Es muss - das ist unsere politische Konsequenz - Wahlfreiheit für die Gestaltung des Lebens der Familien unabhängig von einer staatlichen Vorgabe hergestellt werden. Das müssen wir in unserer Politik in beiden Bereichen, sowohl was den Ausbau der Kinderbetreuung und die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsleben anbelangt als auch was die finanziellen Entlastungen anbelangt, angehen. Der Staat schreibt nicht vor, der Staat hat die Familien zu unterstützen.
Zweiter grundsätzlicher Ansatz: Nach dem Sozialbericht ist gerade bei Alleinerziehenden und bei Mehrkinderfamilien ein erhöhtes Armutsrisiko vorhanden.
Wir müssen uns überlegen, welche Maßnahmen - und da gibt es in diesem Haus unterschiedliche Modelle, aber ich denke, wir müssen das ganz vernünftig und nüchtern miteinander diskutieren - am besten geeignet sind, Alleinerziehenden und Mehrfamilien flankierend zu helfen. Diese Hilfe ist zum einen natürlich eine finanzpolitische Sache, aber zum andern hat sie auch mit Gesellschaftspolitik zu tun. Sie hat etwas damit zu tun - ich komme darauf noch kurz zu sprechen -, dass es in unserer Gesellschaft, in unserem Arbeitsleben trotz wirtschaftlicher Herausforderungen eine Selbstverständlichkeit sein muss, das Thema Familie und Erwerbsleben miteinander zu vereinbaren.
Wenn ich in dieser Woche in der "Süddeutschen Zeitung" lese, dass in einem Projekt in der Landeshauptstadt München hoch qualifizierte Frauen kaum Chancen sehen, nach der Geburt ihres Kindes wieder einzusteigen, dann gibt es, sage ich, eine verdammte Pflicht und Schuldigkeit der Wirtschaft, gemeinsam mit der Politik und den Arbeitnehmervertretungen an einem Strang zu ziehen, damit die Situation verbessert wird. So, wie der Umweltgedanke zum Selbstverständnis in der Gesellschaft geworden ist, muss auch die familienfreundliche Arbeitswelt zum Mittelpunkt des Handelns gemacht werden. Dafür stehen wir, meine Damen und Herren.
Zum Dritten ist in einer grundsätzlichen Bestandsaufnahme zu hinterfragen: Wie kann eine optimale Kindesförderung durch Eltern und Bildungseinrichtungen erfolgen? Ich denke, dass hier die Investitionen in die Kinderbetreuung sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht eine wesentliche Rolle spielen. Aber wir müssen auch die Eltern in ihrer Erziehungs
kompetenz stärken. Wir müssen Eltern dort begleiten, wo sie überfordert sind, und wo sie Fragen haben, müssen dichte Angebote vorhanden sein.
Meine Damen und Herren, wir werden auch in diesem Haus die Beschlusslage, die Frau Kollegin Dodell damals federführend betrieben hat, was die Eltern- und Familienbildung im Rahmen einer Gesamtkonzeption anbelangt, weiter intensiv diskutieren. Ich verspreche Ihnen: In den nächsten Jahren wird die Eltern- und Familienbildung im Gesamtkonzept der Familienpolitik dieses Hauses eine ganz wesentliche Rolle spielen. Darauf können sich die Eltern in diesem Land verlassen.
Wir müssen auch fragen - und das sage ich ganz ohne parteipolitische Scheuklappen -: Welche Politik fördert angesichts der Geburtenentwicklung, die wir haben, am besten das Ja zum Kind? Da gibt es unterschiedliche Bewertungen. Aber wir müssen darüber nachdenken, wie wir tatsächlich die richtigen Signale setzen können, damit das bei den jungen Familien, bei den jungen Eltern richtig ankommt. Wie gelingt es, die Kinder- und Familienfreundlichkeit im Alltag zu stärken? Wie kann das enorme bürgerschaftliche und Selbsthilfepotenzial in Familien am besten berücksichtigt werden? Wie kann der sogenannte familiengerechte Arbeitsplatz zu einer gesellschaftlichen Selbstverständlichkeit werden?
Meine Damen und Herren, in der Familienpolitik ist es ganz, ganz wichtig, dass wir uns nicht auf eine relativ kleine zeitliche Phase des familiären Lebens beschränken, nämlich von der Geburt des Kindes bis zum Ablauf der Schulpflichtigkeit. Familienpolitik, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist auch eine Verknüpfung der Politik zwischen den Generationen. Wenn wir den Generationenvertrag ernst nehmen, heißt Familienpolitik auch, dass wir das Miteinander der Generationen und auch das Einbeziehen von älteren Generationen in das familiäre Leben stärken und unterstützen und umgekehrt auch die Verpflichtungen, die Familien gegenüber den Eltern haben, ernst nehmen, die Probleme in die Mitte nehmen und Lösungen dafür anbieten. Das wird in der Zukunft auch einen erheblichen inhaltlichen Ansatz unserer Politik darstellen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in insgesamt fünf Bereichen ist es notwendig, aufbauend auf der Regierungserklärung und der Politik, die in den vergangenen Jahren in diesem Haus und in diesem Land geleistet worden ist, Familien- und Kinderpolitik weiter zu fördern. Wenn man in der Kommune mit Eltern und mit Kindern spricht - es gibt ja Gott sei Dank Kindersprechstunden in der Kommunalpolitik, was ich für ein sehr sinnvolles Instrument halte, wo die Belange der
Kinder unmittelbar aufgenommen werden können -, dann sind das häufig Probleme des Alltags, der unmittelbaren Lebensbereiche, des Wohnens, wo Schwerpunkte gesetzt werden müssen. Wir unterstützen deshalb, dass die Vernetzung über kommunale Familientische und über Bündnisse für Familien in den Kommunen gestärkt wird. Wir unterstützen, dass nicht erst, wenn ein Projekt abgeschlossen ist, darüber nachgedacht wird: Nützt oder schadet es den Kindern und Familien? Wird das von vornherein in der Planung berücksichtigt im Sinne einer Familienverträglichkeitsprüfung oder einer Familienfreundlichkeitsprüfung der einzelnen Projekte? Das muss auf örtlicher Ebene noch stärker vorangebracht werden. Wenn, wie es in manchen Städten der Fall ist, Wohnungsbau realisiert wird, Familien mit Kindern dort einziehen und erst vier oder fünf Jahre später Schulen oder Kindergärten zur Verfügung stehen, dann ist das eine verfehlte Politik. Da muss rechtzeitig Hand in Hand geplant werden. Das ist auch Voraussetzung für eine familienfreundliche Gesellschaft.
Familien brauchen gerade in den Ballungsräumen bezahlbaren Wohnraum. Was ich vorhin mit dem Selbsthilfepotenzial und mit der Beratungsnotwendigkeit für Kindern und Familien angesprochen habe, das kommt auch zum Ausdruck in einem Projekt, das Gegenstand unserer Koalitionsvereinbarungen ist, das wir miteinander gestalten und entwickeln wollen. Das eine sind die kommunalen Familientische, das andere die kommunalen Kinder- und Familienstützpunkte, mit denen Anlaufstellen geschaffen werden, auch altersübergreifend. Das muss in jeder Kommune ermöglicht werden. Ich freue mich darauf, wenn wir diese Konzepte miteinander entwickeln, beraten und umsetzen. Ich denke, da wird es zwischen dem Parlament und dem zuständigen Ministerium ein enges Miteinander geben.
Ich teile nachdrücklich die Auffassung, dass das Thema "Spielen von Kindern kann nicht zur Ausgrenzung führen" in unserer Gesellschaft so, wie es gehandhabt wird, häufig einen Skandal darstellt. Es ist deshalb notwendig, dass Kinderlärm im Sinne der Baunutzungsverordnung anders geregelt wird als Straßen- oder Verkehrslärm. Das ist ein großes Problem.
- Selbstverständlich, die gehören in diese Bewertung in gleicher Weise hinein. Da teile ich völlig Ihre Auffassung.
Lassen Sie mich im Zusammenhang mit dem Ausbau der Kinderbetreuung, in die die Bayerische Staatsregierung und dieses Haus erheblich investiert haben, auf den Schwerpunkt der Qualität der Arbeit in den Einrich
tungen eingehen. Was den quantitativen Ausbau anbelangt, hat die Frau Staatsministerin das Wesentliche gesagt. Aber auch die pädagogische Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher muss aufgewertet werden. Wir setzen dabei auch auf die Qualitätsentwicklungsmaßnahmen, die hier diskutiert werden.
Aber ich erkläre hier nachdrücklich: Auch wenn man als Politiker bei laufenden Tarifverhandlungen eher zurückhaltend sein müsste, erkläre ich mich persönlich mit den Belangen und Forderungen der Erzieherinnen und Erzieher solidarisch. Ich halte es für notwendig und freue mich auch, dass die Erzieherinnen auf die Straße gegangen sind, weil es in diesem Land offensichtlich nur so möglich ist, dass ein Beruf einen höheren Stellenwert erhält, als er ihn in der Vergangenheit hatte. Erzieherinnen und Erzieher sind mit den anderen Bildungsberufen gleichwertig und gleichzusetzen. Das müssen wir bei der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Erzieherinnen und Erziehern berücksichtigen.
Erzieherinnen sind für eine erfolgreiche Arbeit in den Einrichtungen zu unterstützen. Das ist auch unsere gemeinsame politische Aufgabe.
Die Qualität in den Einrichtungen wird natürlich über die Stellensituation und die finanzielle Ausstattung in den Kindertagesstätten definiert. Ich darf hier nachdrücklich sagen: bezüglich der Verbesserung des Anstellungsschlüssels und des sogenannten Basiswertes, der für die Finanzierung entscheidend ist, muss am Ende des Prozesses das Ziel verwirklicht sein, das in der Koalitionsvereinbarung und in den Programmen steht, nämlich einen Anstellungsschlüssel von 1 zu 10 zu verwirklichen. Das ist unsere politische Verpflichtung.
Als dritten Punkt spreche ich nochmals die Stärkung der Eltern an. Wir brauchen passgenaue Beratungs- und Hilfeangebote für Familien in unterschiedlichen Lebenssituationen.
Wir werden die Beschlusslage des Bayerischen Landtags im Rahmen der Umsetzung des Antragspakets zur frühkindlichen Bildung und Erziehung weiterhin konsequent angehen.
Zur finanziellen Entlastung von Familien darf ich noch einmal eine zentrale Feststellung treffen. Ich glaube, wir müssen politische Entscheidungsprozesse wesentlich vernetzter denken, als es häufig der Fall ist. Ich teile völlig die Auffassung, die auch Frau Kollegin WernerMuggendorfer vorhin ausgesprochen hat, was die Quelle-Arbeitsplätze anbelangt.
Eine zentrale Ausgangslage für eine sichere Zukunft von Familien, für eine sichere Existenz, auch für die Entscheidung zum Kind ist ein materielles Auskommen und ist ein Arbeitsplatz. Deswegen muss unser erstes Ziel zur Förderung und Sicherung von Familien die Sicherung von Arbeitsplätzen und die Weiterentwicklung der Wirtschaftspolitik sein. Darüber werden wir heute Nachmittag sprechen.
Ich plädiere also dafür, Familien-, Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik hier vernetzt zu sehen. Denn von zukunftssicheren Arbeitsplätzen profitieren in erster Linie die Familien.
Zum einen sage ich etwas zur finanziellen Entlastung. Mit dem Landeserziehungsgeld haben wir eine Leistung, die es nur noch auch in drei anderen Bundesländern in vergleichbarer Form gibt. Wir sollten diese Leistung nicht kleinreden. Wir haben mit der Anhebung der Einkommensgrenzen das Ziel, wieder mehr Familien in den Anspruchsbereich -
Herr Kollege Unterländer, ich möchte Sie für einen Augenblick unterbrechen. Wir haben uns im Plenum darauf verständigt, zumindest das Handy nicht zu benutzen. Wenn es benutzt wird, wird hier nicht genügend zugehört. Ich bitte auch Sie, Frau Kollegin Dr. Pauli, sich an diese Verständigung zu halten.
Nach meiner Feststellung wird hier dauernd telefoniert. Es darf hier aber kein Telefonieren mit dem Handy geben. Darauf haben wir uns über die Fraktionen hinweg verständigt. Daran müssen sich alle halten.
Wir werden das Thema Landeserziehungsgeld-Fortführung ganz offensiv angehen. Die Anspruchsberechtigung für Durchschnittsverdiener ist eine zentrale Voraussetzung dafür, dass wir eine wirksame Entlastung der Familien erreichen. Deswegen bedaure ich immer, dass es bei den Haushaltsberatungen in diesem Haus manche Fraktionen gibt, die eine Abschaffung des Landeserziehungsgeldes fordern, aber auf der anderen Seite die Armutsbekämpfung anmahnen. Das passt nicht zusammen. Wir müssen die Zukunft des Landeserziehungsgeldes sicherstellen, und das werden wir auf diese Art und Weise tun.
Es ist notwendig, dass wir in der Wertigkeit der Familienpolitik innerhalb der gesamten Gesellschaftspolitik
die Förderung von Kindern und Familien und die Schaffung einer noch besseren, kinderfreundlichen Gesellschaft in den Mittelpunkt rücken.
Politik kann aber nicht alles tun. Sie kann finanzielle Entlastungen schaffen. Sie kann für Rahmenbedingungen, die an die Familien angepasst sind, Frau Staatsministerin, sorgen. Das gilt gerade auch für die Kinderbetreuung und den Ausbau der Eltern- und Familienbildung.
Aber wir müssen uns über eines im Klaren sein: Zentrale Bedeutung hat auch, Eltern zu stärken und Familien- und Kinderförderung von den Bedürfnissen des Kindes aus zu sehen. Wenn wir uns dessen bewusst sind, wird der Anspruch, den wir haben, dass Bayern das Familienland Nummer eins ist, weiterhin erfolgreich erfüllt werden können.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Ministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kinder sind die Zukunft unseres Landes, und wir sind es, die für ihre Zukunft verantwortlich sind: als Eltern, als Politiker, als Arbeitgeber, als Gesellschaft. Wenn Kindern in Bayern Chancen eröffnet und gesichert werden, wie sie noch keine Generation vorher hatte, dann kann sich die Staatsregierung der gewünschten parteiübergreifenden Unterstützung des gesamten Hauses sicher sein.
In der Familien- und Bildungspolitik hat sich in den vergangenen Jahren gewiss viel bewegt. Damit Familien genau die Unterstützung sowie die zeitlichen und finanziellen Rahmenbedingungen erhalten, die sie tatsächlich brauchen, müssen wir aber das Tempo beschleunigen und die gesetzten Ziele konsequent verfolgen.
Von jungen Paaren werden heutzutage viel Flexibilität und Mobilität erwartet. Wirtschaftliche Unabhängigkeit und Wohlstand sind fast immer nur dann zu erreichen, wenn beide Partner berufstätig sind. Unter diesen Voraussetzungen kann man sich nicht mehr unbeschwert zu einer Familiengründung entscheiden.
Ein besonderes Problem stellt sich für Alleinerziehende. Sie sind überdurchschnittlich vom Armutsrisiko betroffen. Ihre Zahl steigt in erschreckendem Maße. Am Durchschnitt gemessen beträgt das Wohlstandsniveau Alleinerziehender mit Kindern 72 %. Bei Alleinerziehen
den mit zwei oder mehr Kindern sind es sogar 62 %. Das ist inakzeptabel und Zeichen dafür, dass unser System erkrankt ist. Hier muss noch sehr viel geschehen.
Alleinerziehende haben in besonderem Maße Anspruch auf Unterstützung. Sie sind auf Kinderbetreuungsplätze angewiesen, und zwar nicht nur in Ballungsräumen, sondern auch im ländlichen Raum. Gerade diese sind aber in Bayern leider nach wie vor völlig unzureichend ausgebaut.
Deswegen haben wir von den Freien Wählern mehr Mittel für Kindertageseinrichtungen gefordert. Der entsprechende Änderungsantrag der Freien Wähler vom 25. Februar zum Doppelhaushalt 2009/2010 wurde uns völlig unverständlich - abgelehnt. Es handelt sich um einen ganz elementaren Bereich, den man mit den erforderlichen Mitteln ausstatten muss.