Protokoll der Sitzung vom 22.10.2009

Unser Konzept lautet kurz und knapp: Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien verbessern und nicht dauernd über die Verlängerung der Restlaufzeiten für Atomkraftwerken diskutieren.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Vielen Dank, Herr Kollege. Für die CSU-Fraktion hat Herr Reiß um das Wort gebeten. Bitte schön.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir über die Laufzeit der Kernkraftwerke diskutieren, dann müssen wir zunächst zur Kenntnis nehmen, dass die fünf bayerischen Kernkraftwerke in Bayern den Strombedarf in unserem Land zu 60 % decken. Nach den im geltenden Atomgesetz festgelegten Rahmenbedingungen und Reststrommengen sind diese Kraftwerke innerhalb der nächsten 11 Jahre vom Netz zu nehmen.

Ich unterstelle, dass wir in dieser Zeit die bestehende Spitzenposition Bayerns bei der Nutzung der Biomasse, der Wasserkraft, der Sonnenenergie und der Geothermie weiter ausbauen werden und auch die Windkraftnutzung zu nehmen wird. Ich unterstelle weiterhin, dass wir das im Koalitionsvertrag vereinbarte ehrgeizige Ziel, den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung bis 2020 auf 30 % zu steigern, womöglich sogar übertreffen werden.

Doch auch, wenn uns das gelingt, bleibt im Grundlastbereich eine immense Deckungslücke. Eine schwere Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit in Bayern wäre die Folge. Eine verantwortungsvolle Politik sollte

unserer Industrie und der Bevölkerung in Bayern schon erklären können, wie wir bei der stark schwankenden Einspeisung aus Wind und Sonne die Stromversorgung auch an trüben, windlosen Dezembertagen und -nächten sicherstellen wollen. Auch wenn die Einzelheiten der Koalitionsverhandlungen über die Grundsätze der Energiepolitik noch nicht vorliegen, können Sie davon ausgehen, dass die Koalition in Berlin einen großen Schwerpunkt auf die regenerativen Energien legen wird, und das auch ohne Ratschläge der bayerischen Opposition, auch wenn Sie sich natürlich wünschen, dort mitmischen zu können.

Die künftige Koalition will hin zu einer Versorgung mit alternativen Energien. Bis diese jedoch in ausreichendem Maße und Umfang möglich ist, muss die Zeit ideologiefrei überbrückt werden. Dafür wird eben auch die Kernenergie als Übergangstechnologie mit der Zielsetzung benötigt, dass sie irgendwann verzichtbar ist.

Wir brauchen ein energiepolitisches Gesamtkonzept, und zwar - anders, als es im SPD-Antrag nicht nur bezogen auf die erneuerbaren Energien heißt - ohne ideologische Scheuklappen für alle Energieträger. Konkret heißt das: Es gilt, die Modernisierung des Kraftwerkparks und den Ausbau der erneuerbaren Energien miteinander zu verknüpfen und neue zukunftsfähige Strukturen zu schaffen. Des Weiteren müssen alle Anstrengungen unternommen werden, die Verbesserung der Energieeffizienz voranzutreiben. Ein breiter Energiemix, der die Vorteile der verschiedenen Energieträger nutzt und intelligent miteinander verbindet, bildet hier die Grundlage. Die erneuerbaren Energien werden hierbei eine immer wichtigere Rolle spielen. Sie sind ein unverzichtbarer und stetig weiter wachsender Bestandteil unserer Energieversorgung.

Über die Laufzeiten der Kernkraftwerke und die Frage der Abführung etwaiger Zusatzgewinne muss mit den Betreibern der Kernkraftwerke ergebnisoffen verhandelt werden. Hier ist auch die Option in die Verhandlungen einzuführen, notfalls am Ausstieg festzuhalten, wenn sich die Konzerne weigern, einen spürbaren Anteil der aus der Laufzeitverlängerung resultierenden Dividende für Zukunftsinvestitionen zur Verfügung zu stellen. Werden die hier zu erwartenden Milliarden in die Weiterentwicklung der erneuerbaren Energien investiert, heißt das mittelfristig: Weniger Kohle, weniger Kernenergie, aber mehr Wind, Wasser, Biomasse und Solar. Das bedeutet aber auch, dass Fragen der Netzintegration, einer bedarfsorientierten Einspeisung, einer intelligenten Steuerung und Vernetzung sowie von Speichermöglichkeiten stärker in den Vordergrund rücken müssen. Wir sollten den Mut zu einem unbefangenen Energiedialog finden. Unserem Land würde es gut tun, was auf die drei vorliegenden Anträge nicht zutrifft. Deshalb werden wir sie ablehnen.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege, danke. Herr Wörner hat gebeten, eine Zwischenbemerkung machen zu dürfen.

Herr Kollege, wir müssen uns einmal über den Begriff Ideologie und ideologiefrei unterhalten. Ideologen sind Menschen, die an etwas festhalten. Die SPD hat sich in der Frage der Kernenergie deutlich gewandelt. Wer ist nun der Ideologe: Derjenige, der festhält, so wie Sie, oder diejenigen, die gemerkt haben, dass es ein Fehlweg war und einen neuen Weg versuchen? Das müssen Sie für sich selber beantworten.

Zweitens, Sie malen auch wieder das Bild: Die Lichter gehen aus. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass die Stadtwerke München nachweisen, dass sie genügend regenerative Energien erzeugen, um die Haushalte der Stadt München mit regenerativen Energien zu versorgen. Das geht, wenn man will, bei Ohu II bis zum Ende der Laufzeit sehr wohl. So ist es geplant und nachvollziehbar, weil wir von zuverlässigen Daten ausgehen.

Drittens: Wenn Sie nach Geld suchen, um die regenerativen Energien zu fördern - denn Sie wollen die Energieerzeuger mehr oder weniger zwingen -, dann sage ich Ihnen noch einmal: Eine Steuerersparnis von 320 Millionen Euro verbuchen die Kernkraftwerksbetreiber bei Zinsen, die sie aus den Rückstellungen gewinnen. Holen Sie sich doch die 320 Millionen! Seien Sie doch nicht so feige; die kriegen Sie heute schon. Jeder hier drinnen muss für die Zinsen, die er bekommt, 25 % Steuern zahlen. Warum nicht die Energieerzeuger, die Geld ohne Ende haben?

(Thomas Hacker (FDP): Déjà vu!)

So sollte man das Ding einmal aufzäumen, dann kommen wir gleich einen Schritt weiter.

Wir hätten vielleicht die Diskussion auch so führen können, dass wir uns auf heute Vormittag, auf die letzten vier Stunden konzentriert hätten und dass jeder auf das Protokoll verwiesen hätte; denn am Sachverhalt hat sich in der Zwischenzeit nicht allzu viel geändert.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU und der FDP)

Dann hätten wir die anderen Dringlichkeitsanträge vielleicht mit durcharbeiten können.

Nicht nur derjenige agiert politisch ideologiefrei, der nicht an alten Überzeugungen festhält, sondern auch derjenige, dessen Überzeugungen sich als die pragmatischeren und besseren Lösungen erweisen,

(Beifall des Abgeordneten Dr. Thomas Goppel (CSU))

der in die Zukunft agiert und dem Land einen Vorteil verschafft. In diese Richtung sollten wir gemeinsam weiterdiskutieren, um auch energiepolitisch weiterzukommen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Für die FDP hat Herr Thalhammer um das Wort gebeten. Bitte schön.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lieber Herr Wörner, auch ich kann nahtlos an meinen Vorredner anknüpfen. Aber anders als Sie werde ich nicht alles wiederholen, was soeben schon gesagt wurde. Ich werde auch nicht wiederholen, was wir bereits an gleicher Stelle zum selben Ansinnen vor vier Stunden gesagt haben. Ich werde auch nicht wiederholen, was wir das letzte Mal im Umweltausschuss und das letzte Mal im Plenum hierzu gesagt haben.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Thomas Beyer (SPD))

Ich bin sehr sicher, dass Sie mir nächste Woche mit Ihrem Ansinnen erneut die Chance geben werden, Ihnen zu erklären, dass das Konzept der FDP die Stärkung der erneuerbaren Energien ist und dass wir die Kernenergie als Brückentechnologie ansehen. Selbiges habe ich bereits vor vier Stunden an dieser Stelle gesagt. Zwei Mal am Tag muss das Ganze - auch im Sinne der Plenardisziplin - nicht sein.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CSU - Zuruf des Abgeordneten Ludwig Wörner (SPD))

Es wurde von der CSU-Fraktion zu allen drei Anträgen namentliche Abstimmung beantragt, die wir aber nach der Geschäftsordnung erst in 15 Minuten durchführen können.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist ein trauriger Haufen! - Thomas Hacker (FDP): Aber es ist schön, dass wenigstens die SPD fröhlich ist!)

- Wir sind alle ganz souverän ob dieses Antrages und nehmen ihn zur Kenntnis.

(Unruhe)

Wir werden deswegen in der Tagesordnung erst einmal fortfahren, bevor wir in die namentliche Abstimmung eintreten können.

Ich gebe zwischendurch das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Antrag der Mehrheitsfraktionen CSU und FDP auf Drucksache 16/2370, "Strukturmaßnahmen für die Region Nürnberg nach dem Aus für Quelle voranbringen", bekannt. Mit Ja haben 137 Abgeordnete gestimmt. Kein Abgeordneter hat mit Nein gestimmt. Es gab 20 Stimmenthaltungen. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 3)

Die namentliche Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag der SPD, "Das Aus für Quelle: Ein Fiasko für die bayerische Wirtschaftspolitik", Drucksache 16/2371, hat 34 Ja-Stimmen und 83 Nein-Stimmen gebracht. Es wurden 35 Stimmenthaltungen gezählt. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 4)

Die namentliche Abstimmung des Dringlichkeitsantrags der Abgeordneten Aiwanger, Schweiger, Muthmann und anderer und Fraktion Freie Wähler, betreffend "Quelle - Konzepte vorlegen", Drucksache 16/2372, hat 153 Ja-Stimmen ergeben. Mit Nein hat niemand gestimmt. Es gab eine Stimmenthaltung. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 5)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 7, Dringlichkeitsantrag Nummer 5 auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Hacker, Karsten Klein, Prof. Dr. Georg Barfuß u. a. und Fraktion (FDP) Steuerungs- und Gestaltungspotenzial der Doppik nutzen (Drs. 16/2374)

Ich eröffne die Aussprache. Erste Wortmeldung: Herr Prof. Dr. Barfuß, bitte.

Frau Präsidentin, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ich bedaure, dass der Kollege Beckstein nicht mehr da ist, denn 1993 habe ich ihn zusammen mit Herrn Plamper von der Stadt Nürnberg aufgesucht und gebeten, er möge doch der Stadt Lauingen mit 11.000 Einwohnern das Recht einräumen, für die Erprobung der Doppik eine Pilotgemeinde zu sein. Selbstverständlich hätten wir das, was wir dort erarbeitet hätten, allen Kommunen zur Verfügung gestellt, damit wir wieder vorankommen. Ich freue mich aber trotzdem, dass 2003 die Innenministerkonferenz den Beschluss gefasst hat, dieses Rechnungswesen einzuführen, und zwar in 12 von 16 Bundesländern; auch Bayern hat hier zugestimmt.

Warum bitten wir heute um einen Bericht der Staatsregierung? Wir sind überzeugt, dass das, was wir zurzeit in unserer Wirtschaft und unserer Gesellschaft erleben, mit einem vernünftigen Rechnungswesen nicht passieren würde; Stichwort: Bilanzwahrheit und -klarheit. Einen Schattenhaushalt, wie jetzt in Berlin angestrebt, könnte es mit einer Doppik nicht geben.

(Beifall der Abgeordneten Margarete Bause (GRÜ- NE))

Aber auch die dritte Seite einer normalen Bilanz ist überflüssig. Entweder gilt das Wort der Wahrheit und Klarheit, oder es gilt nicht. Insofern müssen wir beide Systeme reformieren. Damit will ich nicht sagen, dass das eine schlecht und das andere gut wäre, sondern beide Systeme sind reformbedürftig. Wenn wir es nicht wieder schaffen, dass der normale Bürger sehen kann, wie es um seine Stadt, um seinen Landkreis, um seinen Staat steht, dann ist alles nur Augenwischerei. Dann hat er auch keine Chance, sich rational zu verhalten. Deswegen glauben wir, dass mit der Einführung der Doppik Folgendes erreicht werden könnte: Es können nicht nur die Geldflüsse gemessen werden - das kann die Kameralistik auch, und zwar sehr gut und detailliert -, sondern eben auch die Veränderungen. Ich habe seinerzeit schon Herrn Minister Dr. Beckstein gesagt: "Herr Minister, Sie wissen nicht mal, ob Sie in dem Haus, in dem Sie sitzen, die Abschreibung verdienen." Er hat mich dann angeguckt. Er wusste es wirklich nicht, und er kann es auch gar nicht wissen, weil die Kameralistik so etwas nicht vorsieht. Ich habe es dann bei meiner Stadt selber in die Hand genommen. Das ist ziemlich traurig, weil es abgelehnt wurde. Wir haben dann Kosten- und Leistungsrechnungen und eine Budgetierung eingeführt und sind hier sehr weit gekommen. Und siehe da, alle Ressourcenverantwortlichen haben gelernt, mit diesen Mitteln besser umzugehen. Die zweite Geschichte wäre, dass die Vermögensveränderungen für jedermann von Jahr zu Jahr sichtbar werden. Was kann die Bevölkerung schon wissen, wenn wir 1,6 Billionen Schulden haben? Wo steht bitte, dass noch einmal 3 Billionen Ansprüche an die Renten- und Pensionskassen hinzukommen? Da muss man wirklich einmal sagen: Hierzu bedarf es eines Rechnungswesens, das es besser macht. Komischerweise hat der Staat zum Beispiel für die Kommunen vorgeschrieben, dass diese für die Beamten Rückstellungen machen müssen. Das ist Gott sei Dank so, denn sonst hätten wir die gleichen Probleme wie der Staat. Der Bayerische Versorgungsverband sorgt dafür, dass die Kommunen das nicht machen. Der Staat wird große Schwierigkeiten damit haben, seine Pensionen rechtzeitig zu bezahlen, besonders in der Zukunft.

Ein weiterer Punkt wäre, dass für die meisten Menschen, die halbwegs wirtschaftlich gebildet sind, Be

griffe wie "GuV" oder "Bilanz" durchaus etwas aussagen, während dies die Kameralistik nicht tut.

Bei kostendeckenden Einrichtungen arbeiten wir als Öffentlich-Rechtliche ohnehin mit der Doppik. Warum sollten wir es dann nicht ganz machen? Herr Staatsminister, meine Bitte wäre, dass wir den gleichen Schwung, den wir zurzeit beim neuen Dienstrecht haben, auf dieses Thema übertragen. Mir wäre daran gelegen, dass der Staat unser Petitum aktiv unterstützt und nicht nur sagt, mir ist es wurscht, macht was ihr wollt, ihr könnt es gerne tun. Nein, es gilt, dass Sie ein Signal setzen und erkennen, dass diese Doppik vernünftig ist; denn wäre - ehrlich gesagt - der Staat ein Privatmann, müsste er längst wegen Konkursverschleppung dies Ganze anzeigen, weil die meisten unserer Kommunen oder auch manche Staaten pleite wären. Dass es Bayern besser geht, ist kein Trost. Das ändert nichts am System.