Protokoll der Sitzung vom 12.05.2009

In Brandenburg gibt es eine große, übergreifende Zustimmung zur grünen Gentechnik auch im kommerziellen Anbau. In Bayern gibt es eine weitgehende Ablehnung, würde ich mal sagen. Ich habe mir dieses große Ziel gesteckt. Wenn wir das alles erreicht haben, dann können wir über weitere Beitritts- und Clubmitgliedschaften reden. Aber ich möchte es schon so seriös machen, dass ich mir nicht am Ende, wenn ich irgendwo beigetreten bin, vorwerfen lassen muss, wahrscheinlich sogar noch von Ihnen, weil Sie das ja dann genau beobachten, dass wir uns nicht ordentlich

verhielten an einer Stelle. Da finde ich es seriöser, wenn wir einen Weg gemeinsam gehen.

Als Nächster hat Herr Kollege Füracker das Wort.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wissen, dass wir im europäischen Umfeld immer auf gewisse Handlungsspielräume eingeengt sind. Deshalb meine Frage, Herr Minister: Wie schätzen Sie die Situation auf europäischer Ebene bei der weiteren Zulassung von transgenen Pflanzen ein? Wie wird sich das auswirken, bzw. wie wollen wir als Bayerische Staatsregierung verfahren?

Bitte schön, Herr Staatsminister Dr. Söder.

Herr Abgeordneter, eigentlich habe ich es schon gesagt, aber ich will noch einmal darauf zurückkommen. Die entscheidende Frage ist in der Tat - da haben Sie völlig recht -, dass mehrere Anfragen für die Zulassung vorhanden sind. Man spürt übrigens auch, dass die dahinter stehenden wirtschaftlichen Interessen bewusst den justiziablen Weg gehen, um mögliche Potenziale auszuloten. Da ist Deutschland ein anderer Markt als viele kleine Länder. Darum sind hier der Wunsch und das Interesse, solche Dinge durchzusetzen, ganz anders.

Wir gehen davon aus, dass wir dann, wenn es eine gemeinsame deutsche Haltung geben kann, nämlich das Selbstbestimmungsrecht der Regionen zu definieren und das Zulassungsverfahren zu reformieren, die gesamten Probleme aus meiner Sicht und aus unserer Sicht so kanalisieren können, dass wir in Bayern dem Ziel, gentechnikanbaufrei zu werden, einen großen Schritt näherkommen. Das kann jeder in Deutschland und auch in Europa unterschiedlich sehen. Es gibt da in der Tat völlig unterschiedliche Auffassungen. Unsere Auffassung ist durch Beschlüsse dieses Hauses und der Staatsregierung klar dokumentiert, auch die Zielsetzungen. Die wollen wir gemeinsam angehen.

Die einzelnen Gruppen im Europäischen Parlament verfolgen zum Teil ähnliche Interessen. Deshalb hoffe ich, dass wir diese Prozesse nach der Europawahl und der Bildung der neuen Kommission und damit auch der Bildung der neuen Entscheidungsfähigkeit auf europäischer Ebene voranbringen können. Das ist jedenfalls unser Bestreben auf allen Ebenen, und zwar nicht über den Ausschuss der Regionen. Der Ausschuss der Regionen allein ist zwar eine wichtige, aber noch nicht in allen Bereichen der europäischen Gesetzgebung durchschlagsfähige Institution. Da gibt es mit Parla

ment und Kommission noch andere wichtige Partner, die wir überzeugen können und überzeugen müssen.

Danke schön, Herr Staatsminister. Als nächster Fragesteller hat Herr Dr. Herz das Wort.

Herr Vizepräsident, Herr Minister Söder! Ich glaube, es ist nicht nur hier im Haus klar, dass das Thema Gentechnik durch die beiden bevorstehenden Wahlen überlagert wird. Vor diesem Hintergrund bin ich selber auch gespannt, ob die Entscheidung zum gentechnikfreien Bayern, also zunächst beim Mais, über den 28. September hinaus Bestand haben wird.

Meine konkrete Frage an Sie. Sie haben vorhin eingeräumt, dass im Landkreis Kitzingen, in Düllstadt noch Reste von Anbau getätigt werden. Es war aber vor wenigen Wochen landesweit zu hören: Bayern ist gentechnikfrei. Finden Sie, dass das konsequent ist? Ich kann hier keine Linie erkennen.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Bitte schön, Herr Staatsminister.

Herr Abgeordneter, ich weiß natürlich nicht, was Sie hören.

(Tanja Schweiger (FW): O-Ton Söder im Radio!)

Ich kann nur sagen, was wir vertreten haben. Das ist, dass wir, übrigens immer, ein gentechnikanbaufreies Bayern wollen und dass wir die kommerzielle Nutzung ablehnen, dass wir aber der Forschung, wie es auch Herr Abgeordneter Dechant angesprochen hat, einen großen Spielraum einräumen. Auf diesem Weg müssen wir Schritt für Schritt gehen.

Ich habe vorhin versucht aufzuzeigen, wie wir seit Beginn der neuen Staatsregierung mit Engagement auf europäischer und nationaler Ebene und in Eigenverantwortung Stück für Stück diesem Ziel näher kommen, eben auch mit dem Verbot des Genmaises, das die Bundeslandwirtschaftsministerin in eigener Verantwortung erlassen hat.

Deswegen finde ich schon, dass das eine klare Linie ist, wie selbst Herr Daxenberger unter Abzug aller bevorstehenden Schwierigkeiten, die man hat, es zuzugeben, konstatieren muss und wie es übrigens auch sehr viele kritische Gruppen in Bayern sagen.

Der letzte Punkt, um den es jetzt geht: Es gab drei Prüfungen des Bundessortenamtes, die auf unser Anraten

zurückgezogen wurden. Jetzt geht es noch um Freisetzungsgenehmigungen aus dem Jahr 2007. Davon waren 16 erteilt, 13 werden nicht gezogen, auch auf unser Bestreben in gemeinsamen Gesprächen hin. Ich denke, das ist sehr erfreulich. Jetzt geht es noch um zwei Standorte, bei denen wir rechtlich keine Möglichkeit haben, etwas zu ändern. Trotzdem glaube ich, dass wir in der ganzen Entwicklung einen großen Schritt vorangekommen sind.

Als Nächster hat der Herr Kollege Dr. Hünnerkopf das Wort.

Herr Präsident, Herr Ministerpräsident! Herr Staatsminister, es ist in der Tat festzuhalten, dass Sie als Minister sehr früh erkannt haben, dass es für die Menschen ein Problem ist, den Einsatz der Gentechnik - speziell der grünen Gentechnik - zu akzeptieren. Es ist Tatsache, dass von den Mitgliedstaaten her auch zur grünen Gentechnik sehr unterschiedliche Auffassungen festzustellen sind. Es sind einige Schritte erreicht worden. Meine Frage, die ich jetzt stellen werde, ist zum Teil wohl schon in vorausahnender Weise beantwortet. Ich bitte aber, nochmals zusammenzufassen: Was wollen Sie als Minister und was will die Bayerische Staatsregierung in Europa im Verbund bzw. in Zusammenarbeit mit anderen Staaten tun, damit hier die weiteren Schritte im Hinblick darauf noch erfolgen können, dass wir wirklich selber die Kompetenz erhalten, um uns für gentechnikanbaufrei zu erklären und entsprechende Maßnahmen einleiten zu können?

Herr Staatsminister, bitte schön.

Ja, ich habe es in der Tat schon angesprochen. Die entscheidende strategische Ausgangslage ist: Wir sind gegenüber allen kommerziellen Anwendern der grünen Gentechnik kritisch. Wir glauben, dass die Risiken die Versprechen eindeutig überwiegen. Wir sagen aber auch, dass wir im Forschungsbereich, vor allem bei der Sicherheitsforschung, nach wie vor bayerische Möglichkeiten haben wollen, um beispielsweise erkennen zu können, ob GVO-Importe stattfinden, auch im Interesse der Verbraucher und der Menschen in Bayern. Deswegen ist es wichtig, die Strategie zu definieren, und das heißt, im eigenen Verantwortungsbereich diesen kommerziellen Anbau letztlich zu verhindern und nicht zu gestatten. Das haben wir jetzt mit vielen Einzelentscheidungen in Bund und Land erreicht. Aber alles ist immer eine Einzelentscheidung, die einen langen Prozess rechtlicher, exekutiver Natur nach sich zieht. Leichter und einfacher wäre es - und das war auch die dahinterstehende Frage -, das vor der europäischen Ebene entscheiden zu können.

Ich war bereits im letzten Jahr im Ausschuss der Regionen mit diesem Thema befasst. Da kommt ein Thema nur dann auf die Tagesordnung, wenn eine Fraktion dies wünscht. In der Fraktion, in der wir den Antrag gestellt haben, der EVP-Fraktion, gab es Bedenken, weil es hierüber in den Ländern unterschiedliche Meinungen gab. Deswegen müssen wir uns mit dieser Frage des Selbstbestimmungsrechts der Regionen nicht nur im Ausschuss der Regionen, sondern über das Europaparlament, aber vor allem auch über Kommission und Rat befassen. Ich glaube, es geht um die Frage, ob immer nur zentralistische Entscheidungen getroffen werden oder ob es auch eine regionale Verantwortung gibt. Das ist sowieso eine Grundsatzfrage für die Akzeptanz für Europa bei den Menschen in Europa. Das ist unser Ziel und unser Weg.

Ein Satz noch, das muss ich an der Stelle auch sagen: Natürlich hat zu diesem Thema jeder seine Meinung. Ich möchte ausdrücklich sagen, dass ich vor anderen Meinungen Respekt habe. Nicht jeder, der eine andere Meinung hat, handelt deswegen unethisch. Aber ich finde, jeder hat für seine Einschätzung und für die Frage, wie er mit diesem Thema umgeht, Respekt verdient.

(Beifall der Abgeordneten Ingrid Heckner (CSU))

Deswegen glaube ich, sollte man sich bei einem solchen Thema wirklich immer die Zeit nehmen, es auszudiskutieren, gemeinsam zu entscheiden und zu versuchen, gesellschaftlich akzeptierte Kompromisse zu finden. Ich tue das, gebe aber zu, dass ich an der einen oder anderen Stelle mit großer Leidenschaft und großem Engagement vorangehe, sonst tut sich manchmal nichts. Ich bedanke mich aber auch bei allen - das gilt auch für die Mehrheitsfraktion im Haus -, dass sie diesen Weg mitgehen, auch wenn der eine oder andere die Akzente in dieser oder anderen Richtung setzen mag. Ich glaube aber, dass es so der richtige Weg für Bayern ist.

(Beifall bei der CSU)

Als nächster Fragesteller hat der Herr Kollege Dechant das Wort. Bitte schön, Herr Kollege Dechant.

Herr Staatsminister, wir sind uns darin absolut einig, dass man über ethische Grenzen dieser Technologie eine Diskussion führen muss. Ich hoffe aber, wir sind uns auch einig, dass Sicherheitsforschung auch ein Stück weit sichere Forschung bedeutet, und dass wir hier in Bayern nicht nur die Möglichkeit haben wollen, Risiken zu erforschen, sondern auch die Chancen der Technik ausloten zu können, um auch abschließend regional entscheiden zu können, ob die Technik Vorteile oder Nachteile bringt. Das ist für

Bayern in bestimmten Bereichen in Ordnung oder auch nicht.

Sie sind immer noch die Antwort darauf ein Stück weit schuldig geblieben, ob nur einzelne Produkte oder Anwendungen, die wir bis jetzt in der grünen Gentechnik haben, problematisch sind oder ob Sie die ganze Technik als problematisch ansehen.

Herr Staatsminister, bitte schön.

Erstens, ich teile Ihre Einschätzung, dass Sicherheitsforschung auch sichere Forschung sein muss. Ich teile zweitens Ihre Einschätzung, dass wir uns mit großem Engagement auf das Symposium vorbereiten, in dem wir miteinander über die Grenzen und die ethische Verantwortung, aber auch über die Chancen diskutieren. Dabei schaffen wir es vielleicht auch, auf gemeinsamen wissenschaftlichen Grundlagen dann auch über die Ethik zu reden, die für uns die Grundlage jeder Entscheidung ist. Zur Schöpfungsverantwortung gehört die Vernunftbegabtheit des Menschen, und dazu gehört eben auch, dass in der Vernunftbegabtheit auch die Grenzverantwortung liegt. Wir tun das übrigens in vielen Bereichen.

Sie haben vorher zu Recht diese Frage gestellt. Daraus habe ich geschlossen, dass Sie beispielsweise bei den Bio-Patenten genauso kritisch wie ich bei "Leben" sind. Wir haben, ob bei Tieren oder bei Menschen, wo die genetische Fragestellung für viele eine noch größere Rolle spielt, genau dieselben Diskussionsprozesse, die wir auch in der grünen Gentechnik haben. Es gibt zu allen Fragen, die wir bislang in der roten Gentechnik haben, einen großen Unterschied; denn die Beherrschbarkeit der Forschung in einem Labor ist beispielsweise etwas anderes, als wenn Prozesse einmal freigesetzt worden sind, die nicht mehr rückholbar sind und sich möglicherweise erst nach langen Zeiträumen auswirken. Deswegen bin ich aus heutiger Sicht ein grundlegender Skeptiker der Potenziale der grünen Gentechnik. Aber wir halten uns die Option natürlich offen, in der Forschung auch aus bayerischer Sicht Möglichkeiten zu eröffnen, aber, wie ich das vorhin angedeutet habe, in ethisch verantwortbarer Weise und - ich glaube, das ist der richtige Weg - auch in den Gewächshäusern. Deswegen ist der Weg, den wir jetzt gehen, verantwortbar. Dieser Weg ist nicht von einer schnellen Wahlentscheidung geprägt - auch wenn dies einer meint -, sondern es muss ein langfristiger Kompass sein, der uns hilft, in dieser Frage verantwortbar zu handeln.

Als letzte Wortmeldung habe ich noch die der Kollegin Kohnen vorliegen. Bitte schön, Frau Kohnen.

Herr Minister, ich habe noch folgende Frage: Es ist ganz spannend, dass Sie nach neun Jahren Freisetzungsversuchen plötzlich den Schöpfungswert erkennen. Meine erste Frage ist: Ist bei der Amflora sozusagen der Schöpfungswert nicht gegeben? Sie zitieren die Schöpfung. Meine zweite Frage ist daher - da braucht man wohl keinen Ethikbeirat -: Endet die Schöpfung im Sicherheitslabor? Dann ist es doch mit Verlaub relativ naiv zu glauben, dass es dort endet, wenn man in der Agrogentechnik im Sicherheitslabor forscht, denn Agrogentechnik geht auch auf den Lebensmittelbereich über. Das heißt, es wird in den Umlauf kommen.

Ich schließe noch eine Frage an, die Sie sich als verantwortlicher Minister stellen müssen, nämlich ob der Unterschied Transgentechnik - sprich ZiS-Gentechnik artübergreifend bzw. artintern ist. Wo ziehen Sie da die ethische Grenze? Es wäre schön, wenn Sie heute konkret antworten könnten.

(Beifall bei der SPD)

Herr Staatsminister, bitte schön.

Liebe Frau Abgeordnete, zur Schöpfungsbegrifflichkeit gehört die Vernunftbegabtheit des Menschen. Das wird von unseren Kirchen genauso gesehen und bestätigt. Das heißt auch, in bestimmten Grenzen gibt es eine Weiterentwicklung der Schöpfung. Wir haben beispielsweise mit gesellschaftlichen Kompromissen, an denen auch Ihre Partei beteiligt war, wie im Bereich der roten Gentechnologie, Entwicklungsprozesse vorangebracht, etwa wenn es um die Genomforschung geht. Da haben wir in Deutschland gemeinsame Standpunkte vertreten, manchmal auch nach gesellschaftlich schwierigen Diskussionen. Jeder hat da seine Auffassung, und die muss man auch akzeptieren. Das gehört zum Respekt vor der Auffassung des Einzelnen dazu. Aber da gibt es am Schluss politische Entscheidungen.

Worum es mir jetzt in erster Linie geht, ist der Hauptunterschied zu anderen Forschungsvorhaben, die wir haben. Es ist ein Unterschied, ob ich in einem begrenzten und damit beherrschbaren, und letztlich mit der mir vorbehaltenen Entscheidung die Möglichkeit habe, am Schluss dieses Forschungsergebnis in dem begrenzten Rahmen zu beherrschen, oder ob ich durch eine Auskreuzung keine Möglichkeit mehr habe.

Wir haben jetzt in Bayern entschieden. Es gab diese Freilandversuche, die lange vor meiner Zeit auf den Weg gebracht worden sind, und zwar nach den Entscheidungen des Bundes. Der Bund hat in der Sache "Genmais MON 810" entschieden, und zwar mit Sicher

heitsgefährdung, die aufgrund neuer Forschungsergebnisse da ist.

Herr Dechant, an der Stelle zeigt sich übrigens auch, dass Forschung sinnvoll ist, weil sie auch Risiken bestätigen kann. Nach diesen Entscheidungen hat der Bund gehandelt, und wir ebenso. Das ist eine logische Abfolge der Konsequenzen. Deswegen glaube ich auch, dass diese Entscheidungen richtig sind.

Was die ethischen Grenzen der weiteren Fragen, etwa zu Amflora, betrifft, hat die Frau Bundesministerin in ihrer Verantwortung entschieden. Ich entscheide in meiner Verantwortung, sie entscheidet in ihrer. Was auf unserem Symposium herauskommt, darauf bin ich sehr gespannt, Herr Dechant. Ich freue mich darauf, weil es eine lebhafte Diskussion wird, die genau diesem Ziel dient, das ich anfangs erwähnte, nämlich eine gesellschaftlich akzeptierte Mehrheit, und damit bei diesem Thema in der Gesellschaft Frieden zu finden.

Vielen Dank. Jetzt hat sich noch Kollege Aiwanger gemeldet. Bitte sehr.

Herr Minister, wir alle haben den Meinungsumschwung der CSU in der Beurteilung der grünen Gentechnik in den letzten Jahren verfolgt. Noch vor zwei Jahren hat es geheißen, zehn Meter Sicherheitsabstand zwischen den Anbaufeldern mit gentechnisch verändertem Mais und mit konventionellem Maisanbau reichten aus. Pollen können nicht darüber fliegen. Kurz darauf war von 200 m die Rede. Heute wird gesagt, der Anbau sei schädlich für Marienkäfer, Wasserorganismen und dergleichen und deshalb werde er verboten.