Die Regelung zur Bestimmung der angemessenen Kosten für Unterhalt, Unterkunft und Heizung durch Satzung führt zu sozialpolitisch unerwünschten Folgen. Sie birgt das Risiko, dass abweichend von der bisherigen Rechtslage Substandards gebildet werden und künftig das unterste Niveau Maßstab für die Festlegung der angemessenen Aufwendungen sein könnte. Wissen Sie, was das zur Folge hätte? - Eine Gettoisierung. Das wollen wir in den Kommunen wirklich nicht. Wir wollen, dass alle integriert sind, egal welche Einkünfte sie beziehen. Diese Gettoisierung hat es früher schon einmal gegeben. Die wollen wir nicht mehr. Wir waren schon einmal viel weiter als Sie, von der CSU, der CDU und der FDP.
Die Regelung soll die Auswirkungen auf den örtlichen Wohnungsmarkt hinsichtlich der Vermeidung von mietpreissteigenden Wirkungen berücksichtigen. Das kann dazu führen, dass die Kosten für Unterkunft und Heizung nur auf dem untersten Niveau anerkannt werden. Die tatsächlichen Kostenentwicklungen auf dem örtlichen Wohnungsmarkt bleiben zulasten der Leistungsberechtigen unberücksichtigt.
Wir brauchen endlich eine Regelung für eine allgemein verbindliche Lohnuntergrenze. Ein Mindestlohn ist in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union mehrfach vorhanden. Der Mindestlohn ist ein notwendiges und effektives Mittel zur Sicherstellung des Lohnabstandsgebotes gegenüber Regelleistungen, die das soziokulturelle Existenzminimum gewährleisten. Insofern werden wir GRÜNE dem Dringlichkeitsantrag der SPD zustimmen und bitten ebenfalls um Zustimmung zu unserem Antrag.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Spätestens seit gestern Abend, nachdem sich die saarländische Koalition dem Gesetzentwurf verweigert hat, steht fest, dass wir in den Vermittlungsausschuss gehen. Wir gehen davon aus, dass dort vernünftige Anpassungen beschlossen werden, damit dieses Gesetz spätestens im Januar in Kraft treten kann. Gestatten Sie mir bitte einige Anmerkungen, weil sich in der öffentlichen Debatte und in den Medien sehr viel miteinander vermischt, ausgelassen oder verdrängt wird.
Das Bundesverfassungsgericht - das haben meine Vorrednerinnen und Vorredner bereits gesagt - hat im Februar den Auftrag erteilt, ein verfassungskonformes sozio-ökonomisches und sozio-kulturelles Existenzminimum zu vereinbaren und sicherzustellen. Meine Damen und Herren, warum hat das Bundesverfassungsgericht diese Auflage an den Gesetzgeber übergeben? Liebe Kolleginnen von Rot-Grün, da vermisse ich - gerade in der Weihnachtszeit - ein Stück weit Bescheidenheit. Ich verlange gar keine Demut, jedoch ein bisschen mehr Bescheidenheit. In Ihren Äußerungen lassen Sie, Frau Kollegin Weikert und Frau Kollegin Scharfenberg, unerwähnt, dass das Bundesverfassungsgericht genau deswegen diesen Auftrag erteilt hat, weil Sie es während Ihrer Regierungsverantwortung sträflich versäumt haben, ein vernünftiges Gesetz zu konstruieren, das eine reale Bemessungsgrundlage zugrunde legte. Außerdem haben Sie von Rot-Grün sich in all den Jahren niemals darum bemüht, Ihr Gesetz zu korrigieren.
Aus diesem Grund hat uns das Bundesverfassungsgericht diesen Auftrag erteilt. Nun könnten wir uns hinstellen und darüber spekulieren, ob dieses Gesetz in den nächsten Monaten oder auch im nächsten Jahr den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts stand hält. Die Fragezeichen vonseiten der Sozialwissenschaftler und Wohlfahrtsverbände kenne ich. Meine Damen und Herren, wir sollten nicht zu stark spekulieren. Lassen wir das. Wir müssen es darauf ankommen lassen, inwieweit die Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichtes beachtet wurden. Das ist eine Diskussion, die spätestens in einem halben oder einem Jahr stattfinden wird.
Die Bundesregierung hat versucht, die sozio-kulturellen Einkommen - ich gestehe: auf geringstem Level zu berechnen. Das sind keine großen Verbesserungen für die Menschen. Allerdings reden die Medien
das sehe ich kritisch - nur über die fünf Euro Mehrung für Erwachsene. Diese fünf Euro machen jedoch insgesamt 350 Millionen Euro aus. Darüber hinaus geht es um 750 Millionen Euro für die Teilhabe in Form von Bildungspaketen. Diese sorgen für Teilhabe an Kultur, Bildung und Sport sowie für mehr Chancengerechtigkeit.
Frau Kollegin Weikert, uns wäre es noch lieber - das habe ich bereits im Ausschuss gesagt -, über die Familien, die den Kinderzuschlag bekommen, hinaus ärmere und schwächere Familien einzubeziehen. Das gibt das soziokulturelle Existenzminimum jedoch nicht her. Das könnten wir sehr weit auslegen. Die Umsetzung der Forderungen Ihrer Anträge würde dann - ich habe das ausgerechnet - einige Milliarden Euro mehr kosten. Sie fordern einen Hartz-IV-Satz in Höhe von 400 Euro. Das würde Kosten in Milliardenhöhe verursachen.
Liebe Frau Kollegin Weikert und liebe Frau Kollegin Scharfenberg, was mich mit Ihnen umtreibt, ist die Verhältnismäßigkeit bzw. die Unverhältnismäßigkeit eines Verwaltungsaufwandes, der im Verhältnis zu den gesetzten Aufgaben gewaltig ist. Aus diesem Grund bin ich der Sozialministerin sehr dankbar, dass sie gesagt hat: Dieses Paket geht mit uns nur durch, wenn die Jobcenter alternativ zu den Gutscheinen an die Anbieter auch Direktüberweisungen ohne Nachweise vornehmen können. Nur dann ist die Verhinderung von Diskriminierung gewährleistet. Nur dann ist Rechtssicherheit gewährleistet. Der Bund hat diesen Bedingungen stattgegeben. Deshalb bin ich in diesem Punkt zuversichtlich.
Allerdings - dass haben wir im Sozialausschuss ausführlich miteinander diskutiert - müssen wir uns als Land und als Bund schon fragen, inwieweit wir die Kommunen im Sinne der Subsidiarität besser einbinden müssen. Ich habe das Beispiel Nürnberg genannt. Es gibt einen Nürnberg-Pass, der viele der Dinge, über die wir sprechen, wenn es um Teilhabe geht, beinhaltet. Für eine Stadt ist es sehr kontraproduktiv, wenn sie all diese bürokratischen Bedingungen erfüllen soll. Hoffentlich wird das Gesetz in den nächsten Wochen positiv verabschiedet. Zum Wohl und zum Nutzen der Beteiligten sollte das Gesetz an einigen Stellen noch verbessert werden.
Lieber Herr Kollege, bitte verbleiben Sie am Redepult. Nach Ablauf Ihrer Redezeit kann ich leider keine Zwischenfrage, sondern nur eine Zwischenbemerkung zulassen. Bitte schön, Frau Kollegin Weikert.
Herr Kollege Imhof, das gesamte Teilhabepaket wird im Gesetzentwurf der schwarz-gelben Bundesregierung im Bundestag auf circa 740 Millionen Euro geschätzt. Der Bürokratieanteil wird auf 135 Millionen Euro geschätzt. Der Rechnungshof sagt jetzt schon, dass der Bürokratieanteil im Vergleich zu den ausgezahlten Leistungen unverhältnismäßig hoch sei. Wäre es nicht sinnvoller, diese 740 Millionen Euro direkt an die Kommunen zu überweisen, damit sie ihre Infrastruktur für die Bereiche Teilhabe und Förderung von Kindern ausbauen können?
Die Kollegin Weikert bringt mich tatsächlich zum Nachdenken. Bei der Bürokratie bin ich sehr nah bei Ihnen. Ich habe es vorhin am Anfang auch angesprochen. Die völlig unverhältnismäßig hohen Bürokratiekosten sind abzubauen. Ob das jetzt noch zu bewerkstelligen ist, bezweifle ich. Dem großen Kern Ihrer Ausführungen gebe ich aber recht.
Als nächste Rednerin in der Debatte darf ich die Kollegin Eva Gottstein für die Freien Wähler ans Mikrofon bitten.
Sehr verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der Logik der vorletzten Sitzung müssten jetzt wieder Papierflieger fliegen, weil es sich um ein ähnliches Thema handelt. Es ist aber noch lange nicht so spät wie damals.
Wir Freie Wähler begrüßen die Denkpause, die aufgrund der Ablehnung durch das Saarland notgedrungen entstanden ist. Wir begrüßen auch die Intention der beiden Anträge der SPD und der GRÜNEN, dass die Staatsregierung aufgefordert wird, dem Gesetzeswerk nicht zuzustimmen. Auch in unseren Augen ist das Gesetzeswerk unausgegoren und unausgewogen.
Leider müssen wir aber wie in den Ausschüssen beide Anträge ablehnen, weil Sie sich nicht mit der Forderung begnügen, dass Bayern nicht zustimmen soll, sondern weil Sie einmal mit neun und einmal mit fünf Unterpunkten Bedingungen für die Zustimmung setzen. Diese Bedingungen geben letztlich das komplette Sozialprogramm sowohl der SPD als auch der GRÜNEN wieder. Das steht Ihnen natürlich zu, aber das ist dermaßen dezidiert, dass wir einigen Punkten nicht zustimmen können. Ich nenne ausdrücklich die
Punkte, die wir unterstützen würden. Beim Antrag der SPD würden wir natürlich den fünften Punkt unterstützen. Dort heißt es: "Die Umsetzung des Teilhabepakets soll gemeinsam von Kommunen, Bundesagentur für Arbeit und Bundesministerium für Arbeit und Soziales ausgearbeitet werden." Wir begrüßen ebenfalls die Punkte vier und neun im Antrag des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN.
Wie gesagt, die Anträge enthalten zum Teil dezidiert Ihre anderen sozialpolitischen Forderungen. Sie sagen, nur unter diesen Bedingungen darf den Anträgen zugestimmt werden. Damit machen Sie es uns unmöglich, den Anträgen zuzustimmen. In Fragen des Mindestlohns oder der Bildungsgutscheine sind wir anderer Meinung. Wir begrüßen, dass das Gesetz noch einmal überdacht wird. Wir hoffen, dass Sie in der Opposition im Bund Ihre Forderungen einbringen. Uns wäre es lieber gewesen, wenn Sie einfach beantragt hätten, dass wir nicht zustimmen. Wenn Sie uns aber durch die Hintertüre zwingen, Ihnen in allen sozialpolitischen Vorstellungen zu folgen, können wir nicht mitmachen. Deswegen müssen wir leider die detaillierten Anträge ablehnen, obwohl der Grundansatz von uns mitgetragen wird.
Bevor ich in der Debatte fortfahre, gebe ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zu den Nummern 1 und 2 des Antrags der Abgeordneten Bause, Mütze, Gote und Fraktion der GRÜNEN betreffend Menschenwürdige Unterbringung und Versorgung für Flüchtlinge in Augsburg, Drucksache 16/5604, bekannt. Wir hatten namentlich über die Punkte 1 und 2 abgestimmt. Mit Ja haben 71 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 90 Abgeordnete. Es gab vier Stimmenthaltungen. Damit sind diese beiden Nummern abgelehnt, und auch der Gesamtantrag ist damit abgelehnt.
Nun fahren wir in der Debatte fort. Ich gebe der Kollegin Brigitte Meyer für die FDP-Fraktion das Wort.
Verehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Normalerweise ist es nicht meine Art, Debatten so zu beginnen. Die Vehemenz, mit der Sie, Frau Scharfenberg, Ihre Angriffe gegen die Neugestaltung der Hartz-IV-Sätze durch CDU und FDP vorgetragen haben, provoziert aber einen Hinweis darauf, der zwar schon gegeben wurde, der aber von mir auch noch einmal gegeben werden muss. Wir hätten dieses Thema heute nicht auf der Tagesordnung, wenn Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den GRÜNEN, Ihre Hausaufgaben anständig gemacht hätten, als Sie
Ihre Anträge behandeln schwerpunktmäßig SGB-Leistungen für Kinder und Jugendliche und deren Berechnung sowie die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets der Bundesregierung. Deshalb werde ich mich in meinen Ausführungen auf diese beiden Punkte konzentrieren.
Die Berechnung der Regelsätze wurde durch die Bundesregierung erstmalig auf eine solide Grundlage gestellt, nachdem Ihre Berechnungen von damals durch das Bundesverfassungsgericht gekippt wurden. Ihr Vorwurf gegenüber der neuen Berechnung besteht darin, dass nicht die untersten 20 % als Referenzgruppe herangezogen wurden, sondern nur die untersten 15 %. Das ist aber aus unserer Sicht schlichtweg falsch. Dieser Vorwurf ist in Unkenntnis der Fakten erhoben worden. Berücksichtigt worden sind die Ein-Personen-Haushalte bzw. Zwei-PersonenHaushalte mit einem Kind, die sich im unteren Fünftel der Einkommensskala befinden. Aus dieser Gruppe wurden alle Empfänger von Grundsicherungsleistungen zur Vermeidung von Zirkelschlüssen herausgerechnet. Somit verbleiben aus den ursprünglichen 20 noch ca. 15 % der Ein-Personen-Haushalte; die sind aber ausdrücklich nicht die untersten 15 % der Skala.
Zudem wurde zum ersten Mal der Bedarf von Kindern und Jugendlichen eigenständig berechnet. Auf dieser Grundlage wurde zum ersten Mal ein eigenständiger Regelsatz für Kinder festgelegt. Auch das hat es bei Ihren Berechnungen so nicht gegeben. Sie haben Kinder wie kleine Erwachsene behandelt. In den Kinderleistungen waren zum Beispiel Ausgaben für Alkohol und Tabakwaren veranschlagt, nicht aber Ausgaben für Windeln. Das wird jetzt geändert.
Es wurde schon gesagt, dass einer der wichtigsten Punkte das Teilhabe- und Bildungspaket darstellt. Auch für uns - darin sind wir uns einig - ist die Bildung der wichtigste und einzig erfolgreiche Schlüssel zur Teilhabe.
Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass ich es nicht für richtig halte, wenn bereits vorhandene Strukturen kaputt gemacht werden. Darin bin ich mit dem Herrn Kollegen Imhof auf einer Linie. Wir haben auch in der Kinderkommission verschiedene Berichte darüber gehört. Ich bin völlig bei Ihnen, wenn man bestehende Strukturen kaputt macht, um nebenan mit hohem Verwaltungsaufwand etwas Neues aufzubauen. Ich hoffe inständig, dass die Diskussionsbereitschaft, die von
Frau von der Leyen signalisiert wurde, auch in die Richtung geht, dass Strukturen, die von den Kommunen hervorragend geregelt werden, auch in Zukunft aufrecht erhalten werden können.
Insgesamt wird es so sein, wie es sich abzeichnet. Das Gesetz wird in den Vermittlungsausschuss kommen. Wir werden sehen, was dann dabei herauskommt. Der Kollege Imhof hat es schon gesagt. Es mag sein, dass das Gesetz wieder vom Verfassungsgericht gekippt wird. Vielleicht hat es aber auch Bestand. Wir werden es sehen. Wir werden die weitere Entwicklung abwarten. Ich hoffe darauf, dass sich vor allem beim Bereich der Teilhabe und der Bildung etwas ändert.
- Ja, natürlich! Ich setze mich auch intensiv dafür ein. Sie haben es vermutlich genauso gemacht, als Ihre Partei an der Bundesregierung war und Sie auch nicht immer unbedingt durchgedrungen sind.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Tagesordnungspunkte wieder getrennt.
Ich lasse zunächst über den Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 16/6401 abstimmen. Das ist der Tagesordnungspunkt 27. Der federführende Ausschuss für Soziales, Familie und Arbeit empfiehlt auf Drucksache 16/6691 die Ablehnung des Dringlichkeitsantrags. Wer dagegen dem Dringlichkeitsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Wer ablehnen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der CSU, der FDP und der Freien Wähler. Gibt es Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Damit ist dieser Antrag abgelehnt. Nun lasse ich noch über den Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN auf Drucksache 16/5996 abstimmen. Das ist Tagesordnungspunkt 28. Der federführende Ausschuss für Soziales, Familie und Arbeit empfiehlt auf Drucksache 16/6690 wiederum Ablehnung. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke schön. Das sind wiederum die Fraktionen der SPD und der GRÜNEN. Wer möchte den Antrag ablehnen? - Danke schön. Das sind wiederum CSU, FDP und Freie Wähler. Gibt es Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt.
Meine Damen und Herren, wir haben die Tagesordnung für den heutigen Tag abgearbeitet. Wir haben also das Open End sehr früh erreicht. Ich danke allen, die auf eine Aussprache verzichtet haben und ihre Redezeit nicht ausgeschöpft haben. Und ich danke Ihnen, dass Sie noch da sind. Genießen Sie den vorweihnachtlichen Abend mit einigen Schneeflocken auf dem Münchner Weihnachtsmarkt. Wir sehen uns mor