Beim Thema der Sondereinrichtungen für Menschen mit Behinderung sollte grundsätzlich keine Schwarzweiß-Diskussion geführt werden. Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Sinne der Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention wollen wir alle, dass Menschen mit Behinderung bzw. ihre Angehörigen oder Betreuer die Wohn-, Lebens- und Betreuungsformen frei wählen können. Wir sollten aber nicht so tun, als ob die bewährte Arbeit, die die Behindertenverbände in ihren Einrichtungen seit Jahrzehnten leisten, nichts wert wäre. Diese Arbeit ist wichtig. Wir sollten unseren Dank für die Arbeit aussprechen, die in den vergangenen Jahrzehnten geleistet wurde.
Da ich gerade beim Dank bin, möchte ich jetzt ein dreifaches Dankeschön für die Vorbereitung der Antwort auf die Interpellation und für die Beratung aus
sprechen. Ich danke der politischen Spitze des Ministeriums, vor allem Frau Staatsministerin Haderthauer, und den Beamten dafür, dass sie ein mehr als 120 Seiten umfassendes Papier erarbeitet haben, das die sehr breiten Fragestellungen sehr differenziert behandelt und das in der Bestandsaufnahme sehr nüchtern ist. Diese breiten Fragestellungen im Rahmen einer Interpellation sind durchaus sinnvoll. Ich beurteile das absolut positiv. Der Aufwand, der mit der Beantwortung dieser Interpellation verbunden war, hat sich, so meine ich, gelohnt, weil wir damit eine gute Grundlage haben, um weitere Entscheidungen treffen zu können. Nochmals ein herzliches Dankeschön an das bayerische Sozialministerium für diese Antwort.
Ich danke auch der Behindertenbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung, ihrem Büro und den kommunalen Behindertenbeauftragten dafür, dass sie sich von vornherein aktiv in diesen Diskussionsprozess eingebracht haben und einbringen. Sie haben ganz wesentlich an diesem Antwortkatalog mitgearbeitet. Ich möchte auch den Behindertenorganisationen im Freistaat Bayern dafür danken, dass sie den Prozess von der Fürsorge hin zur Beteiligung und hin zur Inklusion schon seit vielen Jahren aktiv vorantreiben. Sie bringen sich aktiv ein. Das gilt für die Vertreter des selbstbestimmten Lebens, für die Lebenshilfe, für die Caritas, für die Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfe und andere. Wir haben in Bayern eine vielfältige Struktur, deren sich die Politik als Ratgeber immer wieder bedienen muss. Wir haben einen aktiven Dialogprozess zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Wir sollten diesen Prozess weiterhin mit einer besonderen Beteiligungskultur unterstützen.
Meine Damen und Herren, der der UN-Behindertenrechtskonvention folgende Bewusstseinswandel, der notwendig ist - hier sind wir uns völlig einig -, erfordert eine Prioritätensetzung der Politik für Menschen mit Behinderung im Bayerischen Landtag. Die CSU-Landtagsfraktion hat deshalb gerade in der Sozialpolitik, aber auch in der Bildungspolitik, zu der Herr Kollege Eisenreich noch Ausführungen machen wird, Prioritäten gesetzt. Dabei geht es nicht ausschließlich um gesetzgeberisches Handeln. Wir sollten nicht davon ausgehen, dass wir Prozesse wie die Inklusion in allen Lebensbereichen nur auf dem Gesetzes- und Verordnungswege umsetzen können. Nötig ist vielmehr eine bewusste Beseitigung von Barrieren in den Köpfen und im täglichen Leben. Des Weiteren bedarf es eines Paradigmenwechsels, weg von der in erster Linie betreuenden und beschützenden Struktur hin zu
Dieser Prozess kann und muss im Sinne eines gesellschaftlichen Wandels von der Politik begleitet und gestaltet werden. Die Politik muss der Motor sein. Allerdings bedarf es auch des Handelns der gesamten Gesellschaft. Ein wichtiger Aspekt für uns, der auch in der Antwort auf die Interpellation durchscheint, ist die Vorbildfunktion, die der Staat als Arbeitgeber, aber auch als Dienstleister wahrzunehmen hat. Ich sage nicht, dass hier bereits alles optimal gestaltet ist. Wir sollten uns aber darüber im Klaren sein, dass die öffentliche Hand als Arbeitgeber und als Dienstleister ihre Priorität auf den Zugang für Menschen mit Behinderung legen muss.
In dieser Diskussion stelle ich immer wieder fest, dass verschiedene Anliegen und Aufgaben miteinander vermengt werden. Es gibt unterschiedliche Zugänge und Wege zur Förderung der Integration und zur Entwicklung von Inklusion. Es gibt keinen Königsweg, sondern wir müssen abhängig von den Bedürfnissen der Menschen unterschiedliche Wege und Zugänge finden.
Das Leistungsrecht und die Ziele sowohl in der UNBehindertenrechtskonvention als auch im Bayerischen Gleichstellungsgesetz für Menschen mit Behinderung setzen den Rahmen für öffentliches Handeln bzw. Ansprüche in den einzelnen Lebensbereichen. Der Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, den das Kabinett beraten und nunmehr in eine Verbandsanhörung gegeben hat, wird von uns - ich glaube, da bin ich mit Frau Kollegin Meyer einig - in erster Linie als eine Bestandsaufnahme gesehen. Wir können in einem Aktionsplan kein fertiges Konzept für die nächsten 50 Jahre haben, sondern wir müssen step by step vorgehen. Die Bestandsaufnahme ist der erste Schritt.
Eine politische Schwerpunktsetzung ist erforderlich, um diese Ziele fachpolitisch weiterzuentwickeln. CSU und FDP haben einen gemeinsamen Beschlussvorschlag eingebracht, den der Sozialausschuss mehrheitlich beschlossen hat. Er sieht vor, bei der Eingliederungshilfe - darauf komme ich noch zu sprechen -, im Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz und bei der Beratung und Begleitung sowie der Mitwirkung von Menschen mit Behinderung Akzente zu setzen.
In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, nochmals darauf hinzuweisen, dass die Bayerische Staatsregierung im laufenden Prozess von uns immer wieder aufgefordert wird, über den Stand der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention zu berichten.
Ob es gelingt, aus dem Diskussionsprozess ähnlich, wie das im Bildungsausschuss der Fall gewesen ist, ein gemeinsames Konzept zu entwickeln, wird sich zeigen; denn mit der Änderung des Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes gibt es einen klar umrissenen Aufgabenkatalog und eine klar umrissene Zielsetzung sowie feststehende Strukturen. Das gilt für das gesamte Spektrum von der Eingliederungshilfe über die verschiedenen Formen des Bundesleistungsrechts bis hin zu europaweiten Problemstellungen im Gesamtsektor nicht. Deswegen müssen wir nach dem Vorliegen der Anhörungsergebnisse miteinander darüber beraten, wie wir den Inklusionsprozess möglichst im Konsens in die praktizierte Sozialpolitik auf allen Ebenen einbringen können.
Einer der wesentlichen Schwerpunkte sowohl in der Konvention als auch im Bayerischen Gleichstellungsgesetz für Menschen mit Behinderung ist die Herstellung von Barrierefreiheit. Ich teile völlig Ihre Meinung, Frau Kollegin Ackermann, dass es nicht genug ist, was wir im Moment an barrierefreien Neubauten haben. Kollege Kobler, der heute schon einmal zitiert wurde, hat zu Recht einmal gesagt, die Kosten seien am geringsten, wenn man Barrierefreiheit beim Wohnen oder bei den Behörden schon beim Neubau berücksichtigt; denn dann sind die Kosten klar abzuschätzen. Das sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Gedankenlosigkeit in dieser Richtung ist zu vermeiden und der Stellenwert der Barrierefreiheit ist zu erhöhen.
Das bedeutet in der Konsequenz, dass wir auch darüber diskutieren müssen, was die Behindertenbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung in diesem Zusammenhang fordert, ob ein Bußgeldkatalog in der Bayerischen Bauordnung verankert werden muss oder ob es andere Instrumente gibt, vielleicht auch Anreizsysteme bis hin zu einer Veränderung der Ausbildung der Architekten. Die Vorstöße in diesem Zusammenhang sind zu unterstützen.
Aber auch in der Verwaltung, meine sehr geehrten Damen und Herren, bedarf es eines starken Schubes, um die Barrierefreiheit zu erreichen. Wir kennen die Verordnungen in diesem Zusammenhang, die eingehalten werden müssen, beispielsweise die Kommunikationshilfenverordnung oder ähnliches. Ich glaube, da gibt es noch großen Handlungsbedarf. Man muss ganz klar sehen: Man muss immer wieder abklären, inwieweit es notwendig ist, dass die Gedanken und Ziele aus dem Bayerischen Behindertengleichstellungsgesetz ihren Niederschlag finden.
Ein besonderes Anliegen in diesem Zusammenhang ist uns die Gleichstellung der gehörlosen und blinden Menschen. Das gilt insbesondere für die Nutzung von
Medien. Meine Damen und Herren, in anderen Ländern sind Untertitelungen für gehörlose Menschen und Hörfilme für blinde Menschen zur Selbstverständlichkeit geworden. Der Bayerische Rundfunk ist hier im Vergleich mit anderen Sendeanstalten schon gut unterwegs. Die Zugänge zu den Medien für Menschen mit Behinderung zu erleichtern, muss zu einer Selbstverständlichkeit werden. Dieser Aufgabe müssen wir uns im Besonderen stellen.
Hinsichtlich der Barrierefreiheit müssen wir die Fortund Weiterbildungen seitens der Architektenkammer stärken.
Ein ganz wesentlicher Punkt ist die Integration von Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt. Hier haben wir natürlich zwei verschiedene Zielsetzungen. Die Möglichkeit der Werkstättenarbeit und die Integration auf dem regulären Arbeitsmarkt widersprechen sich nicht. Ich halte es aber auch für notwendig, dass wir alles dafür tun, um die Konzepte und die Frage, wie Behindertenwerkstätten aufgestellt sind, in dem Veränderungsprozess, der sich aus der Behindertenrechtskonvention ergibt, stärker einzubringen.
Natürlich ist es auch notwendig, dass die Maßnahmen zur Arbeitsförderung immer wieder darauf geprüft werden, inwieweit sie für Menschen mit Behinderung passen.
Wir werden in den kommenden Monaten und Jahren sicherlich einen intensiven Diskussionsprozess über die Reform der Eingliederungshilfe haben. Ich darf mich noch einmal ausdrücklich für ein Bundesleistungsgesetz mit möglicherweise gedrittelter Kostenbeteiligung der einzelnen Ebenen aussprechen, in dem die Leistungen, beispielsweise für Assistenzen und ähnliches, neu und klar definiert werden.
In diesem Sinne müssen wir in den nächsten Monaten und Jahren umfangreiche Arbeiten, wie wir sie schon bei der Pflegeversicherung hatten, aufnehmen. Das gilt auch für die Bildung beim Anschluss der frühkindlichen Bildung an die Schule. Die Aufgaben aus der Inklusionsdebatte sollten für uns selbstverständliche Pflicht sein, aus politischer und menschlicher Überzeugung und aus der Überzeugung, die uns die Bayerische Verfassung liefert. Diesen Diskussionsprozess zu Ergebnissen zu führen, ist eine lohnende Aufgabe.
Herr Kollege Unterländer, bleiben Sie bitte noch am Redepult. Frau Kollegin Ackermann hat sich zu einer Zwischen
Herr Kollege Unterländer, ich muss zunächst den Vorwurf, dass ich die Arbeit von Menschen, die in Heimen arbeiten, schlechtgeredet hätte, scharf zurückweisen. Das habe ich nicht getan. Das würde ich nie tun.
Ich weiß sehr wohl um die Qualität der Arbeit. Ich habe nur gesagt, es gibt keine Wahlmöglichkeit, weil noch zu wenige Alternativangebote bestehen.
Ich habe jetzt noch zwei Fragen an Sie: Wenn die Inklusion laut der Präambel in Bayern weitestgehend umgesetzt ist, warum gab es zwei Jahre lang keinen Aktionsplan, und warum wurde dieser Aktionsplan erst auf den Weg gebracht, nachdem wir einen Antrag dazu gestellt hatten? Warum gab es keinen Automatismus? Denn der wird in der Konvention gefordert.
Eine weitere Frage: Glauben Sie nicht auch, dass es der Behindertenbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung mehr nutzen würde, wenn sie hauptamtlich tätig sein könnte, als wenn Sie sich hier bei ihr bedanken?
Das war eine Zwischenbemerkung in Frageform. - Herr Kollege, Sie haben die Gelegenheit, darauf zu antworten. Bitte schön.
Liebe Frau Kollegin Ackermann, es bedurfte nicht Ihres Antrags, dass der Aktionsplan erstellt wurde, sondern die Bayerische Staatsregierung hat bei der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention schon längst daran gearbeitet. Vergleichen Sie das einmal mit anderen Ländern.
Zweitens. Die Hauptamtlichkeit kann nicht isoliert auf die Behindertenbeauftragte konzentriert werden. Wir haben mehrere Beauftragte und brauchen deshalb einen Gesamtkontext. Ihre Frage, ob der Dank mehr oder weniger hilft als die Hauptamtlichkeit, beantworte ich wie folgt: Ich glaube, die Wertschätzung des Parlaments für die Position und die Arbeit von Frau Badu
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Zwanzig Minuten Redezeit für eine Interpellation mit 125 Seiten und sehr komplexen Fragen bedeutet, dass die Interpellation heute nur rudimentär debattiert werden kann. Ich weiß nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie es Ihnen damit geht. Nachdem die Staatsregierung die Interpellation erst nach einem Jahr beantwortet hat, stellt sich mir die Frage, wie sinnhaft diese Form ist, und ob die Mannund Frau-Stunden in den Ministerien nicht besser zukunftsorientiert zur realen Umsetzung der UN-Behindertenkonvention eingesetzt worden wären. Wie dem auch sei, ich werde auf ein paar Punkte aus der Landespolitik eingehen. Vieles werden wir an anderer Stelle diskutieren und aufarbeiten müssen, wie die angesprochene Reform der Eingliederungshilfe; denn sie ist wirklich dringend notwendig.
Die UN-Behindertenrechtskonvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag und gleichrangig mit einem Bundesgesetz. Sie ist geltendes Recht und bedarf der Umsetzung. Bayern muss handeln. Die UN-Behindertenrechtskonvention betrifft alle gesellschaftlichen Ebenen. Sie stellt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe dar. In Bayern leben rund 1,2 Millionen Menschen mit Behinderung, das sind rund 10 % der Bevölkerung. Hinzu kommen die Familien, die Angehörigen und die Freunde. Betroffen sind also nicht wenige Menschen. Die UN-Behindertenrechtskonvention fordert von der Politik einen Paradigmenwechsel, nämlich die Inklusion, also die gesamtgesellschaftliche Teilhabe. Sie ist das Ziel am Ende eines langen Weges, kommend von der Exklusion über die Integration zur Inklusion. Nur eine inklusive Gesellschaft kann eine menschliche Gesellschaft sein.
Wie wird der Freistaat Bayern mit dieser Herausforderung umgehen, und wie wird die Bayerische Staatsregierung ihr gerecht? - Herr Unterländer, Inklusion bedeutet mehr als Beteiligungskultur. Inklusion bedeutet gleichberechtigte Teilhabe, nicht nur Beteiligung.
Die Beantwortung der Interpellation zeigt deutlich, dass wir erst am Anfang stehen. Noch einmal, Herr Unterländer: "Step by step" kann nicht Trippelschritte