Protokoll der Sitzung vom 11.11.2010

Ich hatte das Gefühl, Herr Kollege, dass Sie fertig sind. Darum bin ich schon aufgestanden.

Sie haben eben gesagt, es gibt nur Frankfurt, München und sonst nichts. Wir haben an internationalen Flughäfen - es gibt ja mehr internationale Flughäfen in Deutschland, das wissen Sie - eine Auslastung von 50 %, also in Berlin, Düsseldorf usw. Wollen Sie eigentlich diesen Flughäfen keinen Teil dieses Wachstums, das Sie erwarten, zugestehen?

(Zuruf: Wollt ihr die nicht?)

Sehr geehrter Herr Kollege, natürlich gestehe ich allen Regionen ein Wachstum zu. Das müssen sie aber selber generieren. Wir haben das Wachstum hier in München, in Bayern. Der südbayerische Raum ist ein starker Wirtschaftsraum. Dort brauchen wir die Kapazität für die internationalen und nationalen Flüge. Deshalb setze ich mich als bayerischer Abgeordneter dafür ein, dass diese Möglichkeit geschaffen wird.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege.

Jetzt hat für die Staatsregierung Herr Staatssekretär Pschierer ums Wort gebeten. Bitte schön, Herr Staatssekretär Pschierer.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Roos, ich war schon fast geneigt, zum ersten Mal in meiner parlamentarischen Laufbahn einem Sozialdemokraten Beifall zu spenden. Aber dann haben Sie am Schluss die Formulierung "Sowohl-als-auch" angefügt. Da musste ich den Beifall doch wieder stornieren.

(Christa Naaß (SPD): Wäre das so schlimm gewesen?)

Herr Kollege Magerl, Sie können sich gut daran erinnern: In unseren gemeinsamen Jahren im Wirtschaftsausschuss des Bayerischen Landtags haben wir mehrfach die Vorzüge des Flughafens im Erdinger Moos genutzt, wenn es darum ging, zu Delegationsreisen nach China und in die weite Welt aufzubrechen. Interessant ist, dass die GRÜNEN Technologie und große Infrastrukturprojekte gelegentlich gerne und auch sehr populistisch ablehnen, gleichzeitig aber natürlich die Vorteile dieser Infrastruktur gerne nutzen. Ich bezeichne so etwas durchaus als Scheinheiligkeit, Kollege Magerl.

(Beifall bei der CSU)

Der Dank an die Staatsregierung der Achtzigerjahre, die damals den Mut hatte, im Erdinger Moos den Franz-Josef-Strauß-Flughafen zu errichten, ist mir heute ganz besonders wichtig. Wie wäre es heute um den Standort Bayern bestellt, meine Damen und Herren, wenn wir, was die Luftverkehrsanbindung und die internationalen Strecken angeht, nicht diese mutige Entscheidung einer Staatsregierung hätten? Auch das gehört zu so einer Debatte, dass man dafür einmal Dankeschön sagt.

(Beifall bei der CSU)

Eines ist auch klar, Herr Kollege Magerl. Die Menschen aus Bayern würden auch ohne unseren Flughafen natürlich in alle Welt fliegen, aber sie würden es nicht vom Flughafen München aus tun, sondern sie würden den Umweg über London, über Frankfurt oder andere Flughäfen machen müssen.

Das bedeutet, meine Damen und Herren, dass man auch anerkennt, dass der Flughafen im Erdinger

Moos ein Wachstums- und Jobmotor par excellence war, meine Damen und Herren. Wenn Sie sich die Arbeitsmarktdaten, Herr Kollege Magerl, und viele andere Parameter anschauen, dann sehen Sie, dass das volkswirtschaftlich gesehen ein Gewinn für den Freistaat Bayern und ein Gewinn für den Arbeitsmarkt in Bayern war. Meine Damen und Herren, deshalb sage ich ganz deutlich: Für die Bayerische Staatsregierung ist die dritte Startbahn nach wie vor unverzichtbar. Wir werden an diesem Ausbauziel festhalten.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Herr Kollege Pointner, wir sind uns der Tatsache bewusst, dass ein solcher Ausbau mit Belastungen für das Flughafenumland verbunden ist. Ich erlaube mir aber auch den Hinweis, was den Umlandfonds angeht, was den Nachbarschaftsbeirat angeht, was Dialogplattformen und andere Dinge angeht, dass der Freistaat Bayern und die Bayerische Staatsregierung versucht haben, bei diesem Projekt, bei diesem Vorhaben auch die Bevölkerung mitzunehmen. Das ist schwierig, das will ich nicht in Abrede stellen. Aber man kann nicht sagen, dass mit den Menschen in der Region nicht gesprochen worden ist. Wir haben umfangreiche Dialogprozesse in Gang gesetzt.

Herr Kollege Magerl, Sie haben die Frage des Bauzeitbeginns angedeutet. Die Frage des Bauzeitbeginns, Herr Kollege Magerl, werden wir nach Vorliegen des Planfeststellungsbeschlusses voraussichtlich im nächsten Jahr anhand der weiteren Bedarfsentwicklung und Bedarfseinschätzung zu klären haben. Der Haushaltsausschuss dieses Hohen Hauses wird mit diesem Thema rechtzeitig befasst werden. Allerdings, liebe Kolleginnen und Kollegen, wären wir schlecht beraten, wenn wir die laufenden Planungen für den weiteren Flughafenausbau aufgrund der zeitweisen Verkehrsrückgänge infolge der Weltwirtschaftskrise und infolge der Finanzkrise einstellen würden. Ich kann nicht, weil ich Sondereffekte im Jahr 2008 und 2009 hatte, ein langfristig geplantes Ausbauziel von heute auf morgen über den Haufen werfen. Meine Damen und Herren, das hätte mit verantwortlicher langfristiger Politik überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Die Dynamik am Flughafen zeigt sich ja wieder. Auch wenn es Ihnen nicht gefällt, Herr Kollege Magerl - das weiß ich doch -, aber bei den Fluggastzahlen haben wir bezogen auf den Vorjahres-Oktober wieder eine Zunahme von gut 9 % und bei den Bewegungen eine Zunahme von knapp 3 %. Projekte wie die dritte Startbahn müssen langfristig am Bedarf orientiert werden und können nicht von kurzfristigen Entwicklungen abhängig gemacht werden.

Herr Kollege Magerl, bei den Verkehrsprognosen bis zum Jahr 2020 haben wir eine Prognose für das Passagieraufkommen von knapp 50 Millionen und für ein Bewegungsaufkommen von mehr als einer halben Million. Die FMG geht weiterhin vom Erreichen dieser Prognosezahlen aus.

Herr Kollege Magerl, wenn ich weiß, dass diese Prognose realistisch ist, dann weiß ich auch, dass sich das mit der vorhandenen Flughafenstruktur nicht mehr bewältigen lässt.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

In den für den Hub-Verkehr wichtigen Spitzenzeiten bestehen schon jetzt erhebliche Engpässe.

Jetzt, Herr Kollege Magerl und Herr Kollege Pointner, zu einem Ihrer Lieblingsthemen, nämlich der Forderung nach Rückzahlung der restlichen Gesellschafterdarlehen. Ich sage Ihnen ganz deutlich, für diese Rückzahlung sehen wir derzeit nicht den geringsten Spielraum. Es hätte zur Fairness gehört, Herr Kollege Pointner und Herr Kollege Magerl, darauf hinzuweisen, dass die ursprüngliche Höhe der Gesellschafterdarlehen des Freistaats Bayern bei 650 Millionen Euro lag und wir nun bei 250 Millionen Euro liegen. Das heißt, es wurden gut 400 Millionen Euro an Gesellschafterdarlehen getilgt.

Und - das kam auch von Ihnen, Herr Kollege Magerl und Herr Kollege Pointner - was das Thema Zinsen auf Schulden angeht: Dieses Gesellschafterdarlehen war kein normales Invest, Herr Kollege Pointner, sondern ein Beitrag des Freistaates Bayern zu einer zentralen Infrastrukturmaßnahme für den gesamten Freistaat Bayern. Bei den Zinsen, müssen wir noch nachrechnen, Herr Kollege Magerl, 250 Millionen Euro. Der neue Flughafen ist meines Wissens 1992 in Verkehr gegangen. Ich weiß nicht, ob in diesen 18 Jahren aus den 250 Millionen Euro Gesellschafterdarlehen 2 Milliarden Zinsen resultieren. Da müsste man nachrechnen. Es könnte aber sein, dass Sie da den Zinssatz für griechische Staatsanleihen in Anrechnung gebracht haben.

(Hubert Aiwanger (FW): Das sollte man Werner Schmidt nachrechnen lassen!)

Ansonsten glaube ich Ihnen die Rechnung noch nicht. Das können wir aber gerne im Hause bei uns nachrechnen.

Die FMG hat in den Jahren 2003 bis 2009 und 2010 bezogen auf die jeweils angefallenen Gewinne Zinsen in Höhe von insgesamt 61 Millionen Euro bezahlt. Von diesen 61 Millionen Euro entfielen immerhin 31 Millionen auf den Freistaat Bayern. Ich gehe auch davon

aus, dass wir im Jahr 2011 zu Zinszahlungen kommen werden. Dazu bleibt der Jahresabschluss 2010 abzuwarten, aber die entsprechenden Beträge werden in den nächsten Doppelhaushalt eingestellt.

Ich will noch auf einen Punkt eingehen, Herr Magerl, der Ihnen ganz besonders wichtig war. Wenn das Planfeststellungsverfahren rechtsstaatlich abgeschlossen ist und es um die Frage geht, ob man bauen kann und wie das ganze Vorhaben dann finanziert wird, so verweise ich darauf, dass die FMG mit dem Finanzberatungsunternehmen Rothschild auf Basis der aktuellen internen und externen Rahmenbedingungen die verschiedenen möglichen Finanzierungsvarianten für eine Kapitalmarktfinanzierung für den weiteren Flughafenausbau untersucht und mit Banken sondiert hat. Im Ergebnis der Untersuchungen wurde bestätigt, dass der weitere Flughafenausbau von der FMG aus eigener Kraft, aus dem Cashflow des Unternehmens und durch Kapitalmarktmittel ohne zusätzliche Gesellschafterleistungen bewerkstelligt werden kann.

Ihre nächste Frage, Herr Magerl, ist bestimmt nach dem Motto "Herr Staatssekretär jetzt legen Sie das doch alles offen!", ob die FMG-internen schriftlichen Ausarbeitungen dazu nicht in der Plenarsitzung des Bayerischen Landtags veröffentlicht und publiziert werden. Das dürfte selbstverständlich nicht der Fall sein, weil es sich in weiten Teilen um sehr sensible und auch der Geheimhaltung unterliegende wettbewerbsrelevante Daten handelt. Deshalb bitte ich um Verständnis, dass dazu keine näheren Ausführungen gemacht werden.

Ich gehe aber davon aus und weiß, dass der Haushaltsausschuss mit dem endgültigen Finanzierungskonzept bei der Bauentscheidung rechtzeitig befasst wird und das Ganze auch im Rahmen des Beteiligungsberichtes dann seinen Niederschlag finden wird.

Insofern, meine Damen und Herren, haben sich für uns diese beiden Anträge der Opposition erledigt.

(Hubert Aiwanger (FW): Die Anträge schon, aber das Problem nicht!)

Ich will zusammenfassen: Die Staatsregierung hält am Ziel der dritten Start- und Landebahn am Flughafen München im Erdinger Moos fest, weil sie weiß, dass das weitere Arbeitsplätze und Wachstumspotenziale für den Freistaat Bayern generieren wird. Die brauchen wir, meine Damen und Herren, damit wir uns das leisten können, was Sie in Ihren Anträgen gelegentlich auch immer wieder fordern.

(Lebhafter Beifall bei der CSU und Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Bitte bleiben Sie am Mikrofon. Herr Dr. Magerl hat sich zuerst gemeldet. Bitte schön.

Herr Staatssekretär, ich möchte drei Punkte ansprechen.

Zum Ersten. Sie haben gesagt, ich hätte mit den Zinssätzen von griechischen Staatsanleihen gerechnet mitnichten! Ich habe mit dem im Konsortialvertrag festgelegten Zinssatz gerechnet und habe hier auch Daten aus der Stadtkämmerei der Landeshauptstadt München verwendet. Ich habe gerechnet von 1973 an, als die ersten Raten dieses Gesellschafterdarlehens ausgereicht wurden. Das muss man auch so machen; denn die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler haben seit diesem Zeitpunkt Zinsen für diese Darlehen mit berappen müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb komme ich insgesamt zu einem Betrag von zwei Milliarden für alle drei Gesellschafter. Auf den Freistaat Bayern entfällt ein Betrag von einer Milliarde. Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis.

Zweitens zum Thema Finanzierungskonzept. Ihnen sollte bekannt sein, dass es eine höchstrichterliche Rechtsprechung der Bundesrepublik Deutschland zum Flughafen Schönefeld gibt, wonach das Finanzierungskonzept innerhalb der Planfeststellung abzuprüfen ist. Sie werden sich also nicht zurückziehen und sagen können: Wir legen es dem Landtag nicht vor. Der Regierung von Oberbayern wird es vorgelegt werden müssen, und dort wird es zu erörtern sein.

Drittens. Nachdem Sie gesagt haben, wie sehr Sie doch die Bevölkerung in diesem gesamten Verfahren mitnehmen - wobei das Wort "mitnehmen" hier durchaus zweierlei Bedeutung haben kann -, frage ich Sie: Sind Sie mit mir der Meinung, dass die derzeitig ergänzenden fast 25.000 Einsprüche gegen die Planung, die bei der Regierung von Oberbayern liegen, nochmals mündlich mit der Bevölkerung erörtert werden sollten, um der Bevölkerung wirklich klarzumachen, wie ernst Sie deren Einwendungen nehmen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Staatssekretär.

Vielen Dank, Herr Kollege Magerl.

Zur ersten Frage, was die Zinsen angeht. Sie sagen genau das, was ich von Ihnen erwartet habe. Im Antrag sprechen Sie von der dritten Startbahn am Flughafen München im Erdinger Moos, und in Ihren Zinszahlungen unterstellen Sie eine Rechnung ab 1973. Meine Damen und Herren, wir unterhalten uns doch heute nicht mehr darüber, was am Flughafen München-Riem los war; wir unterhalten uns über den Flughafen im Erdinger Moos, 1992 an den Start gegangen. Deshalb, Herr Kollege Magerl, ist es Rosstäuscherei, wenn Sie den Leuten weismachen wollen - das suggerieren Sie nämlich -, dass von 1992 bis zum Jahre 2010 zwei Milliarden Zinsen ausstehen würden.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Christian Magerl (GRÜNE))

Zweiter Punkt, was das Finanzierungskonzept angeht. Ich habe ausdrücklich erwähnt, dass in diesem Konzept auch wettbewerbsrelevante Daten enthalten sind. Ja, Entschuldigung, wir sind doch nicht bescheuert und legen die wettbewerbsrelevanten Daten, die zum Finanzierungskonzept gehören, in aller Offenheit breit dar, damit sich der Flughafen Frankfurt, die Flughäfen London, Paris und andere einmal Gedanken darüber machen können, wie man diese Daten, was Kalkulation, Start- und Landegebühren und andere Dinge betrifft, im Wettbewerb anwenden kann. Es ist doch bescheuert, meine Damen und Herren, so an ein solches Thema heranzugehen.