Protokoll der Sitzung vom 12.10.2011

(Beifall bei der SPD)

Frau Staatsministerin, Sie haben gesagt, die innere Sicherheit sei das Alleinstellungsmerkmal Bayerns. Mit Verlaub, woher nehmen Sie diese Arroganz? Herrschen denn in Thüringen, in Sachsen oder in Nordrhein-Westfalen Chaos und Bürgerkrieg? Innere

Sicherheit als Alleinstellungsmerkmal Bayerns - diese Arroganz muss man sich erst einmal zutrauen. Ich weiß nicht, ob ein anderer sich das zutrauen würde.

(Beifall bei der SPD)

Nun zum Grundmisstrauen. Das ist eine alte Unterstellung seit vielen Jahren. Frau Staatsministerin, so haben Ihre vielen Vorgänger auch immer argumentiert. Immer wenn Kritik geübt worden ist, kommt von Ihnen der Vorwurf, es bestünde ein Grundmisstrauen gegen unsere Sicherheitsbehörden. Legen Sie doch einmal eine andere Platte auf. Wir wollen in unsere Sicherheitsbehörden Vertrauen haben und Vertrauen haben können. Genau deswegen muss diese Diskussion geführt werden.

(Beifall bei der SPD)

Eine allerletzte Bemerkung. Es kann sein, dass § 100 a StPO, der auch mit der SPD beschlossen wurde, das habe ich nie bestritten, als Rechtsgrundlage für die Quellen-TKÜ nicht taugt und dass eine Änderung erforderlich ist, wenn man die Quellen-TKÜ im bisherigen Umfang haben will. Für entsprechende Beratungen stehen wir selbstverständlich zur Verfügung. Das haben unsere Leute auf Bundesebene bereits angekündigt. Rüsten Sie also etwas ab und seien Sie dankbar für die Diskussion, die Ihnen die Gelegenheit gegeben hat, zu überprüfen, ob das, was mit dieser Software getan wird, auch in Ordnung ist. Wenn sich das herausstellt, ist alles in Ordnung. Dann ist die Diskussion auch vorbei. Wenn nicht, hat diese Diskussion nichts geschadet, sondern im Gegenteil die Sinne für das Problem geschärft.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Frau Kollegin Bause, Sie erhalten das Wort.

Der Herr Innenminister und die Justizministerin haben hier in altbekannter Manier Nebelkerzen geworfen.

(Alexander König (CSU): Aufgeklärt haben sie! Das hat Herr Kollege Schindler bestätigt!)

Sie haben vom Kern der Debatte abgelenkt. Der Kern der Debatte ist nämlich nicht die Kriminalitätsbekämpfung. Der Kern der Debatte heute ist die Frage: Handelt der Staat auf einer rechtsstaatlichen Grundlage, und können wir uns darauf verlassen, dass er auf dieser rechtsstaatlichen Grundlage handelt? Genau darum geht es.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das gilt auch und gerade dann, wenn es um die Kriminalitätsbekämpfung geht. Frau Justizministerin, ehrlich gesagt ist mir bei dem, was Sie sich hier geleistet haben, die Spucke weggeblieben. Sie haben gesagt: Der Zweck heiligt die Mittel. Wenn wir Kriminalität bekämpfen müssen, dann ist alles egal. In diesem Fall haben Sie Ihr Amt als Justizministerin verfehlt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD - Alexan- der König (CSU): Das ist doch gar nicht wahr!)

Das ist unglaublich. Sie haben gesagt: Es geht um Kriminalitätsbekämpfung - da sind mir die gesetzlichen Grundlagen egal. Sie sind verantwortlich für die Einhaltung der rechtlichen Grundlagen. Sie dürfen nicht sagen: Es ist alles möglich, Hauptsache wir können die Kriminalität bekämpfen.

(Alexander König (CSU): Das stimmt überhaupt nicht!)

- Genauso hat sie es gesagt.

Gerade wenn es sich um Eingriffe in den sensiblen Bereich der Grundrechte handelt, muss ganz genau hingeschaut werden. Hier muss jedem Verdacht nachgegangen werden. Ein Misstrauen ist doch richtig, wenn der Verdacht aufkommt, dass falsch gehandelt worden sein könnte. So etwas darf man nicht wegbügeln, indem man sich über den Chaos Computer Club lustig macht. Vielmehr muss man dankbar sein, dass der Chaos Computer Club dieses Thema aufgebracht hat. Man muss jedem Verdacht nachgehen und staatliches Handeln in diesem Bereich muss über jeden Verdacht erhaben sein.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD - Alexan- der König (CSU): Niemand macht sich lustig!)

Herr Innenminister, Sie haben gesagt, Sie verstünden die Aufregung nicht, da alles auf einer rechtlichen Grundlage beruhe. Ihr und unser Datenschutzbeauftragter hat zusammen mit der Konferenz der Datenschutzbeauftragten deutlich gemacht, dass diese rechtliche Grundlage eben nicht vorhanden sei. Diese rechtliche Grundlage müsste überhaupt erst geschaffen werden. Wie können Sie dann hier sagen, wir hätten diese rechtliche Grundlage schon? Sie können höchstens sagen, Sie seien der Meinung, dass diese rechtliche Grundlage bestehe. Es gibt aber begründete Zweifel daran. Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten hat diese noch einmal zu Papier gebracht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn denn alles so unproblematisch ist, frage ich mich schon, warum Sie heute diesen Rückzieher ma

chen. Es ist doch ein ziemlich ungewöhnlicher Vorgang, dass Sie einen solchen Antrag stellen und sagen: Die Maßnahme ist völlig unproblematisch. Sie steht auf der Grundlage des Rechts. Alle Vorgaben wurden eingehalten. Wenn dem so wäre, warum setzen Sie diese Software dann nicht mehr ein und fordern die Überprüfung? Das möchte ich schon wissen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD - Zurufe von der CSU - Alexander König (CSU): Was er auch macht, es ist falsch!)

Herr Innenminister, Sie haben gesagt, der Ermittlungsrichter hat es angeordnet. Das wurde vorhin schon einmal geäußert. Ich möchte wissen: Wusste der Ermittlungsrichter im Detail, was diese Software kann?

(Zurufe von der CSU - Ernst Weidenbusch (CSU): Fragen Sie doch!)

- Ja, das wird im Rahmen der Aufklärung zu beantworten sein. - Hätte er auf dieser Grundlage diesen Eingriff bewilligt? Sie haben gesagt, Sie können ausschließen, dass das Programm, das jeweils individuell zusammengestellt wird, illegale Spähfunktionalitäten hat, Sachen ausspähen kann, Dinge kann, die illegal sind, die nicht eingesetzt werden dürfen. Sie haben gesagt, Sie können das ausschließen.

Herr Innenminister, sollte sich bei der Überprüfung dieser Software herausstellen, dass das nicht der Fall ist, dann haben Sie das Parlament belogen. Dann müssen Sie die Konsequenzen ziehen.

(Widerspruch bei der CSU - Beifall bei den GRÜ- NEN - Alexander König (CSU): Der Beitrag hat uns nicht weiter gebracht!)

Danke schön. Wir haben noch eine Wortmeldung vom Kollegen Pohl. Ich darf die Kolleginnen und Kollegen noch einmal darauf hinweisen, weil die Reihen hier schon wieder lichter werden: Wir haben noch vier namentliche Abstimmungen vor uns. - Bitte, Herr Pohl, Sie haben das Wort.

(Unruhe)

Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Staatsministerin Merk, innere Sicherheit heißt Grundrechtsschutz auf allen Seiten. Innere Sicherheit heißt Verbrechensbekämpfung, heißt aber auch, Einsatz rechtsstaatlicher Mittel und bedeutet nicht, dass man fragwürdige Maßnahmen ergreifen darf. Hier geht es um den Verdacht rechtswidrigen Handelns. Deswe

gen ist Ihr Beispiel zur inneren Sicherheit hier fehl am Platz.

Herr Staatsminister Herrmann, Sie haben keinen Zweifel an der Rechtsmäßigkeit der eingesetzten Software. Sie haben ihren Gebrauch wegen einer zu erwartenden aufgeregten Debatte im Bayerischen Landtag und in der Öffentlichkeit ausgesetzt.

(Zurufe der Abgeordneten Margarete Bause (GRÜNE))

Ich kann nur sagen: Wenn Sie von der Rechtsmäßigkeit dieser Software überzeugt sind, dann dürfen Sie deren Gebrauch überhaupt nicht aussetzen. Sie können hier doch keine Showveranstaltung präsentieren. Sie fragen: Soll der Rechtsstaat kapitulieren? Wenn Sie so sicher sind, dass Ihre Software in Ordnung ist, dann kapitulieren Sie vor einer aus Ihrer Sicht Scheindebatte im Bayerischen Landtag.

(Alexander König (CSU): Weil sie ohnehin nicht mehr funktioniert!)

Herr Staatsminister, Sie wissen ganz genau, dass hier Zweifel bestehen und dass diese Zweifel ausgeräumt werden müssen. Sie haben gesagt, Sie haben den Datenschutzbeauftragten eingeschaltet, weil Sie eine hitzige Debatte im Bayerischen Landtag befürchtet haben. Was Sie uns hier vorgetragen haben, steht unter dem Motto "Beruhigung statt Aufklärung". Das ist mit uns nicht zu machen. Wir wollen Aufklärung, keine Beruhigung.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Es hat sich noch einmal der Herr Staatsminister des Innern zu Wort gemeldet. Bitte sehr, Herr Staatsminister.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die beiden letzten Wortmeldungen sind ein Beispiel dafür, dass es offensichtlich schwierig ist, zuzuhören oder das Gesagte auch nur annähernd aufzunehmen.

(Beifall bei der CSU - Zuruf des Abgeordneten Franz Schindler (SPD))

- Ich habe von den beiden letzten gesprochen, Herr Kollege Schindler. Das ist eine feine Differenzierung.

(Volkmar Halbleib (SPD): Ist zu Protokoll genommen! - Markus Rinderspacher (SPD): Kein vergiftetes Lob!)

Was ich gesagt habe, wie es um die Software bestellt ist, können Sie im Protokoll nachlesen. Ich habe Ihnen die Stellungnahmen des LfV und des LKA aus

führlich vorgetragen und berichtet, dass diese mit dem übereinstimmen, was mir heute alle anderen Union-Innenminister zugesagt haben.

(Zuruf der Abgeordneten Margarete Bause (GRÜNE))

Es ist wohl hinreichend klar. Ich bin wie bei vielen anderen Dingen natürlich auf das angewiesen, was mir berichtet wird.

(Margarete Bause (GRÜNE): Aha! Interessant!)

- Entschuldigung, ich bin kein Computertechniker. Das ist ja wohl bei anderen Dingen auch so. Ich kann Ihnen im Moment nur berichten, was das Staatliche Bauamt zu den Rissen in der Rotunde der Pinakothek der Moderne feststellt. Ich bin kein Bauingenieur. Ich kann Ihnen nicht erklären, wie der Riss entstanden ist. Ich muss mich auf das verlassen, was meine Bauingenieure sagen, warum jetzt plötzlich ein Riss in der Rotunde entsteht. Stellen Sie sich doch nicht so hin - Das ist doch genau Ihr Problem: Sie tun so, als ob Sie selbst das alles beurteilen könnten. Keine Ahnung haben Sie davon.