Viertens ein Argument, dass ihr grundsätzliches Verständnis von Hochschule in Frage stellt: Studiengebühren sind Ausfluss eines falschen Verständnisses von Hochschule. Bildung ist ein öffentliches Gut und keine Ware. Studierende sind keine Kunden und Kundinnen.
Hochschulen sind keine Dienstleistungsbetriebe. Wir GRÜNE haben hohe Ansprüche an unsere Hochschulen. Wir erwarten, dass Sie einen konstruktiven und konstitutiven Beitrag zur Gestaltung unserer Gesellschaft und unserer Zukunft sowie zur Lösung unserer größten Probleme leisten. Dies können Sie nur als freie, offene und demokratisch organisierte Institutionen. Unsere Aufgabe in der Politik und hier in diesem Parlament ist es, die politischen und finanziellen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass unsere Hochschulen diesen Anspruch erfüllen können. Dazu passen Studiengebühren nicht. Sie leisten dazu keinen Beitrag.
Wenn der Herr Minister heute hier wäre, würde ich ihn daran erinnern, dass er gesagt hat, die Studiengebühren würden von den Studierenden größtenteils akzeptiert. Das hat er bei der letzten Debatte gesagt. In den Gesprächen zwischen ihm und den Studierenden seien Studiengebühren gar kein Thema. Das ist nicht wahr. Das wissen wir nur zu gut.
Ich darf auch daran erinnern, dass sich nach dieser Aussage Studierende zu Wort gemeldet und den Minister daran erinnert haben, dass sie die Studiengebühren sehr wohl zum Thema der Gespräche mit ihm gemacht haben.
Diese Einschätzung hat man auch in einem Bericht über einen Besuch des Ministerpräsidenten Seehofer an der Uni Regensburg nachlesen können. Bezeichnenderweise lautete die Überschrift: "Stippvisite auf dem Campus - 90 Minuten mit dem Ministerpräsidenten". Zu lesen ist dieser Bericht in der "Mittelbayerischen Zeitung". Der Bericht war auch unter einem anderen Aspekt interessant: Die Studierenden kamen in diesen 90 Minuten offensichtlich kaum zu Wort. Ich zitiere:
Erst als Seehofer direkt eine Frage an die Studenten richtet, ob sie die Notwendigkeit von Studiengebühren akzeptieren könnten, kommt ein vehe
mentes Nein. Die Schere zwischen oberer und unterer Bildungsschicht geht immer weiter auseinander, sagt ein junger Zuhörer.
Da hat der Student recht, und es war gut, dass er dies bei dieser Gelegenheit dem Ministerpräsidenten gesagt hat.
Kolleginnen und Kollegen, diese vier Argumente müssten Sie eigentlich überzeugen. Ich könnte Ihnen noch mehr nennen. Das tun wir bei nächster Gelegenheit. Sie doktern nur am System herum, wenn Sie bei der Beratung des Hochschulgesetzes versuchen, weitere Ausnahmeregelungen zu schaffen und den Kreditzins zu senken. Dieses Herumdoktern am System zeigt doch, dass Sie selbst merken, dass an den Studiengebühren etwas nicht passt. Mit Nachbessern lässt sich das Problem aber nicht lösen. Erkennen Sie, dass der eingeschlagene Weg grundsätzlich falsch war. Nutzen Sie heute die Chance und schaffen Sie mit uns gemeinsam die Studiengebühren ab.
Frau Kollegin Gote, Sie haben nicht mit Vorwurf - das will ich betonen - auf die Abwesenheit des Ministers aufmerksam gemacht, sondern lediglich zu Recht festgestellt haben, dass der zuständige Staatsminister Dr. Heubisch nicht anwesend ist. Deshalb darf ich das Hohe Haus darüber informieren, dass er für die heutige Plenarsitzung entschuldigt ist, nicht etwa, weil er kein Interesse an dieser Debatte hat; im Gegenteil, er ist heute auf der gemeinsamen Wissenschaftsministerkonferenz in Berlin. Es geht dort um Milliardensummen aus der Neuauflage des Hochschulpaktes zwischen Bund und Ländern. Ich glaube, dafür haben wir Verständnis. Er hat Frau Staatssekretärin Hessel gebeten, ihn heute bei diesem Tagesordnungspunkt zu vertreten. Angesichts der Wichtigkeit dieser Debatte ist es aber angemessen, dies dem Hohen Haus bekanntzugeben.
Jetzt darf ich in der Rednerliste fortfahren: Frau Kollegin Zacharias bitte. - Ich wollte Sie nicht unvorbereitet treffen.
Sehr verehrte Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Hohes Haus! Liebe werte anwesende Studierende, um euch geht es hier. Wir debattieren heute wieder einmal - Ulrike Gote hat es schon sehr schön ausgeführt - über das leidige Thema Studiengebühren. Auch ich werde genauso wie Ulrike Gote weiter dafür kämpfen, dass sie abgeschafft werden.
Zurzeit werden vornehmlich von Wissenschaftsminister Heubisch ein paar Legenden gestrickt. Eine Legende lautet, die Studierenden würden die Studiengebühren gar nicht mehr interessieren. Kollegin Gote hat es gerade ausgeführt. Sie würden höchstens noch über die Verwendung oder die Höhe der Studiengebühren sprechen. Das ist überhaupt nicht wahr. Zum einen wird uns in den nächsten Tagen eine Petition mit einigen 10.000 Unterschriften überreicht werden, die sich gegen Studiengebühren ausspricht. Von einem Desinteresse ist also keine Rede. Zum anderen werden wir Mitte Mai in den großen Städten Bayerns viele Demonstrantinnen und Demonstranten auf den Straßen sehen, die gerade wegen der Studiengebühren auf die Straße gehen. Von einem Desinteresse also keine Spur.
Die zweite Legende, die gerade gestrickt wird, erzählt von den Jubelgesängen, die über die höhere Zahl von Anmeldungen in den Erstsemestern gefeiert werden. Das ist richtig. Deutschlandweit gibt es einen höheren prozentualen Anteil an Anmeldungen für die Erstsemester. In Bayern sind es aber nur halb so viel. Das zur zweiten Legendenbildung.
Ich reiche dem Minister gern ein Knäuel roter Wolle, denn ein gelber Pullunder steht ihm ohnehin nicht besonders gut. Solche Legenden zu stricken, ist falsch.
Als Minister Heubisch sein Amt übernommen hat - wir sind zusammen in den Landtag eingezogen -, hat er Altlasten übernommen. Er hat von Anfang an gewusst, dass er mit der Studiengebühr keine gute Last übernimmt. Er hat die Zeichen erkannt und die Verwaltungsgebühr in Höhe von 50 Euro abgeschafft. Das war eine gute Idee. Eine echte Entlastung wären aber die 500 Euro gewesen.
Mit einer Abschaffung der Studiengebühr hätten Sie auch das zweite Konjunkturprogramm ankurbeln können. Man kann Geld nur ausgeben, wenn man es in der Tasche hat.
Der vorliegende Gesetzentwurf - es ist schon ausgeführt worden - sieht noch einige soziale Ausnahmeregelungen vor. Es gibt eine Regelung für das zweite und das dritte Kind. Ich habe schon gehört, dass die UniPräsidentinnen und Präsidenten über den bürokratischen Aufwand schimpfen. Da kommen mir auch ein bisschen die Tränen. Ich hoffe aber darauf, dass der Minister die Beschwerden hört. Die Präsidenten wollen ihre Arbeit machen und nicht ihre Verwaltungsfachangestellten damit beauftragen, dass sie sichten, wer wann und in welchem Stadium welche Gebühr bezahlen muss. Also weg damit!
2007 ist diese Studiengebühr eingeführt worden, um damit 150 Millionen Euro im Jahr zu erwirtschaften. Ich bin etwas unglücklich darüber, dass der Minister zu diesem Thema nicht anwesend ist, denn es bewegt die anwesenden Studierenden und mich schon. Auch wenn es auf Bundesebene um 500 Milliarden geht, hier geht es um 500 Euro, die der Studierende nicht in seiner Tasche hat. Die Studiengebühren sind eingeführt worden, um die chronische, jahrzehntelange Unterfinanzierung der Universitäten zu kompensieren. Ich brauche Ihnen nicht zu erzählen, wie es in den Gebäuden und beim Personal aussieht. Für die Unis gab es deshalb ein kleines Leckerli, die Studiengebühren.
Ich möchte es Ihnen noch einmal an einem Beispiel darstellen. Für die technische Universität München machen die Studiengebühren 1,4 % des staatlichen Budgets aus. Mit einer Abschaffung der Studiengebühren ich hoffe, Sie sind heute so klug und stimmen für unseren Antrag - würden die Technische Universität München und alle anderen Universitäten nicht etwa einbrechen. 1,4 % des Budgets ist nicht viel, für die Studierenden ist es aber pro Monat eine große Masse.
Es gibt auch lustige Geschichten. Irgendein Präsident hat mir erzählt, er finde es Klasse, dass er eine Kommunikationsform mit den Studierenden entwickeln könne, dass er jetzt eine Form von Partizipation erleben könne. Meine Damen und Herren, ich kann nur sagen: Partizipation und was zu bereden ist - es gäbe viele Themen, die ich Ihnen gerne zur Hand gebe -, ist okay, aber über Studiengebühren und deren Verwendung und über die Höhe der Studiengebühren wollen die Studierenden nicht sprechen.
Der Präsident einer Universität meinte, nur wer für etwas Geld bezahle, wisse dies wertzuschätzen. Mein Gott, in welchem Jahrhundert lebt er denn? - Da gilt nicht nur, dass die Studiengebühren nicht die einzige Ausgabe für die Studierenden sind. Es gibt vieles mehr, wofür sie sehr viel Geld ausgeben müssen, wie Wohnung, Bücher, Laborkittel usw. usw. Zu behaupten, dass sie ohne Bezahlung etwas nicht wertschätzen würden, ist eine Frechheit. Ich finde es geradezu unanständig, den Studierenden so etwas vorzuwerfen. Der werte Kollege Dr. Barfuß sagte unlängst, Arbeit habe noch nie geschadet. Meine Damen und Herren, ich finde das auch. In den 1980er Jahren habe ich studiert und gejobbt - großartig. Ich sage Ihnen aber, die Realität sieht ein wenig anders aus. Wegen des Bologna-Prozesses, mit dem eine unglaubliche Verschulung einhergeht, ist keine Zeit mehr zum Jobben. Wann
sollen die Studierenden noch studieren, wenn sie die 500 Euro Studiengebühren und alle anderen Kosten verdienen müssen? - Und, das wissen Sie auch, in der jetzigen Finanz- und Arbeitsplatzkrise sind insbesondere die Jobs für Studierende die ersten, die wegbrechen. Wo sollen sie also das Geld hernehmen? - Bitte, kommen Sie in der Gegenwart an. So, wie das Studium jetzt gestaltet wird, ist Jobben während des Studiums nicht mehr möglich.
Ich möchte Herrn Minister Dr. Heubisch und seine Partei daran erinnern, dass die Jungliberalen ihm in einem langen Brief ganz deutlich gesagt haben, dass die Studiengebühren einen abschreckenden Effekt hätten und für die Abiturienten belastend seien, weil sie Angst hätten, Schulden machen zu müssen, und weil es keine gute Idee sei, beim Eintritt in die Arbeitswelt und bei der Gründung einer Familie Schulden zu haben. Frau Sandt, ich gebe Ihnen gerne die Daten; ich habe sie zu Hause auf dem Rechner liegen. Hören Sie doch bitte auf die Jungliberalen.
Der Minister findet die Studiengebühren Klasse, weil sie zur Wettbewerbsfähigkeit des Freistaates Bayern nötig seien. Ich finde diese Aussage unanständig. Sie ist unsolidarisch. Dürfen die Bundesländer, die keine Studiengebühren erheben, nicht wettbewerbsfähig sein? Haben die kein Recht, mit uns Bildung im Land Deutschland gestalten zu dürfen? - Ich finde die Aussage nicht in Ordnung.
Die CDU in Sachsen, meine werten Kollegen zu meiner rechten Seite, hat das Problem erkannt. Der Ministerpräsident von Sachsen hat gesagt, in der Wirtschaftskrise werden die Studiengebühren abgeschafft. Nehmen Sie sich ein Herz, tun Sie es auch.
Manchmal glaube ich geradezu, dass die Studiengebühren eingeführt wurden, weil alle wussten, dass es 2011 einen großen "Studierendenberg" geben wird. Um alle abzuschrecken, wurde eine Gebühr eingeführt, die vielleicht ein paar abschrecken wird. Ihre Rechnung wird nicht aufgehen. Sie werden 2011 eine Katastrophe erleben - aber bitte ohne Studiengebühren.
Ich fasse zusammen: Wir lehnen nach wie vor die Studiengebühren ab. Der Zusammenhang des Bildungserfolgs von Jugendlichen mit dem Geldbeutel der Eltern und ihrer sozialen Herkunft ist dramatisch. Wir sind hier negativer Weltmeister. Statt Leistung und Begabung wird danach geschaut, was sich Eltern leisten können, damit die Kinder studieren können. Die Studiengebüh
ren - die "Unimaut" - ist und bleibt sozial ungerecht. Wir dürfen die Privatisierung der Bildung nicht zulassen. Sie ist Aufgabe des Staates. Wir möchten die Verbesserung der Lehre. Dafür zu sorgen ist aber unsere Aufgabe und nicht die der Studierenden. Das muss uns klar sein.
Die Benachteiligung der Frauen, der Familien, die Verlängerung der Studienzeiten - Ulrike Gote hat das ausgeführt - sind nicht in unserem Kalkül. Wir brauchen alle. Wir brauchen keine soziale Auslese. Gelten kann nur die Absicht, bei der Wahl der Bildungswege die Chancengleichheit zu wahren.
Ich bitte Sie, stimmen Sie unserem Antrag zu. Ich hoffe, dass Sie sich heute ein Herz dazu fassen können.
Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu allererst möchte ich mich bei den 195.000 Studierenden in Bayern bedanken, die mit ihren Studien- und Verwaltungskostenbeiträgen auch in diesem Semester einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung ihrer Studienbedingungen geleistet haben.