Protokoll der Sitzung vom 19.05.2010

kauft wird, eigentlich eine Pflicht ist. Es ist unsere Pflicht, die EU-Richtlinie 2003/9 EG umzusetzen. Das ist unsere Pflicht seit dem Jahr 2005! Doch seit dem Jahr 2005 ist nichts passiert. Ich zitiere Artikel 20 dieser Verordnung. Dort steht:

Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass Personen, die Folter, Vergewaltigung oder andere schwere Gewalttaten erlitten haben, im Bedarfsfall die Behandlung erhalten, die erforderlich ist.

Bisher kann ich nur feststellen: Fehlanzeige. Auch REFUGIO kommt zu der Auffassung, dass die Umsetzung von den erforderlichen Stellen bisher nicht in Angriff genommen wurde. Das ist eine Schande für unseren Freistaat!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich schlage Ihnen vor, den Antrag umzuformulieren. Formulieren Sie ihn entweder um, oder stimmen Sie unserem Antrag zu. So wie der Antrag jetzt ist, ist er nur ein Signal mit marginaler Wirkung. Ich richte an Sie den Appell: Ringen Sie sich durch, echte Hilfe und Betreuung zu fordern so, wie das unser Antrag tut. Fordern Sie kein Pilotprojekt, sondern eine ausreichende personelle Ausstattung, und zwar insbesondere für die Bedürfnisse der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eine Zwischenbemerkung, Herr Kollege? - Bitte schön.

(Vom Redner nicht auto- risiert) Frau Kollegin, wie würde Ihre Konzeption aussehen? Wie viele Fachkräfte bräuchten Sie für 300 Flüchtlinge? Wie sollen diese Fachkräfte finanziert werden?

Herr Kollege Dr. Bertermann, es handelt sich hier um eine staatliche Aufgabe, der wir gerecht werden müssen. Wir können uns ausrechnen, dass bei einer Zahl von 300 bis 350 Flüchtlingen, die Zahl schwankt immer etwas, mindestens 50 Fachkräfte gebraucht werden, um das, was gefordert ist, zu erledigen. Diese Zahl mag jetzt allen sehr hoch erscheinen, aber das ist nicht meine Idee. Wenn wir wirklich ernsthaft Folgeerscheinungen und ernsthafte Krankheiten dieser Menschen verhindern wollen, dann müssen wir das tun.

Wie wir die Fachkräfte finanzieren, nun, dafür ist die Verfügungsmasse eines Haushaltes da. Wir müssten in anderen Bereichen Abstriche machen. Ich könnte Ihnen durchaus Vorschläge machen. Aus meiner Sicht brauchen wir beispielsweise wesentlich weniger

Straßenbau. Investieren wir doch mehr in Menschen und weniger in Teer und Beton. Vielleicht könnten wir diesen Menschen dann gerecht werden. Für mich ist es jedenfalls eine moralische und ethische Aufgabe, mich dafür einzusetzen, dass diesen Menschen nicht weiterhin Unrecht geschieht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Seidenath. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist unsere humanitäre Verpflichtung, Menschen, die in einer elementaren Notlage zu uns kommen, zu helfen, ihnen Unterstützung und Beistand zu gewähren. Viele, die zu uns kommen, haben Schreckliches erlebt. Sie haben Krieg, Vergewaltigung und blanke Not erlebt. Einige sind deshalb traumatisiert und leiden unter posttraumatischen Belastungsstörungen. Sie brauchen medizinische Hilfe; je früher diese einsetzt, desto effektiver kann sie wirken und desto eher können langfristige Schäden vermieden werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Hier haben sich bisher Organisationen, wie zum Beispiel REFUGIO, verdient gemacht. Es ist gut, dass sich künftig auch der Staat engagiert. Die Hilfe sollte sinnvollerweise in den beiden Erstaufnahmeeinrichtungen, die wir in unserem Lande haben, ansetzen, und zwar in Zirndorf für Nordbayern und in München in der Baierbrunner Straße für Südbayern. Wir haben uns deshalb für ein zwölfmonatiges Pilotprojekt entschieden, das erwachsene Flüchtlinge betrifft. Ein Pilotprojekt zur Früherkennung von vulnerablen Kindern und Jugendlichen läuft gerade - Frau Meyer hat es angesprochen - in der Regie von REFUGIO in München, in Kooperation mit der HIT-Stiftung. Wir wollen uns nun den Erwachsenen zuwenden.

Im Stammhaushalt - wir haben es hier beschlossen sind bereits 200.000 Euro für ein solches Pilotprojekt in der Baierbrunner Straße vorgesehen. Zugleich haben die Koalitionsfraktionen aus ihrer Koalitionsreserve auf unsere Initiative hin im Nachtragshaushalt 2010 weitere 160.000 Euro für ein solches Pilotprojekt in Zirndorf für Nordbayern bereitgestellt.

Frau Ackermann, das ist für die Flüchtlinge, die zu uns kommen, wieder eine Verbesserung. Sie haben hier wieder Wermut verschüttet. Sie haben gesagt, es handle es um eine "Schande für den Freistaat". Nein, das ist eine deutliche humanitäre Verbesserung bei der Behandlung der Flüchtlinge, die zu uns kommen. Die Staatsregierung sollte deshalb, Frau Meyer - die

sem Antrag stimmen wir vollen Herzens zu -, in Abstimmung mit den hier bereits tätigen Sozialdiensten und Flüchtlingshilfeorganisationen die organisatorischen und räumlichen Voraussetzungen schaffen, die für eine erfolgreiche Umsetzung dieses Pilotprojekts erforderlich sind. Das ist der Inhalt des Antrags der FDP, den wir für gut und richtig halten. Wir sind im Geiste Mitantragsteller.

Das Pilotprojekt soll so früh wie möglich starten - erst in München, dann in Zirndorf - und soll zwölf Monate lang laufen. Anschließend soll das Projekt drei Monate lang evaluiert werden, um die Erfahrungen auszuwerten und um zu überlegen, wie wir es am besten dauerhaft in die Tat umsetzen.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Ackermann?

Ich würde den Gedanken gerne zu Ende führen; am Ende gestatte ich dann gerne eine Frage.

Ja, gut. Bitte.

Denn es sind noch einige Fragen bei dem Pilotprojekt offen. Beispielsweise geht es um die Frage, ob es ein Team sein soll. Wir werden wohl eine männliche und eine weibliche psychotherapeutische Fachkraft brauchen. Mit einem Psychotherapeuten allein wird es nicht getan sein, weil manche Traumata geschlechtsspezifisch sind.

Ferner ist die Frage offen, ob es sinnvoll ist, Diagnostik und Therapie zu trennen. Es gibt Argumente sowohl dafür als auch dagegen. Aber das Trennen von Erkennen und Behandeln mag hier sinnvoll sein, denke ich.

Genau das ist doch das Wesen eines Pilotprojekts: Man sollte erst Erfahrungen sammeln; das tun wir durch das REFUGIO-Projekt für Minderjährige; das geschieht auch in unseren staatlichen Projekten für Erwachsene. Zweckmäßig ist es also, erst Erfahrungen zu sammeln und sie dann in die Tat umzusetzen. Das ist unser Fahrplan. Das ist eine solide und vernünftige Vorgehensweise. Dieser Vorgehensweise würde es widersprechen, wenn wir Ihrem nachgezogenen Dringlichkeitsantrag zustimmen würden, der gleich alles will und von vornherein eine dauerhafte Entscheidung treffen möchte. Wir hingegen wollen erst einmal die Ergebnisse der Pilotprojekte abwarten. Deswegen sage ich noch einmal: Wir werden dem Antrag der FDP, unserem Antrag zustimmen und den Antrag der GRÜNEN ablehnen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Frau Kollegin Ackermann, Ihre Zwischenfrage.

Herr Seidenath, ich wundere mich darüber, dass Sie von einem durchdachten Konzept sprechen. Sie haben im Haushalt bereits zwei Stellen ausgewiesen, aber Sie haben keinerlei Räumlichkeiten dafür vorgesehen. Ich frage Sie, was das für ein Konzept ist. Jetzt müssen Sie einen Dringlichkeitsantrag bemühen, um im Nachhinein Räume für die zwei Personen zu schaffen. Das ist doch wirklich ein Armutszeugnis.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dann möchte ich Ihnen kurz vorrechnen, wie viel Zeit der Mann oder die Frau, der oder die jetzt eingestellt wird, hat, um sich um die Flüchtlinge zu kümmern. Gehen wir von einer 35-Stunden-Woche - meinetwegen auch von einer 38-Stunden-Woche - aus, ergibt sich bei 350 Flüchtlingen in dieser Einrichtung eine gute Minute pro Woche und Flüchtling. Herzlichen Glückwunsch.

Herr Kollege.

Genau das habe ich gemeint, Frau Ackermann, als ich von dem Wermut sprach, den Sie hier immer vergießen. Ich hätte es auch noch drastischer ausdrücken können. Sie wissen aber auch, dass die Räume das kleinere Problem sind.

(Zuruf der Abgeordneten Renate Ackermann (GRÜNE))

Das größere Problem ist es, das Personal zu finden und vor allem das Geld zur Verfügung zu stellen, um dieses Personal zu finanzieren. Erstmals haben wir in diesem Nachtragshaushalt dafür satte 360.000 Euro, das ist ein Batzen Geld, eine riesige Stange Geld. Ich weiß schon jetzt, dass Sie damit nicht zufrieden sein werden, aber das ist eine riesige humanitäre Verbesserung. Auf diesen Erfolg können wir alle miteinander stolz sein. Wenn Sie in sich gehen und darüber nachdenken, können Sie auch froh darüber sein.

(Beifall bei der CSU - Claudia Stamm (GRÜNE): Das haben wir aber schon oft gehört!)

Vielen Dank, Herr Kollege. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Weikert. Bitte schön.

(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen!

Etwas verwundert bin ich schon angesichts der heutigen Antragstellung. Frau Meyer, ich glaube, Sie werden uns das nicht verübeln, weil man darüber eigentlich verwundert sein muss. Wir wissen nicht, was sich bei den Koalitionsgesprächen in der vergangenen Woche hier im Hause bei Schwarz-Gelb abgespielt hat. Aber ich bin hellhörig geworden. Herr Unterländer schmunzelt schon etwas. Denn der Antrag nennt als Absender nur die FDP. Die CSU, so wird gesagt, ist im Geiste dabei, aber dann doch nicht so ganz richtig.

Ich denke, dass der Antrag, den Sie heute stellen, Frau Meyer, im Wesentlichen aus Ihrer Feder stammt. Sie sind diejenige, die letztlich dahintersteckt. Dieser Antrag zeigt doch, Frau Meyer, dass Sie mit dem, was wir letzte Woche im Sozialausschuss beschlossen haben - nicht wir, die SPD, sondern die Mehrheit hier im Hause, Schwarz-Gelb -, ganz und gar unzufrieden sind. Dieser Antrag ist für mich der Beweis. Er wird eine Woche nach dieser Beschlussfassung im Sozialausschuss vorgelegt. Wir haben uns im Sozialausschuss viel Mühe gemacht und haben uns die Zeit für eine sehr umfassende Diskussion zu dieser Problematik genommen. Diese Diskussion hat nach der Anhörung, die jetzt ein Jahr zurückliegt, hier im Sozialausschuss damit ihren Abschluss gefunden.

Zu diesem Thema haben sich alle positioniert. Die SPD-Fraktion hat einen Gesetzentwurf und einen Antrag auf Drucksache 16/4198 eingebracht. Mit diesem Antrag, der mehrere Punkte umfasst, wollen wir ein Stück Richtungswechsel in Sachen Asylpolitik. Wir haben damit das Parlament aufgefordert, unseren Grundsätzen und Mindeststandards, die wir im Antrag festgehalten haben, zu folgen.

Kollege Seidenath hat bei der Diskussion im sozialpolitischen Ausschuss unserem Antrag eigentlich ein großes Kompliment ausgesprochen und nachdrücklich bestätigt, dass er sehr sachorientiert ist und eine gute Grundlage gewesen wäre, um die einzelnen Punkte in den verschiedenen Phasen anzugehen.

Jetzt komme ich auf das heutige Thema. In unserem Antrag schreiben wir - das haben wir ganz bewusst so formuliert -, dass ankommenden Flüchtlingen in den Erstaufnahmeeinrichtungen in rechtlicher Hinsicht, aber auch in medizinischer Hinsicht ausreichend geschultes Personal zur Verfügung stehen muss, damit man beide Dinge erkennt: unser Grundrecht auf Asyl und die medizinisch notwendige Versorgung.

Die ankommenden Flüchtlinge sollen ihre Rechte in Anspruch nehmen können. Dabei geht es auch um die verschiedenen Angelegenheiten, die in der europäischen Asylpraxis, hinter die Bayern nicht zurückfallen soll, als rechtliche Grundlagen für ankommende

Flüchtlinge vorgesehen sind. Dazu gehört natürlich auch die medizinische Untersuchung. Diese Frage kann sich nicht nur allein auf den Körper beziehen, sondern umfasst auch mögliche Traumatisierungen oder psychiatrische Erkrankungen; die Fluchtgründe sind entsprechend einzuordnen. Für uns war immer oberster Grundsatz, dass die beiden Bereiche angesprochen werden müssen. Deswegen haben wir heute auch keinen Antrag mehr nachgezogen, weil wir diesen Punkt in unsere Grundsätze mit aufgenommen haben.

Den Antrag, den Sie, Frau Meyer, heute vorgelegt haben, verstehe ich wirklich nicht so ganz. Sie sagen, und das ist heute klar geworden, dass diese zwei Stellen eigentlich da sind. Es geht nur um ein paar Räume. Sie schütteln jetzt zwar den Kopf, aber das ist schon ein Problem. Ich bleibe jetzt einmal bei der Baierbrunner Straße. Im Petitionsausschuss haben wir dazu eine fast dreistündige Diskussion geführt. Die Baierbrunner Straße wird von allen Mitgliedern des Ausschusses im Prinzip als sehr problematisch angesehen, sowohl vom Standard als auch von der Aufnahmekapazität und den sonstigen Gegebenheiten her. Das gilt auch für den Sozialausschuss. Wir haben im Petitionsausschuss festgelegt, dass die Baierbrunner Straße bis 2014 - so lange läuft nämlich der Mietvertrag - nicht voll belegt werden kann, sondern dass es Ziel der bayerischen Staatsregierung sein muss, die Baierbrunner Straße sukzessive durch weitere Außenstellen zu entlasten. Es wurde deutlich gesagt, dass auf jeden Fall als erste die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge eine eigene Außenstelle erhalten müssen.

Genau in dieser besagten Baierbrunner Straße wollen Sie Räume dazu ausbauen. Da fehlt mir, Frau Meyer, irgendwo die Gesamtkonzeption. Für mich lässt sich das mit Ihrer Antragstellung nicht so richtig einordnen. Wir haben deshalb viele, viele Zweifel. Wir werden deshalb Ihrem Dringlichkeitsantrag nicht zustimmen, auch deswegen, weil wir das Thema, um das es hier geht, nicht durch ein Pilotprojekt abhandeln wollen, bei dem man erst Erfahrungen sammeln muss. Vielmehr ist völlig klar: Ankommende Flüchtlinge brauchen sowohl rechtliche als auch entsprechende medizinische Beratung und Untersuchung. Das ist ein Grundsatz; das kann nicht durch ein Pilotprojekt entschieden werden.

Wir werden Ihren Dringlichkeitsantrag also ablehnen, dem Antrag der GRÜNEN werden wir zustimmen. Ich verweise noch mal auf unseren Antrag, in dem wir das Thema umfassender dargestellt und unsere grundsätzlichen Forderungen formuliert haben.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Als Nächsten darf ich Herrn Kollegen Dr. Fahn bitten.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Freien Wähler haben am 1. Juli 2009 einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht. Es hat über ein Jahr gedauert, bis die Zweite Lesung durchgeführt wurde. Sie hat letzte Woche im Sozialausschuss stattgefunden. Dann wurde dem Sozialausschuss der Riesenantrag der Koalition mit verschiedenen Punkten auf eineinhalb Seiten vorgelegt. Frau Meyer hat gesagt, das sei das Mindeste gewesen, was zu erreichen gewesen sei; mehr sei nicht drin gewesen. Das hat sie letzte Woche gesagt. Wir dachten: Okay, das ist es jetzt.