratung, Vermittlung, Bürgschaften bis hin zu klassischen Finanzhilfen sind hier im Einsatz. Wir müssen allerdings immer darauf achten, nicht überkommene Strukturen und Unternehmen zu fördern, sondern zu sehen, dass tatsächlich Zukunftsfähigkeit gegeben ist.

Der Wettbewerb ist angesprochen worden. Auch hier werden wir sehr genau hinsehen und wir werden uns auch sehr genau ansehen, was sich der Staat überhaupt leisten kann. Wie sehr wollen und dürfen wir uns verschulden. Herr Zeil, da war es bei Ihnen schon etwas absonderlich. Einerseits haben Sie richtigerweise gesagt, jeder Euro könne nur einmal ausgegeben werden, aber andererseits haben Sie dann moniert, dass die EU und der Bund viel zu wenig Geld ausgäben. Wo ist denn nun Ihre Wahrheit?

Zur Wirtschaftsförderung auch noch mal eine ganz wichtige Anmerkung. Wir verlangen weiterhin nach Transparenz und Evaluierung; das, meinen wir, ist heute bedeutender denn je.

Herr Kollege von und zu Lerchenfeld, Sie haben erneut auf das Mittelstandsförderungsprogramm und auf die Regionalförderung rekurriert und gesagt, die Mittel seien aufgestockt worden. Dazu bitte ich alle Kolleginnen und Kollegen, sowohl diejenigen, die damals schon dabei gewesen sind, als auch die neuen, sich einmal die alten Haushaltspläne anzusehen. Dort finden Sie einen Kahlschlag, der mit dem Nachtragshaushalt 2004 angefangen hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dort ist eine massive Kürzung zu finden, die bis jetzt noch nicht kompensiert werden konnte. Es gab damals im Mittelstandskredit bei den Einmalzuschüssen 35 Millionen Euro; diese sind um 10 Millionen zurückgeführt worden und heute stehen wir bei 26 Millionen Euro. Bei der regionalen Wirtschaftsförderung gab es einen Rückgang von 69 Millionen Euro auf 41 Millionen Euro; heute stehen wir bei 61 Millionen Euro. All denjenigen, die sagen, es gehe laufend aufwärts, sei ins Stammbuch geschrieben: Der ursprüngliche Ansatz war im Jahr 2004 bedeutend höher, als er es heute ist; das ist mitnichten kompensiert.

Nun ein paar Worte zum Verkehr. Herr Präsident, ich bitte mir genauso einige Minuten Überziehung zu gestatten wie meinen beiden Vorrednern.

Aber diese letzte Minute läuft schon, Herr Kollege Runge!

Nein, noch nicht. Also einige ganz wenige Gedanken zum Verkehr. Wir haben im Jahre 2002 einen Dringlichkeitsantrag zu umwelt-, finanz- und verkehrspolitisch inakzeptablen Großprojekten eingereicht. Dazu gehörten die Fichtelgebirgsautobahn, die A 94 durchs Isental, die Westumfahrung Würzburgs, die neue ICE-Strecke Nürnberg - Erfurt, der Transrapid. Von zweien dieser Projekte haben Sie sich verabschiedet, und zwar aus gutem Grund. Machen Sie es bitte bei den anderen Projekten auch, sonst können wir dem Haushalt nicht zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Man könnte noch jede Menge weiterer Punkte nennen wie beispielsweise die dritte Startbahn in München II. Herr Minister, Sie sprachen von der Konkurrenz mit Dubai. In Herrgotts Namen, ist ein internationales Drehkreuz nicht besser in der Wüste aufgehoben als in der dicht besiedelten Region 14? Da, meinen wir, gibt es durchaus einen Unterschied.

Ich nenne weiter den A 99-Südring, den Donauausbau. Es gäbe noch viele weitere Punkte zu benennen. Ich verkürze aber jetzt stark meinen Redebeitrag mit einem letzten Wort.

(Heiterkeit - Beifall des Abgeordneten Tobias Thal- hammer (FDP))

Schließen Sie lieber Ihren Beitrag.

Herr Minister, in Ihrem Ressort gibt es wahrlich viel zu tun. Sie haben richtigerweise von schwierigen Jahren gesprochen. Wir un

terstützen Sie gerne konstruktiv und kritisch bei Ihrer Arbeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Runge. Nun haben Sie es doch in der Karenzzeit geschafft. Für die FDP folgt jetzt die Wortmeldung des Kollegen Klein.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Über die konjunkturelle Lage sind wir uns einig, noch nicht aber über den Weg bzw. die Mittel, um aus der Krise herauszukommen. Wenn Herr Dr. Wengert zu Recht die falsche Politik der letzten Jahre moniert hat, sollte man aber doch gleichzeitig darauf hinweisen, dass die SPD seit 1998 in der Bundesregierung mitwirkt und nicht wir.

(Beifall des Abgeordneten Tobias Thalhammer (FDP))

Herr Dr. Wengert, man muss festhalten, dass dort keine Maßnahmen ergriffen worden sind, mit denen man jetzt den Problemen des Finanzmarktes entgegenwirken könnte.

Und genauso einfach könnte ich jetzt noch weitermachen und dann wäre ich auf genau dem gleichen Niveau, auf dem Sie sind, wenn Sie die FDP mit Turbokapitalismus gleichsetzen. Der Kollege Dr. Kirschner hat schon darauf hingewiesen: Die FDP stand und steht genauso wenig für Turbokapitalismus wie die SPD mit Leninismus oder anderen kommunistischen Überzeugungen gleichzusetzen ist.

(Zurufe von der SPD)