Protokoll der Sitzung vom 26.11.2009

Frau Will, bleiben Sie bitte noch kurz am Rednerpult, da an Sie noch Fragen gerichtet werden.

Zuvor darf ich bekanntgeben: Für den Antrag der Fraktionen der CSU und der FDP sowie für den Antrag der GRÜNEN ist jeweils namentliche Abstimmung beantragt worden.

Herr Kollege Goppel, bitte schön.

Frau Kollegin Will, ich glaube, wir sind uns alle in diesem Hohen Hause einig, dass das Bologna-Thema kein Thema für den Bayerischen Landtag, sondern für die Parlamente der Mitgliedsländer der EU ist, die dafür zuständig sind.

Wir Europäer haben in dieser Frage einen entscheidenden Fehler gemacht. Wir haben gemeint, dass wir die europäische Struktur in englische Verhältnisse pressen und dabei zu den gleichen Konditionen mit denselben Vorgaben weitermachen können, die wir davor erreicht hatten.

Die ersten Durchläufe waren notwendig, um zu erkennen, dass solche Entscheidungen auch Fransen erzeugen, die man im Lauf der Zeit wegarbeiten muss. Beim Wegarbeiten von Fransen entstehen natürlich auch Kosten.

Wesentlich ist Folgendes: Zu dem Zeitpunkt, als wir anfingen, unsere sechs- und siebensemestrigen Bachelor-Studiengänge und die drei- und viersemestrigen Master-Aufbaustudiengänge einzuführen, haben die Amerikaner ihre Studiengänge ausgedehnt, weil sie gemerkt haben, dass sie mit unserem wissenschaftlichen Standard nicht konkurrieren können. Die Amerikaner

haben inzwischen einen achtsemestrigen Bachelor; bei uns ist er nach sechs bzw. sieben Semestern erreicht. Den Unterschied müssen wir aufarbeiten, indem wir entweder die Inhalte entrümpeln oder Geld aufmörteln.

Ich würde es gern hören, wenn alle Beteiligten und jeder unserer Sprecher dies laut zum Ausdruck bringen. Denn ich glaube, nur dann können wir ehrlich diskutieren. Das gegenseitige Geplänkel hilft nichts. Die oberflächliche Fragestellung der Freien Wähler ist ein Jahr alt, während die anderen Gedanken schon vor fünf Jahren ansetzen. Aber die Zukunft entscheidet, nicht die Vergangenheit.

Ich wäre sehr dankbar, wenn Sie dazu noch etwas sagten.

Genauso ist es. Ich kann es nur bestätigen. Ich habe eingangs gesagt, dass der Prozess jetzt zehn Jahre läuft. Bei den Informationen aus den USA müssen wir berücksichtigen, dass die Bedingungen dort ganz anders sind. Es geht nicht an, deren Regelung im Verhältnis 1 : 1 zu übernehmen.

Der Herr Minister hat heute früh schon angesprochen, wie die Verhältnisse zu beurteilen sind. Da ging es einmal um die Kosten und zum anderen um die StudentenProfessoren-Relation. Letztere ist in den USA eine ganz andere als bei uns. Die andere Relation können wir in der gegebenen kurzen Zeit natürlich nicht erreichen.

Dass wir von der Qualität her nachbessern und etwas weglassen müssen - von Überfrachtetem muss man etwas weglassen und dann Neues hinzufügen - und damit die Möglichkeit schaffen müssen, in bestimmten Studiengängen - nicht in allen - von sechs auf acht Semester zu kommen, halte ich für eine Selbstverständlichkeit.

In anderen europäischen Ländern wie in Dänemark und anderen nordischen Ländern sind die Möglichkeiten schon fast optimal umgesetzt. Aber in der Bundesrepublik fehlt die Möglichkeit, dass einzelne Fakultäten sagen: Wir überlegen uns, wie wir die Vorgaben optimal umsetzen können.

Ich finde es toll, dass bei uns diese Freiheit jetzt gegeben ist. Damit haben wir auch eine Verantwortung. Wenn ich die Möglichkeit habe, selbst etwas zu verändern, kann ich nämlich nicht sagen, wenn uns etwas nicht passt, sind die da oben und die anderen schuld.

Einen kleinen Moment, Frau Kollegin Will. Es gibt noch eine Zwischenbemerkung. Herr Kollege Piazolo.

Frau Kollegin, Sie wissen doch sicherlich auch, dass die FDP an der Regierung ist. Insofern wollte ich Sie zum Ersten fragen, ob Sie das, was Sie eben gesagt haben, auch wirklich ernst nehmen. Sie sagten, zuerst wollten Sie die Kindergärten kostenfrei stellen. Da frage ich Sie: Wann tun Sie das? Sie können es ja, da Sie an der Regierung sind.

Und das Zweite: Wenn das geschehen ist, sagten Sie, gingen Sie die Studienbeiträge an. Diesen Zusammenhang haben Sie dargestellt, und da möchte ich doch gerne eine konkrete Zeitschiene, einen Zeitplan, ab wann das Kindergartenjahr frei ist und ab wann die Studiengebühren abgeschafft werden.

(Hubert Aiwanger (FW): Sicherlich vor 2013! - Beifall bei den Freien Wählern)

Sie können ruhig klatschen; denn das ist eine tolle Ansage. Da gibt es doch nichts zu klatschen. Ich kann nur sagen, Sie haben das alles total missverstanden.

(Hubert Aiwanger (FW): Deshalb fragen wir ja nach!)

Ich kann mich gern wiederholen; ich weiß ganz genau, was ich gesagt habe. Ich habe gesagt, ich rede erst wieder über Studiengebühren, wenn wir die Kindertagesstätten kostenfrei haben.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Wann ist das denn?)

Da würden wir - wie im Koalitionsvertrag vereinbart - mit dem letzten Kindergartenjahr beginnen, und zwar in der zweiten Legislaturperiode.

(Anhaltende Zurufe von den Freien Wählern und den GRÜNEN)

Ich würde es am liebsten von heute auf morgen, sofort, machen.

(Hubert Aiwanger (FW): Dann können wir das ja schon morgen angehen!)

- Ja, ich würde es sofort machen. Ja, jetzt bitte klatschen, klatschen, klatschen. Ich würde es sofort machen.

(Zurufe von den Freien Wählern)

Die Problematik ist, dass das nicht so einfach geht. Denn es kostet Geld. Deswegen reden wir über Geld. Wir können das eine erst überlegen, wenn das andere bereits geschehen ist. Und da habe ich bestimmte Prioritäten.

(Markus Rinderspacher (SPD): Bei uns gibt es die auch! - Hubert Aiwanger (FW): Das dauert alles viel zu lange!)

Ob es dann noch zeitgemäß ist, in vielen, vielen Jahren überhaupt noch über Studiengebühren zu diskutieren, weil es dann alle haben, ist eine andere Frage.

Übrigens kommen viele Studenten zu uns nach Bayern, obwohl wir Studiengebühren haben und die brauchen wir auch noch.

Am liebsten wäre mir natürlich, wenn wir am Ende der Legislaturperiode so weit wären, dass wir das letzte Kindergartenjahr kostenfrei und verpflichtend machen könnten, damit wir ein echtes Vorschuljahr hätten.

(Hubert Aiwanger (FW): Das ist eine tolle Aussage zum Mitschreiben!)

Das wäre mein großer Wunsch.

(Beifall bei der FDP - Hubert Aiwanger (FW): Unsere Unterstützung ist Ihnen sicher!)

Vielen Dank, Frau Kollegin Will. Für die SPD äußert sich jetzt Herr Kollege Dr. Rabenstein.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst ein Wort zur Vorrednerin und zu der Zwischenbemerkung von Herrn Minister a. D. Dr. Goppel, der jetzt gerade telefoniert. Herr Dr. Goppel, natürlich ist es ein europäischer Prozess und ein Prozess, der die Bundesrepublik betrifft, aber darüber hinaus auch den Freistaat Bayern. Und da waren Sie an verantwortlicher Stelle; Sie haben das Ganze umgesetzt. Deswegen verstehe ich nicht ganz, warum Sie jetzt diese kritischen Einwände machen.

(Beifall bei der SPD)

Dafür fehlt mir jedes Verständnis.

Wir haben in unseren Dringlichkeitsanträgen entsprechende Maßnahmen, die sicherlich dringend notwendig sind und umgesetzt werden müssten. Allerdings warne ich davor zu denken, wenn wir jetzt die eine oder andere Kleinigkeit ändern, haben wir insgesamt etwas erreicht.

Es ist schon gesagt worden: Der Prozess, der sowohl von den Studenten als auch von Schülern kritisiert wird, geht tiefer. Die Bologna-Blase ist geplatzt. So hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung in dieser Woche in einem Artikel einen Gedanken überschrieben, den ich etwas vertiefen möchte. Der Artikel hat mich nachdenklich gemacht. Der Autor Heike Schmoll vergleicht das Scheitern des Bologna-Prozesses mit der Finanzkrise und er kommt zu dem Schluss, dass die Kommerziali

sierung der beiden Systeme Verursacherin der beiden großen Probleme darstellt. Ich zitiere:

Nachdem Hochschulpolitiker und Wissenschaftsmanager jahrelang den Superlativ vergewaltigt und von einer Exzellenz zur nächsten getaumelt waren, genügt es nun nicht mehr, ein paar Studienpläne nachzubessern.

So dieser kritische Kommentar.

Ich warne also davor, nur ein paar Stellschrauben zu verändern und zu glauben, die Welt in den Hochschulen wäre dann wieder in Ordnung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was wir brauchen, ist ein grundlegender Systemwechsel.

Im Mittelpunkt steht meiner Meinung nach der mündige Mensch, der selbst entscheiden kann, wo er seine Schwerpunkte setzt. Das gilt vor allem auch beim Studium an der Hochschule. Der Einzelne muss entscheiden, was er will und wie er das erreichen kann.

Damit ich hier nun nicht falsch verstanden werde: Ich bin auch für ein zielstrebiges Studieren und ein Studium, das entsprechend berufsorientiert ausgerichtet sein muss. Wir brauchen natürlich daneben auch eine exzellente Lehre und Forschung.

Das erreichen wir aber nur mit kritischen Studenten,