Protokoll der Sitzung vom 16.12.2009

Das ist ein Zitat von Ludwig Erhard.

Danke, Herr Kollege. Bleiben Sie bitte trotzdem noch vorn am Rednerpult.

(Zuruf: Für den zweiten Halbsatz!)

- Nein, nicht für den zweiten Halbsatz, sondern für eine Zwischenintervention von Herrn Dr. Runge.

Auch wir verlängern selbstverständlich gern die Redezeit des Herrn Kollegen Roos bei einem solch wichtigen Thema.

Wir alle reden hier dem Wettbewerb das Wort, die einen mehr als die anderen. Herr Kollege Roos, dies ist eine Zwischenintervention, aber ich frage Sie trotzdem: Sagen Sie auch wie wir, dass dann kein fairer Wettbewerb herrscht, wenn das eine Unternehmen ausbildet, das andere aber nicht, wenn sich das eine Unternehmen an Umweltstandards hält, das andere aber nicht, und wenn ein Unternehmen Tariflohn zahlt, den ortsüblichen Tarif, während das andere Unternehmen das nicht tut? Muss es nicht für uns als öffentliche Auftraggeber mit Vorbild- und Vorreiterfunktion Aufgabe sein, auf allen uns möglichen Wegen für fairen Wettbewerb zu sorgen?

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Lieber Herr Kollege Runge, diesen Darlegungen kann ich zu 100 % zustimmen. Herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Roos, damit ist die überzogene Redezeit wieder eingeholt. Die nächste Wortmeldung ist von Herrn Huber. Herr Huber, Sie haben noch einmal um das Wort gebeten.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es war nicht Ihr Lob, Herr Kollege Roos, das mich zu meiner zweiten Wortmeldung bewogen hat, obwohl ich dieses Lob gerne mitnehme, denn es ist selten in diesen Tagen. Ich möchte vielmehr zwei Klarstellungen machen.

Erstens. Die Beibehaltung des jetzigen Rechtszustands würde zur Rechtsunklarheit führen und diese wiederum zu erheblichen Risiken bei weiteren Vergaben. Die Staatsregierung hat aus meiner Sicht zu Recht im April des letzten Jahres die Anwendung der Vorschrift im Bauaufträge-Vergabegesetz aufgehoben, weil ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vorliegt, das die vergleichbare Regelung - wie dargelegt - mit europäischem Recht für unvereinbar hält. An diesem Gesetz festzuhalten, würde sowohl die Arbeitnehmer wie auch die Unternehmen in Unsicherheit hineintreiben. Ihre Aussage, man solle es dann eben auf Klagen ankommen lassen, verstehe ich nicht. Wir verstehen die Aufgabe eines Parlaments so, dass wir das, was wir selbst entscheiden können, auch selbst entscheiden und solche Entscheidungen nicht auf Gerichte abschieben.

(Beifall bei der CSU)

Herr Huber, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Dr. Wengert?

Bitte, ja.

Herr Kollege Huber, habe ich Sie richtig verstanden, was das Datum angeht? Die Anweisung an die nachgeordneten Behörden des Freistaats Bayern wäre demnach bereits vor eineinhalb Jahren, nämlich im April des letzten Jahres ergangen? Wie erklären Sie sich, dass es eineinhalb Jahre gedauert hat, bis der bayerische Gesetzgeber endlich damit befasst worden ist? Ist Ihnen eine Klage bekannt, die sich gegen das Bayerische Bauaufträge-Vergabegesetz richtet? - Wenn nicht, warum beharren Sie so darauf, jetzt, hier und sofort dieses Gesetz aufzuheben?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es trifft zu, dass die Verwaltungsanweisung des Innenministeriums vom April 2008 datiert. Sie erfolgte etwa drei Wochen nach dem Urteil des Euro

päischen Gerichtshofs als Anweisung, weil das Innenministerium auch als Verfassungsministerium - der rechtskundige Staatssekretär wird das wohl noch bestätigen - zu der Auffassung gelangte, dass das bayerische Gesetz mit europäischem Recht unvereinbar ist. Das hatte der Europäische Gerichtshof schließlich festgestellt. Man braucht nicht auf Klagen zu warten, ich halte es vielmehr für richtig, etwas Rechtswidriges außer Kraft zu setzen.

Klagen gegen die Regelungen in der Vergangenheit sind mir nicht bekannt. Es kam aber immer wieder zu Streitigkeiten. Das wissen wir. Im Übrigen brauche ich hier keinen künstlichen Gegensatz aufzubauen. Mir war die Regelung nicht nur sympathisch, sondern ich habe sie als Mitglied der Staatsregierung in den Jahren 1999 und 2000 mit herbeigeführt. Es hilft aber nicht, an den Realitäten vorbeizureden. Zwischenzeitlich gibt es das europäische Recht, und zwar nicht nur die Dienstleistungsrichtlinie, sondern auch die Entsenderichtlinie. Dieses europäische Recht macht ein unverändertes Weitergelten des bayerischen Rechts unmöglich. Wenn es eine Gesetzeslücke gibt, dann unterstreiche ich die Bereitschaft von Herrn Kollegen Kirschner, hierüber zu reden. Die Regelung weiterzuführen, würde aber bedeuten, dass wir sowohl für die Gewerkschaften Unsicherheit erzeugen wie auch für die Auftragsvergaben eine Rechtsunsicherheit in Kauf nehmen, und das könnte zu Verzögerungen und zu erheblichen Risiken führen. Aus meiner Sicht ist es deshalb weder gerechtfertigt noch notwendig, die jetzige Regelung beizubehalten.

Ich muss noch auf einen zweiten Punkt hinweisen. Er bezieht sich auf die Darlegungen zu Lohndumping, Ausbeutung und dergleichen. In der Zwischenzeit gelten im Baugewerbe Mindestlöhne, und das heißt, für einen ungelernten Arbeiter sind 9,63 Euro pro Stunde zu bezahlen und für einen Facharbeiter zwei Euro mehr, also 11,63 Euro. Das heißt: Auch bei Aufhebung der Tariftreue sind wir nicht in einem Zustand, den man mit dem Hinweis beschreiben könnte, es würden sozusagen polnische Löhne eingeführt. Es gelten vielmehr die bundesrechtlichen Mindestlöhne für das Baugewerbe. Wir fallen also nicht in ein Loch, wenn das bayerische Gesetz aufgehoben wird.

Ich bitte die Kollegen der Regierungsfraktionen aufgrund der auch von mir noch einmal genannten Gründe dem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Herr Huber, einen Moment, bitte. Herr Dr. Wengert hat sich noch einmal gemeldet. Herr Dr. Wengert, wäre das eine Zwi schenfrage gewesen oder möchten Sie eine Zwischenintervention machen?

Eine Zwischenintervention. - Herr Kollege Huber, ich wollte noch darum bitten, auf meine Frage zu antworten, wie Sie die Tatsache beurteilen, dass zwischen dem Erlass der Anweisung an die nachgeordneten bayerischen Behörden und der heutigen Behandlung im Bayerischer Landtag immerhin über eineinhalb Jahre vergangen sind. Das halte ich für sehr beachtlich. Ich bitte Sie, dies auch aus Ihrer langjährigen Praxis als Mitglied der Staatsregierung zu bewerten.

Stimmen Sie mir zu, dass es zwar Mindestlöhne im Baugewerbe gibt, dass die vergebenden Stellen aber keine Möglichkeit haben, darauf einzuwirken, dass diese Mindestlöhne auch eingehalten werden? Nur die Tariftreueerklärung beziehungsweise der Verstoß gegen eine abgegebene Tariftreueerklärung ließe Sanktionen zu.

Ich halte es auch für ungewöhnlich lange, dass von der informellen Außerkraftsetzung eines geltenden Rechts bis zur formellen Aufhebung durch den Landtag, eineinhalb Jahre vergehen. Das hätte man durchaus zügiger machen können. Es ist wohl jetzt im Zuge dieses "Omnibusgesetzes" mit der Dienstleistungsrichtlinie erfolgt. Also, das könnte man auch zügiger machen. Das wäre auch mein Appell an die Staatsregierung.

Das Zweite ist: Auch die Einhaltung bundesgesetzlich geregelter Mindestlöhne kann selbstverständlich durchgesetzt werden. Das ist Bundesrecht und kann durchgesetzt werden; dazu gibt es auch die entsprechenden rechtsstaatlichen Möglichkeiten.

(Zuruf des Abgeordneten Bernhard Roos (SPD))

Herr Huber, bitte bleiben Sie noch am Pult, Herr Dr. Runge hat ebenfalls eine Zwischenintervention.

Herr Kollege Huber hat eben die Mindestlöhne am Bau angesprochen. Er meinte, die gebe es inzwischen. Herr Kollege Huber, die gibt es schon sehr, sehr lange. Wir erinnern uns wohl alle noch gut an das Gezerre, bis es zu der Allgemeinverbindlichkeitserklärung durch den damals zuständigen Minister Norbert Blüm gekommen ist.

Aber diese Mindestlöhne, durch die Allgemeinverbindlichkeitserklärung eingeführt, schützen doch noch lange nicht davor, dass es selbst bei öffentlichen Bauaufträgen immer wieder zu gemeinsten Hunger- und Dumpinglöhnen von ein oder zwei Euro kommt. Ich erinnere an zwei, drei aktuell bekannt gewordene Fälle in München.

Genauso, wie diese Mindestlohnregelung ein Baustein ist, ist ein anderer Baustein unsere bayerische Tariftreueregelung gewesen. Dazu muss man auch sagen: Das war immer nur so gut, wie es gelebt worden ist, und manche Kommunen haben jahrelang diese Erklärungen nicht abverlangt. Aber an anderer Stelle ist es eben gelebt worden und hat sehr gut funktioniert.

Herr Kollege Huber, sehen Sie es nicht auch so, dass es in dieser Hinsicht kaum Beschwernisse bzw. Beschwerden gegen diese Regelung seitens der bayerischen Bauunternehmer gegeben hat? Anders als in anderen Fällen müssten sich die Vergabekammern und der Vergabesenat, solange es den noch beim Obersten Landesgericht gegeben hat, kaum mit dieser Causa befassen. Die bayerische Bauindustrie, die bayerischen Bauunternehmen waren also sehr zufrieden und sehr einverstanden mit dieser Regelung.

Wissen Sie, ob die Bayerische Staatsregierung vor dem Rasieren der entsprechenden Regelung Kontakt zu den Gewerkschaften und der anderen Seite, der Bauwirtschaft, gesucht hat?

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst einmal, damit wir nicht durch ein Missverständnis in eine falsche Schlachtordnung hineingeredet oder -geschrieben werden: Wir sind gegen Dumpinglöhne, wir sind gegen Schwarzarbeit und wir sind dagegen, dass Mindestlöhne unterboten werden und es zu Wettbewerbsverzerrungen durch Ausbeutung von Arbeitnehmern kommt.

(Beifall bei der CSU)

Das ist überhaupt nicht das Thema, und auf diese Plattform lassen wir uns auch gar nicht schieben.

(Beifall bei der CSU - Zuruf von der CSU: Sehr richtig!)

Ich möchte ausdrücklich der Staatsregierung, den Justizbehörden, aber auch den Baubehörden und der Polizei dafür danken, dass sie hier wirklich kompromisslos einschreiten, wenn solche Sachverhalte festzustellen sind. Da sind wir uns völlig einig.

Zu Ihrer zweiten Frage: Die Aufhebung dieser Rechtsvorschrift geht nicht auf Klagen aus der bayerischen Wirtschaft oder seitens irgendwelcher Beteiligter aus Bayern zurück. Ich sage es jetzt zum dritten Mal: Die Aufhebung geht darauf zurück, dass es in der Zwischenzeit europäisches Recht gibt - Entsenderichtlinie, Dienstleistungsrichtlinie -, das dagegen spricht. Außerdem muss ich noch einmal sagen, ich habe es jetzt nicht geprüft - aber ich gehe einmal davon aus -, dass sowohl die SPD-Mitglieder als auch die Mitglieder der GRÜ

NEN im Europäischen Parlament für die Dienstleistungsrichtlinie gestimmt haben.

(Zuruf des Abgeordneten Bernhard Roos (SPD))

- Ja, ich weiß schon: wenn es noch eine Regelungslücke gibt -

Man darf dann - mehr oder weniger - nicht negieren, dass es in der Zwischenzeit europäisches Recht gibt, an dem Sie auch mitgewirkt haben.

(Bernhard Roos (SPD): Sie interpretieren das falsch!)

Zum Dritten: Es gibt die Mindestlöhne und selbstverständlich bei jeder Bauvergabe die Vorschrift, unangemessene Angebote auszusondern. Das heißt, wenn es Angebote gibt, die weit weg sind von einer vernünftigen Kalkulation, Dumping-Angebote, dann dürfen diese, zum Teil müssen sie bei der Auftragsvergabe ausgesondert werden. Auch das ist geltendes Recht. Das heißt also, wenn ein Unternehmer meinetwegen mit einem Euro Stundenlohn rechnen würde, dann gibt es jetzt auch die Möglichkeit, bei öffentlicher Ausschreibung solche Angebote auszusondern.

Aus den genannten Gründen, meine Damen und Herren, bitte ich, dass wir die jetzige Rechtsvorschrift außer Kraft setzen, weil wir die Rechtsunsicherheit, die damit verbunden wäre, nicht verantworten können.

(Zuruf von der SPD)

Für die Staatsregierung hat abschließend Herr Staatssekretär Eck ums Wort gebeten. Bitte.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, Hohes Haus! Ich kann versprechen, ich mache es kurz. Kollege Huber hat zwischenzeitlich schon einige Dinge noch aufklären können.