Protokoll der Sitzung vom 01.12.2010

Herr Kollege Magerl, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Biechl?

Herr Kollege Magerl, Sie haben gerade die Landwirtschaft angesprochen. Ist Ihnen bekannt, dass sich die Zahl der Kuhmägen, die Ihre Besorgnis erregen, in den letzten Jahren um 30 % verringert hat? Meine weitere Frage: Ist Ihnen auch bekannt, dass wir ein Stück weit besser dastünden, wenn sich der Automobilverkehr in gleichem Maße verringert hätte? Ist Ihnen auch bekannt, dass ein Maisfeld von der Größe eines Fußballplatzes in der Lage ist, so viel CO2 zu binden, wie ein Auto mit 60.000 Kilometern Fahrleistung im Jahr erzeugt?

Mir sind solche Zahlen durchaus bekannt. Ich habe auch gesagt, dass ich die Landwirtschaft nicht an den Pranger stellen möchte. Die Landwirtschaft ist aber immer noch ein Sektor, auf dem eine ganze Menge N2O ausgestoßen wird. Die Frage, wie wir unser Land bewirtschaften, wird auch im Hinblick auf den Klimaschutz spannend. Wir sind noch nicht da, wo wir sein könnten. Meine Kritik ist, dass zu diesem Punkt vom Ministerium überhaupt nichts gekommen ist.

Ich bin erstaunt darüber, dass eine Frage, wie wir mit den Folgen des Klimawandels umgehen sollten, in der Regierungserklärung völlig fehlt. Herr Minister Dr. Söder, das Thema Vorsorge für den Menschen fällt vollständig in Ihr Ressort. Sie haben dieses Thema auch heute in Ihrer Regierungserklärung wieder völlig ausgeblendet. Uns liegen Zahlen und Auswertungen des Katastrophensommers 2003 - das war der Hitzesommer - vor. Die Statistiker kommen auf etwa 30.000 bis 40.000 zusätzliche Todesfälle in Europa. Im We

sentlichen handelte es sich um ältere Leute, die durch Austrocknung, Hitzestress usw. gestorben sind.

Unser Gesundheitssystem wird darauf reagieren müssen. Nach der Vorhersage, die auch in Ihrer Beschreibung der Klimaveränderungen enthalten ist, werden wir künftig häufiger mit solchen Sommern rechnen müssen. Solche Sommer werden in Zukunft die Regel und nicht mehr die Ausnahme sein. Unser Gesundheits- und Pflegesystem muss dafür fit gemacht werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Momentan ist es das noch nicht. Dass Sie dieses Thema bei der Regierungserklärung völlig ausgeblendet haben, zeigt mir, dass Sie diese Problematik noch nicht sehen und sie überhaupt noch nicht umrissen haben. Bezüglich der Frage, wie mit den entsprechenden Folgen umzugehen ist, gibt es erhebliche Mängel.

Zum Abschluss Ihrer Rede gehen Sie auf die Lebensstil-Debatte ein. Wir werden diese Lebensstil-Debatte gerne mit Ihnen führen. Das wird sicher spannend werden. Sie dürfen sicher sein, dass wir, die beim Thema Klimaschutz immer an erster Stelle gestanden haben, auch in Zukunft an erster Stelle stehen werden. Wir werden auch sehr befruchtend in die Lebensstil-Debatte eingreifen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion darf ich jetzt Herrn Kollegen Thalhammer das Wort erteilen.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! "Nichts ist so beständig wie der Wandel." Dieses Zitat gilt auch für den Klimawandel. Als der griechische Philosoph Heraklit im Jahre 500 vor Christus diesen Satz geprägt hat, dürften ihm häufig kalter Wind und Regen um die Nase geweht haben.

Den Römern kam dann einige hundert Jahre später die Klimaerwärmung zugute. Damals war das Klima den Forschern zufolge vergleichbar mit heute: nördlich der Alpen war es sogar noch etwas wärmer. Später folgte die kleine Eiszeit, die wiederum eine Abkühlung des Klimas zur Folge hatte, und so weiter.

Eines lässt sich an meiner spannenden klimageschichtlichen Einleitung deutlich machen: Der Klimawandel ist ein natürliches Phänomen. Da der Mensch nicht Gott ist, können wir den Klimawandel auch nicht aufhalten. Daher ist es richtig, wenn Herr Umweltminister Dr. Söder von einer Anpassung an den Klimawandel spricht. Wegen des Klimawandels Weltunter

gangsstimmung zu verbreiten, ist genauso deplatziert wie eine Instrumentalisierung des Klimawandels, wie das die GRÜNEN tun, um damit politische Vorstellungen durchzudrücken. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Einzige, was in unserer Macht steht, ist der Versuch, durch unser Verhalten extreme Klimaausschläge zu vermeiden und sie einzugrenzen, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Herr Dr. Söder, vor einem Jahr standen wir anlässlich der Konferenz von Kopenhagen schon einmal zusammen und haben über Umweltpolitik und den Klimawandel gesprochen. Ich habe damals salopp gesagt, dass ich mir a bisserl weniger Markus und dafür mehr Markanz bei Umweltthemen gewünscht hätte. Ich gebe zu, dass dieser Ausspruch bei Ihnen nicht sehr gut angekommen ist. Herr Dr. Söder, vor lauter Unmut über meinen Kollegen Rösler in Berlin sollten Sie aber die bayerische Umweltpolitik nicht vergessen. A bisserl mehr Umwelt würde uns allen in Bayern gut tun.

(Beifall bei der FDP und den Freien Wählern)

Wie kann man nun mit bayerischer Umweltpolitik den Klimawandel konkret eindämmen, CO2 vermindern, CO2 einsparen und CO2 binden? Wir sollten die Natur dabei unterstützen, möglichst viel CO2 zu binden. Eine grüne Wiese ist kein Ödland. Grünland hat einen hohen ökologischen Wert. Der steigenden Tendenz des sogenannten Gründlandumbruchs, wo unter ökonomischen Aspekten wertvolle Wiesen oder Moore zu Ackerflächen umgepflügt werden, müssen wir Einhalt gebieten.

(Ludwig Wörner (SPD): Warum haben Sie das nicht gemacht?)

Bei ökologisch besonders wertvollen Flächen, zum Beispiel Niedermooren, sollten wir bei der Neuordnung des Bayerischen Naturschutzgesetzes die Chance ergreifen, den Grünlandumbruch zu unterbinden. Die FDP-Fraktion wird Ihnen einen diesbezüglichen Antrag vorlegen. Hier können wir gemeinsam sinnvolle Umweltpolitik und Klimaschutz betreiben.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Flächenverbrauch ist nach wie vor zu hoch. Es gilt, den Flächenfraß zu reduzieren. Es macht keinen Sinn, bereits bebaute Flächen oder vorhandene Straßen verfallen zu lassen, sie nicht mehr zu nutzen und dann daneben auf der grünen Wiese neue Grünflächen zu versiegeln. Nicht nur der Mensch allein hat ein Anrecht auf unsere Erde. Flächenrecycling ist eine immer wichtiger werdende Aufgabe in der heutigen Zeit. Wir soll

ten uns deshalb gemeinsam anstrengen. Das ist sinnvolle Umweltpolitik; das ist sinnvoller Klimaschutz.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, der Waldumbau, der derzeit betrieben wird, muss weiter vorangetrieben werden. Ein stabiler Wald bindet CO2 und ist gegen Klimaeinflüsse resistenter. Deshalb dürfen wir dem Borkenkäfer nicht tatenlos zusehen. Ein lebendiger Wald bedeutet sinnvolle Umweltpolitik und sinnvollen Klimaschutz.

Meine Damen und Herren, die Vermeidung von CO2 ist eine weitreichende und wichtige Stellschraube. Ein großer Teil der CO2-Produktion ist auf Menschenhand zurückzuführen. Dies ist auch eine ethische Frage: Wie viel sind wir bereit, im Sinne der Natur, anderer Arten und kommender Generationen zu opfern und zu investieren? Ein "Weiter so" darf es nicht geben. In den letzten Jahrzehnten haben wir einen unvernünftigen Raubbau an unserer Natur betrieben. Wir müssen der Natur und der Umwelt auch etwas zurückgeben.

Wir müssen auch für Neues bereit sein. Wir, das heißt der Staat, die Bürgerinnen und Bürger und die Industrie, müssen zum Beispiel bereit sein, uns auf neue Mobilitätskonzepte einzulassen. Daher ist es richtig, dass die Staatsregierung unter der Federführung des Wirtschaftsministeriums alternative Antriebskonzepte unterstützt. Am offensichtlichsten ist dies bei der Elektromobilität. Aber auch bei anderen alternativen Antrieben ist diese Unterstützung eine wichtige Aufgabe der heutigen Zeit.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir dürfen nicht nur neue energieeffiziente Gebäude errichten, sondern müssen uns auch um den Altbestand kümmern. Ein Großteil der Gebäude in Bayern ist vor der Wärmeschutzverordnung, die in meinem Geburtsjahr 1979 erlassen wurde, gebaut worden. Die Politik muss erklären, warum es notwendig ist, zu investieren und diese Gebäude energetisch zu sanieren. Dabei müssen wir mit Fingerspitzengefühl arbeiten. Wir müssen eine Überforderung von Mietern oder Eigentümern weitestgehend vermeiden. Nur so können wir Freiwilligkeit und Eigenverantwortung erreichen.

Zu einer seriösen Politik gehört aber auch, den Bürgerinnen und Bürgern klar und deutlich zu sagen dass auch von ihnen ein Opfer verlangt werden wird; denn Klimaschutz lebt vom Mitmachen. Selbiges gilt für die erneuerbaren Energien. Auch die erneuerbaren Energien leben vom Mitmachen der Bürgerinnen und Bür

ger. Hier müssen ebenfalls Opfer erbracht werden. Eventuell müssen mittelfristig steigende Energiekosten in Kauf genommen werden, um in das Zeitalter der umweltverträglicheren Energieerzeugung zu gelangen.

Den Energieatlas gilt es jetzt umzusetzen. Er ist ein wichtiger Schritt. Ich freue mich darauf, wenn das Umweltministerium diesen Energieatlas veröffentlichen wird. Wegweisende Bestandteile hat unser Energieminister Martin Zeil hierfür bereits geleistet. Ein herzliches Dankeschön dafür!

Der bayerische Solaratlas unterstützt die Photovoltaik und die Solarthermie, der Windatlas die Windenergie und der Geothermieatlas die Geothermie. Wir schaffen somit Fakten und machen damit deutlich, dass die FDP und die CSU in das Zeitalter der erneuerbaren Energien gehen wollen.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Die Energiegewinnung aus Biomasse, liebe Kolleginnen und Kollegen, wollen wir in Bayern verdoppeln. Hierbei gilt es nicht nur auf Risiken hinzuweisen, sondern wir müssen auch auf die Chancen abstellen, die die Biomasse dem Flächenland Bayern bietet. Ein Mehr an Biogas muss nicht zwangsläufig eine riesige Maismonokultur zur Folge haben. Auch Kleegras und der Einsatz von Luzernen finden immer mehr Beachtung. Stellen wir aber unser Regelungswerk infrage, entschärfen wir beispielsweise bei der Novellierung des EEG die Konkurrenzsituation zwischen Milchviehhaltung und Biogasproduktion. Der Güllebonus mit seinen 30 % Beimischquote ist zu starr. Er muss flexibler gestaltet werden. Nur so werden wir der Biomasse zu einem Stellenwert verhelfen, den sie in Bayern verdient.

Meine Damen und Herren, wie wir es auch nennen: Bayern muss das Land der erneuerbaren Energien werden. Wir setzen hierbei explizit auf den technischen Umweltschutz. Fortschritt und Umweltschutz stehen nicht in Widerspruch zueinander, ganz im Gegenteil, sie befruchten sich gegenseitig; denn Forschung und Entwicklung verbessern nicht nur den Umweltschutz, sie schaffen auch neue Arbeitsplätze. Diese Kernkompetenzen, wie wir sie in Bayern Gott sei Dank haben, dürfen wir nicht aufs Spiel setzen. Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um unsere bayerischen Tüftler, unsere Forscher, alle unsere ehrenamtlich Engagierten zu hegen und zu pflegen, damit sie mit all ihrer Kompetenz Bayern nicht verlassen.

Auch bei den Infrastrukturmaßnahmen müssen wir vorankommen. Eine prinzipielle Dagegen-Mentalität, wie sie die GRÜNEN pflegen, bringt uns nicht weiter.

(Beifall bei der FDP und der CSU - Thomas Mütze (GRÜNE): Wir sind für erneuerbare Energien! Fragen Sie sich mal, für was Sie sind!)

Wir müssen bei den Bürgerinnen und Bürgern werben. Wir müssen ihnen erklären, dass beispielsweise ein Windrad vor dem Dorf kein Schandfleck, sondern eine innovative Visitenkarte ist. Pumpspeicherkraftwerke wie auch Biogas und Geothermie helfen den erneuerbaren Energien bei ihrer Grundlastfähigkeit.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Die Stromnetze von damals werden den heutigen Anforderungen leider nicht mehr gerecht. Smart Grid und Smart Meter sind wichtige Stellschrauben, die es anzugehen und umzusetzen gilt. Das wird nicht einfach werden.

In der Regierungserklärung wurde Albert Einstein mit den Worten zitiert: Die gewaltigen Probleme unserer Zeit können nicht mit derselben Denkart gelöst werden, welche jene Probleme verursacht hat.

Ich komme zur Kernkraft. Es ist durchaus richtig, dass wir uns in Bayern - wir haben auch kräftig dazu beigetragen - darüber freuen, dass sich die Bundesregierung richtigerweise jetzt endlich der Frage der Endlagerung von Atommüll stellt. Es muss aber auch Aufgabe der Umweltpolitik sein, sich darüber Gedanken zu machen, wie wir atomaren Abfall vermeiden oder begrenzen können.

(Zuruf von den GRÜNEN: He!)

Ich bitte deshalb herzlich, noch einmal in das Energiekonzept des Bundes zu schauen und zu überprüfen, ob in Bayern vielleicht doch das alte Kernkraftwerk Isar 1 entbehrlich sein könnte.

(Zuruf von den GRÜNEN: Bravo! - Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Schließen wir das nicht kategorisch aus. Das Energiekonzept des Bundes ermöglicht, die zugesagte Strommenge an Atomstrom zwischen einzelnen Kraftwerken zu übertragen.

(Thomas Mütze (GRÜNE): Damit ist der Minister nicht einverstanden!)

Meine Damen und Herren! Es wäre somit für Bayern möglich - bitte nehmen Sie dieses Argument auf -

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)