Protokoll der Sitzung vom 13.07.2010

Wir müssen uns um das Freiwillige Soziale Jahr kümmern. Ich nenne im selben Atemzug das Freiwillige Ökologische Jahr, und ich stelle fest, dass es schon ein Potenzial an Freiwilligendiensten gibt, um die Pflichtdienste langfristig zu ersetzen. Ich glaube nicht an die Engpässe, wie es immer heißt. Denn es gibt mehr potenzielle Freiwillige als Zivildienstleistende in Deutschland. 85.000 Jugendliche bewerben sich für einen Platz im Freiwilligendienst, und nur jedem Dritten, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird ein Platz angeboten.

Ich komme zum Schluss und möchte noch einmal kurz sagen, was die eigentliche Fragestellung der Aktuellen Stunde gewesen wäre, die aus Ihrer Fragestellung und aus Ihren Wortbeiträgen nicht ganz klar wurde. Wir müssen uns als Politiker darum kümmern, wie wir das freiwillige Engagement gesellschaftlich und politisch stärker würdigen können. Die schwarzgelbe Koalition hier in Bayern wird Ihnen dazu Vorschläge offerieren.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CSU - Hubert Aiwanger (FW): Ja wann denn? Noch vor 2013 oder nachher?)

Als Nächster hat Herr Kollege Imhof das Wort.

Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich vermute einmal, dass die meisten von uns über die Jahre hinweg einen Einblick und einen Eindruck gewonnen haben, was Zivildienstleistende in unserem Land leisten. Ich möchte, ohne das zu überziehen, schon behaupten, sie leisten etwas ganz Bedeutendes in unserer bayerischen sozialen Landschaft, wo immer sie tätig sind. Sie können die kirchlichen Träger nehmen; ich sehe auch den Vorsitzenden der Arbeiterwohlfahrt Bayerns. Es ist meines Erachtens keine Frage, über Stellenwert und Bedeutung des Zivildienstes zu reden. Wann immer Sie die Chance haben - ich glaube, Sie haben sie fast alle genutzt -, einen Rollentausch ernst zu nehmen - das machen die allermeisten oder überhaupt alle -, Sie bekommen diesen Einblick, ob Sie sich sechs Stunden, einen Tag oder auch zwei Tage im Krankenhaus aufhalten, in der Altenpflege, auch im Behindertenbereich, wo es mir sehr stark aufgefallen ist, oder auch beim BRK. Wenn junge Menschen das Essen auf Rädern mittags pünktlich in einer liebenswerten Art und Weise bringen, dann kann man sich vorstellen, dass Zivildienstleistende in unserer Gesellschaft tatsächlich einen hohen Stellenwert haben.

Ich selbst stelle am Anfang, wenn ich mit den Zivildienstleistenden spreche, etwas Unsicherheit fest: Was ist die eigentliche Motivation? Die Sorge: Geht es gut? Aber im Nachhinein, natürlich schon in der Arbeit selbst, erlebe ich hoch motivierte Menschen, die sagen: Diese Zeit hat mir sehr viel gebracht. Sie hilft mir, die eigene Entwicklung zu fördern, mich weiterzubilden in der sozialen Persönlichkeitsentwicklung und immer wieder auch Berufsorientierung für das Leben später im sozialen Bereich zu gewinnen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Die Menschen in den Einrichtungen - darüber brauche ich jetzt gar nichts zu berichten - schätzen es ungemein, wenn die jungen Leute vor Ort für sie da sind. Es ist von den Vorrednern schon gesagt worden, vor allem weil uns in der Gesellschaft diese unmittelbare Zuwendung fehlt, das Zuhören, das viele Profis nicht mehr leisten können, weil sie mit vielen anderen professionellen Aufgaben, der Fachpflege zum Beispiel, beschäftigt sind. Insofern hat der Zivildienst eine große Bedeutung. Das muss man an dieser Stelle ganz deutlich sagen.

Ich möchte auch einen Dank an die Träger richten, an alle, weil ich persönlich der Meinung bin, sie tun ungeheuer viel, um den Unterschied darzustellen, was ein Zivildienstleistender leisten soll und darf, also eben nicht die Lückenbüßerfunktion wahrnehmen, sondern ganz gezielt, maßgeschneidert, passgenau mit den

Menschen arbeiten. Gleichzeitig investieren diese Träger eine Menge Geld, damit die jungen Leute das können, durch Fort- und Weiterbildung usw.

Ich persönlich glaube - und sage das ganz offen -, dass wir ein Stück weit Skepsis beibehalten müssen, wenn jetzt diese Zeit reduziert wird. Denn selbst wenn das bürgerschaftliche Engagement, was mich gesellschaftspolitisch beeindruckt, schon so weit im Bewusstsein der jungen Leute ist, dass sich etwa ein Drittel, also etwa 30.000, bereit erklären, von diesem Angebot des Freiwilligen Dienstes nach der offiziellen Zivildienstzeit Gebrauch zu machen, ist es wichtig, dass die Politik für entsprechende Rahmenbedingungen - finanzielle Anreize - sorgt.

Was passiert mit der Lücke? Was passiert mit den Freiwilligendiensten in der Republik? Hierzu müssen die Träger ihre Vorstellungen äußern. Wie können es die Träger schaffen, die Freiwilligendienste so zu gestalten, dass die Lücke nach der Zivildienstzeit überbrückt wird? Hier müssen wir genau hinsehen. Wir sollten unsere Kreativität und unser Engagement nutzen, um das bürgerschaftliche Engagement zu festigen und auszubauen.

(Beifall bei der CSU)

Als Nächste hat Frau Kollegin Stachowitz das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion zu diesem Thema überrascht mich. Die Argumente, die von der CSU- und der FDP-Fraktion in Bezug auf die Gerechtigkeit und die Freiheit vorgetragen worden sind, lassen mich stutzen. Genügend junge Männer werden nicht eingezogen, da sie nicht gebraucht werden. Andere junge Männer müssen den Zivildienst absolvieren, andere wollen den Zivildienst absolvieren und wieder andere gehen zur Bundeswehr, um dort ihren Dienst zu leisten. Gerechtigkeit ist in diesem Zusammenhang nicht festzustellen. Das ist gerade gegenüber denjenigen jungen Menschen, die ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren, nicht gerecht. Das Freiwillige Soziale Jahr wird den Trägern schlechter finanziert. Das ist nicht gerecht. Eine freiwillige soziale Leistung muss sowohl für die Träger als auch für diejenigen, die diese Erfahrung machen, gleichberechtigt finanziert werden.

Im Pressespiegel habe ich gelesen, dass die jungen Menschen ein solches Jahr benötigten, damit sie Bildung erführen. Schade, der Kultusminister geht gerade. Warum erfahren unsere Kinder Bildung nicht umfassend in der Schule? Warum müssen sie nach Einführung des G 8 ein Jahr arbeiten gehen, damit sie Bildung erfahren?

(Beifall bei der SPD - Harald Güller (SPD): Weil wir zu wenig Lehrer haben!)

Diese Verschiebung möchte ich heute gar nicht weiter erörtern. Herr Imhof, dem Dank für die sozialen Leistungen der Ehrenamtlichen, der professionellen Fachkräfte und der Verbände schließen wir uns als SPD selbstverständlich an. Das ist ganz klar. Das haben Sie sehr gut ausgeführt.

(Beifall bei der SPD)

Was passiert denn mit der Lücke? Sie haben eine Frage gestellt. Ich hätte von der CDU/CSU- und FDPBundesregierung erwartet, dass sie sich die Lücke vorher ansieht und nicht erst hinterher. Das ist wirklich unverschämt.

(Beifall bei der SPD)

Erst lassen Sie das Kind in den Brunnen fallen und fangen dann zu denken an. Herr Imhof, ich erwarte von Ihnen, dass Sie schon längst zu denken angefangen haben. Für Ihren Sparhaushalt, den Sie bis zum Herbst vorlegen wollen, gebe ich Ihnen Folgendes mit auf den Weg: Sparen Sie nicht im sozialen Bereich, sonst wird alles noch schlimmer. Die Qualität der sozialen Arbeit steht auf dem Spiel. Kolleginnen und Kollegen, wenn wir die Würde, die von den Zivildienstleistenden aufrechterhalten worden ist, in der Krankenpflege weiterhin erhalten wollen, erwarte ich, dass die Lücke im Haushalt geschlossen und die Qualität der sozialen Arbeit gesichert wird. Das können Sie machen. Dies sollte jedoch nicht auf den Schultern der Ehrenamtlichen und der Freiwilligen geschehen. Stattdessen sollte mit professionellen Pflegekräften eine hohe Qualität in den sozialen Berufen gesichert werden. Das muss Ihre Aufgabe sein. Sehen Sie bitte hin. Füllen Sie die Lücke endlich aus. Sie haben die Möglichkeit.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächste hat Frau Kollegin Gudrun Brendel-Fischer das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dem Wehr- und Zivildienst handelt es sich zweifelsohne um Zeiträume, die für einen jungen Mann eine sinnvolle Zeit in seinem Leben darstellen. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Meinung des Abgeordneten Thalhammer nicht in Gänze die der Koalitionsfraktionen ist.

(Beifall bei der CSU)

In diesem Zeitraum - egal ob Zivil- oder Wehrdienst haben die jungen Männer die Möglichkeit, soziale und personale Kompetenzen zu erwerben und sich fachlich weiterzuentwickeln. Im Rahmen des Zivildienstes, der uns sehr wichtig ist, können sie sich in einer Branche erproben, in der Männer oft unterrepräsentiert sind.

Der Zivildienst bietet die Chance, in soziale Berufe hineinzuschnuppern und gegebenenfalls eine einschlägige berufliche Laufbahn einzuschlagen. Aus Sicht der Zivildienstleistenden - wir haben mit welchen gesprochen - kann dieser Mehrwert für das spätere Leben auch innerhalb von sechs Monaten erworben werden. Inwieweit diese Kürzung zulasten der Trägereinrichtungen geht, wird die Zukunft zeigen.

Viele Träger sozialer Einrichtungen haben in der Vergangenheit jedoch zu sehr auf die Zivildienstleistenden gesetzt und diese in ihre Personalplanung integriert. Sie haben sich auf diese Mitarbeit auf Zeit fest verlassen. In den sozialen Einrichtungen sollte jedoch vor allem auf Professionalität und die qualifizierte Ausbildung eines festen Personalstammes gesetzt werden. Die Zivildienstleistenden können diesen nicht ersetzen.

Heute ist bereits viel über ehrenamtliches Engagement gesprochen worden. Einige Vorredner halten es aufgrund der Gesamtentwicklung unserer Gesellschaft für zwingend erforderlich. Andere Redner haben eingebracht, es bestehe die Gefahr der Ausnutzung. Wir müssen uns in der Mitte treffen und einen sinnstiftenden Kompromiss finden. Wir müssen Professionalität, Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement in einen funktionierenden Zusammenhang bringen und nicht von vornherein pauschal verurteilen.

Die Bundesregierung hat rasch und praxisgerecht gehandelt und die Verlängerung des Zivildienstes schnell auf den Weg gebracht. In diesem Sinn kann den Interessen der sozialen Träger und der betroffenen Zivildienstleistenden voll entsprochen werden.

Sehr geehrter Herr Aiwanger, uns ist das Thema sehr wichtig. Unsere Fraktion ermittelt dieses Thema nicht in einer schnell vorgeschlagenen Aktuellen Stunde. Unsere Fraktion geht dieses Thema auch nicht im Rahmen eines Schnellschusses an. Die CSU wird sich auf allen politischen Ebenen mit dieser Materie in den nächsten Wochen und Monaten intensiv auseinandersetzen.

(Hubert Aiwanger (FW): Das hätten Sie schon tun müssen!)

Wir verfügen in unseren Reihen über Expertinnen und Experten aus dem sozialen Lager, aber auch aus dem wehrpolitischen Bereich. Wir können sehr wohl gute Vorschläge einbringen.

In Richtung der Opposition möchte ich Folgendes loswerden: Wenn wir nichts machen, werfen Sie uns vor, wir befänden uns in einer Starre und unternähmen nichts. Wenn wir jedoch offensiv einen Punkt setzen und eine neue Überlegung angehen, werfen Sie uns Fehler vor.

(Hubert Aiwanger (FW): Lieber ein Fehler als gar nichts! - Beifall bei der CSU)

Als Nächster hat Herr Kollege Joachim Unterländer das Wort. Das muss ich offensichtlich korrigieren. Als Nächster hat Herr Kollege Johannes Hintersberger das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich ein paar Takte zu dem wehrpolitischen Thema dieser Aktuellen Stunde sagen. Ich möchte an die Worte der Vorrednerin Gudrun Brendel-Fischer und des Fraktionsvorsitzenden der Freien Wähler, Herrn Kollegen Aiwanger, anknüpfen. Meine Damen und Herren, die Bundeswehr ist nicht nur sicherheitspolitisch, sondern auch gesellschaftspolitisch ein ausgesprochen wichtiger Grundpfeiler unserer Demokratie und ein wichtiges Thema, über das in der Bevölkerung diskutiert wird. Kern und Gesicht dieser Bundeswehr ist die Wehrpflicht. Wenn heute die Wehrpflicht an sich, Kollege Thalhammer, mit der notwendigen, richtigen und wichtigen Bedeutung des Zivildienstes begründet werden soll, ist dies zu wenig und zu dünn. Da bin ich bei Ihnen, aber nur da.

Entscheidend ist, dass wir bei dieser Thematik, Herr Kollege Aiwanger, weniger opportunistisches Gerede brauchen. Sie waren am Freitag in Ingolstadt dabei. Wir müssen über diese Thematik in der Öffentlichkeit ehrlich diskutieren und ordentlich dazu stehen. Wenn man nämlich die Bundeswehr als einen Kern dieses Staates und das Gesicht der Bundeswehrsoldaten als der Bürger in Uniform weiter haben will, ist es unabdingbar, die aktualisierte bzw. geänderte sicherheitspolitische Bedeutung und Aufgabenstellung unserer Bundeswehr mit der Notwendigkeit der Wehrpflicht zu verbinden. Alles andere wäre zu kurz gesprungen und fehl am Platze. Deshalb verstehe ich überhaupt nicht die Kritik daran, dass wir diese Situation, diese Thematik auch in der breiten Bevölkerung ansprechen und diskutieren, lieber Kollege Aiwanger, und auch mit den betroffenen Menschen die beste Lösung suchen.

(Beifall bei der CSU - Hubert Aiwanger (FW): Sie haben doch schon verkürzt, und jetzt diskutieren Sie!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Lösung - ich bin leidenschaftlicher Anhänger der allgemeinen Wehrpflicht

(Hubert Aiwanger (FW): Sagen Sie das mal Herrn Guttenberg!)

kann so aussehen, dass wir den Kern der Bundeswehr, dieser Bundeswehr mit Wehrpflicht, an die aktuellen und künftigen sicherheitspolitischen Aufgabenfelder anpassen, die unsere Armee zu bewältigen hat. Alles andere wäre falsch. Ich bin nicht Ihrer Ansicht, Kollege Thalhammer, dass dies vorgeschobene Gründe sind. Wir rekrutieren nicht nur 40 % unserer Zeitund Berufssoldaten über die Wehrpflicht, sondern auch der Aufwuchs kann ausschließlich mit der Wehrpflicht erreicht werden, und zwar auch unter geänderten Vorzeichen, auch unter dem Aspekt einer Krisenorientierung der Bundeswehr, zum Beispiel einer neuen Bedeutung des Heimatschutzes. Lassen Sie uns darüber diskutieren und dann auch sagen: Wie ist unser Verhältnis zum notwendigen Zivildienst? Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir dieses Thema so ernst angehen, muss ich dazu auch sagen: Stehen wir doch auch in der Öffentlichkeit dazu und sagen wir: Wir halten es für richtig, wir halten es für notwendig und wir halten es für diesen Staat für gut, wenn junge Menschen für das Gemeinwesen Deutschland einen Teil ihres Lebens einbringen,

(Markus Rinderspacher (SPD): Das war doch bisher unstrittig!)

ob dies ein halbes Jahr, ein Dreivierteljahr oder ein Jahr ist. Lasst uns nicht um des Festhaltens willen daran festhalten. Ich wundere mich sehr, Herr Kollege Rinderspacher, dass Sie diesen Einwurf bringen. Da frage ich mich, wo ich stehe.

(Harald Güller (SPD): Das fragen wir uns auch!)

Ich will kein Festhalten um des Festhaltens willen, sondern lebendige neue Aspekte, lebendige neue Entwicklungen des Wehrpflichtgedankens einbringen. Sind Sie von vorgestern oder verfolgen Sie die letzten zehn, 15 Jahre nicht? Diese Dinge will ich lebendig einbringen.

(Markus Rinderspacher (SPD): Sie machen Sicherheitspolitik nach Haushaltslage! Das ist doch das Problem!)

- Lassen Sie mich fertig sprechen; Sie haben mich unterbrochen, lieber Kollege. Lasst uns ehrlich Überle

gungen anstellen. Wenn wir der Meinung sind, dass es ein Wert an sich ist, dass junge Menschen für das Gemeinwesen Deutschland

(Hubert Aiwanger (FW): Das ist meine Meinung!)