Claudia Jung

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Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie haben uns ist ein umfangreiches Werk vorgelegt. Man könnte fast meinen, der Großputz bei den Sozialgesetzen sei angesagt. Dennoch sind das meiste lediglich re
daktionelle Änderungen, auf die wir an dieser Stelle nicht eingehen müssen.
Ein Punkt, über den wir jedoch diskutieren können, betrifft die im Gesetzentwurf vorgeschlagene Regelung zur Realisierung des Betreuungsanspruchs für Kinder unter drei Jahren. Das Gesetz gewährt ab August eindeutig einen Anspruch: Ein Kind, dass das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege. Von "frühkindlicher Förderung", nicht von "Betreuung" ist die Rede. Das heißt, dass wir nicht nur über die Zahl der Plätze reden dürfen, sondern wir müssen auch darüber reden, wie wir ausreichend Personal bekommen. Denn eines sollte uns klar sein: Wenn insoweit nicht bald etwas geschieht, droht der weitere Ausbau an einem massiven Personalmangel zu scheitern. So wichtig es ist, die Notwendigkeit ausreichender Plätze zu betonen, so dürfen wir dennoch diesen Aspekt nicht aus den Augen verlieren. Denn gerade kleine Kinder brauchen kontinuierlich eine enge Bezugsperson, um Vertrauen aufbauen zu können. Eltern sollen keine Kompromisse eingehen müssen. Im schlimmsten Fall bedeutete das nämlich weite Entfernungen, Überbelegung der Einrichtungen oder womöglich gar keinen Platz zu bekommen. Auch aufseiten der Gemeinden und der Jugendhilfeträger, die diese Plätze herbeizaubern sollen, herrscht momentan massive Unsicherheit.
Der neue Artikel 45 a AGSG sieht vor, "dass die Erziehungsberechtigten die Gemeinde und bei einer gewünschten Betreuung durch eine Tagespflegeperson den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe mindestens drei Monate vor der geplanten Inanspruchnahme in Kenntnis setzen". Diese Regelung ist aus unserer Sicht sinnvoll und für alle Seiten durchaus zumutbar. Sie gibt den Gemeinden und Jugendhilfeträgern die Möglichkeit, rechtzeitig zu planen, um ein entsprechendes Angebot vorhalten und auch steuern zu können.
Zu begrüßen ist auch, dass gleichzeitig Ausnahmeregelungen für Fälle, in denen diese Frist nicht einzuhalten ist, formuliert werden. Die Erziehungsberechtigten müssen zwar das Vorliegen eines Ausnahmefalls nachweisen; aber ich denke, das ist durchaus okay.
Gestatten Sie mir eine letzte Anmerkung: Vor dem Hintergrund unserer heute doch sehr umfangreichen Tagesordnung ist es für mich mehr als überraschend und äußerst verwunderlich, warum wir diesem Thema, bei dem wir uns ohnehin alle einig sind, plötzlich eine Debatte widmen sollen. Ich weiß: Durch das Reden kommen die Leute zusammen. – Aber wenn wir eh schon beieinander sind, worüber sollen wir
dann noch reden? Wir haben bereits auf die Erste Lesung verzichtet und zugestimmt; wir haben im federführenden Ausschuss nicht diskutiert, sondern zugestimmt. Angesichts dessen wundert es mich wirklich, warum dieser Sinneswandel so plötzlich, von gestern auf heute Morgen, eingetreten ist. Was haben Sie sich dabei gedacht? Kommen Sie mir bitte nicht mit "aktueller Brisanz"; diese war schon vorher gegeben. Aber über die wahren Gründe sollten wir hier nicht weiter philosophieren; die Kollegen wissen am besten, warum sie plötzlich darüber reden wollen. Selbstverständlich werden wir FREIEN WÄHLER dieser Gesetzesänderung zustimmen, wie wir es schon im Vorfeld nach den nicht durchgeführten Diskussionen getan haben. Wir stehen weiterhin zu unserem Wort. Wie gesagt: Wir stimmen zu.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann sehr wohl sagen: Pflege geht uns alle an. Jeder von uns wird über kurz oder lang in die Situation kommen, dass er altersbedingt Hilfe benötigt, in welcher Form und welcher Intensität auch immer. Schon jetzt werden die meisten von uns praktische Erfahrungen mit der Pflege von Angehörigen oder ihnen nahestehenden Personen gemacht haben. Bei dem einen mögen es die Eltern gewesen sein, die Unterstützung gebraucht haben, bei dem anderen vielleicht die Schwiegereltern oder Großeltern. Dieses Problem wird sich zukünftig noch verschärfen, weil es aufgrund der demografischen Entwicklung immer mehr ältere und damit auch pflegebedürftige Menschen geben wird. Uns von der Landtagsfraktion der FREIEN WÄHLER ist es deshalb eine Herzensangelegenheit und hat für uns höchste Priorität, dass die Pflege qualitativ hochwertig ausgestattet wird, und zwar so, wie jeder von uns selbst gepflegt werden möchte, wenn er denn einmal in diese Situation kommen würde.
An dieser Stelle kann ich erfreulicherweise feststellen, dass es in Bayern bereits viele Pflegeeinrichtungen gibt, die ihre Aufgabe wirklich sehr gut erfüllen. Wir müssen uns davor hüten, alle Pflegeeinrichtungen gleichsam unter Generalverdacht zu stellen. Trotzdem dürfen wir nicht die Augen davor verschließen, dass es natürlich auch in der Pflege, wie eben überall,
schwarze Schafe gibt. Um diesen schwarzen Schafen entgegenzuwirken, helfen Informationen, Transparenz und Vergleichbarkeit der Einrichtungen in allgemein verständlicher Art und Weise. Die Angehörigen stehen vor der schwierigen Aufgabe, für Mutter oder Großvater die passenden Pflegeeinrichtungen zu finden, die eine qualitativ hochwertige Pflege anbieten.
Vor diesem Hintergrund begrüßt die Landtagsfraktion der FREIEN WÄHLER den vorliegenden Gesetzentwurf der Staatsregierung; denn dieser ermöglicht wieder die verpflichtende Veröffentlichung der Prüfberichte, nachdem der Bayerische Verwaltungsgerichtshof festgestellt hat, dass dafür gegenwärtig eine Rechtsgrundlage fehlt und eine Veröffentlichung nur mit der Zustimmung des Trägers zulässig ist. Der vorliegende Gesetzentwurf schafft genau diese wichtige Grundlage, um für alle Beteiligten Transparenz zu schaffen, indem er die Veröffentlichung verpflichtend für alle Pflegeheime fordert. Die Informationen werden im Internetangebot des Sozialministeriums zusammengefasst und dadurch für jedermann zugänglich sein. Die angekündigte Darstellungsform durch eine bayernweite Landkarte, bei der die Betroffenen in den Regionen lediglich ihren Bereich anklicken müssen, um zu den gewünschten Informationen zu gelangen, scheint einfach zu handhaben und nutzerfreundlich zu sein.
Explizit betonen möchte ich aber, dass durch die Pflicht zur Veröffentlichung der Prüfberichte auf keinen Fall mehr Bürokratie verursacht werden darf, weder bei den Trägern noch bei den Einrichtungen selbst; denn die vorhandenen Ressourcen müssen unmittelbar für die Pflegebedürftigen eingesetzt werden und nicht für Verwaltungsaufgaben. Da zur beabsichtigten Veröffentlichung lediglich die Freischaltung der aktuellen Prüfberichte erforderlich ist, dürfte das wahrscheinlich kein großes Problem darstellen.
Die weiteren Änderungen bezüglich heimvertraglicher und infektionshygienischer Regelungen sind wohl unproblematisch. Deshalb fasse ich kurz zusammen: Wir FREIE WÄHLER wünschen uns eine bestmögliche Versorgung der Pflegebedürftigen. Dazu bedarf es der Informationen, der Transparenz und einer Vergleichbarkeit für Angehörige und Betroffene. Ich freue mich auf die Diskussionen im Ausschuss und danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es soll noch einmal einer behaupten, wir Abgeordnete wür
den uns den ganzen Tag nicht bewegen. Gerade war das Gegenteil der Fall.
Was wir in den letzten Wochen und Monaten mit der Novellierung des BayKiBiG erleben mussten, ist ein klassisches Beispiel für die grenzenlose Arroganz und Ignoranz der Regierungsfraktionen.
Zuerst einmal wurde uns kurz vor der Sommerpause ein Gesetzentwurf vorgelegt, der in Windeseile und nach Möglichkeit ohne große Diskussion durch den parlamentarischen Prozess geschleust werden sollte. Dann ignorierten Sie auch noch die Empfehlungen und Warnungen von Experten und Betroffenen mit einer mir bis heute unverständlichen Hartnäckigkeit, wenn nicht sogar Blindheit.
Opposition, Verbände und Medien müssen erst einmal massiven politischen Druck aufbauen, bis die Staatsregierung endlich einer Expertenanhörung zustimmt. Wir von der Opposition haben jedenfalls am 16. Oktober ganz genau hingehört, was uns die Fachleute zu sagen hatten, und waren dankbar für die nochmals mit aller Deutlichkeit formulierten Empfehlungen und Forderungen, die allesamt berechtigt und nicht von der Hand zu weisen sind. Nachzulesen sind sie in den bereits seit Wochen vorliegenden Stellungnahmen.
Nun sollte man meinen, dass auch CSU und FDP aufmerksam der Anhörung gefolgt wären und sich von den Argumenten hätten überzeugen lassen. Nein, es wurde munter an der Tragödie "BayKiBiG − Teil 2" weitergeschrieben. Trotz der Anhörung hat die Staatsregierung so gut wie nichts an ihrem Gesetzentwurf geändert. Obendrauf wurden auch noch die nachgereichten Änderungsanträge der Oppositionsfraktionen abgelehnt.
Nach den Änderungsanträgen hätten sich die Bedingungen in den Kindertagesstätten zweifelsfrei deutlich verbessern können. Ich erlaube mir sogar die These aufzustellen, dass keiner von Ihnen jemals ein Interesse daran gehabt hat, diesen Entwurf ernsthaft nachzujustieren.
In diesem Novellierungsdrama gibt es einen Punkt, der mich richtig auf die Palme bringt. Auf der einen Seite veranlassen Sie, meine Damen und Herren von CSU und FDP, eine Anhörung und fordern von Verbänden und Trägern Stellungnahmen ein, um sie
dann auf der anderen Seite geflissentlich unter den Tisch fallen zu lassen. Engagierte Menschen machen sich Gedanken, berichten über ihre Erfahrungen, stellen uns ihr Know-how zur Verfügung und formulieren ihre Bedenken und Empfehlungen, um dann hinterher bei der Novellierung festzustellen, dass sie wieder einmal nur Zeit und Engagement verschwendet haben. Ich bin zutiefst davon enttäuscht, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass fundierte Stellungnahmen unberücksichtigt blieben.
- Wenn ihr Lust habt, könnt ihr auf ein Trostspendenkonto einzahlen, das haben wir für euch bereits angelegt.
Wir sind jedenfalls zutiefst davon enttäuscht, dass fundierte Stellungnahmen, circa 44.000 Unterschriften und massenhaft eingereichte Petitionen, mit denen mehr oder weniger das gleiche Ziel verfolgt wurde, sang- und klanglos im Nichts verhallten. Über etliche Eingaben ist bis heute noch nicht einmal diskutiert oder abgestimmt worden. So geht also die Staatsregierung mit den Problemen der Eltern und ihrer Kinder um.
Auf den Einwand, dass die Meinung der Verbände und Träger nicht ausreichend gewürdigt worden sei, entgegnete unsere Sozialministerin Haderthauer, dass zu allen Eckpunkten ein Dialog stattgefunden habe. Von wegen Dialog, das Wort "Ausschmücken der Ecken" trifft wohl eher den Nagel auf den Kopf. Die Diskussion fand schließlich ohne Zutun der Betroffenen statt. Das war nun wirklich die Krönung.
Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich betonen, dass wir FREIE WÄHLER das BayKiBiG nicht grundsätzlich ablehnen. Wir alle wissen, dass es im Vergleich zum davor geltenden Kindergartengesetz entscheidende Verbesserungen gebracht hat. Einige der Schwachstellen und Kritikpunkte, die sich bereits bei der Einführung des BayKiBiG abgezeichnet haben, sind bis heute, aus welchen Gründen auch immer, noch nicht angegangen worden. Herr Kollege Unterländer, ich glaube, Sie bezeichneten diese Schwachstellen im Ausschuss einmal als Geburtsfehler. Umso mehr haben wir jetzt erwartet, dass Sie beim zweiten Versuch die Chance nutzen, eine vernünftige Reform auf den Weg zu bringen, sodass wir eine Novellierung ohne Geburtsfehler verabschieden können. Das war aber wieder einmal nur ein Wort mit x, nämlich "nix".
Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem ich eigentlich nur an Sie appellieren kann, der Realität endlich einmal ins Auge zu schauen, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition. Wir wissen doch, dass die vertraglich festgelegten Arbeitszeiten als Folge der kindbezogenen Förderung ständig an die Entwicklung der Buchungszeiten angepasst werden müssen. Wir wissen ebenfalls, dass der förderrelevante Mindestanstellungsschlüssel viel zu hoch angesetzt ist. Wir wissen auch, dass Buchungen und Abrechnungen einen Verwaltungsaufwand verursachen, der viel Zeit in Anspruch nimmt, Zeit, die dem Personal nicht angerechnet wird, und Zeit, die bei der Betreuung unserer Kinder verloren geht. Wir wissen auch, dass wir dringend eine höhere Differenzierung der Förderfaktoren brauchen.
Verehrter Herr Unterländer, Sie haben bei den Verhandlungen im Sozialausschuss gesagt, das BayKiBiG biete eine bedarfsgerechte und zielgenaue Finanzierung. Darin muss ich Ihnen auch heute und hier ganz klar widersprechen. Es hat sich doch gezeigt, dass durch die schwankende Finanzierung überhaupt keine Planungssicherheit für die Einrichtungen gegeben ist. Die flexiblen Buchungszeiten führen zu instabilen Anstellungsverhältnissen und bescheren Erzieherinnen und Erziehern immer mehr Teilzeit- und befristete Verträge.
Meine Damen und Herren, wir sind uns doch einig, dass Eltern in der heutigen Zeit längst keinen klassischen Aufbewahrungsort für ihre Kleinsten suchen, sondern besonderen Wert auf pädagogische Konzepte legen. Die Eltern fordern Spracherziehung, ein Fremdsprachenangebot, musikalische Früherziehung und Umwelterziehung. Sie wollen Anregungen im MINT-Bereich und in der Suchtprävention und vieles, vieles andere mehr. Die Anforderungen an die Erzieherinnen und Erzieher wachsen, wachsen und wachsen. Mit anderen Worten: Wir entfernen uns immer mehr vom Betreuungsgedanken hin zu einem Bildungsaspekt. Das ist auch gut so. Unterschiedlichste Studien beweisen es immer wieder, dass frühkindliche Bildung auch und gerade für Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern ein wichtiges, wenn nicht sogar das wichtigste Element ist, um Chancengleichheit in der Bildung zu schaffen.
Damit das aber auch funktioniert, brauchen wir natürlich die richtigen Rahmenbedingungen. Apropos Bildung: Die Bedeutung der frühkindlichen Bildung wird in diesem Hause sehr gerne betont, gerade von unseren Kolleginnen und Kollegen von der FDP, die nicht
müde werden, vor jeder Kamera zu beteuern, wie wichtig die frühkindliche Bildung doch sei. Liebe Kolleginnen und Kollegen, sie ist sogar so wichtig, dass sie der FDP das schlagende Argument liefert, warum man die Studiengebühren auf gar keinen Fall abschaffen kann.
- Herr Kollege Thalhammer, ich darf einmal aus Ihrer Internetseite zitieren − nicht Ihrer persönlichen, sondern der der FDP: Die frühkindliche Bildung ist entscheidend. Dort ist der Bedarf an Investition viel dringender als bei Abiturienten. Ausbau von Krippenplätzen, beitragsfreies drittes Kindergartenjahr, mehr Qualität für die frühkindliche Bildung. Wir haben in Bayern viel erreicht. Ohne Studienbeiträge würden uns hierfür die Mittel fehlen.
- Hört, hört. Ich frage mich: Warum waren Sie denn bei der Novellierung des BayKibiG so zögerlich, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der FDP?
Von dem groß angekündigten Ausbau der frühkindlichen Bildung habe ich bis dato noch nicht sehr viel mitgekriegt. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht.
- Melden Sie sich, wenn Sie eine Zwischenbemerkung machen wollen.
Wir haben jedenfalls davon nichts mitbekommen. Mir drängt sich im Übrigen eher der Verdacht auf, dass Sie immer dann mit leeren Kassen argumentieren, wenn es Ihnen gerade in den Kram passt.
Zum Schluss möchte ich noch − so kurz und knapp es geht − auf die wichtigsten Forderungen der FREIEN WÄHLER eingehen, damit später keiner sagen kann, er habe davon noch nichts gehört, Herr Kollege Hacker. Statt heute ein lückenhaftes Gesetz zu verabschieden, wünschen wir uns den Beginn eines durch
dachten Diskussionsprozesses, in den Betroffene, Träger und Fachverbände von Anfang an aktiv einbezogen werden.
Wir fordern die Pauschalabrechnung der Elternbeitragserstattung; denn das Abrechnungsverfahren und die Rücküberweisung verursachen einen unverhältnismäßig hohen bürokratischen Aufwand. Die Differenz soll keinesfalls von den Kommunen zurückerstattet werden, sondern soll von ihnen eigenverantwortlich für die Qualitätsverbesserung der Kitas verwendet werden.
Wir brauchen eine gezielte Kita-Offensive zur Personalgewinnung, damit wir dem heute schon spürbaren Fachkräftemangel schnell und wirkungsvoll entgegenwirken können. Sowohl der Krippenausbau als auch die Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung drohen derzeit an einem Mangel an Erzieherinnen und Erziehern zu scheitern.
Wir fordern einen erhöhten Gewichtungsfaktor für Kinder mit einer nicht deutschen Muttersprache, auch wenn nur ein Elternteil eine andere Muttersprache als Deutsch hat.
Wir fordern neben der kindbezogenen Förderung eine staatliche Sockelfinanzierung zur Absicherung der Einrichtungen. Außerdem soll die Finanzierung den Verwaltungsaufwand, die Randzeitenbetreuung und die individuelle Familienbetreuung angemessen berücksichtigen. Sie sorgt zugleich bei Trägern und Personal für die dringend notwendige Planungssicherheit und trägt maßgeblich zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und damit auch zur Steigerung der Attraktivität des Erzieherberufes bei.
Wünschenswert wäre auch die staatliche Förderung der Vergütung von Erzieherpraktikanten und −praktikantinnen. Damit könnte eine gerechte Entlohnung für die Praktikanten und ein verbesserter Zugang zu den Praxisstellen erreicht werden.
Wir plädieren auch für die Einführung eines Gewichtungsfaktors für sogenannte Risikokinder. Der höhere Betreuungsaufwand bei Kindern, bei denen beispielsweise ADS oder ADHS diagnostiziert ist, muss endlich durch die Einführung eines eigenen Gewichtungsfaktors berücksichtigt werden.
Wir setzen uns auch nach wie vor vehement für die Erhöhung des Gewichtungsfaktors für Kinder unter drei Jahren ein; denn die Anhebung des Gewichtungsfaktors ist eine entscheidende Maßnahme auf dem Weg zu einer deutlichen Qualitätsverbesserung.
Eine unserer wichtigsten Forderungen ist es aber, den vom Ministerium und von allen Fachkräften empfohle
nen Betreuungsschlüssel von 1 : 10 so schnell wie möglich zu verwirklichen. Obwohl das Ministerium einen Anstellungsschlüssel von 1 : 10 befürwortet und dieser auch im Bildungs- und Erziehungsplan festgeschrieben ist, ist in der Ausführungsverordnung zum BayKiBiG lediglich die Rede von einem Mindestanstellungsschlüssel von 1 : 11,5.
Oh Hilfe. Ich hätte noch so viel zu sagen.
Okay. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dann appelliere ich an dieser Stelle nur kurz an unsere Frau Sozialministerin, weil sie es sich zur Aufgabe gemacht hat − so hat sie es zumindest im November 2008 verkündet -: Nur wenn Qualität und Erziehungsarbeit stimmten, profitierten Familien wirklich. Sie werde einen Schwerpunkt ihrer Arbeit darauf legen, den Anstellungsschlüssel schrittweise auf 1 : 10 zu verbessern und die Fachkraftquote anzuheben. Ich weiß nicht, was sie sich für ein Schritttempo vorstellt. Ich hatte mir von einer starken, selbstbewussten Ministerin etwas anderes erhofft. Was wir in den vergangenen Monaten und Jahren erleben durften, gleicht eher dem Tempo einer verschüchterten kleinen Schnecke, die Angst vor dem nächsten Gewitterregen hat, der sie wegspülen wird.
Ich hoffe, dass sie noch einmal in sich geht.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir FREIE WÄHLER fordern mit unserem Antrag, die frühkindli
che Bildung wieder vom Sozialministerium in die Zuständigkeit des Kultusministeriums zurückzuverlegen. Wir sind uns selbstverständlich dessen bewusst, dass wir damit nicht unbedingt auf Gegenliebe stoßen. Dennoch halten wir diese Änderung für sinnvoll und notwendig. Warum das so ist, werde ich Ihnen gerne im Folgenden erläutern.
1994 ist die frühkindliche Betreuung vom Kultusministerium ins Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen übertragen worden. Damals stand eindeutig der Betreuungsaspekt im Vordergrund. Familien sollten entlastet werden, und Frauen sollten die Möglichkeit erhalten, einer umfassenden Erwerbstätigkeit nachzugehen. Der bildungstheoretische und pädagogische Ansatz spielte damals allenfalls eine untergeordnete Rolle. Betreuungsmöglichkeiten für noch nicht schulpflichtige Kinder wurden unter familienpolitischen Gesichtspunkten betrachtet. Insofern war die Anbindung an das Sozialministerium naheliegend und durchaus sinnvoll.
Meine Damen und Herren, seitdem haben sich die Zeiten massiv geändert, selbst wenn die Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen das nicht unbedingt wahrhaben wollen. Viele Eltern wollen heute nicht nur eine mehr oder weniger qualitative Betreuung für ihre Kinder, sondern sie legen Wert auch auf pädagogische Konzepte. Eltern fordern für ihre Kinder Spracherziehung, ein Fremdsprachenangebot, musikalische und künstlerische Früherziehung, Umwelterziehung, Anregungen im MINT-Bereich, Suchtprävention und vieles mehr. Wir alle wissen, dass die frühkindliche Bildung auch und gerade für Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern ein wichtiges, vielleicht das wichtigste Element für Chancengleichheit ist. Mit anderen Worten: Wir bewegen uns immer weiter weg vom Betreuungsaspekt und hin zum Bildungsaspekt. Das ist unter mehreren Gesichtspunkten durchaus sinnvoll.
Immer wieder wird hier im Hohen Hause die Bedeutung der frühkindlichen Bildung betont. Alle Fraktionen fordern Konzepte für ein lebenslanges Lernen. Dieses soll bei der frühkindlichen Bildung beginnen und sich bis ins Seniorenalter fortsetzen. Das klingt gut. Dazu braucht es jedoch eine Stelle oder eine Institution, die mindestens große Teile dieses Bildungsprozesses gewissermaßen Bildung aus einer Hand - koordiniert. Genau das wollen wir FREIEN WÄHLER mit unserem Antrag erreichen.
In der Bildung heißt es immer wieder: Übergänge gestalten. Der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule ist sicher einer der bedeutendsten. Das weiß jeder, der als Vater oder Mutter Kinder auf diesem Wege bereits begleitet hat. Dort besteht eine Schnitt
stelle zwischen zwei Ministerien. Wir denken, das kann nicht sinnvoll sein. Statt Synergieeffekte zu nutzen, haben wir völlig unnötige Reibungsverluste. Werfen wir doch einfach mal einen Blick in andere Bundesländer. Wir stellen fest, dass die Mehrzahl der Bundesländer frühkindliche Bildung folgerichtig dem jeweiligen Ministerium zugeordnet hat, das für Schule und Bildung zuständig ist. Auch der Aktionsrat Bildung fordert in seinem Jahresgutachten eine weit intensivere Verzahnung von Kindertagesstätten und Grundschulen.
Meine Damen und Herren von der SPD, Sie haben unseren Antrag im Sozialausschuss mit dem Argument abgelehnt, er sei zu wenig konkret. Dabei ging es um die Frage, ob frühkindliche Bildung nun vom ersten Tag an oder erst ab dem Zeitpunkt gilt, mit dem Kinder die Kindertagesstätte besuchen und damit das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz - BayKiBiG - greift. Aus Sicht der FREIEN WÄHLER kann ich nur sagen: Dieses Gegenargument ist wenig überzeugend. Für beide Varianten gibt es sicherlich gute Argumente, die wir finden könnten. Wir FREIEN WÄHLER sind immer offen.
Grundsätzlich intendieren wir mit unserem Antrag, frühkindliche Bildung ab dem Zeitpunkt in das Kultusministerium zu verlagern, ab dem das Kind eine Betreuungseinrichtung besucht, für die das BayKiBiG gilt. Gar nicht nachvollziehbar ist für uns Ihr Argument, es wäre nicht der richtige Zeitpunkt. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, dann muss ich Sie fragen: Wenn nicht jetzt, wann denn dann? Deswegen möchte ich Sie von Herzen bitten, noch einmal in sich zu gehen und unserem Antrag zuzustimmen.
Sehr verehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal möchte ich an dieser Stelle sagen, es freut mich, dass durch eine solche Diskussion wieder Stimmung in die Bude kommt.
Das gibt einem gleich ein ganz anderes Gefühl. Ein bisschen erstaunt war ich aber darüber, Herr Kollege Bausback, dass Sie in Ihrem Redebeitrag zum Petitionsgesetz auf die Strukturen der SPD eingegangen sind. Ich habe vor meinem inneren Auge schon die Kollegin Gottstein gesehen, die dazu zu sagen pflegt: Setzen, sechs, Thema verfehlt!
Lassen Sie mich zum Thema zurückkommen. Für die Mitglieder des Petitionsausschusses ist es zunächst gar kein Unterschied, ob sie über eine einzelne Petition oder eine Online-Petition, wie sie im Deutschen Bundestag üblich ist, beschließen. Genauso wenig ist es ein Unterschied, ob ein Anliegen von zehn, hundert oder gar von hunderttausend Personen mit unterzeichnet wird. Schließlich geht es um die Beurteilung eines Sachverhalts und darum, einer Petition schnell und effektiv Rechnung zu tragen.
Sie werden mir aber sicher zustimmen, meine Damen und Herren, dass eine Petition mit zigtausend Unterstützern ein Seismograph für die Stimmung in der Bevölkerung ist. Sie ist ein untrügliches Zeichen dafür, was die Menschen bewegt und wie die Menschen über ein bestimmtes Thema denken, welches gerade zur Abstimmung ansteht. Solche Massenpetitionen verdienen den Dialog mit der Politik, nicht zuletzt deshalb, weil die damit einhergehenden Diskussionen ein unschätzbares Wissen für politische Entscheidungen liefern können.
Die Online-Petition, die der Deutsche Hebammenverband im Mai 2010 auf die Internetseite des Bundestags stellte, ist ein Paradebeispiel dafür, wie soziale Netzwerke heute Meinungen bilden und in politischen Willen umsetzen. Bei dieser Petition ging es um die steigenden Haftpflichtversicherungsbeiträge und die allgemein schlechte Bezahlung freiberuflicher Hebammen. Über die Internet-Community verbreitete sich diese äußerst brisante Problematik der Hebammen in rasanter Geschwindigkeit und wurde damit auch zu einem Topthema in den Medien. Innerhalb von nur drei Tagen bekam diese Petition 50.000 Unterstützer. 50.000 in drei Tagen! Wikipedia listet diese Petition mit heute über 186.000 Mitzeichnern als die bislang erfolgreichste Online-Petition auf. Wir alle wissen ganz genau, wie zeit- und kostenintensiv es gewesen wäre, wenn diese eindrucksvolle Zahl auf herkömmliche Weise, also durch das Sammeln von Unterschriften hätte erreicht werden müssen. In früheren Zeiten hätte der Hebammen-Verband sehr viel Medienmacht im Rücken haben müssen, um eine derartige Präsenz und Resonanz in der Öffentlichkeit zu erreichen.
Das Medium Internet ist heutzutage gar nicht mehr aus dem privaten und dem beruflichen Alltag wegzudenken und wegzudiskutieren, wie man es aus politischen Diskussionen auch kennt. Meinungsbildung findet mittlerweile überwiegend in Internetforen statt und nicht mehr bei Versammlungen oder Wahlveranstaltungen.
Später!
Dies zeigen uns die vielen Themen, die heute schon über Netzwerke, Blogs und Foren auf der politischen Agenda landen. Dem Deutschen Bundestag ist es sehr hoch anzurechnen, dass er bereits vor sechs Jahren mutig genug war, einen Modellversuch zu starten, der sowohl die Einreichung als auch die Mitzeichnung von
Petitionen über das Internet ermöglicht hat. Sicherlich hatte man auch im Bundestag Zweifel, ob sich die damit verbundenen Hoffnungen auf erhöhte Transparenz und Beteiligung durch den Einsatz neuer Medien erfüllen werden. Jedenfalls haben wir mit der E-Petition ein wirksames Instrument an der Hand, um uns Gehör zu verschaffen und Aufmerksamkeit für ein Anliegen zu gewinnen.
Nebenbei gesagt verdanken wir es einer Studie zufolge den erfolgreichen Massenpetitionen, dass das Petitionswesen wieder verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist. Seien wir doch einmal ganz ehrlich, Kolleginnen und Kollegen: Wer weiß denn überhaupt, dass es einen Ausschuss für Eingaben und Beschwerden gibt? Wer weiß vor allem, was der so genau macht? Ein nicht minder interessantes Ergebnis der Studie war auch, dass die Petenten deutlich jünger geworden sind. Natürlich ist die E-Petition noch lange kein echtes Instrument zur Mitbestimmung oder direkten Einflussnahme. Bürgerentscheide und Volksentscheide sind nach wie vor die besseren Mittel. Die Potenziale zur Modernisierung und Stärkung von Bürgerbeteiligung liegen bei Online-Petitionen ebenso auf der Hand wie bei den von der SPD vorgeschlagenen öffentlichen Petitionen. Bei öffentlichen Petitionen können sich möglichst viele Menschen an einem öffentlichen Diskussionsprozess beteiligen. Gerade zu Themen der Bildungspolitik, aber auch der Energiepolitik, kommen immer mehr Massenpetitionen in den Landtag, die die Staatsregierung letztlich zwingen, sich mit einem Thema auseinanderzusetzen. Wir können doch nicht allen Ernstes die Augen davor verschließen und so tun, als hätte sich in der politischen Meinungsbildung bis heute nichts geändert, und uns dann auch noch über die Politikverdrossenheit der Wähler, vor allem der jüngeren Wähler, beschweren.
Weil dem so ist, sollten auch wir im Bayerischen Landtag den Mut haben, unseren Bürgerinnen und Bürgern ein Forum für öffentliche Diskussionen zu bieten. Wenn wir es nicht tun, machen es andere. Sie machen es uns bereits vor. Seit gut einem Jahr steht die Plattform "openPetition" im Netz. Sie ist aus einer privaten Initiative entstanden, der die Vereinfachung und Weiterentwicklung der Instrumente der partizipativen Demokratie am Herzen liegt. Jeder, der hier eine Petition einstellt, kann damit rechnen, schnell und unkompliziert Mitunterzeichner für sein Anliegen zu finden, bevor er diese Petition dann wieder auf traditionellem Weg beim Landtag einreicht. Klicken Sie doch einfach mal rein, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann sehen Sie, welche Themen die Menschen derzeit bewegen und wofür durch ganz Deutschland Mit
unterzeichner gesucht werden. Allein die Tatsache, dass eine private Initiative eine Plattform für Petitionen ins Leben ruft, müsste doch Beweis genug dafür sein, dass die Zeit reif für eine Weiterentwicklung des bayerischen Petitionswesens ist.
Nein, immer noch nicht!
Wir sprechen über eine wichtige und notwendige Ergänzung der direktdemokratischen Mittel des Bürgerentscheids und des Volksentscheids. Heute haben wir die Chance, es dem Deutschen Bundestag gleichzutun und im Freistaat eine sehr lebendige Form der Demokratie einzuführen. Auch wenn Sie es heute nicht tun, bin ich mir ziemlich sicher, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis diese Instrumente kommen. Kolleginnen und Kollegen der Staatsregierung, Sie werden gar keine andere Möglichkeit mehr haben, als einzulenken und einer zeitgemäßen Fortentwicklung des Petitionswesens zuzustimmen.
Wie viele andere auch, setze und vertraue ich da voll und ganz auf das Agenda-Setting der sozialen Netzwerke. Zugegeben, zunächst einmal können wir allesamt recht stolz auf die Besonderheit des bayerischen Petitionswesens sein. Das beweist mir jede Ausschusssitzung aufs Neue, weil es in keinem anderen Parlament eine öffentliche Behandlung von Eingaben gibt. Wir können uns hier also zu Recht als Pioniere fühlen. Jenseits der Aufmerksamkeit des Parlaments hat sich über die Jahre hinweg der Petitionsausschuss zu einem der wichtigsten direkten Berührungspunkte der Bürger und ihrer Anliegen mit Politik und Parlament herausgestellt, auch wenn festzuhalten ist, dass die Anzahl der eingereichten Petitionen kontinuierlich abnimmt. Es wäre einmal interessant festzustellen, woher dieser Trend eigentlich kommt. Jedenfalls sind von Oktober 2008 bis Anfang dieses Jahres 6.154 Petitionen an den Bayerischen Landtag gerichtet worden, viele davon als Sammel- oder Massenpetition, sodass sich rund 280.000 Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Anliegen direkt an das Parlament gewendet haben.
Unter der herausragenden Leitung unseres Kollegen Werner fassen wir heute im Ausschuss für Eingaben und Beschwerden in acht von zehn Fällen einvernehmliche Beschlüsse vor allem auch deshalb, weil die Petitionen keinem politischen Zwang unterworfen
sind, jedenfalls in den meisten Fällen; denn es handelt sich um individuelle Probleme, mit deren Abhilfe wir hier im Einvernehmen und in enger kollegialer Zusammenarbeit über alle Parteigrenzen hinweg das Beste für unsere Bürger erreichen wollen. Das muss aber noch lange nicht bedroht sein, wenn Petitionen öffentlich werden. Genauso bin ich davon überzeugt, dass wir mit einer öffentlichen Petition weder das individuelle Petitionsrecht verwässern noch verletzen. Ich glaube auch nicht, dass wir damit Tür und Tor öffnen und zu einer Art Kummerkasten werden, in den jeder seine privaten Sorgen und Nöte per Einstellung ins Netz einwerfen kann.
Was der Gesetzentwurf der SPD will, ist doch nicht die Politisierung von Petitionen, nein: Der Entwurf sieht eine Veröffentlichung von Anliegen vor, wo es keine Datenschutzbedenken gibt, wo das individuelle Recht des Bürgers eben nicht bedroht ist. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, bleiben wir doch realistisch! Wie viele Petitionen werden das am Ende des Tages denn sein? Im vergangenen Jahr fällt mir da eigentlich nur die Petition der SPD ein, die sich gegen die schwarz-gelbe Atompolitik gewendet hat. Diese Petition wurde im Wirtschaftsausschuss behandelt. Am Ende gab es einen Radio- und einen Fernsehbeitrag, und das war’s. Ist das denn wirklich eine Gefährdung des individuellen Beschwerderechts? - Das glaube ich kaum.
Darum frage ich Sie: Wovor, um Himmels willen, haben Sie eine solche Angst, dass wir uns nicht einmal auf einen Versuch einlassen können?
Haben Sie Angst davor, dass über das Instrument der öffentlichen Petition Gesetzesinitiativen gestartet werden und nicht nur über den von der Verfassung vorgesehenen und viel beschwerlicheren Weg des Volksbegehrens? Davor, dass wir unmittelbar mit dem Volkswillen konfrontiert werden, oder davor, dass so etwas wie die Stimmkreisreform womöglich nicht so still und leise verabschiedet werden kann?
Das wundert mich nicht, ehrlich gesagt; denn in den meisten Fällen lässt sich die Regierungspartei von Argumenten nicht überzeugen.
Ich persönlich sehe den höheren Nutzen in einer sehr großen Bürgernähe. Deswegen möchte ich an dieser Stelle mit einem Appell an die Kolleginnen und Kollegen schließen: Verschlafen wir diese Gelegenheit nicht, nutzen wir gemeinsam die Chance und stimmen dem Gesetzentwurf der SPD zu, damit wir uns auch weiterhin wie Pioniere in dieser für das Parlament sehr wichtigen und demokratischen Angelegenheit fühlen dürfen!
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Grundsätzlich einmal ist es sicherlich positiv zu sehen, dass der Einzelplan 10 zu einem der wenigen Etats im Doppelhaushalt gehört, der 2011/2012 eine deutliche Steigerung verzeichnen kann. Weniger positiv sehe ich allerdings den prozentualen Anteil des Sozialetats am Gesamtvolumen des bayerischen Staatshaushalts, der sich 2011 auf nicht einmal mehr ganze 6 % beläuft. Da, lieber Herr Kollege Rudrof, muss ich Ihnen wirklich aufs Schärfste widersprechen. Hier zeigt sich doch wieder einmal mehr als deutlich, dass Sozialpolitik im Freistaat noch lange nicht den Stellenwert hat, auf dem eine gesunde Zukunft unseres Landes aufgebaut werden kann.
Meine Damen und Herren, das passt aber auch in keiner Weise mit dem zusammen, was die Staatsregierung bei jeder Gelegenheit betont, nämlich ihre große Anstrengung zur Stärkung der sozialen Sicherheit insgesamt und der Familie im Besonderen.
Anstatt den präventiven Charakter von sozialpolitischen Leistungen in den Fokus zu stellen und entsprechende Investitionen zu tätigen, wie etwa in frühkindliche Bildung, werden weiterhin Folgekosten für die Zukunft produziert. Das muss wieder einmal in aller Deutlichkeit gesagt werden.
Jetzt können wir nachlesen, dass im Einzelplan 10 erstmals auch Landesmittel zur Schaffung zusätzlicher Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren veranschlagt worden sind. Das klingt zunächst einmal ganz toll, aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Regierung hatte doch vor dem Hintergrund des Betreuungsanspruchs für Kinder unter drei Jahren gar keine andere Wahl, als die Mittel dafür zu erhöhen, weil nämlich in Bayern dieser Betreuungsbedarf jahrzehntelang schlichtweg einfach geleugnet wurde.
Die Staatsregierung hätte in den vergangenen Jahren wahrhaftig Zeit und Geld genug gehabt, für eine bessere Qualität in Kindertageseinrichtungen und für mehr Betreuungsplätze zu sorgen.
Aber so rangieren wir in Sachen frühkindliche Bildung im bundesweiten Vergleich leider immer noch auf einem der hinteren Plätze. Um bis 2013 die Bundesvorgabe von Krippenplätzen für Kinder unter drei Jahren flächendeckend sicherzustellen, wird es noch viele Kraftanstrengungen seitens der Staatsregierung brauchen. Dabei ist auch noch völlig unklar, woher das Geld für den weiteren Ausbau überhaupt kommen soll.
Lassen Sie mich noch auf einen mir persönlich sehr wichtigen Punkt eingehen, auch wenn das einige Damen und Herren der Staatsregierung mittlerweile nicht mehr hören können: Die Einführung eines kostenfreien Kindergartenjahres ist eine Forderung, die quer durch die Opposition erhoben wird und die bekanntermaßen auch im Koalitionsvertrag von CSU und FDP verankert ist. Dennoch gilt: Immer wieder in Aussicht gestellt, aber auch immer wieder auf die lange Bank geschoben.
Sehr geehrte Frau Haderthauer, richtig ist, dass ein Großteil der Millionen in die Verbesserung der Qualität unserer Kitas fließen muss, vor allem deshalb, damit wir endlich den anvisierten Anstellungsschlüssel von 1 : 10 erreichen. Nebenbei bemerkt: Für uns FREIE WÄHLER würde ein solcher Schlüssel eine moderate, aber längst nicht ausreichende Maßnahme darstellen. Mittelfristig müssten wir einen Anstellungsschlüssel von 1 : 8 erreichen, wie ihn auch der Wissenschaftlich-Technische Beirat der Staatsregierung bereits fordert.
Sehr geehrte Frau Haderthauer, auf die Ihnen so oft gestellte Frage, bis wann denn nun endlich die beiden Koalitionsziele erreicht sein werden, geben Sie gern die Antwort, dies hänge davon ab, wie viele Steuergelder dem bayerischen Staatshaushalt zur Verfügung stünden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich frage Sie: Auf wie viele Steuereinnahmen wollen und sollen wir denn eigentlich noch warten?
Im Jahr 2011 wird Bayern nach dem Haushaltsplan gemeinsam mit dem Jahr 2010 die zweithöchsten Steuereinnahmen aller Zeiten erreichen. Im Jahr 2012 sollen sie sogar auf ein neues Rekordniveau steigen und noch die Einnahmen aus dem Jahr 2008 übertreffen. Sehr geehrte Frau Staatsministerin, in Anbetracht dessen bitte ich Sie: Lassen Sie in Zukunft Ihre Ausreden einfach stecken. Legen Sie sich endlich zeitlich und finanziell fest. Dann müssen Sie sich auch nicht mehr unsere ständig wiederkehrenden Forderungen nach einem kostenfreien Kindergartenjahr anhören.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Freien Wähler unterstützen den Gesetzentwurf der Staatsregierung und werden ihm zustimmen. Wir sind zwar der Meinung, dass man da noch ein bisschen mehr hätte machen können. Wir erkennen aber an, dass es auf jeden Fall ein längst überfälliger Schritt in die richtige Richtung ist.
Noch mehr über die Notwendigkeit und den Sinn und Zweck der ganzen Angelegenheit zu philosophieren, hieße Eulen nach Athen tragen. Deswegen verzichte ich an dieser Stelle darauf.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Mitglied des Rundfunkrates freut es mich, dass wir es nun doch geschafft haben, den Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Rundfunkgesetzes und des Bayerischen Mediengesetzes noch vor Jahresende verabschieden zu können. Für alle Beteiligten war das sicherlich ein beschwerlicher Weg mit langen Diskussionen, vielen Hürden und hart umkämpften Kompromissen, Es war aber auch ein notwendiger Weg, den wir gegangen sind, um mit dieser Gesetzesänderung letzen Endes beiden Seiten gerecht zu werden und alle Interessen bestmöglich zu integrieren.
Aus Sicht des Rundfunkrates musste vor allem ein Aspekt sichergestellt sein, dass nämlich auch in Zukunft bedarfsgerechte und eventuell vom Markt geforderte Änderungen in Programmschwerpunkten ohne die Zustimmung des Gesetzgebers möglich sind. Alles andere wäre ein eindeutiger und nicht zu akzeptierender Kompetenzverlust des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gewesen.
Die uns vorliegende Fassung ist damit eine akzeptable Lösung und eine Grundlage, mit der dem Bayerischen
Rundfunk die notwendige Freiheit und Flexibilität zur Gestaltung seiner Programme erhalten bleibt, während gleichzeitig alle rundfunkrechtlichen Anforderungen erfüllt werden. Noch einmal ins Detail zu gehen und den Entwurf nachzujustieren hat sich also in jedem Fall gelohnt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Das kleine Wörtchen "mindestens" hat eine große Bedeutung und steht für einen Standpunkt, der uns Rundfunkräten wichtig war. So heißt es jetzt in § 1 der Änderung, dass jedes Hörfunkprogramm des Bayerischen Rundfunks "mindestens" einen der zehn aufgeführten Programmschwerpunkte haben muss. Das Wörtchen "mindestens" ist ein galanter, aber unentbehrlicher Türöffner für den Bayerischen Rundfunk, denn damit können, wie von den meisten gewünscht, letzten Endes auch die Programmschwerpunkte untereinander ausgetauscht werden. Wäre das nicht der Fall, hätten wir in die Programmautonomie des Bayerischen Rundfunks eingegriffen. Das sollten und das wollten wir beileibe nicht. So ist es jetzt zumindest theoretisch möglich, die Schwerpunkte anders zu gewichten, indem ein Sender gleichzeitig mehrere Themenbereiche abdecken kann. Dem Rundfunkrat war die Flexibilität in der Art der Verbreitung nicht weniger wichtig. Niemand kann zum heutigen Zeitpunkt genau voraussagen, wohin sich die Technik und damit auch die Medienwelt entwickeln wird. Deshalb musste dem Bayerischen Rundfunk die Möglichkeit gegeben werden, zwischen digital und analog austauschen zu können, anstatt ihm mit einer dezidierten Festlegung der Programminhalte auf die Art der Verbreitung zu knebeln. Man denke dabei nur an die ungewisse Entwicklung von DAB.
Auf den Punkt gebracht bleiben dem Bayerischen Rundfunk mehr Spielräume als im ersten Entwurf der Staatsregierung. Er kann sein Programmangebot über die Jahre flexibel fortentwickeln und den Wünschen seiner Hörer gerecht werden, ohne jedes Mal die Gesetzgebungsmaschinerie anwerfen zu müssen, um eine Abweichung vornehmen zu können. Abschließend möchte ich als Rundfunkratmitglied ausdrücklich betonen, dass der öffentlich-rechtliche Sender eine gesellschaftliche und kulturelle Verantwortung trägt. Die Spielräume dürfen keinesfalls aus kommerziellen oder sonstigen Gründen missbraucht werden. Dies wäre der Fall, wenn kulturelle Angebote auf die von vielen Hörern nicht mehr frequentierten Sendezeiten verbannt oder nur noch digital übertragen werden würden, obwohl ein flächendeckender Empfang noch in weiter Ferne liegt. Ich bin ebenfalls der Meinung, dass man den Gebührenzahler weder zum Kauf eines Decoders noch vor den Computer zwingen darf, damit er das hören kann, was er gerne hört.
Dann würde der öffentlich-rechtliche Rundfunk seiner gesellschaftlichen und kulturellen Verantwortung nicht mehr gerecht werden. Entgegen seines Auftrags würde er nicht mehr alle Schichten der Gesellschaft und alle Altersgruppen gleichermaßen erreichen. In Anbetracht der eingeräumten Gestaltungsmöglichkeiten appelliere ich an den Bayerischen Rundfunk, bei seiner künftigen Programmgestaltung Sorgfalt walten zu lassen. Kulturund Bildungsangebote sind für ein Programm im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Auftrages ein absolutes Muss. Im Großen und Ganzen kann ich als Rundfunkratmitglied und können wir von den Freien Wählern mit diesen Änderungsanträgen leben und werden diesen deswegen zustimmen.
Sehr geehrter Herr Minister, entschuldigen Sie bitte meine Blauäugigkeit, aber ich möchte nochmals nachfragen, wie Sie "mindestens" definieren. Denn wir haben uns einwandfrei darauf verständigt, keine Inhalte pro Welle festzulegen. Wo steht denn letztendlich, dass der Bayerische Rundfunk theoretisch nicht mehrere Inhalte auf eine Welle legen darf?
Ja, das steht da. Steht da auch: Es darf nicht mehr als einen Schwerpunkt haben? Eigentlich steht das nicht da. Ich habe das zumindest nicht gehört und es nicht so verstanden.
Aber im ersten Entwurf stand auch klar, dass die Inhalte festgelegt werden sollen. Genau das stellt einen Eingriff in die Programmautonomie dar, und das galt es zu verhindern. Sehe ich das falsch?
Das glaube ich nicht.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren ist nicht nur der Kerngedanke, der dem Antrag der SPD zugrunde liegt, sondern das ist auch ein dringendes Anliegen der Freien Wähler.
Es besteht kein Zweifel, dass die Förderung mit "Jobperspektive" eine gute und äußerst sinnvolle Maßnahme der Bundesagentur für Arbeit ist, die Langzeitarbeitslosen eine Chance auf eine erneute Beschäftigung gibt. Menschen mit niedriger und unzureichender Qualifikation, die seit Jahren ohne Beschäftigung sind, werden auch in Zukunft auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chance haben. Das ist sowohl für die Betroffenen als auch für die Gesellschaft deprimierend und belastend. Programme und Maßnahmen, die dem entgegen wirken, sollten von staatlicher Seite aus aktiv gefördert und unterstützt werden. Die Freien Wähler stimmen dem Antrag der SPD deshalb voll und ganz zu. Auch wir sind der Meinung, eine aktive Beschäftigungspolitik ist die Aufgabe des Freistaats. Übereinstimmend mit der SPD fordern wir die Staatsregierung deshalb auf, sich an dem Programm zu beteiligen und dafür unter anderem eigene Beschäftigungsmöglichkeiten im Umwelt- und sozialen Bereich zu schaffen und die Kommunen beziehungsweise die freien Träger finanziell zu unterstützen.
Die Freien Wähler möchten sogar noch einen Schritt weiter gehen. Den vorhersehbaren Anstieg der Arbeitslosenzahlen sollten weitere Initiativen der aktiven Beschäftigungspolitik, die von der Staatsregierung mitfinanziert werden sollten, auffangen. Dazu zählen die Bürgerarbeit und die Ein-Euro-Jobs. Die Grundidee der Bürgerarbeit - in Bayern als Jobperspektive Plus bekannt - ist sehr einfach. Eine nachhaltige Reduzierung der Arbeitslosigkeit wird durch die konsequente Aktivierung aller Arbeitslosen aus beiden SGB-Rechtskreisen mit dem Angebot an gemeinnütziger sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung erreicht. Das Konzept des Aktivierungsprozesses wird in vier Stufen konsequent umgesetzt mit dem Ziel, jedem Arbeitslosen ein auf ihn zugeschnittenes Angebot zu unterbreiten. Erst wenn geförderte und eigene Aktivitäten nicht zum Ziel führen, wird auf der vierten Stufe das Angebot einer gemeinnützigen sozialversicherungspflichtigen
Tätigkeit unterbreitet, und zwar denjenigen Personen, die im Rahmen von SGB II betreut werden und auch mittelfristig keine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben. Der Einsatz in einer Bürgerarbeit orientiert sich an den Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnissen des Einzelnen und liegt ausschließlich im Non-Profit-Bereich wie Vereinen, Kirchen, Seniorenbetreuung oder Umweltschutz. Dabei zeigen die bisherigen Erfahrungen, dass es durchaus möglich ist, im gemeinnützigen Bereich eine ausreichende Zahl an Stellen zu akquirieren und den Betroffenen eine sinnvolle Tätigkeit zu ermöglichen.
Die Modellprojekte in Sachsen-Anhalt, Thüringen und in den drei bayerischen Standorten Weiden, Coburg und Hof machen deutlich, dass durch Bürgerarbeit oder Job-Perspektive Plus die Arbeitslosigkeit dauerhaft um etwa 50 % gesenkt werden kann, ohne den ersten Arbeitsmarkt zu beeinträchtigen. Die Liste der Erfolge und Vorteile lässt sich fortsetzen. Längst ist erwiesen, dass Langzeitarbeitslose mit dieser Lösung einen Motivationsschub bekommen, neuen Mut fassen und etliche von ihnen den Weg in den ersten Arbeitsmarkt zurückfinden. Bürgerarbeit ist also weder eine Sackgasse noch eine Einbahnstraße. Vielmehr bleiben die Erwerbstätigkeit und die berufliche Qualifikation der Arbeitnehmer langfristig erhalten und werden gegebenenfalls erweitert. Nicht unerheblich sind ebenfalls die Einsparungen an gesundheitlichen und sozialen Folgekosten, die, wie Studien belegen, durch Arbeitslosigkeit insbesondere im Bereich psychosomatischer Störungen und im Suchtmittelmissbrauch entstehen. Deshalb fragen wir uns, warum die Staatsregierung noch nicht alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, damit dieses Programm bayernweit laufen kann und nicht nur in einzelnen Orten. Job-Perspektive Plus wäre zweifelsohne ein Rettungsanker für ganz viele Betroffene.
Zumindest steht der vierte bayerische Standort bereits in den Startlöchern. In Fürth fällt im Frühjahr der Startschuss für Bürgerarbeit und damit für eine Beschäftigung, die wirtschaftliche und soziale Prinzipien miteinander verbindet und für alle Beteiligten eine eindeutige Win-Win-Situation darstellt. Wir Freie Wähler begrüßen es, wenn dank der staatlichen Förderung noch mehr Städte im Freistaat diesem Beispiel endlich folgen könnten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Ministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kinder sind die Zukunft unseres Landes, und wir sind es, die für ihre Zukunft verantwortlich sind: als Eltern, als Politiker, als Arbeitgeber, als Gesellschaft. Wenn Kindern in Bayern Chancen eröffnet und gesichert werden, wie sie noch keine Generation vorher hatte, dann kann sich die Staatsregierung der gewünschten parteiübergreifenden Unterstützung des gesamten Hauses sicher sein.
In der Familien- und Bildungspolitik hat sich in den vergangenen Jahren gewiss viel bewegt. Damit Familien genau die Unterstützung sowie die zeitlichen und finanziellen Rahmenbedingungen erhalten, die sie tatsächlich brauchen, müssen wir aber das Tempo beschleunigen und die gesetzten Ziele konsequent verfolgen.
Von jungen Paaren werden heutzutage viel Flexibilität und Mobilität erwartet. Wirtschaftliche Unabhängigkeit und Wohlstand sind fast immer nur dann zu erreichen, wenn beide Partner berufstätig sind. Unter diesen Voraussetzungen kann man sich nicht mehr unbeschwert zu einer Familiengründung entscheiden.
Die Bedeutung dieses Prozesses für die demografische Entwicklung ist uns allen bekannt.
Ein besonderes Problem stellt sich für Alleinerziehende. Sie sind überdurchschnittlich vom Armutsrisiko betroffen. Ihre Zahl steigt in erschreckendem Maße. Am Durchschnitt gemessen beträgt das Wohlstandsniveau Alleinerziehender mit Kindern 72 %. Bei Alleinerziehen
den mit zwei oder mehr Kindern sind es sogar 62 %. Das ist inakzeptabel und Zeichen dafür, dass unser System erkrankt ist. Hier muss noch sehr viel geschehen.
Alleinerziehende haben in besonderem Maße Anspruch auf Unterstützung. Sie sind auf Kinderbetreuungsplätze angewiesen, und zwar nicht nur in Ballungsräumen, sondern auch im ländlichen Raum. Gerade diese sind aber in Bayern leider nach wie vor völlig unzureichend ausgebaut.
Deswegen haben wir von den Freien Wählern mehr Mittel für Kindertageseinrichtungen gefordert. Der entsprechende Änderungsantrag der Freien Wähler vom 25. Februar zum Doppelhaushalt 2009/2010 wurde uns völlig unverständlich - abgelehnt. Es handelt sich um einen ganz elementaren Bereich, den man mit den erforderlichen Mitteln ausstatten muss.
Da kann man sich nicht einfach zurückziehen und sagen: Wir haben kein Geld für ein gebührenfreies Kindergartenjahr. Das gebührenfreie Kindergartenjahr ist übrigens - das nur nebenbei bemerkt - eines der nicht eingelösten Wahlversprechen der CSU.
Aber für die Eltern ist es nicht nur wichtig, überhaupt einen Betreuungsplatz zu haben. Ihre Kinder sollen und müssen dort auch pädagogisch gefördert und individuell betreut werden. Dafür steht in Bayern ein beachtenswerter Bildungs- und Erziehungsplan zur Verfügung. Es wäre eine Freude, wenn man diesen in die Praxis umsetzte. Dafür allerdings brauchen wir in Bayern mehr Lehrer, kleinere Klassen und einen neuen Personalschlüssel in den Kindergärten und Kinderkrippen. Selbst der Wissenschaftlich-Technische Beirat der Bayerischen Staatsregierung fordert einen Einstellungsschlüssel von 1 zu 8 in den Kindergärten.
Wollen wir diesen Schlüssel erreichen, müssen wir dafür sorgen, dass es genügend Fachpersonal gibt. Es muss in die Ausbildung und Fortbildung von pädagogischem Personal investiert werden. Auch eine adäquate Bezahlung für diesen Beruf ist dringend nötig. Nicht umsonst gehen die Erzieherinnen und Erzieher derzeit auf die Straße. Bei einer Vollzeitarbeit als Erzieherin muss man sich selbst und mindestens ein Kind ernähren können.
Gerade, wenn wir die Ganztagsbetreuung immer mehr ausbauen, was dringend notwendig und seit Langem eine Forderung der Freien Wähler ist - neuerdings auch der Staatsregierung -, ist es umso wichtiger, auf Qualität in den Einrichtungen zu setzen. Allerdings stimme ich Ihnen, sehr geehrte Frau Haderthauer, nicht zu,
wenn Sie sagen, dass die Qualitätsoffensive Vorrang vor dem gebührenfreien Kindergartenjahr haben soll. Beides ist notwendig und ich bitte Sie, beides schnellstmöglich in die Tat umzusetzen.
Kinder sollen in einer Betreuungsstätte nicht nur aufbewahrt werden, sondern es soll und muss ihnen dort Bildung vermittelt werden, und zwar allen Kindern, unabhängig von ihrem Elternhaus und ihrem sozialen Status.
Wie der Münchner Armutsbericht 2007 belegt, sind Kinder aus sozial schwachen Familien von einem überproportional hohen Armutsrisiko bedroht und in Gefahr, später selbst arm zu sein. Schaffen wir es nicht, allen Kindern gleiche Bildungschancen einzuräumen - dafür ist unter anderem auch die Abschaffung der Studiengebühren notwendig, die 100.000 junge Menschen gestern zu Recht auf den Straßen forderten -, werden wir die Kosten hierfür potenziert im weiteren Lebensverlauf dieser Kinder tragen müssen. Denn auch das hat der Sozialbericht gezeigt: Armut ist vererbbar.
Das Risiko eines Kindes eines Hartz-IV-Empfängers, wiederum auf Sozialleistungen angewiesen zu sein, ist deutlich höher als das der übrigen Bevölkerung. Das sind keine gleichen Bildungschancen; das ist Abhängigkeit vom sozialökonomischen Status der Eltern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Kinder- und Jugendprogramm der Staatsregierung stammt aus dem Jahre 1998. Da zeigt sich doch ganz offensichtlich, welchen Stellenwert die Jugendpolitik bei unserer Staatsregierung leider immer noch hat.
Die kulturellen Angebote für junge Menschen müssen ausgebaut werden. Es muss genügend Sportvereine und Beschäftigungsmöglichkeiten geben. Die politische Bildung muss verbessert werden, und die Jugendarbeit und die Jugendsozialarbeit müssen gefördert werden.
Der Bayerische Jugendring und die vielen anderen Jugendorganisationen müssen in ihrer wertvollen Arbeit unterstützt werden. Die Forderung nach Raum für Familien betrifft aber nicht nur unsere Kinder; auch die Eltern müssen die Chance haben, ihr Leben nach eigenen Vorstellungen gestalten zu können.
In finanzieller Hinsicht bedeutet das für die Frauen, dass sie endlich gleiches Geld für gleiche Arbeit bekommen müssen. Dies ist in Deutschland nach wie vor
nicht der Fall. Frauen verdienen immer noch 23 % weniger als Männer. Damit ist Deutschland eines der Schlusslichter im europäischen Vergleich. Hier muss ein Wandel erfolgen.
Dass Frauen und Männer die gleiche Bezahlung erhalten ist eine Selbstverständlichkeit. Es ist traurig und beschämend zugleich, dass dies in unserem Lande überhaupt noch thematisiert werden muss. Es ist Sache der Politik, die richtigen Anreize zu setzen und eine familienbewusste und frauenfreundliche Unternehmenspolitik zu fördern. Dies wäre zum Beispiel durch die Förderung des Programms Beruf und Familie möglich, wie es in anderen Bundesländern wie zum Beispiel in Baden-Württemberg bereits gemacht wird.
Zum Schluss möchte ich noch auf ein grundlegendes Problem hinweisen, das zu einer gesellschaftlichen Schieflage führt, die wir so nicht hinnehmen dürfen. Familien und Kindern kommt in unserer Gesellschaft kein besonders hoher Stellenwert zu. Da werden Klagen eingereicht, weil Kinderstimmen vom Spielplatz oder das Betreiben von Kinderkrippen in Wohngebieten als Lärmbelästigung empfunden werden. Und da werben doch Hotels und Gaststätten tatsächlich noch mit Sprüchen wie "No Kids", und sie sind auch noch stolz darauf, damit eine Marktlücke entdeckt zu haben. Solche kinderfreien Zonen sind keine Marktlücke, sondern schlichtweg ein Skandal.
Hierzu abschließend noch eine Zahl, die die Familienund Kinderfeindlichkeit in unserem Land nicht deutlicher belegen könnte. Im Durchschnitt kommen auf einen deutschen Haushalt zwar 1,7 Autos, aber nur 1,4 Kinder. Das müssen wir uns vor Augen führen und uns fragen: Wollen wir das? Wollen wir wirklich in einer Gesellschaft leben, die Kinder als Belästigung empfindet, die Kinder als Mittel zum Zweck für die Altersversorgung betrachtet, oder sehen wir Kinder als unsere Zukunft, sehen wir Kinder als eine Bereicherung unseres Daseins und als eine Erweiterung des Horizonts? Ich tue das. Hier, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir ansetzen und die Prioritäten richtig setzen: qualifizierte Kinderbetreuung, flexible Lehrpläne, die sich dem schnellen Wandel der Zeit anpassen lassen, spannende Herausforderungen für Jugendliche, die zur Annahme reizen, Unterstützung für junge Familien, und zwar nicht nur finanziell, sondern auch gesellschaftlich. Darin sollten wir unsere Aufgaben sehen und dafür sollten wir uns, unabhängig von unserer Parteizugehörigkeit, einsetzen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es schon einmal gut, dass wir bei diesem Thema so viel Einigkeit zusammenbringen. Das lässt wirklich hoffen.
Mit einem einprägsamen Motto zieht die CSU in den Europa-Wahlkampf, wie uns seit etlichen Wochen unzählige Plakate am Straßenrand verkünden. Beherzt handeln will die CSU für Bayern, Deutschland und Europa, und damit Bürgernähe präsentieren. Wir von den Freien Wählern werden die CSU beim Wort nehmen und freuen uns schon jetzt, dass die Regierungspartei künftig Herausforderungen kraftvoll und mit Herzblut energisch anpacken wird. Ein wirklich beherzter Slogan, der mit leeren Worten und Lippenbekenntnissen
endlich Schluss macht und hoffentlich endlich Taten folgen lässt.
Ein guter Anfang wäre zum Beispiel das Thema "Kostenfreiheit des Schulwegs".
Seit Jahren wird der Ausschuss für Eingaben und Beschwerden - das weiß ich nicht von mir allein, weil ich noch nicht so lange in diesem Ausschuss bin, sondern von netten Kollegen - immer wieder von der Regierung auf’s Neue mit dem Versprechen vertröstet, dass man sich demnächst mit diesem Thema auseinandersetzen wird. Bislang ist aber leider noch nichts geschehen. Dabei läge dem Petitionsausschuss längst genügend Material vor, aus dem die aktuelle Problematik und Notwendigkeit einer entsprechenden Gesetzesänderung klar zu erkennen ist. Fast wöchentlich stehen mehrere Petitionen zu diesem Thema auf der Tagesordnung ob nun, weil zum Beispiel an der starren Drei-KilometerRegelung festgehalten wird, weil zur Kostenübernahme letztlich ganze 17 Meter fehlen oder aber weil nur ein paar Meter darüber entscheiden,
ob in einer Ortschaft das eine Kind die Fahrt zur Schule erstattet bekommt, das andere aber nicht. Wäre da beispielsweise eine ortsteilbezogene Lösung oder Bildung von abgrenzbaren Tarifzonen nicht sinnvoller und bürgernäher?
Eine Petition kam von Eltern aus dem Landkreis Nürnberger Land. Weil sie ihr Kind - aus welchen Gründen auch immer - nicht an der nächstgelegenen Schule unterrichten lassen wollen, müssen sie die Schulwegkosten in vollem Umfang selber tragen; denn die Beförderungspflicht und die Kostenübernahme gelten nun einmal nur für die nächstgelegene Schule. In der Vorschrift "Schülerbeförderung" ist ein Anspruch auf Ersatz der sogenannten fiktiven Beförderungskosten, also der Kosten, die bis zur nächstgelegenen Schule anfallen würden, nicht vorgesehen.
Natürlich kann das zuständige Landratsamt im Rahmen des Ermessensspielraums von Fall zu Fall eigene Entscheidungen treffen, aber nur solange der Beförderungsaufwand zur Wahlschule die Beförderungskosten zur nächstgelegenen Schule um nicht mehr als 20 % übersteigt. Herr Rüth, aber in diesem speziellen Fall gab es entgegen Ihrer Behauptung in unserer letzten Sitzung des Petitionsausschusses keinen Ermessensspielraum mehr. Auch wenn der betroffene Landrat
gewollt hätte, konnte er aufgrund der Gesetzeslage keine andere Entscheidung treffen, als die Kostenübernahme abzulehnen. Die starren Regelungen und Pauschalierungen machen nach unserer Erfahrung eine bürgerfreundliche Umsetzung des Gesetzes über die Kostenfreiheit des Schulweges fast unmöglich,
ja, sie erschweren und behindern sogar den Bildungsauftrag des Staates. So herrschte trotz der heißen Diskussion zwischen den Ausschussmitgliedern fraktionsübergreifend dennoch Einigkeit darüber, dass ein Änderungsbedarf in den Vorschriften der Schülerbeförderung besteht, und zwar hinsichtlich einer zeitgemäßen und zukunftsweisenden Lösung, die betroffenen Bürger entgegenkommt.
Die Freien Wähler haben bereits 2001 eine Novellierung dieser Gesetzesgrundlage gefordert, um den Kommunen einen flexibleren Gesetzesvollzug bei der Erstattung von Schulwegkosten zu ermöglichen. In einem Schreiben an die damalige Kultusministerin Monika Hohlmeier forderte der Landrat des Landkreises Nürnberger Land die Staatsregierung auf, sich sowohl um Alternativen für die Drei-Kilometer-Regelung zu bemühen als auch die freie Schulwahl zu unterstützen, indem wenigstens die Kosten erstattet werden, die entstehen, wenn das Kind die nächstgelegene Schule besuchen würde.
Ja, später, am Ende. Ich bin gleich fertig.
Erstaunlicherweise und entgegen ihrer sonstigen Haltung hat sogar die Bayern-FDP schon 2002 die Bayerische Staatsregierung aufgefordert, eine gerechtere Handhabung bzw. eine Änderung des Gesetzes über die Kostenfreiheit des Schulwegs in die Wege zu leiten.
Ziele dieser Änderungen seien eine sozial ausgewogene Finanzierung der Schulwegkosten sowie die Ermöglichung einer freien Schulwahl.
Dem Postulat der freien Schulwahl können wir uns nur anschließen, nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass immer mehr Schulstandorte geschlossen werden. Die Zeit ist reif, dass wir uns einer Änderung der Gesetzesgrundlage in Absprache mit den Kommunen anneh
men. Dafür ist nun einmal der Landtag zuständig. Liebe Kolleginnen und Kollegen, packen wir’s also an. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich würde sagen, da geht es erst einmal um das Prinzip. In diesem Fall geht es um die Schulwegkosten und nicht um die Gastschulbeiträge. Die Rückfragen bei unseren Landräten haben, für mich jedenfalls, ergeben, dass sie sich sehr freuen würden, wenn man von dieser starren Haltung endlich wegginge.
Eine Kostenmehrung ist diesbezüglich auch nicht zu erwarten. Im Moment reden wir nur von einer Erstattung, die anfallen würde zur Sprengelschule, die sowieso bezahlt werden müsste, wenn die Kinder auf die Schule gingen, die vorgesehen ist.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Heimat von Georg Hackl und Kathrin Hölzl im wunderschönen Bischofswiesen sorgt seit Monaten der Bau eines neuen Firmengebäudes für helle Aufregung in der Bevölkerung und bei den Behörden. Das dreiste Vorgehen der örtlichen Baufirma mitsamt seinen Architekten bringt nicht nur die Gemüter der Bischofswiesener in Wallung; es beschäftigt auch ausgiebig die lokale Presse, den Gemeinderat sowie das Landratsamt Berchtesgaden. Selbst die Regierung von Oberbayern musste aufgrund einer Aufsichtsbeschwerde tätig werden.
Das Interesse der Öffentlichkeit an diesem Bauvorhaben war von Anfang an sehr groß, nicht zuletzt deswegen, weil sich das Firmengelände mitten im Ort befindet, gleich gegenüber von Kirche und Rathaus. Da man städtebauliche Verträglichkeit besonders berücksichtigt sehen wollte, wurde schon der ursprüngliche Bauantrag wegen der Länge und Größe des Gebäudes kontrovers diskutiert, aber letztlich doch genehmigt. Für Hochspannung und Misstrauen allerdings sorgte der Bau des Bischofswiesener Handwerksbetriebs erst, als er zusehends größer wurde als genehmigt. Aus der genehmigten Dachterrasse wurde plötzlich ein Restaurant. Ein Gebäudeteil für die Haustechnik und ein Schulungsraum kamen auch noch gleich hinzu. Aber damit längst noch nicht genug, liebe Kolleginnen und Kollegen: Trotz des verordneten Baustopps und angedrohter Zwangsgelder wurde, wie wir schon von Frau Scharfenberg hören durften, munter und kontinuierlich in den nicht genehmigten Bereichen weitergebaut, was sich übrigens auf der Homepage der Unabhängigen Bürgervereinigung Bischofswiesen dank einer Fotodokumentation sehr gut nachvollziehen lässt. Es ist schon faszinierend zu sehen, wie ein Gebäudekomplex quasi fertiggestellt werden kann, bei dem für große Bereiche überhaupt kein Baurecht besteht. Ein Blick in die Chro
nologie eines Schwarzbaues in Bildern und Zitaten lohnt sich auf jeden Fall.
Vor einigen Wochen sorgte die Eingabe der Bürger aus Bischofswiesen auch in unserem Petitionsausschuss für Unverständnis und, mit Verlaub, für eine gehörige Portion Unmut. Jetzt ist der Bischofswiesener Schwarzbau nun auch noch in dieser Plenarsitzung gelandet, und zwar aus gutem Grund, wie ich finde. Beim Lesen der Petitionsunterlagen verschlug es mir im wahrsten Sinne des Wortes die Sprache
angesichts eines so unverfrorenen und respektlosen Verhaltens der Bauherren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie würden Sie es denn bezeichnen, wenn jemand auf seiner Bautafel, für alle Interessierten sehr gut sichtbar, ein nicht genehmigtes Restaurant ankündigt, obwohl nur ein Ausstellungscenter genehmigt war? Für mich ist dieses Verhalten ein Beweis dafür, dass der Bauantrag von Anfang an nicht mit dem übereinstimmte, was der Bauherr in Wirklichkeit plante.
Nein, im Moment nicht. - Dann ist es wohl auch nicht abwegig, wenn man in aller Deutlichkeit Vorsatz unterstellt, also das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung.
Dass im Petitionsausschuss etliche Eingaben landen, in denen Häuslebauer um Unterstützung bitten, weil ihnen zum Beispiel wegen ein paar Zentimeter der Ausbau einer Garage nicht genehmigt wird oder weil aufgrund von Flächennutzungsplänen eine Viehschutzhütte wieder abgerissen werden muss, liegt auf der Hand. In nahezu allen Fällen müssen wir aufgrund der eindeutigen Rechtslage die Petition abweisen, auch wenn uns das, offen gesagt, manchmal schwerfällt. In diesem Fall aus Bischofswiesen geht es aber nicht um kleine Häuslebauer oder um Landwirte, die aus Unwissenheit oder aufgrund schlechter Beratung gegen Baugesetze verstoßen und nun mit einer Geldstrafe und einem Baustopp kämpfen müssen; hier geht es um etwas ganz anderes, um etwas Grundlegendes, nämlich um Baugerechtigkeit.
Hier geht es eindeutig um Rechtsgleichheit. Wir sprechen über einen Bauherren, der sich, aus welchen Beweggründen auch immer, mit seinen Änderungen über den hart erkämpften, genehmigten Bauplan bewusst hinwegsetzt und vollendete Tatsachen schafft. Dies kann den politischen Vertretern genauso wenig recht sein wie dem Landratsamt, ganz zu schweigen von den ortsansässigen Häuslebauern, denen in der Vergangenheit vielleicht ein Umbau oder ein Neubau verweigert wurde.
- Das lassen wir doch einmal offen. - Die seit vierzig Jahren in Bischofswiesen ansässige Firma ist gewiss ein wichtiger Handwerksbetrieb und Arbeitgeber für die Gemeinde. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass in der öffentlichen Diskussion immer wieder zu hören war, dass mit dem neuen Gebäude schließlich auch vierzig neue Arbeitsplätze entstehen. Das ist ein Aspekt, der legitimerweise auch eine Rolle spielte, als der Bischofswiesener Bauausschuss schließlich doch noch den für das Technikgebäude nachgereichten Tekturplan genehmigte, wenn auch nur knapp, nämlich mit 5 zu 4 Stimmen. Auch wenn es knapper nicht mehr geht, die örtliche Firma zumindest hat mit ihrem Seminarraum und dem Raum für die Haustechnik bekommen, was sie wollte. Jetzt stünde nur noch die nachträgliche Genehmigung für das Restaurant aus. Liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir an dieser Stelle eine provokante Frage: Gibt es eine Regel, ab wie vielen Arbeitsplätzen das Baurecht nicht mehr einzuhalten ist?
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ich möchte damit keinesfalls das Verhalten des Gemeinderats und schon gar nicht das Vorgehen des Landratsamtes beanstanden; denn mit einem derartigen Vorgehen des Bauherren konnte wirklich niemand rechnen, schon gar nicht angesichts der angewandten Zwangsmittel. Allerdings ist der Bischofswiesener Bauskandal Anlass genug, um sich Gedanken über eine adäquate und Erfolg versprechende Höhe von Zwangsgeldern zu machen.
Von wem? - Also darf ich nun, oder darf ich nicht?
- Okay, noch einen Satz, weil wir zu diesem Thema eigentlich schon alles gehört haben.
Dennoch möchte ich an dieser Stelle die Aufsichtsbehörden des Landratsamtes, also die Regierung von Oberbayern und das bayerische Innenministerium, auffordern, sich dieser Sache unverzüglich anzunehmen und hier für Recht und Ordnung zu sorgen,
und zwar in einer Art und Weise, wie wir das sonst vom Herrn Innenminister auch gewohnt sind. - Er ist jetzt leider nicht da, ich hätte mich gerne an ihn direkt gewendet. Was zu tun ist, wissen Sie ganz genau.
Genau das ist es.
Gerne, eingreifen und für Recht und Ordnung sorgen.
- Moment, ich rede jetzt. Mit geht es nicht einfach darum, dass in der Petition das Landratsamt angeprangert wurde. Das hat sich gewiss nicht falsch verhalten. Die Petition wurde aber vielleicht völlig falsch gestellt. Für mich geht es letztendlich darum, dass im Nachhinein Dinge genehmigt werden, die vorher so niemals genehmigungsfähig gewesen wären.
- Die kommunale Planungshoheit kenne ich sehr wohl. Über die setzt man sich sehr oft in dem Moment hinweg, in dem ein Bürgermeister und ein Landrat der CSU da sitzen. Das wissen wir doch alle.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ehrlich gesagt war es alles andere als leicht, sich in Windeseile durch ein 800 Seiten umfassendes Werk zu arbeiten, dessen Inhalt für die Zukunft unseres Freistaats von so grundlegender Bedeutung ist. Mit Verlaub, sehr geehrte Frau Staatsministerin, wie uns diese seit Jahren überfällige zweite Version des Sozialberichts präsentiert wurde, war nicht nur mehr als knapp, sondern angesichts der alarmierenden Ergebnisse auch unangemessen. Wie soll heute hier angesichts der extrem kurzen Vorbereitungszeit eine fundierte Debatte über die notwendigen Konsequenzen in der Sozialpolitik möglich sein?
Verlässliche und regelmäßige Informationen über Armut und Reichtum in Bayern sind eine Grundbedingung, um zielgenaue Lösungen zu entwickeln, vor allem aber, um Tendenzen rechtzeitig zu erkennen und adäquat und zeitnah darauf reagieren zu können. Wir von den Freien Wählern fragen uns jetzt, was die Staatsregierung mit dieser Verzögerungstaktik bezwecken wollte. Augen zu vor einer längst auch in Bayern nicht mehr zu übersehenden Armut? - Nun ist er aber da - Gott sei Dank -, der Zweite Bericht zur sozialen Lage in Bayern. Auch wenn wir im Bundesvergleich gut dastehen, beweisen die Zahlen und Fakten doch, dass die soziale Kluft tiefer ist als gedacht. Die Armutsspirale drehte sich in den letzten Jahren kontinuierlich weiter: Der Reichtum wuchs - aber die Armut wuchs noch schneller. Schon heute besitzen 60 % der Haushalte nur noch 14 % des Vermögens. Es liegt auf der Hand, dass die Armut angesichts der aktuellen Wirtschaftskrise noch deutlich zunehmen wird, wenn nicht sofort und zielgenau gegengesteuert wird. Wir brauchen umgehend einen wirkungsvollen Aktionsplan zur Bekämpfung und zur Vermeidung von Armut im Freistaat. Die Menschen haben, das ist nachvollziehbar, kein Verständnis dafür, dass Zigmilliarden Euro für die Bayerische Landesbank zur Verfügung gestellt werden, während auf der anderen Seite kein Geld für die Ar
mutsbekämpfung in Bayern locker gemacht werden soll.
Als familienpolitische Sprecherin der Freien Wähler bin ich nach Durchsicht des Sozialberichts mehr als erstaunt darüber, dass Sie, sehr geehrte Frau Staatsministerin, bereits im Vorfeld eine Anhebung der Sozialausgaben ausgeschlossen haben, wie wir alle der Presse entnehmen konnten. Für ein Gemeinwesen ist es verheerend, wenn 8,8 % der Kinder unter 15 Jahren und sogar 12,4 % der 15- bis 25-Jährigen ein überdurchschnittlich hohes Armutsrisiko trifft. Seit 2004 hat sich die Zahl der Kinder, die bereits am Rand des Existenzminimums leben, verdoppelt, und das ohne die Dunkelziffer derer, deren Eltern gerade einmal so viel verdienen, dass sie keinen Anspruch auf staatliche Unterstützung haben und deshalb aus der Statistik fallen.
Gerade im Hinblick auf die Kinder in Bayern ist jetzt gefordert, schnell und mit gezielten Fördermaßnahmen zur Verbesserung der sozialen Situation beizutragen und allen von Armut Betroffenen unter die Arme zu greifen. Denn, meine Damen und Herren, Kinder in Armut aufwachsen zu lassen verletzt ihr Recht auf einen angemessenen Lebensstandard. Es verletzt ihr Recht auf Bildung, ihr Recht auf Gesundheit ebenso wie ihr Recht auf ein harmonisches Familienleben. Vor allem aber verletzt es ihr Recht auf soziale Teilhabe. Kinder, die von Hartz IV leben müssen, sind vom normalen gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Für sie ist vieles tabu, was für andere als selbstverständlich gilt: Musikunterricht, Sportverein, Kinobesuch, Klassenfahrt, sogar die Nachhilfe. Eine Nachhilfestunde kostet um die 35 Euro. 90 Euro pro Jahr kostet die Mitgliedschaft in einem Sportverein. Das sind 90 Euro zuviel für ein Hartz-IV-Kind. Lediglich 1,70 Euro monatlich oder 20 Euro pro Jahr stehen einem Hartz-IVGrundschulkind für Schulmaterial zur Verfügung.
Deshalb muss sich die Staatsregierung sehr wohl Gedanken darüber machen, wie man bei Bezug von Hartz IV beispielsweise durch einmalige Leistungen zur Einschulung oder zum Schuljahresanfang Hilfe gewähren kann. Schulranzen, Turnbeutel, Sportkleidung, Einbände, Hefte, Stifte - da ist man schnell bei 200 Euro. Wie soll das mit einem Kinderregelsatz von knapp über 200 Euro pro Monat bestritten werden? Durchschnittlich geben Eltern hierzulande mehr als das Doppelte, nämlich 450 Euro pro Monat, für ihren Nachwuchs aus. Damit die soziale Kluft nicht noch größer wird, brauchen wir dringend eine Anhebung der Hartz-IV-Sätze für Kinder.
Nur so wird es uns gelingen, die Jüngsten in unserer Gesellschaft aus der Armutsfalle herauszuholen.
Wie wir gerade von Ihnen, sehr geehrte Frau Staatsministerin, erfahren konnten, läge die Armutsrisikoquote in der bayerischen Gesamtbevölkerung ohne soziale Transfers circa doppelt so hoch wie jetzt. Ein Grund mehr, auf diesem Gebiet aktiv zu werden. Kinderarmut, vor allem wenn sie durch Bildungsarmut verstärkt wird, untergräbt die Chancen, sich aus der Armutsfalle zu befreien. Armut bedeutet eben nicht nur einen Mangel an Geld, sondern auch einen Mangel an Chancen. Sie prägt den weiteren Lebensweg. Dies, meine Damen und Herren, zieht zweifelsohne weitreichende Folgen für unsere Gesellschaft nach sich.
Durch das bayerische Schulsystem wird Bildungsarmut erheblich stärker als in jedem anderen Bundesland vererbt. Deshalb fordern wir von den Freien Wählern in erster Linie ein optimiertes Bildungskonzept, das mit verstärkten Anstrengungen bei der Beseitigung von Armutsursachen einhergeht, durch einen schnellen und radikalen Paradigmenwechsel in der Kinder- und Familienpolitik.
Jung oder alt, wer sind die Ärmsten im Land? - Eine provokante, aber nicht abwegige Frage, wenn man den Sozialbericht aufmerksam liest. Wer den Prognosen von Wirtschaftsexperten glauben darf, und wenn man die Zigmillionen Teilzeitbeschäftigten, Geringverdiener, Soloselbstständigen und Alleinerziehenden und HartzIV-Empfänger vor Augen hat, der wird kaum daran zweifeln, dass es vor allem die Seniorinnen und Senioren sind, die in nicht allzu weiter Zukunft vom Armutsrisiko bedroht sind. Keine andere Bevölkerungsgruppe in Deutschland wurde in den letzten Jahren stärker zur Kasse gebeten als unsere Rentner. Nullrunden, magere 0,54 % im Jahr 2007, 1,1 % im vergangenen Jahr die steigende Inflation überschreitet diese minimalen Erhöhungen bei Weitem. Auch die Rentenerhöhung von 2,75 % zu Beginn des Jahres wird nicht verhindern können, dass in Bayern immer mehr Renterinnen und Rentner in Armut geraten. Schon heute liegt das Armutsrisiko bei uns mit 18 % im westdeutschen Vergleich überdurchschnittlich hoch. Wir sprechen hier von älteren Menschen, deren Rente gerade für das Nötigste reicht. Extras, wie ein Ausflug an einen der oberbayerischen Seen oder ein Stück Torte im Cafe, sind da nicht mehr drin. Viele schämen sich für ihre Armut, versuchen sie vor Nachbarn und Bekannten zu verbergen. Geht jedoch der Herd kaputt, stehen sie vor unlösbaren Problemen. Gerade in einem Land wie Bayern, einem Land mit großen Möglichkeiten, wirkt sich die Armut für die Betroffenen besonders schmerzhaft aus. Gegen eine Inanspruchnahme der Grundsicherung spricht bei älteren Menschen oft Unkenntnis und ein Unbehagen gegenüber der Bürokratie sowie eine Überforderung
und die Angst vor einem Regress gegenüber den Angehörigen. Hier ist Aufklärung und Entbürokratisierung notwendig.
Das zukünftige Risiko von Altersarmut lässt sich unbestritten nicht exakt quantifizieren. Ebenso unbestritten ist es aber auch, dass Arbeitsarmut deutlich steigen wird, wenn jetzt vonseiten der Staatsregierung nicht massiv gegengesteuert wird. Natürlich kann die Einkommens- und Vermögensentwicklung der Senioren mit landespolitischen Maßnahmen relativ wenig unmittelbar beeinflusst werden. Gerade deshalb brauchen wir in Bayern eine leistungsfähige Sozialpolitik, die ausreichend Sicherheit für das Alter garantiert und gegen existenzielle Risiken absichert.
Armutsbekämpfung muss freilich in erster Linie auf europäischer und auf Bundesebene erfolgen. Darüber, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir uns wohl alle einig. Aber es ist Aufgabe der Landespolitik, die Folgen von Armut zu minimieren, heute und für die Zukunft der Betroffenen, der jüngsten und der ältesten Bürgerinnen und Bürger.
Während finanzielle Not noch vor einigen Jahren ein vorübergehender Zustand gewesen ist, wird sie heute für manche zum Dauerzustand, und das ist beängstigend. Deshalb muss eine fundierte Armutsforschung stärker in den Fokus rücken. Wir brauchen so etwas wie einen Armutsbeauftragten, der wertvolle Koordinierungsmaßnahmen leisten könnte zwischen Sozialpolitik, Arbeitsmarktpolitik, Gesundheitspolitik und Bildungspolitik gleichermaßen.