Protokoll der Sitzung vom 19.05.2010

Herr Minister, bitte.

Der Beitrag hat sich, wenn ich ihn richtig verstanden habe, weniger an mich persönlich gerichtet. Ansonsten sehe ich mich insgesamt durch die Debatte des Hohen Hauses durchaus in meinem Vorgehen und weiterem Vorhaben bestärkt. Dementsprechend wollen wir das morgen angehen.

Herr Kollege Arnold. Bitte schön.

Herr Staatsminister Herrmann, sehe ich es richtig, dass möglicherweise eine der Rechtsgrundlagen für Ihr Vorgehen das Landesstrafund Verordnungsgesetz - LStVG - zur Abwendung von Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ist? Ist das die eine Komponente?

Wenn wir feststellen, dass dort Datenschutzgesetze verletzt worden sind, frage ich Sie, ob Sie die Aussage des Geschäftsführers von Google Deutschland zur Kenntnis genommen haben, der gefragt hat, wer geschädigt worden sei. Dieses Problem besteht insgesamt. Wir müssen die Dateien und die Festplatten bekommen. Ohne beides kann nichts bewerkstelligt werden.

Herr Minister. Bitte.

Die Strafrechtsverletzung muss von den zuständigen Staatsanwaltschaften sorgfältig geprüft werden. Die Dinge, die Sie, Herr Kollege, angesprochen haben, spielen sicherlich eine Rolle. Man wird sehen müssen, ob man das etwas weiter interpretieren kann. Ich will den Staatsanwaltschaften nicht vorgreifen.

Wir beziehen das LStVG in unsere Überlegungen ein. Ich bitte noch einmal um Verständnis: Die heutige Besprechung in Hamburg war lange geplant. Wir haben auf die Ergebnisse dieser Besprechung gesetzt. Dass diese Besprechung nach meinem momentanen Informationsstand nur eine weitere Vertagung um eine Woche zur Folge hat, habe ich erst vor einigen Minuten erfahren. Deshalb bitte ich um Verständnis dafür, dass ich jetzt noch keinen fertigen Bescheidsentwurf in der Tasche habe. Wir wollen morgen früh die Erkenntnisse der Kollegen, die an der Besprechung in Hamburg teilgenommen haben, genau verifizieren, und auf dieser Grundlage werden wir dann konkrete Schritte einleiten.

Weitere Zwischenbemerkungen sind nicht angemeldet. Weitere Wortmeldungen liegen mir ebenfalls nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/4841 - das ist der Dringlichkeitsantrag der Freien Wähler - seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. Eine kurze Zwischenfrage: Sollen wir über die einzelnen Punkte getrennt abstimmen, oder stimmen wir über den gesamten Antrag ab? - Wir bleiben bei der Gesamtabstimmung. Ich wollte Sie nur nicht übergehen. Sie hatten eine getrennte Abstimmung angedeutet. Ich bitte also noch einmal um das Handzeichen für die Zustimmung zum Antrag der Freien Wähler. - Gegenstimmen? - Damit ist der Antrag bei Zustimmung der Oppositionsfraktionen und Frau Dr. Pauli und bei Gegenstimmen von CSU und FDP abgelehnt.

Wir kommen zum Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/4864. Das ist der Antrag der SPD-Fraktion. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? Enthaltungen? - Bei gleichem Stimmenergebnis ist auch dieser Antrag abgelehnt.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/4868, dem Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion und der FDP-Fraktion, seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und Zustimmung

aller anderen Fraktionen und von Frau Dr. Pauli ist dieser Antrag angenommen.

Hinter den Kulissen haben sich die parlamentarischen Geschäftsführer darauf verständigt, dass die heute angesetzten Ersten Lesungen ohne Aussprache durchgeführt und die Gesetzentwürfe in die Ausschüsse verwiesen werden sollen. Ich schlage Ihnen vor, dass wir diese Ersten Lesungen zwischendurch durchführen, um den parlamentarischen Prozess zu beschleunigen. Ich werde deshalb jetzt kurz die Tagesordnungspunkte 2 b, 2 c, 2 d und 2 e aufrufen, um die Ersten Lesungen durchzuführen und die Gesetzentwürfe in die Ausschüsse zu verweisen. Erhebt sich dagegen Widerspruch?

(Zuruf von den GRÜNEN: Warum nicht nach den Dringlichkeitsanträgen?)

- Wir können sie auch gerne später aufrufen. Es war nur ein Angebot. Es erhebt sich kein Widerspruch.

Deshalb rufe ich zwischen den Dringlichkeitsanträgen Tagesordnungspunkt 2 b auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Statistikgesetzes (Drs. 16/4810) - Erste Lesung

Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? - Das ist der Fall. Dann ist es so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 2 c und 2 d gemeinsam auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Hans-Ulrich Pfaffmann, Franz Schindler u. a. und Fraktion (SPD) zur Änderung der Verfassung des Freistaates Bayern Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung Verfassungsrechtliche Verankerung der Lernmittelfreiheit an Bayerns Schulen (Drs. 16/4614) - Erste Lesung

und

Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Hans-Ulrich Pfaffmann, Martin Güll u. a. und Fraktion (SPD) zur Änderung des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes

Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung Umfassende Lernmittelfreiheit an Bayerns Schulen (Drs. 16/4615) - Erste Lesung

Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung des Freistaats Bayern, Drucksache 16/4614, dem Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz als federführendem Ausschuss zu überweisen.

Der Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes, Drucksache 16/4615, soll dem Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport als federführendem Ausschuss überwiesen werden. Besteht damit Einverständnis? - Das ist der Fall. Dann ist auch dieses so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 e auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Hans-Ulrich Pfaffmann, Franz Schindler u. a. und Fraktion (SPD) zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung Anspruch auf einen gebundenen Ganztagsschulplatz (Drs. 16/4790) - Erste Lesung

Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? - Das ist der Fall. Damit ist auch dieses so beschlossen.

Geschäftsleitend füge ich hinzu, dass wir noch circa eineinhalb Stunden Redezeit für die Dringlichkeitsanträge haben. Damit besteht genügend Zeit für zwei Dringlichkeitsanträge. Danach haben wir noch eine Stunde für die Rechnungshofangelegenheiten. Dann wird aber die Zeit für weitere Tagesordnungspunkte ausgehen. Es können jetzt noch Gespräche darüber geführt werden, ob man diese Punkte noch aufruft. Das überlasse ich aber Frau Präsidentin Stamm. Ich übergebe jetzt das Wort für den nächsten Tagesordnungspunkt an Frau Präsidentin Stamm.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich rufe zur gemeinsamen Behandlung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Hacker, Brigitte Meyer, Renate Will u. a. und Fraktion (FDP)

Frühe Diagnostik von psychischen Belastungen bei vulnerablen Flüchtlingen in bayerischen Erstaufnahmeeinrichtungen ermöglichen (Drs. 16/4843)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Kontinuierliche und verlässliche Betreuung von traumatisierten Flüchtlingen statt eines Pilotprojektes (Drs. 16/4865)

Ich darf gleich dazusagen, dass zum Dringlichkeitsantrag der Fraktion der Freien Wähler auf Drucksache 16/4843 namentliche Abstimmung beantragt worden ist.

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Als Erster darf ich Frau Kollegin Meyer das Wort erteilen.

(Von der Rednerin nicht autori- siert) Sehr verehrte Frau Präsidentin, verehrtes Präsidium, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die FDP hat hart dafür gekämpft, dass sich die Bedingungen für Asylbewerber in Bayern verbessern. Wir haben dazu ein kleines Paket geschnürt. Ein wichtiger Punkt dieses Paketes, das natürlich etwas größer hätte ausfallen können, ist die Frühdiagnostik von psychischen Belastungen bei vulnerablen, also schutzbedürftigen Flüchtlingen in bayerischen Erstaufnahmeeinrichtungen. Bislang sind Traumatisierungen oft erst nach langer Zeit, zum Teil auch gar nicht, erkannt worden. Die Asylbewerber sind mit ihrem Trauma im Stich gelassen worden. Um Verbesserungen zu erreichen, haben wir uns dafür eingesetzt, dass bereits im Nachtragshaushalt Mittel für eine psychologisch-medizinische Stelle zur Verfügung gestellt werden. Das Sozialministerium hat für eine solche Stelle bereits Mittel eingestellt. Eine Ausschreibung für eine solche Stelle in München läuft auch schon.

Wir haben diesen Dringlichkeitsantrag heute trotzdem gestellt, weil wir, die FDP, bei der Ausgestaltung der Stelle, die momentan ausgeschrieben wird und besetzt werden soll, und auch der Stelle, die für das Lager in Nürnberg geschaffen werden soll, einige Punkte besonders berücksichtigt haben möchten. Wir möchten die Staatsregierung auffordern, in Abstimmung mit den Sozialdiensten sowie mit den Flüchtlingsorganisationen alle notwendigen räumlichen und organisatorischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass dieses Pilotprojekt erfolgreich durchgeführt werden kann und damit den Flüchtlingen bestmöglich geholfen wird. In beiden bayerischen Erstaufnahmeeinrichtungen soll jeweils ein speziell ausgebildeter ärztlicher oder psychologischer Psychotherapeut tätig

werden, um traumatisierte erwachsene Asylbewerber frühzeitig als traumatisiert identifizieren zu können und ihnen im weiteren Verlauf eine adäquate medizinische und psychologische Versorgung und Betreuung vermitteln zu können. Die Aufgabe der Sozialdienste oder anderer Helfer wird es sein, mögliche traumatisierte Asylbewerber bei den psychotherapeutischen Fachkräften anzumelden. Diese sollen dann mit Unterstützung von Dolmetschern Diagnosegespräche führen, Kriseninterventionen durchführen und im Bedarfsfall Gutachten erstellen.

Erste Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Projekt "Früherkennung von vulnerablen Jugendlichen", das von REFUGIO durchgeführt wurde, zeigen, dass der Bedarf groß ist, dass der Aufwand auch sehr groß ist und dass das, was wir hier beantragen, nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein kann.

Der nachgezogene Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN würde sehr viel weiter gehen. Das ist unbestritten. In der Sache mag das aus durchaus richtig sein. Im Moment sind die Forderungen dieses Dringlichkeitsantrags aber finanziell nicht abgesichert. Abgesichert sind hingegen die beiden Stellen, die wir haben. Wir bitten deshalb ganz herzlich darum, dass Sie unserem Dringlichkeitsantrag, den wir heute eingereicht haben, der eine Weichenstellung in die richtige Richtung ist, als einem ersten wichtigen Schritt Ihre Zustimmung geben. Unterstützen Sie uns bei unserem Antrag, denn dafür sind die finanziellen Rahmenbedingungen geschaffen worden.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CSU)

Ich darf jetzt Frau Kollegin Ackermann bitten, an das Rednerpult zu kommen. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Positiv ist die Tatsache, dass sich das Plenum des Bayerischen Landtags ab und zu über die Flüchtlingsproblematik unterhält. Früher hat sich das überhaupt nie zugetragen, außer wenn wir uns darum gekümmert haben. Allerdings muss man sich wundern, denn es gab einen Antrag vom 08.05.2009, der die frühzeitige Erkennung und Behandlung von traumatisierten Flüchtlingen gefordert hat. Dieser Antrag wurde im März dieses Jahres so lange hat es gedauert - abgelehnt. Man könnte nun sagen: Wir billigen allen Lernfähigkeit zu, schließlich kann man seine Meinung auch ändern. An dieser Stelle möchte ich Ihr Engagement, Frau Meyer, ausdrücklich würdigen, denn ich weiß, dass Sie es ernst meinen.

Umso mehr tut es mir leid, Ihnen sagen zu müssen, dass dieser Antrag nur ein Placebo ist. Der Antrag fordert noch nicht einmal Personal, er fordert stattdessen nur Räume für bereits beschlossenes Personal. Schauen wir uns dieses Personal einmal genauer an: Es handelt sich um zwei Stellen für alle Flüchtlinge. In der einen Einrichtung leben 350 Flüchtlinge und in der anderen ungefähr dieselbe Zahl. Überlegen wir uns doch einmal, welche Chancen diese ausgebildeten Fachkräfte haben, den Anforderungen, die Sie eben formuliert haben, gerecht zu werden. Eine Kraft soll diagnostizieren, therapieren und begleiten. Das ist völlig unmöglich.

Sie gehen davon aus, dass es in diesen Einrichtungen nur Einzelfälle von traumatisierten Flüchtlingen gibt. Hier muss ich Ihnen widersprechen: Alle, die in diesen Einrichtungen sind, sind traumatisiert. Es handelt sich um Menschen, die Verfolgung, Folter, Gewalt und Krieg entkommen sind. Sie sind in einer Erstaufnahmeeinrichtung angekommen, die Lebensbedingungen bereithält, die unerträglich sind. Diese Menschen haben eine ungewisse Zukunft vor sich. REFUGIO nennt so etwas ein kumulatives Trauma. Das heißt, es häufen sich noch mehr Traumata an, als die Flüchtlinge ohnehin mitbringen. Dadurch entstehen Folgekosten, denn Menschen, die traumatisiert sind und zu spät behandelt werden, die werden erst richtig krank. Ich zitiere aus dem Protokoll der Anhörung vom 23. April 2009. Herr Dr. Stich von der Missionsärztlichen Klinik in Würzburg hat gesagt:

Unserer Erfahrung nach führt in vielen Fällen die traumatische Vorgeschichte unserer Patienten und Patientinnen erst dadurch zu Depressionen, Angsterkrankungen, Somatisierungsstörungen oder Gewaltverhalten, weil eine frühzeitige geschulte Traumatherapie nicht ermöglicht wurde.

Schlimmer noch, in der Erstaufnahmeeinrichtung in der Baierbrunner Straße halten sich, wie ich heute erfahren habe, derzeit 73 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge auf. Diese Zahl ist ein Rekord. Vor zwei Wochen waren es noch 65. Als ich die Einrichtung vor einigen Monaten besuchte, war die Zahl noch um die 40. Nun wollen Sie eine Stelle für die ganze Einrichtung. Diese eine Stelle ist schon für die unbegleiteteten minderjährigen Flüchtlinge allein zu wenig, viel zu wenig. In der Einrichtung leben aber noch 300 andere Menschen, die genauso traumatisiert sind.

Ich muss sagen, es ist uns nicht möglich, diesem Antrag zuzustimmen. Der Antrag wird uns nicht weiterbringen, er wird aber den Eindruck erwecken, dass etwas getan wird. Das ist für uns fast noch schlimmer. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass alles, was hier gefordert und als unglaublicher Fortschritt ver

kauft wird, eigentlich eine Pflicht ist. Es ist unsere Pflicht, die EU-Richtlinie 2003/9 EG umzusetzen. Das ist unsere Pflicht seit dem Jahr 2005! Doch seit dem Jahr 2005 ist nichts passiert. Ich zitiere Artikel 20 dieser Verordnung. Dort steht: