Protokoll der Sitzung vom 27.01.2010

(Hubert Aiwanger (FW): Eine Dummensteuer hätten wir gebraucht!)

- Danke. Gegen ein solches Vorgehen ist noch kein Kraut gewachsen. Ein kleiner Teil der Banken hat keine Staatshilfen in Anspruch genommen. Sie haben ein ordentliches Risikomanagement und sie haben ihr Geschäft verstanden; sie haben die nötige Verantwortung und Vorsicht walten lassen. Ich möchte mich dagegen verwahren, dass alle in einen Topf geworfen werden, weil es im Moment schön ist, alle in einen Sack zu stecken, draufzuhauen und zu sagen: Man erwischt keinen Verkehrten.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Es ist immer wichtig, zu unterscheiden, ob es sich um eine staatliche Bank handelt, bei der ich den Bürgern gegenüber in der Verantwortung bin, die sich nicht wehren können, oder ob es sich um eine Geschäftsbank handelt, bei der ein Aktionär sagen kann: Ich kaufe die Aktie, weil ich mit dem Geschäft, das hier gemacht wird, einverstanden bin. Ein weiterer Teil der Banken hat einen Rettungsschirm bekommen. Da muss man genau hinschauen und man muss sie in die Verantwortung nehmen, denn wenn der Staat nicht eingegriffen hätte, wäre die eine oder andere Bank pleitegegangen.

Graf Lerchenfeld, Sie haben gesagt, man muss schauen; es geht nicht, dass diese Banken zuerst Verluste gemacht haben, jetzt aber wieder Gewinne machen und sich an den staatlichen Kosten weiterhin nicht beteiligen. Ich glaube, wir müssen steuerrechtlich überprüfen, ob solche Banken ihre Verluste weiterhin mit künftigen Gewinnen verrechnen können und der Staat dabei leer ausgeht für die nächsten Jahre, vielleicht auch Jahrzehnte, weil zunächst einmal überhaupt keine Steuern bezahlt werden. Man sollte da vielleicht zusätzliche Konditionen einführen. Das wäre eine Möglichkeit. Denn hier wird immer davon gesprochen, dass die Banken an den Kosten der vergangenen Krise, die sie schließlich ausgelöst haben, beteiligt werden sollten. Eine internationale Transaktionssteuer ist auf die Zukunft gerichtet. Wer sich in der Vergangenheit etwas

zuschulden hat kommen lassen, - - Das passt für mich nicht zusammen. Ich finde es schön, dass Sie hier nicken und dass wir uns über diese Vorgehensweise vielleicht doch noch unterhalten können.

(Volkmar Halbleib (SPD): Was ist das Ziel?)

- Das kommt noch. Ich habe noch 17 Minuten Redezeit.

(Georg Schmid (CSU): Lass dir Zeit, es pressiert nicht!)

Es ist klar, worum es bei dem Ganzen geht: Es geht doch nicht um irgendeine Bankenkrise; mittlerweile haben wir eine gesellschaftliche Krise. Diese können wir nicht mit einer internationalen Transaktionssteuer beheben. Es geht darum, dass in unserer Gesellschaft keiner mehr Verantwortung übernehmen möchte, dass wir nur noch fehlende Verantwortung haben, dass Werte und Tugenden wie Seriosität und Kontinuität überhaupt nicht mehr im Mittelpunkt unseres wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Handelns stehen.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Es geht darum, dass nur noch der persönliche Vorteil im Mittelpunkt steht, der kurzfristige Gewinn und der Egoismus, und dass keine gesamtgesellschaftliche Verantwortung mehr da ist. Dieses Verhalten hat uns in diese Krise geführt, in der wir jetzt sind. Da ist die internationale Transaktionssteuer ein Mittel, wie Sie schön gesagt haben, Kollege Graf Lerchenfeld, aber nicht die heilbringende Lösung in diesem ganzen Desaster. - Ich wollte das nur noch einmal für mich deutlich machen.

Zu den Anträgen: Dem Vorschlag der Transaktionssteuer werden wir uns selbstverständlich anschließen. Herr Halbleib hat vorhin so schön gesagt, er wolle ein klares Bekenntnis aus Bayern haben. Dem wollen wir uns nicht verwehren; keine Frage. Es ist eine sinnvolle Möglichkeit, zusätzliche Steuern zu generieren. Wie gesagt, sie ist ein Mittel. Aber es ist wichtig, das international einzuführen. Es geht nicht, das nur national oder in Europa zu machen. Damit schwächen wir unseren eigenen Börsenplatz, unsere eigenen Finanzplätze. Jeder weiß: Kapital ist flüchtig wie ein scheues Reh. Man geht dann lieber dorthin, wo man sich wohl und sicher fühlt. Deswegen können wir das nicht national sehen.

Wir alle haben schmerzlich erfahren müssen, dass wir uns in einer globalisierten Welt bewegen. Deswegen können wir hier nicht mit nationalen Vorschriften vorgehen.

Ich finde es sehr positiv, dass nicht nur Börsengeschäfte, sondern auch außerbörsliche Geschäfte einbezo

gen werden sollen. Das ist auf jeden Fall notwendig. Fraglich ist allerdings - Sie haben es in Ihrem Vortrag anders begründet; aus dem Antrag ist es so nicht hervorgegangen -, ob hier denn wirklich jeder einzelne Investmentsparplan berücksichtigt sein sollte. Sie haben vorhin von Anleihen gesprochen.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Ich frage mich, ob es Sinn macht, auch den kleinen Sparer mit seiner Bundesanleihe damit zu belasten oder ob man nicht fragen sollte, wenn es um einen Mitarbeiter geht, der Belegschaftsaktien hat, ob das so sinnvoll ist. In diesem Zusammenhang geht es vor allem auch um Derivate. Die Problematik ist da natürlich, dass wir einen sehr großen, teilweise einen tausendfachen Hebel haben: eigentlich einen kleinen Einsatz und ein Riesengeschäft, das dahinter steht. Auch da trifft man nicht genau dorthin, wo man möchte, wenn man nur die Transaktion besteuert. Aber das gebe ich in die Hände derer, die sich dann mit der Ausgestaltung auseinandersetzen müssen.

Im Grunde wird dieses sehr sinnvolle Anliegen von uns unterstützt. Wir möchten auch ein klares Bekenntnis nach Berlin geben. Ich habe vorhin schon mit der SPD gesprochen; wir beantragen, über die vier Punkte des Antrags einzeln abzustimmen, weil wir nicht für eine nationale Lösung sind, aber grundsätzlich die Punkte 1 und 2 mittragen.

Der Antrag der CSU schadet nicht, tut nicht weh, er bringt aber auch nicht viel. Wir werden auch hier zustimmen. Wie gesagt, wir sehen das als klares Bekenntnis, nicht mehr und nicht weniger. Das Thema ist auch nicht unbedingt ein bayerisches. Inwieweit die Inhalte und die Ausgestaltung realisierbar und machbar sind, wird sich nicht hier herinnen entscheiden. Aber wir sollen auf keinen Fall daran schuld sein, wenn das Ganze scheitert.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Danke, Frau Kollegin. Wir haben uns im Ältestenrat darauf geeinigt, die Sitzung um 19 Uhr zu beenden, weil wir uns um 20 Uhr zur Gedenkveranstaltung treffen wollen. Wir haben noch drei Wortmeldungen vorliegen. Die Abstimmung zu diesen beiden Anträgen werden wir nicht mehr durchführen können. Sie werden in dem dafür zuständigen Ausschuss erfolgen. Sie werden aber auch verstehen, dass ich aus Gleichbehandlungsgründen die verbleibenden Redner, die sich zu Wort gemeldet haben, nicht auffordern werde, zu verzichten. Wir haben im Ältestenrat ebenfalls vereinbart, dass Redebeiträge nicht zu Protokoll gegeben werden. Deswegen überlasse ich es den noch ausstehenden Rednern, Herrn Hallitzky von den GRÜNEN, Herrn Dr. Barfuß und

Herrn Staatsminister Fahrenschon, ob sie ihre Wortbeiträge wahrnehmen wollen. Als Nächster hat das Wort Herr Hallitzky. Bitte.

(Prof. Dr. Georg Barfuß (FDP): Wenn wir alle drei verzichten, könnten wir abstimmen!)

Es wäre direkt schade, wenn ich jetzt nicht reden könnte. Im Übrigen, Frau Heckner, ich will Ihnen ein Vergnügen bereiten. Bis acht Uhr schaffen Sie es schon, und bis sieben schaffen wir es auf keinen Fall.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Botschaft des heutigen Antrags zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer ist ja nicht, dass die SPD glaubt, sie hätte diese Idee neu geboren. Sie hat auch im politischen Geschäft nicht die Urheberschaft; das ist bekannt. Wir hatten beispielsweise vor einem Jahr im Bundestag einen solchen Antrag gestellt.

Die Botschaft des heutigen Antrags ist auch nicht die, dass die SPD glaubt, man könne mit der Finanzumsatzsteuer alle Probleme, die zur Bankenkrise und zur Finanzmarktkrise geführt haben, auf einmal erschlagen. Das ist uns allen klar. Das wissen die SPD-Mitglieder genau, das wissen die GRÜNEN genau, und das wissen vermutlich auch die einen oder anderen Kollegen aus der Regierungsfraktion. Wir brauchen sehr viel mehr; das ist bekannt. Es geht um den Ausbau und die Stärkung der nationalen und europäischen Finanzdienstleistungsaufsicht, die Neuordnung der Bundesbanken, eine Kapitalunterlegung in Abhängigkeit von der Größe der Institute, um so eine Antwort auf die Marktmachtkonzentration und das Argument "Too big to fall" zu geben. Es geht auch um den automatischen Informationsaustausch über Kapitalerträge und viele andere Dinge.

Fakt ist: Es gibt sehr, sehr viele Aufgaben, es gibt aber auch sehr, sehr wenig Handeln bei der Bundesregierung und bei der Staatsregierung.

Deswegen ist die Botschaft, die hinter dem Antrag der SPD eigentlich steht - jetzt sollten alle zuhören, denn jetzt kommt der kulturpolitische Teil meiner Rede -, doch jene, die in Goethes "Faust" schon vermutlich damals bereits in Kenntnis der dramatischen Untätigkeit der Schwarz-Gelben in Sachen Finanzmarktkrise gegolten hat. Diese im Blick habend, steht im "Faust":

Der Worte sind genug gewechselt, Lasst mich auch endlich Taten seh’n! Indes ihr Komplimente drechselt, Kann etwas Nützliches gescheh’n.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Reden, Lippenbekenntnisse von Seehofer bis Merkel, von Schweiger bis Graf zu Lerchenfeld - um jetzt die ganz Wichtigen zu nennen -, nützen niemandem etwas, liebe Kolleginnen und Kollegen. Viel versprochen hat die Kanzlerin, aber wenig gehalten. Mit der Aussage, wir schieben das auf die internationale Ebene wie bei der Besteuerung des Flugbenzins, worüber wir seit gefühlten 80 Jahren debattieren, werden wir die nächste Finanzmarktkrise nicht verhindern können.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Dass ich mir an dieser Stelle erspare, auf die FDP einzugehen, möge man mir nachsehen. Von der Partei, die ihren guten Namen im Wesentlichen als Hüterin von Partikularinteressen verdient hat, erwarte ich nicht, dass sie ernsthaft Widerstand gegen uneingeschränkten Liberalismus betreibt. Eigentlich ist es die Ideologie des Liberalismus, die die letzte Finanzmarktkrise befördert hat, und sie ist, wie im Übrigen auch Ihre trotz ausufernder Staatsverschuldung nicht endende unverantwortliche Steuergeschenke-Politik, die beste Garantie für die nächste Krise.

In dieser unseligen Tradition dessen, was Sie bisher abgeliefert haben, bewegt sich auch der gemeinsame Antrag von - wo ist denn Graf von und zu Lerchenfeld? - von CSU und FDP. Sie sagen zwar worthülsenreich, eigentlich wollten Sie nur das Beste, nämlich eine internationale Regelung. Aber jeder, der die reale Welt kennt, weiß, dass es die umfassende internationale Regelung nicht geben wird. Sie spielen ihr altes Spiel: Reden statt handeln. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist unverantwortlich.

Ein paar Sätze zur Finanztransaktionssteuer: Tatsache ist, dass die Spekulation innerhalb des Finanzmarktes sich längst völlig von der realwirtschaftlichen Basis gelöst hat und dass die Loslösung durch die Einführung einer Finanzumsatzsteuer zurückgeführt werden kann. Kurzfristige Spekulationsgeschäfte verlieren ihre Attraktivität, und das ist - danke, Herr Wowereit - auch gut so.

Vielleicht ist aber ein anderes gesellschaftspolitisches Argument genauso wichtig, das Graf von und zu Lerchenfeld eben angesprochen hat. Während die Schwarz-Gelben mit netten Reden ihr Nichtstun geschickt zu kaschieren versuchen, geschieht gleichzeitig Folgendes: Einige Leute werden, geleitet durch hemmungslose Gier und durch Spekulation, sehr reich, während die Masse der Bevölkerung mit ehrlicher Arbeit kaum mehr über die Runden kommt. Das, meine lieben schwarz-gelben Verantwortungsträger, ist eine Ungerechtigkeit, an der unsere Gesellschaft zu zerreißen droht. Deshalb ist es unsere Pflicht als Politiker, dort gegenzusteuern, wo wir können. Warum wird auf

jede Weißwurst, die über den Verkaufstresen wandert, eine Umsatzsteuer erhoben, nicht aber, wenn an der Börse spekuliert wird? Diese Ungerechtigkeit akzeptieren wir nicht. Die Privilegierung der Finanzbranche muss abgeschafft werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben heute die historische Chance einer europäischen Einigung, um die Finanzumsatzsteuer einzuführen, weil hierfür nicht nur Kontinentaleuropa, sondern auch Großbritannien Unterstützung signalisiert hat. Statt diese Chance zu nutzen, schieben Sie mit reinen Lippenbekenntnissen in Berlin und heute mit Ihrem Antrag hier die Situation wieder auf die lange Bank und lassen diesen historischen Moment verstreichen. Das ist das Gegenteil dessen, was unser Land dringend bräuchte. Bei der Finanzmarktregulierung brauchen wir aktive politische Vorreiter, die handeln, und keine Taschenspieler. Deshalb ist der Antrag der SPD wichtig, richtig und dringlich. Ich freue mich, das über einen SPD-Antrag sagen zu können. Deshalb stimmt die Fraktion der GRÜNEN dem Antrag auch zu. Auch Sie würden gut daran tun, wenn Sie heute oder wann immer er im Haushaltsausschuss behandelt wird, das auch tun würden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Selbstverständlich hätten wir niemals auf diesen Redebeitrag verzichten wollen. Gemeldet hat sich noch Kollege Dr. Barfuß. Herr Minister Fahrenschon hat dankenswerterweise zurückgezogen.

Ich mache es nicht ganz so zornig. Wir sind gar nicht so weit auseinander.

(Lachen bei der SPD)

- Warten Sie ab. Pflegen Sie nicht Ihre Vorurteile, sondern hören Sie zu, was ich sage.

Wir wollen keine Steuer, wir können uns aber über einen Fonds durchaus einigen. Wir wissen, dass es die Eigenschaft der Steuern ist, insgesamt dem Haushalt zuzufließen und keine Zweckbindung zu haben.

(Markus Rinderspacher (SPD): Es geht um die öffentlichen Haushalte!)

Ein Redner sprach heute Nachmittag davon, dass über die Kfz-Steuer wesentlich mehr eingenommen wird, als dem Straßenverkehr wieder zufließt. Das wäre mit der Finanzumsatzsteuer nicht anders. Glauben Sie, dass der amerikanische, französische, britische oder deutsche Finanzminister etwas anderes täte, als jedes Geld in den Haushalt zu stecken? Wenn der Hauhalt dann

aufgestellt ist, kommen die Sozialpolitiker aller Länder und geben das Geld wieder aus.

(Markus Rinderspacher (SPD): Die öffentliche Hand hat bereits bezahlt!)