Protokoll der Sitzung vom 16.12.2009

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Unseren fleißigen und aufmerksamen Mitarbeitern in der Fraktion ist es zu verdanken, dass wir als Erste entdeckt haben, was über die Änderung des Bayerischen Pressegesetzes und anderer Gesetze angerichtet werden soll. Wir haben daraufhin den Kontakt mit den Gewerkschaften und anderen Arbeitnehmervertretungen gesucht und haben uns erlaubt, uns zu dieser Causa kritisch zu stellen. Tatsächlich ist es so, dass hier ohne Not in vorauseilendem Gehorsam eine bewährte Regelung gekippt werden soll.

Zwar handelt das sogenannte Rüffert-Urteil einen Sachverhalt ab, der, was die gesetzliche Regelung, die niedersächsische Tariftreueregelung, betrifft, sehr nah an unserer gesetzlichen Regelung ist, die wir im Jahr 2007 mit dem Bayerischen Bauaufträge-Vergabegesetz gemeinschaftlich beschlossen haben. Durch das Urteil wird aber das bayerische Gesetz nicht automatisch aufgehoben, es ist damit nicht automatisch nichtig.

Einen Satz zum Rüffert-Urteil. Es ist sehr interessant, wer da geklagt hat. Es hat nämlich nicht ein Bauunternehmer geklagt, welcher nicht zum Zuge gekommen wäre, sondern es hat der Insolvenzverwalter eines Generalunternehmers geklagt, dessen polnischer Subunternehmer sich beim Bau eines Knastes in Niedersachsen nicht an die Tariftreuebestimmungen gehalten hat. - Klar, der Insolvenzverwalter wollte in dem Fall die Masse mehren, er hat bedauerlicherweise recht bekommen.

Aber, Kolleginnen und Kollegen, fragen Sie doch einmal ab und recherchieren Sie die Lage in Bayern. Zu dem Zeitpunkt, als auch die Staatsverwaltung die entsprechende Regelung praktiziert hat, haben wir eben keine Probleme mit der Vergabekammer und den Gerichten gehabt. Die Staatsverwaltung hat dann auf den entsprechenden Ukas hin die Praxis eingestellt, aber

sehr viele Kommunen haben die Praxis beibehalten und keine Probleme mit klagenden Bewerbern bekommen, die nicht zum Zuge gekommen waren.

Herr Kollege Huber hat es angesprochen, Ende der Neunzigerjahre war Bayern mit dem Beschäftigungspakt mal wieder vorne. Die Tariftreue- und Nachunternehmererklärung, die später in Gesetzesform gefasst worden ist, wurde groß gelobt. Es gab dann jede Menge Hickhack zu der entsprechenden Regelung. Das Ganze wurde bei der Berliner Tariftreueregelung durchexerziert. Da gab es viele Gerichtsurteile bis zum Bundesverfassungsgericht. Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, die Regelung ist zulässig, weil sie keinen Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit darstellt. Die Regelung ist auch deswegen zulässig, weil der Bund von seinem Recht nicht Gebrauch gemacht hat und deswegen in Deutschland die Länder eine entsprechende Grundlage schaffen dürfen.

Es gab früher vier EU-Vergaberichtlinien, jetzt sind es nur noch zwei. Alle diese Richtlinien haben niemals Tariftreueregelungen ausgeschlossen. Es war nur eine gesetzliche Grundlage notwendig - national, aber bei uns hat sie, wie gesagt, auch auf Landesebene geschaffen werden dürfen. Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts hat unsere Fraktion noch einmal angezogen. Wir haben Gesetzentwürfe präsentiert, und in etwas abgeschwächter Form wurde unser Vorschlag mit großer Mehrheit beschlossen. Es gab gute Gründe; wir hatten gute Motive, und, wie gesagt, es gab eine breite Unterstützung für die Neufassung des bayerischen Gesetzes 2007.

Jetzt gibt es die Ansage der Staatsregierung - das haben wir zuletzt im Europaausschuss gehört -, wir hätten doch viele gute Regelungen, um eine angemessene Bezahlung gerade auf dem öffentlichen Bausektor zu sichern. Ich erinnere bloß daran, dass wir uns im letzten Jahr mit Fällen auseinandergesetzt haben, in denen allenfalls Hungerlöhne gezahlt wurden, teilweise nicht mal diese. Es wurde an öffentlichen Baustellen sittenwidrig an Recht und Gesetz vorbei gehandelt. Bauherr war die öffentliche Hand. Trotzdem ging so etwas durch.

Zum Rüffert-Urteil ist zu sagen, dass gerade Sie, meine Damen und Herren von der CSU, der Meinung sind, dass das Bundesverfassungsgericht gestärkt werden müsse im Verhältnis zum Europäischen Gerichtshof. Ich darf in diesem Zusammenhang an die Debatte im letzten Sommer zu Europa erinnern. Ich frage deshalb, ob wir es hinnehmen müssen, was die Zweite Kammer des EuGH in der Causa Niedersachsen vorgesetzt hat. Wir meinen Nein. Das zum Beispiel war ein Punkt, zu dem man fragen konnte, wie es das Verfassungsgericht mit den Solange-Urteilen hält.

Ich erinnere an dieser Stelle an einen ganz großen Erfolg des Bayerischen Landtags. Wir haben vor zwei Jahren fraktionsübergreifend einen Antrag betreffend die ausbeuterische Kinderarbeit debattiert. Er nannte sich nur so, aber im Antrag war viel mehr enthalten. Unter anderem war enthalten, dass die Kommunen aufgefordert werden, ähnlich zu handeln und die Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger in Bayern aufgefordert werden, fair nachzufragen und zu beschaffen. Enthalten war die Forderung an den Bund, dafür zu sorgen, dass zweifelsfrei ökologische und soziale Kriterien in den öffentlichen Nachfrage- und Beschaffungsvorgängen eine wichtige Rolle spielen dürfen. Auf Beschluss des Bayerischen Landtags hat der Bund das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts geschaffen und § 97 Absatz 4 des Gesetzes gegen Wett bewerbsbeschränkungen - GWB - geändert. Innovation, Ökologie und Soziales dürfen Inhalt sein.

Die bewährte bayerische Regelung würde abgeschafft werden, würde das Bayerische Bauaufträge-Vergabegesetz aufgehoben werden. Wir meinen, andere Wege wären zielführend. Kollege Dr. Wengert hat sie aufge führt. In anderen Bundesländern, wie in Bremen, gibt es ein Gesetz zur Änderung des Vergabegesetzes für das Land Bremen, das eine entsprechende TariftreueRegelung enthält. Die CDU hat mitgestimmt. Sie haben zwar "Bauchweh" angemeldet, aber trotzdem mitgestimmt.

Da noch Zeit ist und das Thema Tariftreue nicht nur den öffentlichen Bau betreffen sollte, will ich einen kleinen Schlenker zum Nahverkehr machen. Auch dazu ist interessant, dass die Staatsregierung den Kommunen als Aufgabenträger für den allgemeinen ÖPNV - den Busverkehr - empfiehlt, die Tariftreue abzufragen. Gleichzeitig hindert sie die Bayerische Eisenbahngesellschaft das Gleiche für den Schienenpersonennahverkehr zu tun.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das ist eine Sache, die wir so nicht hinnehmen sollten. Beim öffentlichen Nahverkehr ist es noch viel klarer, weil die Richter im Rüffert-Urteil gesagt haben, wenn alle Nachfrager einer Leistung eine entsprechende Regelung hätten, sei das nicht angreifbar, denn es gehe um wichtige Güter, nämlich um den Arbeitsmarkt und die soziale Sicherung. Es wurde ausgeführt, das Ganze sei anzugreifen, weil es sich nur um die öffentliche Hand drehe und sehr viele Bauaufträge von anderen kämen. Diese Rechtsprechung ist nicht überzeugend.

Fazit ist: Bitte entschließen Sie sich dazu, § 6 aus dem Gesetzentwurf zur Änderung des Pressegesetzes und anderer Gesetze herauszunehmen. Sonst können wir ihm nicht zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Es geht um ein wichtiges Signal, das wir setzen sollten: Bitte keinen vorauseilenden Gehorsam zulasten der sozialen Sicherung und der Arbeitnehmer in Bayern.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Herr Kollege, es gibt eine Zwischenintervention von Herrn Dr. Wen gert.

Herr Kollege Runge, Sie haben das Rüffert-Urteil zitiert. Können Sie bestätigen, dass es nicht um die Klage eines abgewiesenen Unternehmens - also die Ausschließung vom Angebot gegangen ist, sondern um die Höhe der von der Landesregierung festgesetzten Vertragsstrafe, weil der polnische Subunternehmer nicht nur nicht nach Tarif zahlte, sondern sogar weniger als die Höhe des Mindestlohntarifs? Und können Sie bestätigen, dass die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs im Gegensatz zu denen des Bundesverfassungsgerichts keine Allgemeinverbindlichkeit nach sich ziehen, und in diesem Fall lediglich der Fall an das OLG Celle zurückgegeben worden ist zur erneuten Entscheidung über die Höhe der Strafzahlung?

Geschätzter Herr Kollege Wengert! Selbstverständlich bestätige ich das gerne. Ich habe dazu schon ausgeführt, dass zum einen unser Gesetz mit dem Urteil nicht automatisch aufgehoben sein muss und auch nicht ist. Ich habe die Worte "vorauseilender Gehorsam ohne Not" gewählt. Die Staatsregierung will so handeln, wie wir das nicht wollen.

Sie haben zu Recht ausgeführt, dass es im Grunde nicht hinnehmbar sei, dass die Anweisung an die öffentlichen Auftraggeber ergeht, obwohl der Landtag noch nichts anderes beschlossen hat. Dies sollten wir im Landtag kritisch sehen und behandeln.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum Sachverhalt: Sie finden das Rüffert-Urteil in Anträgen und Publikationen von uns. Wir haben darin immer wieder betont und ausgebreitet, dass es kein abgewiesener Mitbewerber, sondern der Insolvenzverwalter war, der die Masse mehren wollte und der mit der Konventionalstrafe insgesamt und vor allem mit ihrer Höhe nicht einverstanden war. Damit wurde die niedersächsische Regelung insgesamt angegriffen. Ich wiederhole noch einmal: Für uns heißt das noch lange nicht, dass wir unser Gesetz sofort "kassieren" müssten.

Herzlichen Dank für die Zwischenintervention.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Die nächste Wortmeldung stammt von Herrn Dr. Kirschner. Bitte.

Wertes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Los des fünften Redners ist es, sich kurzzufassen.

(Hans Joachim Werner (SPD): Die FDP ist fast immer die Fünfte!)

- Ja, fast immer.

(Tobias Thalhammer (FDP): Man kann das Feld auch von hinten aufrollen!)

Meine Vorredner haben die Dinge bereits auf den Punkt gebracht. Es gibt nur einen wesentlichen Punkt, in dem wir uns unterscheiden. Im Wirtschaftsausschuss haben wir dieses Thema unterschiedlich diskutiert und verbeschieden. Ich gestehe, sehr geehrter Herr Wengert, dass mir nicht bekannt war, dass es in Hannover ein neues Gesetz gibt. Das wusste ich nicht. Dazu stehe ich. Inzwischen habe ich es kurz durchgelesen und finde den Vorschlag von Hannover vernünftig.

Ich werde trotzdem für den Gesetzesvorschlag stimmen, weil ich der Auffassung bin, dass die Regelung in Bayern den EU-rechtlichen Vorgaben nicht standhält und Bayern sich auf keine Klage einlassen soll. Ich sage Ihnen aber zu, dass die FDP das Gesetz, das in Hannover vorgelegt wurde, prüfen wird. Sollten wir es für sinnvoll erachten - ich persönlich halte es für sinnvoll -, werden wir diesen Punkt aufgreifen und nacharbeiten.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Roos.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, Hohes Haus! Die Führungskräfte Deutschlands sind mit Schwarz-Gelb unzufrieden, so titelten gestern einige Zeitungen. Fraglich, ob das Anlass ist, eine Runde Mitleid mit Schwarz-Gelb zu haben oder eine Runde Mitleid mit den Führungskräften, die bei der Bundestagswahl und der bayerischen Landtagswahl diese Wahlentscheidungen getroffen haben. Ich sehe aus Arbeitgebersicht und aus Sicht der Führungskräfte keinen Anlass, unzufrieden zu sein, denn Schwarz-Gelb betreibt massiven Sozialabbau und zwar unter fadenscheinigen Gründen, die uns unter dem Deckmäntelchen "Pressegesetz" vorgesetzt werden.

Meine Damen und Herren, am 28. Juli 2000 hat Edmund Stoiber die Unterschrift unter das Bayerische

Bauaufträge-Vergabegesetz gesetzt. Das war mitnichten eine schlechte Hinterlassenschaft. Das war mit das Beste, was er in seiner gesamten Karriere gemacht hat.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CSU - Aus meinem Munde gibt es also Lob für Stoiber. Wer war damals Chef der Staatskanzlei? - Erwin Huber. Man sollte sich treu bleiben, Herr Huber. Sie blei- ben sich in vielen anderen Dingen treu, wo man das nicht versteht. Hier würde ich es sehr gut ver- stehen.)

Meine Damen und Herren, Tariftreue bei öffentlichen Bauaufträgen - die Vorredner haben es gesagt - stützt die eigene Bauwirtschaft. Das ist etwas für unsere Unternehmen, für die Unternehmen, für die Arbeitnehmerschaft. Deswegen sollten wir die Tariftreue beibehalten. Den Makel, dass Edmund Stoiber seine Zusage, die Tariftreue Bayerns über den Bundesrat auf Bundesebene zu heben, nicht eingehalten hat, müssen wir beheben. Das müssen wir beseitigen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Hier müssen wir korrigierend eingreifen. Die Signale, für die Zukunft Neues zu machen - das hat auch Herr Kollege Kirschner erwähnt -, passen nicht in das Konzept. Warum sollte man das jetzt abschaffen, wenn man dann etwas Neues in ähnlicher Form machen wird? Ich sage deshalb: Das Bayerische Bauaufträge-Vergabegesetz sollte man nicht abschaffen, sondern fortentwickeln. Hierzu bietet die SPD Kooperation an, die Gewerkschaften sowieso. Die Namen Neugebauer, Schösser, Falbisoner und Strobl stehen hier noch immer für Qualität und für die Bereitschaft, etwas für die Binnenkaufkraft zu tun.

Hier schließe ich gleich noch eine Nebenbemerkung an: Wenn es darum geht, mehr zu tun, sollte sich der Bayerische Landtag nicht lumpen lassen. Ich stütze die Forderungen der Gewerkschaft Verdi für den öffentlichen Dienst. Herr Staatssekretär Eck, ich fordere Sie auf, hier etwas zu tun.

Die Botschaften, die man Herrn Seehofer als dem Hauptträger des "C" in den Initialen der CSU übermitteln kann, reduziere ich ebenfalls auf Namen: Ketteler, Kolping, Bodelschwingh, Wichern. Diese christlichen Männer waren weiter als wir, und das waren sie schon im 19. Jahrhundert. Wenn wir also nicht hinter das 19. Jahrhundert zurückfallen wollen, dann sollten wir diesen Weg nicht beschreiten.

Herr Staatsminister Zeil, Sie empfinden sich immer als Miterfinder der sozialen Marktwirtschaft. Deshalb hören Sie bitte folgendes Zitat:

Zum wiederholten Mal habe ich darum erklärt, dass der so oft geübte grundsätzliche Widerstand der Arbeitgeber gegenüber Lohnerhöhungen, die dank einer gesteigerten Ergiebigkeit unserer Volkswirtschaft nicht nur möglich, sondern für die Stabilität unserer Währung sogar notwendig und sinnvoll sein können, nicht in das System der sozialen Marktwirtschaft passt.

Achten Sie bitte auf Ihre Zeit, Herr Kollege, und zwar massiv.

Entschuldigung. Ein Satz noch.

Ein halber Satz.

Ein solcher Widerstand missachtet die Zielsetzung der Marktwirtschaft, so wie ich sie verstehe, sogar gröblich.