Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zunächst ausdrücklich bei den Vorrednern Stöttner und Hartmann für die sachliche Auseinandersetzung mit diesem Thema bedanken. Auch wenn die allermeisten Jugendlichen vernünftig mit Alkohol umzugehen wissen - insgesamt ist der Alkoholkonsum sogar rückläufig -, ist der Alkoholmissbrauch ein gesellschaftliches Problem, das es anzugehen gilt. Leider sind Ihre Vorschläge, die uns heute zur Diskussion vorliegen, nicht dazu geeignet.
Ihre Vorschläge sind Ausdruck von Hilflosigkeit. Herr Fahn, Sie haben gesagt, man müsse dagegen etwas machen. Ich habe den Eindruck, Sie machen etwas dagegen, egal ob es hilft oder nicht. Verkaufsverbote
sind richtig und sogar nötig. Verkaufsverbote müssen aber gegenüber denjenigen verfügt werden, um die es geht; und das sind die Jugendlichen und nicht die Allgemeinheit. Werfen Sie einen Blick in § 9 des Jugendschutzgesetzes. Sie werden sehen, dass wir schon jetzt ein Alkoholverkaufsverbot gegenüber Jugendlichen haben, und zwar 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche. Was soll ein weitergehendes Verkaufsverbot bewirken?
Frau Aures, Sie haben zum jetzigen Verbot gefragt, wer sich daran hält und wer die Einhaltung kontrolliert. Gibt es aber einen größeren Ausdruck der Hilflosigkeit als festzustellen, dass wir ein bestehendes Verbot nicht durchsetzen können, um dann ein neues zu schaffen? In meinen Augen ist das eine Bankrotterklärung.
Wenn es Ihnen tatsächlich um die Jugendlichen geht, müssen Sie an anderen Stellen ansetzen. Sie wissen ganz genau, dass die Jugendlichen in vielen Fällen ihre Besäufnisse planen. Das ist heute schon mehrfach erwähnt worden.
Die Jugendlichen, um die es geht, sind üblicherweise damit beschäftigt, vorzuglühen. Das heißt, sie beschaffen sich dafür Alkohol. Wenn sie zwischen 22 Uhr und sechs Uhr keinen Alkohol bekommen, werden sie ihn vielleicht beim ersten Mal nicht beschaffen können, beim zweiten Mal aber werden sie früher zum Einkaufen gehen.
Wir müssen bei den Jugendlichen ansetzen, und dazu gibt es mehrere sinnvolle Möglichkeiten. Ich habe beim letzten Mal schon gesagt, dass die Prävention in der Familie, bei den Eltern beginnt. Sie setzt sich an den Schulen fort. Wir müssen über die Gefahren des Alkohols aufklären. Aufklärung ist immer besser als Verbote.
Damit komme ich zum repressiven Teil. Wenn die Tankstellen ein Brennpunkt sind, müssen wir auch dort ansetzen. Dazu verweise ich auf den Aktionsplan Jugendschutz, der bis Ende 2011 verlängert wird. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans, hat kürzlich eine erste Bilanz vorgestellt. 15.000 Tankstellen gibt es in Deutschland. Nach einem Jahr sind 30.000 Mitarbeiter geschult. Das ist fast ein Drittel der Mitarbeiter. 30 % der Kassen sind umgerüstet. Sie weisen nun darauf hin, dass der Aus
An 60 % der Tankstellen sind Schilder angebracht, welche anzeigen, dass Ausweiskontrollen durchgeführt werden. Wem das alles zu wenig ist, dem sage ich auch ganz deutlich: Wir brauchen in diesen Bereichen strengere Kontrollen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Verbote eingehalten werden.
Wir wollen einen wirksamen Schutz der Jugend. Dieser wirksame Schutz der Jugend muss erreicht werden. Er wird aber nicht durch ein Verkaufsverbot erreicht, das sich gegenüber anderen Adressaten auswirkt. Das ist ein völliger Irrweg. Wer neue Gesetze mit Hinweisen auf Vollzugsdefizite ablehnt, wie ich es tue, kann nicht gegen Testkäufe sein. Ich bin auch nicht gegen Testkäufe. Wir wollen die Missbrauchsquote senken. Wir wollen Signale aussenden, dass Alkoholabgabe an Jugendliche nicht toleriert wird. Deswegen sage ich ganz klar - und da schließe ich mich auch meinem Vorredner Hartmann an - ein Ja zu härteren und konsequenteren Sanktionen für die, die die bestehenden Gesetze nicht einhalten, aber ein Nein zu einem untauglichen Verbot, das nur neue Bürokratie aufbaut, aber nicht durchsetzbar ist und niemandem hilft.
Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Fischer! Uns eint sicherlich die Auffassung, dass wir die Missbrauchsquote senken wollen und dass alles, was getan werden muss, um dies zu erreichen, auch unterstützt wird. Das haben wir mit unseren Initiativen auch nicht ignoriert. Mich interessiert, weshalb die FDP in Baden-Württemberg genau das, was wir als Gesetz vorlegen, unterstützt und selber auf den Weg bringt, während Sie in Bayern eine konträre Meinung dazu haben. Wie begründen Sie das?
Ich habe meine Position sehr klar begründet und erläutert, warum ich von einem Verbot, das sich an die falschen Adressaten
richtet, nichts halte. Wenn eine andere Landtagsfraktion eine andere Meinung vertritt, bitte ich Sie, diese Landtagsfraktion zu fragen. Es gibt viele Landtagsfraktionen der SPD, die auch unterschiedliche Auffassungen haben. Das ist in der Politik üblich.
Die Freien Wähler werden die FDP von Baden-Württemberg einmal in den Bayerischen Landtag einladen, wenn erste Erfahrungswerte vorliegen. Dann lassen wir uns einmal aus erster Hand berichten. Ich habe aber noch eine Frage. Herr Bertermann hat am 22. April gesagt: "Wenn es entsprechende Erkenntnisse aus BadenWürttemberg gibt, wird sich die FDP-Fraktion diesen nicht weiter verschließen." So steht es im Protokoll.
Herr Thalhammer - er ist heute leider nicht da - hat am 24.06. im Ausschuss für Umwelt und Gesundheit zu dieser Frage gesagt: Nein, nein, nein. In BadenWürttemberg muss jetzt untersucht werden. Wenn man sachliche Politik machen will, muss man das auf den Prüfstand stellen. Deswegen möchte ich wissen, ob die FDP zu dem Satz von Herrn Dr. Bertermann steht oder ob sie von vornherein sagt, Baden-Württemberg interessiere nicht, das sei des Teufels Kind.
Herr Dr. Fischer, Sie wurden gefragt, ob Sie zu dem Satz von Herrn Dr. Bertermann stehen. Eine solche Frage ist im Rahmen einer Zwischenbemerkung zulässig. Bitte.
Ich habe kein Problem mit dieser Frage. Sie ist ganz einfach zu beantworten. Wir haben in der Koalition eine Vereinbarung getroffen. Wir wollen die Ergebnisse aus Baden-Württemberg abwarten, werden sie bewerten und danach eine neue Entscheidung treffen. Bis jetzt liegen mir keinerlei Erkenntnisse vor. Das ist auch nicht möglich, weil das noch zu kurzfristig wäre. Ich bleibe bei meiner skeptischen Haltung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Verbot, das sich an die falschen Adressaten richtet, irgendetwas bewirkt. Aber wir warten die Ergebnisse ab. Dann werden wir in aller Ruhe darüber entscheiden - und zwar richtig.
Ich bitte um Verständnis, aber nach der Geschäftsordnung ist immer nur eine Zwischenbemerkung pro Fraktion möglich. Bitte, Frau Sandt, noch einmal für die FDP.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Besucher! Qua Gesetz wären Jugendliche von einem nächtlichen Alkoholverbot überhaupt nicht betroffen. An sie darf man weder tags noch nachts, weder an Tankstellen noch auf Flatrate-Partys, weder in Gaststätten noch auf Volksfesten Alkohol verkaufen.
Von Ihrem Gesetzentwurf betroffen wären ausschließlich Erwachsene, Verkäufer in Tankstellen und Besitzer von Tankstellen. All diese Personengruppen wären betroffen. Sie schießen nicht mit Kanonen auf Spatzen. Ich meine eher, Sie schießen mit Kanonen auf einen Papageienkäfig und rühmen sich, was Sie gegen die Spatzen getan haben. Sie schießen komplett am Ziel vorbei. Der Gesetzentwurf geht vollkommen am Ziel vorbei. Deswegen meine ich, dass wir das Gesetz ablehnen müssen.
Frau Aures, ich finde es geschmacklos, die schreckliche Tat in Solln zu instrumentalisieren und zu behaupten, man würde mit einem nächtlichen Alkoholverkaufsverbot an Tankstellen eine Tat verhindern, die tagsüber begangen wurde. Das war absolut daneben.
Wir wissen inzwischen, dass die Zahl der Komasäufer unter den Menschen, die über siebzig Jahre alt sind, stärker angestiegen ist als bei den Teenagern. Beides müssen wir ernst nehmen. Das kann aber nicht mit einem Pseudoantrag geschehen, der an beiden Problemen vorbeigeht. Mit einem nächtlichen Verkaufsverbot an Tankstellen werden Sie die Zielgruppe der Siebzigjährigen nicht erreichen. Sie starten lediglich einen massiven Angriff auf die Berufsfreiheit. Richtig ist, dass Händler Verantwortung haben und das Jugendschutzgesetz befolgen müssen. Wir haben heute einiges über den Vollzug gehört. Im Übrigen, liebe SPD, Sie sollten doch wissen, dass der erklärte Wille des Gesetzgebers ist, dass das Ladenschlussgesetz
Deshalb ist es Unfug, das Ladenschlussgesetz heranzuziehen. Die Materie ist durch das Gaststättengesetz und das Jugendschutzgesetz geregelt. Das ist vollkommen ausreichend. Das muss vollzogen werden.
In der Begründung zum Gesetzentwurf ist etwas schwammig erwähnt, dass es ein Problem gebe, weil die Tankstellenbesitzer nachts das Bier und den Wein verstecken, umbauen oder schließen müssten und nachts gar nichts mehr verkaufen würden. Tut mir leid, ich möchte auch nachts noch tanken.
- Sicher nicht Alkohol. Ich habe noch nie nach 22.00 Uhr Wein oder Sekt gekauft. Aber ich möchte es können, wenn ich überraschend Gäste bekomme.
Auch Sie werden hin und wieder Alkohol trinken. Ich habe den einen oder anderen gestern auch nach 22.00 Uhr noch an einem Gläschen nippen sehen.
(Markus Rinderspacher (SPD): Aber niemanden von der SPD! - Martin Güll (SPD): Und nicht an der Tankstelle!)