Protokoll der Sitzung vom 22.04.2010

(Beifall bei Abgeordneten der CSU und der FDP)

Es geht um ein Gesamtkonzept, das wir gemeinsam auf den Weg bringen müssen.

Das zweite Thema ist: Wenn Jugendliche auf die schiefe Bahn des Alkoholkonsums gekommen sind, müssen wir versuchen, sie zu erreichen. Da ist das Projekt "HaLT" ein Punkt, womit wir sie erreichen können. Das ist der Punkt, wo wir nicht nur proaktiv arbeiten, sondern auch reaktiv. Proaktiv sagen wir: Was ist denn alles schlecht am Alkohol? Reaktiv gehen wir im Krankenhaus an das Krankenbett der Jugendlichen und sprechen mit ihnen nicht erst, nachdem ihnen vielleicht einige Tage später Freunde auf die Schulter geklopft und gesagt haben: Wie viel hast du denn geschafft? Mit wie viel bist du ins Krankenhaus eingeliefert worden? Wir reden mit ihnen vielmehr direkt am nächsten Morgen, wenn sie vielleicht offen, sensibel sind. Das ist der richtige Ansatz. Deshalb ist dieses Projekt mit seinem reaktiven Ansatz unwahrscheinlich wichtig. Deswegen ist es wichtig, dass wir gemeinsam auf diesem Weg weiterarbeiten. Mir als Ärztin ist es speziell sehr wichtig, dass wir die Jugendlichen dann abholen, wenn sie zu viel Alkohol konsumiert haben, wenn sie schon den falschen Weg eingeschlagen haben.

Wenn es nicht anders geht, müssen wir auch über Verbote reden, auch über gesetzliche Verbote. Das ist an dieser Stelle dann eben auch wichtig, und es ist unsere

politische Verantwortung, dass wir das dann auch tun. Dabei weiß ich auch, dass wir genau aufpassen müssen, damit wir keine Ausweichmöglichkeiten schaffen, wenn wir einen Hahn zudrehen. Da müssen wir schauen, dass das im Gesamtkonzept zusammenpasst, damit es eben ein Gesamtpaket wird trotz der unterschiedlichen Ministerien, die daran beteiligt sind. Wir müssen gemeinsam handeln mit dem Wirtschaftsministerium, dem Innenministerium, dem Sozialministerium, dem Kultusministerium und mit allen, die heute dabei sind, und allen, die noch dazugehören, nicht nur auf Landesebene, sondern auch in den verschiedenen Gremien, und auch mit denjenigen, die den Alkohol verkaufen, bzw. mit denen, die an der Abgabe des Alkohols beteiligt sind. Sie alle müssen wir zusammenbringen, das muss eine gemeinsame gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein.

Dieses Thema ist entscheidend. Wir müssen gemeinsam versuchen, ein Gesamtpaket auf den Weg zu bringen. Ich plädiere deswegen dafür, es zusammen auf den Weg zu bringen.

(Beifall bei der CSU)

Frau Staatssekretärin, bitte bleiben Sie noch eine Sekunde, da sich Kollege Fahn zu einer Zwischenbemerkung gemeldet hat. Bitte schön.

Frau Staatssekretärin, Sie haben sehr viel von Gemeinsamkeit und von gemeinsamen Projekten gesprochen. Sie haben im Prinzip auch alle Anträge und alle Vorschläge der Opposition gelobt. Das finde ich gut. Sind Sie auch bereit, ein Gesamtpaket zu schnüren, in dem auch die Vorschläge der Opposition - wir sind eigentlich schon auf Ihrer Linie - enthalten sind, oder meinen Sie unter Gesamtpaket immer nur CSU und FDP?

Bitte schön, Frau Staatssekretärin, zur Erwiderung.

Sie haben vorhin in der Debatte mitbekommen, dass Inhalte einzelner Anträge, auf die ich jetzt nicht im Speziellen eingegangen bin, im gemeinsamen Antrag enthalten sind, in dem zum Beispiel auch die Themen null Promille in der Schwangerschaft und der Ausbau der Präventionsangebote aufgegriffen werden. Das Projekt "HaLT", für das wir mehr Förderung erhalten, ist damit im Grunde genommen schon erledigt. Es geht um viele Bereiche. Deswegen sollten wir den Weg mit einem Gesamtpaket gehen.

(Beifall bei der CSU)

Ich darf kurz geschäftsleitend einfügen, dass sich die Redezeiten der Fraktionen um circa sieben Minuten verlängert haben, sie aber nicht ausgeschöpft werden müssen. Wir gehen davon aus, dass Tagesordnungspunkt 17 noch vor der Mittagspause und Tagesordnungspunkt 18 nach den Dringlichkeitsanträgen aufgerufen wird. Dies nur zur Planung Ihrer weiteren Redebeiträge. In der Mittagspause hält die Landtagsgaststätte verschiedene Fruchtsäfte im Interesse Ihrer Vorbildfunktion bereit. Vielen Dank. - Frau Sonnenholzner, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Es ist viel von Verantwortung des Einzelnen und der Gesellschaft gesprochen worden. Wie könnte ich nicht dieser Meinung sein? - Das ist seit sieben Jahren mein Leib- und Magenthema, seit ich in diesem Hause über riskanten oder überhöhten Alkoholkonsum spreche.

Jetzt beginnt wieder die Zeit der Volksfeste. Es bietet sich an, dass wir alle damit anfangen und in unserem Umfeld dafür werben - ich stimme Ihnen zu, Herr Staatsminister Herrmann, dass zu einem Volksfest natürlich auch ein Bier gehört -, dass auf diesen Veranstaltungen der Rausch nicht das Ziel sein darf. Das ist überwiegend vergessen worden. Ich habe manchmal den Eindruck - ich sage es noch einmal -: Wir stilisieren das größte organisierte Massenbesäufnis der Welt zu unserem obersten Kulturereignis hoch. Auch darüber könnte man sich vielleicht an dieser Stelle einmal Gedanken machen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Nicht hilfreich ist oder war, dass ein bayerischer Ministerpräsident - ich freue mich, dass die Verantwortung jetzt in das Bewusstsein gekommen ist - einmal gesagt hat, mit zwei Maß Bier könnte man locker noch Auto fahren.

Die Geschichte mit der Verantwortung der Gesellschaft klappt aber eben nicht so. Ich wiederhole, was Kollegin Dittmar schon gesagt hat: Es ist ganz fatal, dass die neue Sucht- und Drogenbeauftragte der Bundesregierung nichts anderes zu tun hat, als zwischen legalen und illegalen Drogen zu unterscheiden und damit die Droge Alkohol sozusagen wieder salonfähiger zu machen oder zu reaktivieren - und das in einer Zeit, in der wir die Probleme haben, über die wir sprechen.

(Beifall bei der SPD)

Aufgabe der Regierung, Ihre Aufgabe, Herr Herrmann, Frau Huml, Frau Haderthauer und alle anderen, ist es, das zu tun, was nötig ist, und dies zur rechten Zeit zu

tun, zu handeln und nicht nur zu reden. Das bedeutet auch, dass ich gelegentlich Unpopuläres mache, womit ich mich auch bei potenziellen Parteispendern wie der alkoholproduzierenden Industrie in die Nesseln setze. Es ist nicht Ihre Aufgabe, mit schwammigen Formulierungen in Dringlichkeits- und Entschließungsanträgen Dinge zu wiederholen, die wir alle schon Jahre und Jahrzehnte wissen, statt das zu tun, was sich als Konsequenz daraus ergibt.

(Beifall bei der SPD)

Frau Huml, wenn Sie uns hier erklären, Sie müssten jetzt ein wuchtiges, kraftvolles oder wie auch immer geartetes Gesamtkonzept zu diesem Thema erarbeiten und auf den Weg bringen und sich über die Daten Gedanken machen, darf ich Sie schon einmal fragen: Warum tun Sie das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, zu dem die Opposition schon seit Monaten 13 Anträge zu diesem Thema in diesem Hause zur Beratung anstehen hat? Ihre Aufgabe wäre dann doch gewesen, sich diesem Thema schon viel früher in dieser wuchtigen und kraftvollen Form zu nähern.

(Beifall bei der SPD)

Sie sagen, dass Sie die Datengrundlage bräuchten. Was den Bereich Alkohol und Gewalt angeht, haben wir die Daten heute wieder eindrucksvoll vermittelt bekommen. Ich darf Ihnen sagen: Alle anderen Daten sind in der hervorragenden Fachabteilung des Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit vorhanden. Sprechen Sie doch mit Dr. Walzl und den anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wir müssen doch keine Daten erheben. Wir müssen nur endlich die Konsequenzen aus der Datenlage ziehen.

(Beifall bei der SPD)

Zum Thema null Promille in der Schwangerschaft. Wir wissen, dass Alkohol in der Schwangerschaft auch in ganz geringen Dosen für das ungeborene Kind schädlich sein kann. Deswegen darf es nur eine Null-Toleranz-Lösung geben. Deswegen sind Sie aufgefordert, genau das zu tun, was wir vorschlagen, nämlich eine Kampagne zu erarbeiten. Herr Kollege Bertermann, Sie nicken jetzt; vorher haben Sie genau zu diesem Thema gesagt: Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Das finde ich mit Verlaub - dafür lasse ich mich auch gerne rügen erbärmlich, weil Sie Arzt sind. Wir wissen, dass dies schädlich ist. Stimmen Sie mir zu und lassen Sie das Ministerium diese Kampagne erarbeiten. Wir werden da gerne mitgehen.

(Beifall bei der SPD)

Wir wissen überhaupt nicht, welche Spätfolgen riskanten Alkoholkonsums bei Jugendlichen auftreten. Dazu

gibt es bisher Gott sei Dank keine Datenlage. Ich hoffe, dass wir die Daten auch nicht erheben werden müssen, weil wir das Thema hoffentlich bald in den Griff bekommen. Wir kennen nicht die mit der Abhängigkeit verbundenen sozialen und volkswirtschaftlich relevanten finanziellen Folgen. Wir wissen auch nicht, welche gesundheitlichen Schäden dadurch entstehen.

Herr Kollege Blume, Sie haben uns wortreich

(Zuruf von der SPD: Blumig!)

- blumig, genau, danke für den Einwurf -, blumig und lang anhaltend erzählt, was alles zu tun sei. Sie haben uns gesagt: Wir müssen reden. Wir müssen über den Dreiklang von Prävention und, ich weiß schon gar nicht mehr was, so blumig war es, sprechen. Wir müssen nicht reden. Wir haben seit Jahren und Jahrzehnten über das Thema gesprochen. Wir müssen handeln. Sie müssen handeln. Alles andere, was Sie uns vorlegen würden, wäre ein Armutszeugnis.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Blume, Sie haben auch gesagt, niemand habe die Meldepflicht gefordert. All das, was Sie uns erklärt haben, wissen wir doch schon, dass ein verantwortungsvoller Arzt, eine verantwortungsvolle Ärztin im Rahmen der bestehenden Regelungen selbstverständlich schon jetzt verpflichtet ist, die entsprechenden Stellen von Fällen, in denen Gefahr im Verzug ist oder in denen das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen gefährdet ist, zu unterrichten. Frau Haderthauer hat allerdings gefordert, dass jeder Jugendliche, jede Jugendliche und jedes Kind, das mit einem überhöhten Alkoholwert ins Krankenhaus eingeliefert wird, automatisch, auch beim ersten Mal, an die Polizei oder an das Jugendamt gemeldet werden muss. Das hat Frau Haderthauer gefordert. Wir fordern nichts anderes als den Verzicht darauf. Wenn Sie darauf auch verzichten wollen, erwarte ich von Ihnen, dass Sie diesem Antrag zustimmen und das durch Ihre Abstimmung deutlich machen.

Ich glaube, Herr Kollege Bertermann - ich weiß nicht mehr, wer es war - hat gesagt, die Polizei sei gefordert, nicht der Gesetzgeber. Das werde ich am nächsten Freitag, wenn ich eine Nacht beim Fürstenfeldbrucker Frühlingsfest mit Streife fahre, dem Leiter der Polizeiinspektion und seinen Mitarbeitern gerne mitgeben. Sie werden wahrscheinlich leider nicht die Zeit haben, Ihnen schriftlich die entsprechende Antwort zuzuleiten. Ich werde sie Ihnen mündlich weitergeben; denn während der Fahrt werden wir darüber sprechen können. Tatsache ist, dass Sie die Menschen draußen im Regen stehen lassen, weil Sie nicht bereit sind, das mitzutragen, was auch die Polizei fordert, nämlich das Verkaufsverbot an Tankstellen und andere Maßnahmen.

Von der ausgedünnten Personalsituation bei der Polizei spreche ich gar nicht, weil selbst die verlängerte Redezeit nicht ausreicht, um auf all das zu antworten, was Sie uns vorher zugemutet haben.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben vielfach, der Herr Staatsminister, auch die Rednerinnen und Redner der CSU und der FDP, gesagt: Wir müssen die Bezugsmöglichkeiten einschränken. - Ja selbstverständlich! Genau das wollen wir auch mit dem Verkaufsverbot an der Tankstelle erreichen. Sie sagen, Sie wollen sie einschränken. Wie denn bitte, wenn nicht so? - Das haben Sie uns nicht gesagt. Sie wissen auch, dass es nur so geht. Das geht nicht mit Kontrollen. Wenn Sie nicht völlig lebensfern sind, wissen Sie, dass die Tankstelle oder die Verkaufsstelle gar nicht anders kann, als den Wodka an ein Mitglied einer Clique, das älter als 18 Jahre ist, abzugeben. Das ist legal. Das ist keine Frage der Kontrolle, sondern eine Frage der Beschaffung. Selbst wenn wir zu 100 % kontrollieren, dass kein Alkohol an Jugendliche unter 18 Jahren ausgegeben wird, können wir das nicht verhindern. Allerdings besteht auch bei diesen Kontrollen ein Nachbesserungsbedarf.

Sie haben noch einmal die Sperrzeitverkürzung ins Spiel gebracht. Das ist sehr praktisch, weil die Sperrzeitverkürzung in keinem der Anträge vorkommt. Herr Staatsminister, wir haben in der SPD-Fraktion lang darüber diskutiert und uns dagegen entschieden. Die SPD hat einen entsprechenden Beschluss gefasst. An dieser Stelle haben Sie uns nicht an Ihrer Seite. Sie haben uns aber an Ihrer Seite bei Ihrer Forderung, die Sie sehr engagiert und überzeugt vorgebracht haben. Wir hoffen, dass wir auch noch den Rest dieses Hauses von der Richtigkeit dieser Forderung überzeugen können. Ich fordere alle Kolleginnen und Kollegen auf, unseren Anträgen zuzustimmen.

Herr Staatsminister Herrmann ist leider im Moment nicht da.

(Georg Schmid (CSU): Er kommt gleich wieder!)

- Herr Kollege Schmid, Sie könnten das an Herrn Staatsminister Herrmann weitergeben. Ich fordere insbesondere Herrn Staatsminister Herrmann auf, mit gutem Beispiel voranzugehen und dieses Verfahren dadurch zu beschleunigen, dass er unserem Antrag auf ein Verkaufsverbot an Tankstellen zustimmt.

Ich fordere Frau Staatsministerin Haderthauer auf, unserem Antrag auf Einsatz jugendlicher Testkäufer zuzustimmen. Diesen Einsatz hat sie immer wieder gefordert. Wir würden sie bei dieser Forderung unterstützen. Wir erwarten aber auch, dass sie ihre Zustim

mung zu dieser Forderung durch eine entsprechende Abstimmung in diesem Parlament zum Ausdruck bringt.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP hat sich Herr Kollege Thalhammer zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass wir heute in einem Stadium der Diskussionen angekommen sind, in dem mir in diesem Hause - im Gegensatz zu den letzten Wochen - keiner mehr widersprechen wird, wenn ich sage: Die einzige Pauschalierung, die wir beim Thema Alkohol vornehmen dürfen, ist die, dass es sich dabei um eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung handelt.

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Dafür haben wir Sie nicht gebraucht!)

- Liebe Frau Kollegin Sonnenholzner, Sie brauchen mich aber, wenn wir uns jetzt dem Thema Komasaufen zuwenden. Auf diesen Punkt wurde die Diskussion am Anfang immer wieder zugespitzt.

Zum Thema Komasaufen gibt es wunderbare Zahlen vom Statistischen Bundesamt. Aus diesen Zahlen wird deutlich, dass dieses Thema alle Altersgruppen betrifft. Seit dem Jahr 2000 hat sich über alle Altersgruppen hinweg die Zahl der Komasäufer, also derjenigen, die im Krankenhaus mit einem akuten Rausch behandelt werden mussten, mehr als verdoppelt. Natürlich gibt es Probleme bei Kindern und natürlich gibt es Probleme bei Jugendlichen. Wir brauchen aber den Mut zur ganzen Wahrheit. Unsere Sorgenkinder sind auch die Senioren.