Protokoll der Sitzung vom 04.05.2010

Wir brauchen eine Verbesserung der Qualität durch bessere Qualifizierung und bessere Weiterbildungsmöglichkeiten. Wir haben sehr viele Maßnahmen aufgeführt. Mit Blick auf die Uhr nenne ich nur die wichtigsten. Wir brauchen eine Verankerung der Pflegeausbildung an den Hochschulen als Einstieg in eine schrittweise Akademisierung der Pflegeausbildung für die Leitungsfunktionen. Es kann nicht angehen, dass Heime von mehr oder weniger unausgebildeten Kräften geführt werden. Die Verantwortung ist einfach zu groß.

Mit all diesen Dingen müssen wir endlich anfangen. Wir brauchen eine gemeinsame Ausbildung in der Krankenpflege und in der Altenpflege. Es gibt immer mehr wirklich multimorbide alte Menschen, die auf diese gemeinsame Ausbildung angewiesen sind. Sie brauchen wirklich kompetente Menschen, die sich um sie kümmern. Wir dürfen aber auch vor phantasievollen Konzepten die Augen nicht verschließen. Wir müssen auch sie mutig angehen. Ansonsten wird sich der Pflegenotstand in den nächsten Jahren für uns alle spürbar zu einer Pflegekatastrophe ausweiten. Alle, wie Sie hier sitzen, werden davon betroffen sein. Allein schon deshalb wäre es sinnvoll, es nicht auf die lange Bank zu schieben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die nächste Wortmeldung stammt von Frau Dettenhöfer von der CSU.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CSU-Fraktion hält im Hinblick auf die demografische Entwicklung ein Konzept,

wie man dem Fachkräftemangel frühzeitig entgegenwirken kann, für absolut notwendig. Liebe Frau Ackermann, Sie haben gesagt: Man muss schnell handeln. Das haben wir getan. Wir haben bereits im Juli 2009 zusammen mit der FDP einen Antrag auf den Weg gebracht. Dieser Antrag zielt auf Verbesserungen sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich. Wir wollen verbesserte Arbeitsbedingungen, eine Aufwertung der Pflegetätigkeiten, natürlich auch durch eine bessere Bezahlung. Wir wollen eine verstärkte Förderung der Ausbildungsbereitschaft, eine zügige Umsetzung einer gemeinsamen Ausbildung aller Pflegeberufe, eine Herstellung der Freizügigkeit der Pflegeberufe und die zügige Umsetzung der Ausführungsverordnung zum Wohn- und Pflegequalitätsgesetz. - Das sind nur einige Punkte, die ich hier nenne, auch im Blick auf die fünf Minuten Redezeit, die wir ja nur haben.

Diese Forderungen werden inzwischen sukzessive im Sozialministerium abgearbeitet. Morgen findet zum Beispiel wieder ein Gipfelgespräch zur Zukunft der sozialen Berufe statt. Am 17. März 2010 fand ein Treffen mit Verbänden, Kostenträgern und mit der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit statt, bei dem ein Bündnis für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in der Altenpflege geschlossen wurde. Die Verbände haben sich darin bereit erklärt, einen berufsorientierten stufenweisen Ausbau der Ausbildungskapazitäten anzustreben und intensiv auf die Schaffung von flächendeckenden Ausbildungsverbünden und Kooperationsmodellen hinzuwirken, um besonders bei ambulanten Diensten Ausbildungsanreize zu schaffen.

Das Staatsministerium unterstützt natürlich im Übrigen die Einrichtungen auch finanziell, zum Beispiel bei der Schaffung von zusätzlichen Ausbildungsplätzen oder bei der Fort- und Weiterbildung. Zudem haben wir zu diesem Themenkomplex noch eine Anhörung für den Juni geplant. Das geht auf einen Antrag der SPD-Fraktion zurück. Eigentlich gibt es x Anträge zu diesem Thema. Ich will gar nicht alles aufzählen, was an Anträgen und Entschließungen auf den Weg gebracht wurde. Ich will auch nicht alles aufführen, was sich bereits in der Umsetzung befindet.

Festzuhalten ist: Der Antrag der GRÜNEN bringt uns in der Sache nicht mehr weiter. Er ist im Grunde genommen überholt. Er ist unnötig. Wir lehnen ihn deshalb ab.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU und der FDP)

Für die SPD bitte ich Frau Weikert ans Pult.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Für überflüssig und überholt - das

hören wir im Sozialausschuss leider oft - halten wir den Antrag der GRÜNEN nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Der Hintergrund, auf dem dieser Antrag basiert, ist ein ganz realer. Er zitiert zunächst einmal aus dem Sozialbericht, der von vielen Experten unter Federführung des Sozialministeriums zusammengestellt wurde, und enthält einfach Tatsachen. Schließlich geht es darum, dass man nicht einfach eine Datenquelle zusammenstellt, um sie im Schrank zu verstecken, sondern um auf der Basis dieser Datenquelle Maßnahmen zu ergreifen und politische Konsequenzen zu ziehen, die den Hintergrund verändern und die Sache nach vorne treiben.

Wir haben uns bei der Abstimmung im sozialpolitischen Ausschuss der Stimme enthalten, aber nicht, weil wir den Antrag aufgrund des Hintergrundes - das hatte ich am Anfang gesagt - für unnötig halten, sondern weil wir selbst als Sozialdemokraten, wie Kollegin Dettenhöfer gerade erwähnt hat, dazu eine umfassende Anhörung beantragt haben. Wir gehen dann, Kolleginnen und Kollegen, eigentlich immer nach der Devise vor: Wenn wir eine Anhörung machen, dann möchten wir auch wirklich zuhören, uns dem öffnen, was die Experten zu diesem Thema beizutragen haben. Wir wollen dann immer gern die Ergebnisse dieser Anhörung aufgreifen und letztlich in parlamentarische Initiativen umsetzen. Ich will das nur noch einmal auch gegenüber den GRÜNEN verdeutlichen: Das ist der einzige Grund, weshalb wir im Ausschuss mit Enthaltung gestimmt haben.

Ich will an dieser Stelle auch betonen, dass wir uns als SPD von der CSU und der FDP in der Frage der Umlagefinanzierung in der Ausbildung ganz deutlich unterscheiden. Wir als Sozialdemokraten haben diese Forderung bereits vor sieben oder acht Monaten formuliert - ich weiß es nicht mehr genau, nur, dass ich den Antrag mit meinen Kolleginnen unter der Überschrift "Die derzeitige Krise insofern positiv aufgreifen und den Fachkräftemangel beheben" formuliert habe. Da haben wir diese Forderungen bereits aufgestellt, aber leider keine Zustimmung erhalten, abgesehen von der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Diese Forderung halten wir aufrecht und wir sind uns sicher, dass sie auch bei der bevorstehenden Anhörung wiederum von den Experten erhoben wird, wie sie im Übrigen zurzeit von vielen Organisationen im ganzen Land, zum Beispiel von den Seniorenbeiräten, vom Landesseniorenbeirat und von vielen anderen, immer wieder neu in die Debatte eingebracht wird.

Denn, verehrte Kolleginnen und Kollegen, bessere Arbeitsbedingungen haben für die Träger der Einrichtungen natürlich auch damit zu tun, dass sie letztlich eine

höhere Refinanzierung ihrer Kosten bekommen. Es liegt nicht daran, dass sie nicht wollen, sondern es geht bei den Einrichtungen schlicht darum: Wie kann ich die Qualität in der Pflege sicherstellen und finanzieren? Dazu müssen die Grundlagen gelegt werden.

Insofern sind, wie gesagt, die einzelnen Punkte nicht abzulehnen, aber wir wollen die Anhörung abwarten und werden dann sicher erneut die Diskussion zu diesem Punkt im Ausschuss aufnehmen. Wir freuen uns schon auf die unterschiedlichen Antragstellungen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Dr. Bauer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh, dass wir dieses Thema noch einmal auf der Tagesordnung haben. Für unsere Ausschussreise möchte ich mich in diesem Zusammenhang noch einmal ganz herzlich bedanken, speziell für die Informationen, den Umfang und die Qualität. Ich möchte später einfügen, was ich in Schweden und in Norwegen gelernt habe.

Die demografische Entwicklung ist nicht nur ein deutsches Problem, sondern zieht sich europaweit durch. Die Anzahl der älteren Menschen nimmt dramatisch zu, insbesondere die der pflegebedürftigen. Laut der Prognose des Statistischen Bundesamtes wird die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Bayern bis 2020 um 40 % zunehmen. Das müssen wir bei unserer Entscheidung berücksichtigen.

Sicherlich bestreitet niemand hier im Haus, dass in der Altenpflege ein Notstand an Fachkräften in den nächsten Jahren droht. Die Zeit zum Handeln ist also knapp. Deshalb ist es dringend erforderlich, dass die Staatsregierung Strategien und insbesondere Konzepte entwickelt, wie sie dem zukünftigen Mangel an Pflegekräften begegnen will.

In diesem Zusammenhang - das ist die Auffassung der Freien Wähler - muss die häusliche Pflege unbedingt weiter ausgebaut werden. Dies schließt auch ambulante Wohngemeinschaften ein. Ich erinnere an die Unterstützung von Frau Staatsministerin Haderthauer, als wir - Herr Rohde war dabei, Herr Herold, Frau Ackermann - die Demenzwohneinheit in Langensteinach in Mittelfranken besuchten. Es ist uns gelungen, einen Kompromiss zu finden, der gesetzeskonform ist und die besondere Bedeutung der Pflege von Demenzkranken herausstellt und unterstützt.

Diese ambulanten Wohngemeinschaften bestehen aus vier bis zehn bzw. zwölf Personen und haben den ganz

großen Vorteil, dass eine gemeinsame Unterbringung im häuslichen Wohnbereich stattfindet. Zudem wird ermöglicht, dass die Pflege dieser Menschen rund um die Uhr 365 Tage im Jahr qualitativ hochwertig sichergestellt ist.

Gleichzeitig wird - das ist besonders wichtig - ein hohes Maß an selbstbestimmter Lebensführung in familiärer Umgebung gewährleistet. Ein weiterer großer Vorteil der ambulanten Wohngemeinschaften ist die hohe Selbstständigkeit und Selbstbestimmung der älteren und auch behinderten Menschen. Leider gibt es in Bayern viel zu wenige solcher ambulanten Wohngemeinschaften. Deswegen setzen wir uns dafür ein, dass dieser Bereich gestärkt wird. Besonders wichtig ist das, wenn es um Menschen mit Demenzerkrankung oder mit Depressionen geht.

Priorität sollte daher haben, die Pflege der älteren Menschen so zu gestalten, dass sie weiterhin im Wesentlichen selbstständig wohnen und leben können. Das gerade haben wir in Schweden kennengelernt. Ich erinnere an den entsprechenden Anspruch dort. Seit dem Jahr 2003 gibt es in Schweden ein Gesetz, das einen Anspruch auf eine persönliche Assistenz für Personen gewährt, die einen Pflegebedarf von mehr als 20 Stunden in der Woche haben. Ich bin gespannt darauf, was unsere deutschen Experten dazu in der Anhörung sagen werden.

Des Weiteren möchte ich die Bedeutung des ehrenamtlichen Engagements hervorheben. Ohne dieses ehrenamtliche Engagement wird es nicht möglich sein, die benötigten Pflegekräfte landauf, landab wohnortnah und qualitativ hochwertig ausgebildet zur Verfügung zu stellen. Das soll natürlich nicht heißen, dass dann, wenn wir das ehrenamtliche Engagement stärken, die Pflegefachkräfte - die Betonung liegt auf Fachkraft - abgewertet werden dürften bzw. auf sie verzichtet werden könnte. Allerdings gibt es eine Vielzahl von pflegenden Handlungen und Tätigkeiten, die eine spezielle Ausbildung nicht erfordern, insbesondere keine akademisierte Ausbildung. Denken Sie nur daran, dass es dementen Patienten besonders wichtig ist, dass beispielsweise ein Mitmensch neben ihnen wohnt, für sie da ist, ihnen die Hand hält und Hilfestellung bei der Essensaufnahme oder beim Trinken leistet. Das alles können Menschen tun, die keine akademische Ausbildung haben.

Achten Sie bitte auf die Redezeit, Herr Kollege. Sie ist abgelaufen.

Danke für den Hinweis. Ich komme damit zum Schluss. Wir brauchen ein wirksames Kontrollsystem für die Pflegeeinrichtungen, aber kein bürokratisches Monster. Es darf

auch keine Dumpinglöhne geben; wir fordern eine angemessene Bezahlung.

Die Freien Wähler werden dem Antrag zustimmen, auch wenn wir über die Spiegelstriche Nummer 4 und Nummer 8 noch einmal ausführlich diskutieren müssen. Ich bin gespannt, was die Anhörung im Sozialausschuss bringen wird.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Danke, Herr Kollege. Die nächste Rednerin ist Frau Meyer für die FDP.

Verehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Den Sozialbericht, dieses Mammutwerk mit 800 Seiten, mit Leben zu erfüllen, ist das Ziel aller Fraktionen. Daran arbeiten wir im Sozialausschuss kontinuierlich.

Ein wichtiger Punkt, der in diesem Sozialbericht behandelt wurde, sind zweifellos die Pflege und die Probleme, die damit verbunden sind.

Es wurde schon die Problematik angesprochen, dass die Menschen immer älter werden. Viele haben das Glück, gesund älter zu werden, andere aber haben dieses Glück nicht. Deren Körper macht nicht immer das, was der Geist will. Diese Menschen sind pflegebedürftig. Das kann jeden von uns treffen, wenn uns das Schicksal heute oder morgen plötzlich überfällt.

(Zuruf von der CSU)

Deshalb ist die Frage fehlender Pflegekräfte ein ganz wichtiges Thema. Frau Kollegin Dettenhöfer hat bereits aufgezeigt, dass schon einiges auf diesem Sektor getan bzw. eingeleitet wurde.

Einen wichtigen Punkt haben wir noch vor uns, nämlich am 24. Juni eine Anhörung im Sozialausschuss zum Thema Zukunft der Pflege.

Das ist für mich persönlich ein Grund, warum wir diesen Antrag jetzt ablehnen werden. Wir glauben, es ist sinnvoll, zunächst eine Anhörung voranzustellen und sich die Ergebnisse aus dieser Anhörung anzusehen. Wir meinen, dass dann noch sehr viele Diskussionen zu führen sind, mit Sicherheit auch über die Umlage. Anschließend gilt es, ein entsprechendes Konzept zu entwickeln und entsprechende Beschlüsse zu fassen.

Dieses Vorgehen halten wir für zielführender. Deshalb werden wir diesem Antrag nicht zustimmen, so wie wir es bereits im Ausschuss getan haben.

Auch ich bin voller Erwartung, was die Diskussionen im Ausschuss betrifft. Wir werden dort mit Sicherheit viele

neue Erkenntnisse gewinnen, so wie es auch bei anderen Anhörungen im Sozialausschuss in der Vergangenheit der Fall war.

Frau Meyer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich bin schon fertig. Ich wiederhole, wir werden diesem Antrag jetzt nicht zustimmen.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Das haben wir schon gehört!)

Wir können dann im Ausschuss sehen, welche Konzepte wir entwickeln.