Protokoll der Sitzung vom 09.02.2010

Wir wollen natürlich ebenfalls die Wahlmöglichkeiten haben. Aber Sie wissen doch, Frau Meyer, die ambulant betreuten Wohngemeinschaften haben eine Größe von maximal acht Personen. Ich habe eine Anfrage an das Ministerium gerichtet, wie viele solcher Wohngemeinschaften es gibt. Das Ministerium ist aber nicht in der Lage, mir eine konkrete Zahl zu nennen.

Wenn man auf die Homepage schaut, findet man, dass dort nur zwei genannt sind. Im Ausschuss hören wir jedoch, dass es 15 Anträge gibt. An diesem Beispiel erkennen Sie, dass noch viel zu wenig gemacht wird. Selbst wenn wir in jedem Landkreis zwei bis drei solcher ambulant betreuten Wohngemeinschaften hätten, wäre das doch nicht die Welt. Ich habe ja gesagt: Pro Wohngemeinschaft handelt es sich um bis zu acht Personen.

Wir meinen schon, dass da ein gewisser Handlungsbedarf besteht. Die Wahlfreiheit möchte ich genauso wie Sie haben. Die darf nicht eingeschränkt werden.

Ich denke, Frau Dettenhöfer hat sehr eindrucksvoll ausgeführt, dass auch wir dafür sind und dass es in der öffentlichen Darstellung, in der Aufklärung und im Transportieren der Ideen vor Ort noch einiger Verbesserungen bedarf. Dann müssen wir zusehen, wie es sich entwickelt. Vielleicht werden wir dann mehr solcher Nachfragen bekommen.

Es gibt auch entsprechende Angebote zur Anschubfinanzierung und eventuell Möglichkeiten der Nachjustierung. Aber das von Staats wegen als Ziel auszuschreiben, halte ich in der momentanen Situation nicht für dringend geboten.

(Beifall bei der FDP)

Als nächsten Redner bitte ich Herrn Sackmann für die Staatsregierung.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn stelle ich fest: Ich bin dankbar dafür, dass wir uns im Landtag über dieses Thema unterhalten. Ich halte es für sinnvoll, darauf aufmerksam zu machen, was der Freistaat Bayern auf diesem Gebiet schon alles leistet. Es ist deshalb hilfreich, auch diese Gelegenheit wahrzunehmen, darüber zu sprechen. Unstreitig ist, dass ambulante Wohnformen zukunftsgerichtet sind. Im Rahmen der Demografie brauchen wir solche Wohnformen, aber auch vieles andere mehr. Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben darauf schon verwiesen.

Vonseiten der Staatsregierung möchte ich deutlich machen, dass wir nicht erst heute damit beginnen, uns mit diesem Thema zu beschäftigen. Staatsministerin Christa Stewens hat beispielsweise bereits im Jahr 2000 dafür gesorgt, dass eine erste ambulante Einrichtung gefördert wurde.

Herr Dr. Fahn wollte wissen, welche Zahlen wir dazu haben. - Aber ich glaube, das interessiert ihn gar nicht; er unterhält sich laufend mit jemand anderem.

In aller Ruhe sage ich jedoch: Wir haben bisher 18 solcher Wohngemeinschaften in Bayern gefördert. Das Statistische Landesamt sagt - dabei sind wir uns der Unterschiede zu allen Bundesländern bewusst -, dass wir zurzeit etwa 134 solcher Wohngemeinschaften in Bayern haben. Damit haben Sie eine Zahl genannt bekommen. Im Moment wird die Zahl überprüft. Wir werden das Ergebnis dann mitteilen.

Neben den Förderungen hat der Freistaat Bayern meine Kollegin Petra Dettenhöfer ist schon darauf eingegangen - bereits eine Fachstelle für ambulant betreute WGs eingerichtet. Und: Wir halten regelmäßige Fachtagungen ab.

Im Jahr 2009 habe ich diese Veranstaltungen persönlich besucht und werde es auch 2010 tun. Diese Veranstaltungen waren bestens besucht. Zum Teil konnten nicht einmal alle eingelassen werden, die Interesse gehabt hätten. Ich glaube, es ist der beste Weg, diejenigen, die mit diesem Thema umzugehen haben, zu informieren und auf verschiedene Dinge aufmerksam zu machen. Dadurch ergeben sich viele Gespräche.

Vorhin wurde schon von den bereits bestehenden 18 geförderten WGs gesprochen. Wir wollen im Jahr 2010 mindestens 20 weitere fördern.

Stellvertretend für die CSU-Fraktion danke ich hier Joachim Unterländer, der dazu die Initiative ergriffen hat. Im Jahr 2009 war der Haushaltsansatz noch bei rund 700.000 Euro netto. Jetzt haben wir für diesen Bereich 1,1 Millionen Euro eingestellt und rechnen damit, dass wir dazu die Zustimmung des Landtags bekommen. Dann können wir mindestens weitere 20 Einrichtungen unterstützen. Damit sind wir hier auf einem ganz guten Weg.

Ich verweise gerne noch darauf, dass dies nicht die einzige Förderungsmöglichkeit ist. In diesem Bereich ist sowohl die Oberste Baubehörde als, auch die Bayerische Landesstiftung tätig. Diese Stellen kann man bei der Förderung mit heranziehen.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie ganz herzlich, gemeinsam mit uns für ambulante Wohnformen zu werben. Wir machen das auf unseren Veranstaltungen. Wir machen das natürlich auch durch unsere Öffentlichkeitsarbeit. Aber am allerbesten ist es, darüber bei jeder Gelegenheit positiv zu sprechen. Darum bitte ich Sie ganz herzlich.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Eine Zwischenbemerkung von Herrn Dr. Fahn.

Herr Sackmann, Sie haben gesagt, inzwischen gebe es 134 solcher Einrichtungen. Die Zahl habe ich jetzt zum ersten Mal gehört. Auf meine Schriftliche Anfrage vor einigen Monaten konnte die Staatsregierung noch keine Zahlen nennen. Wären Sie bereit, konkret zu sagen, was das für Einrichtungen sind und wo sie sich befinden? Es wäre für uns ganz wichtig, das zu wissen. Bisher wissen wir das nämlich nicht.

Sie haben von den gut besuchten Veranstaltungen gesprochen. Es stimmt: In Würzburg waren zum Teil über 130 Personen anwesend. Aber diese Leute mussten aus verschiedenen Landkreisen von Unterfranken nach Würzburg kommen. Es wäre sinnvoller, nicht nur eine Tagung in Würzburg für Unterfranken zu machen. Man sollte die Veranstaltungen weiter dezentralisieren. Die Nachfrage ist nämlich groß. Wenn die Veranstaltungen in den einzelnen Landkreisen stattfänden, wäre der Besuch noch größer.

Ich habe einmal auf der Homepage nachgeschaut. Dort habe ich gesehen, dass für die nächsten Monate nur vier oder fünf solcher Veranstaltungen geplant sind. Ich bestreite ja nicht, dass die Veranstaltungen gut sind, Herr Sackmann. Aber das öffentliche Interesse ist größer. Deshalb bitte ich die Staatsregierung, dabei noch offensiver vorzugehen.

Zunächst zu den Veranstaltungen. Wir gehen reihum. Im letzten Jahr waren wir in München und Regensburg. Jetzt beginnen wir in Würzburg. Nachdem ich auf diesen Veranstaltungen war, kann ich sagen, dass ein sehr interessiertes Publikum teilnimmt. Aber es gab keinen Einzigen, der gesagt hätte: Brechen Sie die Veranstaltung auf örtlicher Ebene herunter; bisher ist es uns zu zentral; wir brauchen noch dezentralere Veranstaltungen.

Der Besucherkreis bestand aus Seniorenbeauftragten bis hin zu Pflegedienstleitern und anderen Multiplikatoren. Da kann man vertreten, dass das weiterhin so gemacht wird wie bisher. Denn die Leute sagen: Das ist eine interessante, gewinnbringende Veranstaltung.

Wir ziehen damit durch ganz Bayern. Natürlich gehen wir immer wieder in zentrale Orte wie Regensburg und München. Am 23. April sind wir in Würzburg.

Zweitens zu der Zahl 134. Vorhin habe ich dazu etwas gesagt; aber da haben Sie sich intensiv mit jemand anderem unterhalten. Ich habe erläutert, dass diese Zahl nicht vom Ministerium, sondern vom Statistischen Landesamt stammt.

Es gibt das Problem, dass die Definitionen in den einzelnen Bundesländern verschieden sind. Im Augenblick gehen wir der Frage nach, inwieweit die Zahl 134 unseren Ansprüchen genügt. Die Zahl könnte dann auch niedriger sein. Wir müssen sie jedenfalls überprüfen.

Ich bitte um Unterstützung, dass unser Haushalt entsprechend dazu genutzt wird, zusätzliche Einrichtungen zu schaffen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Sie wird auf Antrag der CSUFraktion in namentlicher Form durchgeführt.

Der federführende Ausschuss für Soziales, Familie und Arbeit empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Wer entgegen dem Ausschussvotum zustimmen möchte, möge eine Ja-Stimme, wer dagegen ist, eine NeinStimme abgeben, oder man kann sich enthalten. Die Urnen sind aufgestellt. Die Abstimmung beginnt. Die Abstimmungszeit beträgt fünf Minuten.

(Namentliche Abstimmung von 16.08 bis 16.13 Uhr)

Meine Damen und Herren, die fünf Minuten sind um. Wir schließen die Abstimmung. Ausgezählt wird außerhalb des Saales. Das Ergebnis der Abstimmung geben wir Ihnen später bekannt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Kommunales Wahlrecht für Drittstaatsangehörige (Drs. 16/2555)

Ich eröffne die Aussprache. Die erste Rednerin ist Frau Kollegin Kamm. Bitte sehr, Frau Kollegin Kamm!

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen heute noch einmal dafür werben, mit uns die Kampagne der AGABY, der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Bayerns, für ein kommunales Wahlrecht für alle zu unterstützen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir freuen uns, dass diese Kampagne bisher über 4.000 Unterstützerinnen und Unterstützer und 70 Organisationen gewinnen konnte. Wir finden es sehr klug von AGABY, diese Kampagne auch im Jahr 2010, das gerade erst begonnen hat, weiterzuführen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir hoffen, dass im Laufe dieses Jahres nicht nur die prominente Bundesjustizministerin LeutheusserSchnarrenberger oder Bundestagsabgeordnete der FDP, zum Beispiel Herr Joachim Spatz diese Kampagne unterstützen, sondern eventuell auch die eine oder andere Kollegin oder der eine oder andere Kollege aus dem Bayerischen Landtag bzw. von der FDP oder der CSU. Und vielleicht sollte und könnte sich auch der eine oder andere Integrationsbeauftragte der CSU hierzu

lande durchaus überlegen, dieser Kampagne beizutreten.

Wir wollen den Landtag als Ganzes motivieren, diese Kampagne zu unterstützen, damit die Staatsregierung vor diesem Hintergrund dann im Bundesrat entsprechende Zeichen setzt.

Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist weder gut für die Demokratie noch förderlich für die Integration, wenn ein großer Teil der Bevölkerung als Bürger dritter Klasse behandelt wird und von der politischen Partizipation ausgegrenzt bleibt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir laden Sie dazu ein, darüber nachzudenken, wie Demokratie von morgen funktionieren soll, und wir bitten Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass derzeit immer noch 4,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner, die nicht aus EU-Staaten kommen, vom Wahlrecht ausgeschlossen sind, obwohl diese Personen derzeit im Durchschnitt bereits 17 Jahre hier leben, hier auch Steuern zahlen und sich am Gemeinwesen beteiligen. Die Kinder besuchen die Schule, und die Eltern sind aufgerufen, sich in den Elternbeiräten einzubringen. Sie sind auch aufgerufen - sie tun das zum Teil auch -, sich am Vereinsleben und am öffentlichen Leben zu beteiligen. Warum sollen sie dann vom kommunalen Wahlrecht ausgeschlossen bleiben?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Gesellschaft, die einen großen Teil ihrer Bevölkerung von politischen Entscheidungen ausschließt, verliert zunehmend ihre demokratischen Grundlagen. Bedenken Sie außerdem bitte, dass in vielen Ländern der EU, beispielsweise Schweden, Dänemark, den Niederlanden, Belgien, Irland, Ungarn, Estland, Litauen und der Slowakei, das kommunale Wahlrecht für Ausländerinnen und Ausländer, die schon lange Zeit dort leben, eine Selbstverständlichkeit ist. Warten Sie nicht so lange, bis Sie vom Europäischen Parlament aufgefordert werden, hier nachzubessern.

(Beifall der Abgeordneten Renate Ackermann (GRÜNE))

Wir haben hier eine Ungleichbehandlung, die unserem Gemeinwesen nicht gut tut. Verdeutlichen möchte ich das am Beispiel des Kabarettisten Django Asül. Dieser ist in Niederbayern aufgewachsen; er ist vielleicht niederbayerischer als mancher Niederbayer und darf trotzdem in seinem Heimatort Hengersberg nicht den Gemeinderat wählen. An diesem Beispiel erkennt man, welche Personen alle ausgeschlossen sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, bedenken Sie, dass auch Ihre Vorsitzende Leutheusser

Schnarrenberger gesagt hat, sie plane eine ganz konkrete Landesinitiative, um die bestehenden rechtlichen Probleme zu beseitigen. Wir fordern Sie auf, ihr zu folgen. Folgen Sie nicht dem Votum der FDP-Ausschussmitglieder des Kommunalausschusses, des Europaausschusses und des Verbraucherausschusses.