- Danke für das Feedback. Die Beispiele, die ich aufgezählt habe, entstammen keinen Märchen, sondern sie sind vielerorts in ähnlicher Weise Realität. Das gelingt vor allem dann, wenn sich Eltern und Erzieherteams auf gleicher Augenhöhe begegnen und sich ihrer eigenen Rolle bewusst sind. Ich möchte darauf hinweisen, dass in unserer Gesellschaft gelegentlich die Tendenz spürbar ist, dass an das Personal in unseren Kindertagesstätten und an unseren Schulen höchste Erwartungen gestellt werden, während zu Hause ein gewisser Laissez-faire-Stil gepflegt wird. Gemäß dem Motto: Die werden das schon richten. Diesen Trend wollen wir nicht unterstützen.
Unsere Kindertagestätten sind zu Orten der Begegnung geworden, auch zur Begegnung unterschiedlicher Religionen und Kulturen. Sie leisten damit wichtige Integrationsarbeit. Mir ist sehr wohl bewusst, und das gilt auch für meine Fraktion, dass die Aus- und Fortbildung der Erzieherinnen mehr diagnostisch-psychologische Kompetenzen beinhalten muss. Insgesamt muss mehr Zeit zur Verfügung stehen und die hohe Berufsverantwortung muss mit einem höheren Einkommen belohnt werden.
Unsere Fraktion verfolgt die Vision, dass wir unsere Kindertagesstätten flächendeckend zu dezentralen Familienbildungszentren und Stadtteiltreffs entwickeln. Sie sollen sich zu Einrichtungen entwickeln, mit denen sich die Menschen vor Ort über die Generationen hinweg identifizieren, zu Einrichtungen, die den Eltern im gegenseitigen Austausch Erziehungskompetenzen vermitteln und in denen Eltern auch voneinander lernen können. Sie sollen zu Einrichtungen wer
den, die Müttern und Vätern Halt und Orientierung geben, wenn sich diese in schwierigen Lebenssituationen befinden; sie sollen dort Hilfe zur Selbsthilfe erfahren.
Ob es mit unseren Kindern gut weitergeht und ob sie sich zu starken Persönlichkeiten entwickeln, dazu werden die Kindertagesstätten nicht die alleinigen Schlüssel sein. Primär müssen wir die beeinflussen, die den größten Teil der Zeit mit den Kindern verbringen, und das sind nun einmal die Eltern. Deshalb brauchen wir eine weitaus größere Stärkung der Eltern. Dafür müssen Ideen entwickelt und es muss Geld in die Hand genommen werden.
Wer Nachhaltigkeit predigt, der darf nicht nur an die Ökonomie und an die Ökologie denken, sondern der muss auch an die Nachhaltigkeit unserer nächsten Generation denken. Dazu machen wir uns weiterhin auf den Weg.
Die Redezeit war um. Frau Sem, Sie sind die Nächste, Ihnen folgt noch Herr Kollege Freller. Es wäre schön, wenn auch Ihre Fraktion Ihnen folgen würde, Herr Kollege Freller.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen des Präsidiums! Ich erwähne Sie deshalb, weil man spürt, Erziehung und Bildung haben in Bayern noch immer, sehr geehrte Frau Ministerin, einen sehr weiblichen Touch. Deshalb stehen während dieses Tagesordnungspunktes wohl auch so viele Männer draußen auf dem Gang.
(Prof. Dr. Georg Barfuß (FDP): Die geschätzten Männer sind hier! - Allgemeines Winken der anwesenden Männer und Zurufe: Wir sind hier, wir sind hier!)
- Ich hoffe, selbstkritisch gesehen, das gehört dazu. Meine sehr geehrten Damen und Herren, in meinem Redebeitrag werde ich auf das Anforderungsprofil des Berufs Erzieher eingehen. Das Profil hat sich extrem verändert, es ist stark gewachsen.
Die Umsetzung des Bildungsund Erziehungsplans hat so ihre Herausforderungen. Das ist der eine Teil. Der andere Teil ist die Notwendigkeit der Betreuung von immer mehr verhaltensauf
fälligen Kindern, von Kindern mit Behinderungen, von Kindern mit Migrationshintergrund, aber auch von Kindern mit Sprach- und emotionalen Defiziten. Die Erzieher müssen sich in besonderer Weise auf den Weg machen. Ganz entscheidend ist in diesem Erziehungsfeld auch die größere Alterspanne der zu betreuenden Kinder. Die Zusammenarbeit von Grundschulen, Kommunen, von den Institutionen ganz allgemein, von den Fachdiensten, den Ärzten und den Therapeuten setzt man grundsätzlich voraus. Die Vorund Nachbetreuung im pädagogischen Bereich, aber auch bei den Verwaltungsaufgaben kommt hinzu. Das Bild vom Erzieher hat sich in den letzten Jahrzehnten extrem gewandelt. Es wurden hervorragende Leistungen erbracht, aber ich darf es hier auch einmal ganz selbstkritisch sagen: Erzieher ist ein pädagogischer Beruf und er ist mit dem der Lehrer und der Hochschulprofessoren gleichzusetzen. Es ist entscheidend, dass wir Kinder haben, bei denen wir beispielgebend arbeiten müssen, bei denen wir pädagogische Ziele verfolgen.
Die Einführung des Erziehungs- und Bildungsplans war eine große Herausforderung. Herr Kollege Unterländer, an dieser Stelle muss ich nun doch die Männer loben. Sie waren einer derjenigen, die sich mit der damaligen Staatsministerin Christa Stewens diesbezüglich tatkräftig auf den Weg gemacht haben. Der bayerische Bildungsweg hat bundesweit beispielhaft gewirkt. Frau Staatsministerin Haderthauer, Ihnen als der jetzt zuständigen Ministerin wünsche ich, dass Sie auch weiterhin so energiegeladen arbeiten.
Die Arbeitsbedingungen der Erzieherinnen und Erzieher haben sich geändert. Wir setzen inzwischen Schwerpunkte in diesem Bereich. Der Anstellungsschlüssel wurde genannt. Anfangs betrug er 1 : 12,5, inzwischen sind wir bei 1 : 10,3. Es hat sich eine Veränderung ergeben. Dabei muss man lobend sagen: Der Freistaat Bayern gibt seinen Teil dazu. Geld gibt aber nicht nur der Freistaat, sondern auch die Träger, denn auch sie wollen pädagogisch wertvolle Arbeit.
Die Weiterqualifikation der Erzieher ist für uns ein besonderes Herzstück. Das gilt insbesondere für die Förderung von Fortbildungsmaßnahmen. Der Freistaat Bayern unterstützt dieses Anliegen. Aus dem Sozialministerium werden hierfür 1,6 Millionen Euro für Regelfortbildungen und für Fortbildungskampagnen zur Verfügung gestellt. Die Regelfortbildung im kommenden Jahr steht unter dem Motto "Bildungspartnerschaft mit Eltern". Es ist schon angeklungen, die Eltern müssen mitgenommen werden, es muss gesagt werden, wo es noch Ösen und Haken gibt.
Es ist korrekt, Frau Kollegin Stachowitz, es gibt nicht nur Wohlfühlfamilien. Die hat es auch zu meiner Zeit
nicht gegeben. Wir müssen uns in diesem Bereich deshalb auch weiterhin stark anstrengen. Das ist auch eines meiner Anliegen. Wir brauchen ausgebildete Sprachberaterinnen in den Kindergärten. Nicht nur die Migranten haben Sprachprobleme, sondern, ich darf dies hier ganz selbstkritisch anmerken, viele Familien bedienen sich des Mediums des Fernsehens und außer einem Ja und Nein kann so manches Kind nichts mehr sagen. Doch wir sind hier selbst auf dem Weg.
Wir wollen auch für den Erzieherberuf ein akademisches Niveau ermöglichen. Derzeit versucht die Staatsregierung, den Anteil der Akademikerinnen weiter anzuheben. Derzeit liegt der Anteil der Akademikerinnen bei 2,3 %. Wir wollen den Anteil auf 10 % anheben. Ich darf allerdings auch sagen, als Ziel haben wir das Jahr 2020 genannt. Aus meiner Sicht spricht aber auch nichts dagegen, wenn wir dieses Ziel schneller erreichen. Wir haben drei Fachhochschulstudiengänge in diesem Bereich eingerichtet, zwei weitere sind geplant. Das Kultusministerium prüft zurzeit die Möglichkeit, ein duales Ausbildungsangebot einzurichten. Ich denke, es ist ein sehr wichtiger Weg, wenn das Praktische mit der Theorie verbunden wird. Es handelt sich um eine Kooperation der Fachakademien für Sozialpädagogik mit den Fachhochschulen.
Um den Erzieherberuf weiterhin zu stärken, brauchen wir die Tarifpartner in diesem Bereich. Nur dann werden wir auch über das Gehaltsniveau reden. Dann, denke ich, sind wir auf einem guten Weg. Ich will es einmal vereinfacht sagen: Wäre der Beruf der Erzieherin überwiegend von Männern besetzt, bräuchten wir uns heute nicht über das Geld zu unterhalten, es wäre dann ganz selbstverständlich.
Herr Präsident, Hohes Haus! Ich bin außerordentlich dankbar, dass Joachim Unterländer dieses Thema hat auf die Tagesordnung setzen lassen. Ich bin deshalb dankbar, weil ich in der Tat den Eindruck habe, dass nicht hier im Plenum - ich schließe da alle Fraktionen positiv ein - das Bewusstsein fehlt, aber mitunter in der breiten Öffentlichkeit, dass das Zeitfenster für Bildung und Erziehung im frühkindlichen Alter extrem weit geöffnet ist. Das birgt Chancen und Gefahren. Es birgt dann Gefahren, wenn in dieser prägenden Zeit eines Menschen nichts, zu wenig oder gar Schlechtes geschieht, und es birgt großartige Chancen, wenn in dieser Zeit Positives, Gutes geschieht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, eigentlich müssten wir alle ein kleines Kind beneiden - beneiden um die Fähigkeit, in kürzester Zeit unwahrscheinlich viel aufzunehmen und zu lernen. Das kindliche Gehirn nimmt auf wie ein Schwamm. Es ist Wahnsinn, was in wenigen Tagen, Wochen, Monaten von einem kleinen Kind wahr- und aufgenommen wird.
Deshalb ist diese Zeit für Erziehung und Bildung von derart immenser Bedeutung, dass wir uns gesellschaftlich weit mehr Gedanken darüber machen müssten, als es derzeit geschieht.
Ich will in dieser Diskussion jetzt nicht ins Kleinkarierte gehen. Mir geht es darum, hier aufgrund der langen Erfahrung, die ich in der Pädagogik gesammelt habe, zu sagen, dass wir alle zusammen manches Mal Gefahr laufen, zu sehr auf Exzellenzuniversitäten und Ähnliches zu achten und dabei die frühkindliche Bildung etwas hintan zu stellen.
- Lassen Sie mich das hier doch einfach einmal positiv darstellen. Ich möchte zum Ausdruck bringen, wie wichtig es für die Entwicklung eines Menschen ist, wenn ihm in der Phase nach der Geburt liebevolle Zuwendung zuteil wird.
Dies bedeutet ein großes Lob an alle Mütter, alle Väter, auch an alle Großeltern und andere Bezugspersonen. Ich grenze hier nicht ein. Es ist ein Lob an alle Menschen, die einem Kind nach der Geburt eine höchst liebevolle Zuwendung schenken. Diese Zuwendung halte ich für wichtig, weil sie das Urvertrauen legt. Wenn dieses Urvertrauen in die Welt bei einem Kind nicht in den ersten Lebensmonaten geschaffen wird, wird der Mensch - das kann Ihnen jeder
Psychoanalytiker bestätigen - zeitlebens Probleme haben, die dann aber auch uns Probleme machen; dies ist nämlich die Kehrseite.
Übrigens hat Bayern sehr früh, nämlich unter Kultusminister Hans Maier, als es um die Kindergärten ging, erkannt, dass diese keine reinen Betreuungseinrichtungen sein dürfen, sondern Einrichtungen zur Erziehung sein müssen.
Das Prägen des Kindes in diesem Alter ist etwas Irreversibles. Die Charakterprägung ist mit dem zwölften Lebensjahr abgeschlossen. Wir können noch so viel im 14. oder 18. Lebensjahr an den Schulen zu korrigieren versuchen, prägen können wir den Jugendlichen dann nicht mehr. Wer als Kleinkind keine Regeln lernt, für den wird es später viele Stunden schulhausinterner Erziehungshilfe brauchen.
- Ich hetze hier nicht gegen die SPD und die Freien Wähler. Ich will lediglich einen Gedankengang klar zu Ende bringen. Dieser Gedankengang heißt: Das Thema ist so wichtig, dass wir uns in vielen Beratungen noch intensiv damit beschäftigen müssen, was wir tun müssen, damit ein Kind in dem betreffenden Alter die richtige Betreuung erhält.
Ich sehe auch den klaren Auftrag an die Politik, darüber nachzudenken, ob wir unser Bildungssystem vielleicht ein bisschen auf den Kopf gestellt haben, wobei ich auch an die Investitionen denke.
Es ist besonders wichtig, für den frühkindlichen Bereich, auch was das Personal und seine Schulung, was die Ausbildung und die Anerkennung in der Gesellschaft angeht, mehr zu tun. Was unsere Erzieher draußen leisten und was Menschen in Kinderkrippen und anderen Institutionen leisten, die sich um Kinder kümmern, deren Eltern sich vielleicht nicht um sie kümmern, wo zum Teil Elternersatz stattfindet, ist einfach enorm. Da ist auch an Rahmenbedingungen zu denken. Was in den genannten Einrichtungen geleistet wird, verdient Anerkennung gerade auch durch die Gesellschaft, damit diese Einrichtungen das ihnen gebührende Ansehen erhalten.