Protokoll der Sitzung vom 25.10.2011

Wir haben - das habe ich mir als Schmankerl aufgeschrieben - in der Verbindung von Ökonomie und Ökologie dieses Green Hospital in Lichtenfels gebaut - oder sind dabei, es zu bauen. Es ist für mich eine Erfolgsgeschichte, Ökonomie und Ökologie im Krankenhaus zu vereinen, um eine gescheite Umweltpolitik zu machen. Auch das ist ein Weg, den der Umweltund Gesundheitsminister geht.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CSU)

Solche Dinge kann man doch nicht einfach ad acta legen.

Es gibt noch viele konkrete Projekte, die wir in Bayern gemacht haben. Wir haben das in der letzten Woche besprochen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal fragen: Wie soll es weitergehen? Wie stellen wir bzw. wir uns in der Koalition das vor?

Es gibt drei Dinge: Erstens muss die Freiberuflichkeit gewahrt bleiben. Wir müssen dem Wettbewerb besondere Beachtung schenken, und wir müssen die Versorgungsebenen neu ordnen. Wir müssen die Qualität anpassen. Wir müssen die Weiterentwicklung der Vergütungssystematik verbessern und wir müssen die Online-Initiativen - davon ist auch die elektronische Gesundheitskarte umfasst - datenschutzrechtlich weiter verbessern.

Zur Freiberuflichkeit: Erhalt und Schutz des freien Berufes müssen weiterhin der Leitgedanke in der Gesetzgebung bleiben. Die medizinischen Entscheidungen müssen Vorrang vor den ökonomischen Interessen von Kapitalgebern haben.

(Beifall bei der FDP)

Ich wiederhole: Die medizinischen Entscheidungen müssen Vorrang haben vor den ökonomischen Interessen von Kapitalgebern. Gesundheit ist keine Ware. Gesundheit ist das höchste Gut, das ein Mensch haben kann.

Wir wollen keine Übernahme ganzer Versorgungsbereiche durch gewinnorientierte Kapitalunternehmen. Das sage ich klar und deutlich noch einmal, keine Übernahme von Versorgungsbereichen durch nur gewinnorientierte Kapitalunternehmen. Das wollen wir nicht. Ärztliche und nichtärztliche Gesundheitsberufe müssen eng zusammenarbeiten. Das ist etwas, Frau Dittmar, wo ich Ihnen und auch Frau Schopper zustimme. Wir müssen neue Strukturen, sprich Netzwer

ke bilden. Es müssen Netzwerke auch mit nichtärztlichen Berufen geschaffen werden. Deshalb ist die Delegation so wichtig. Wir müssen als Ärzte Aufgaben abgeben, um die Versorgung sicherzustellen, aber nur dann, wenn auch die Qualität gesichert ist und dem Patienten kein Schaden zugefügt wird. Darüber geht die Diskussion: Delegation ärztlicher Leistungen, Bildung von Netzwerken. Einbeziehung vieler Berufsgruppen, sprich Logopäden, physikalische Therapeuten, Apotheker, Fachärzte usw., und das in Augenhöhe. Dann können wir zu Netzstrukturen kommen, die die Versorgung langfristig verbessern und zum Beispiel auch für Frauen die Verbindung von Familie und Beruf erleichtern.

Insgesamt muss der Wettbewerb oberstes Ziel sein, nämlich der Wettbewerb um höchste Qualität, nicht um das meiste Geld. Es geht bei dem Wettbewerb um die höchste Qualität, nicht um die geringsten Kosten. Die Entscheidung der Versicherten für ein bestimmtes Versorgungsangebot setzt umfassende Information voraus. Auch das müssen wir noch deutlich verbessern. Wir müssen die Patienten besser informieren. Gleiches gilt auch für die teilnehmenden Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten. Versorgungssicherheit - die Opposition kann da zuhören - und Versorgungsgerechtigkeit müssen erhalten bleiben.

Versorgungsverbesserungen müssen allen zugute kommen. Das heißt, die medizinische Versorgung darf nicht vom Geldbeutel, vom Einkommen, vom Alter oder vom Geschlecht abhängig sein. Das wäre in meinen Augen unsozial, nicht gerecht, und so sehen wir auch die soziale Marktwirtschaft nicht. Wir stärken über die soziale Marktwirtschaft die Schwachen und nehmen sie mit. Das sind Menschen, die über das umlagefinanzierte System langfristig ihrer Versicherung erhalten bleiben. Das ist ein ganz anderer Bereich, den wir akzeptieren, weil wir letztlich eine Partei der Bürgerrechte sind.

(Beifall bei der FDP)

Ich habe Ihnen einige Wege aufgezeigt, wie es weitergehen soll hin zu einem freiheitlichen Gesundheitssystem, hin zu einem Gesundheitssystem, in dem sich der Staat zurücknimmt, in dem die Rahmenbedingungen breit sind hin zu einem eigenverantwortlichen System in der Weise, dass wir selbst bestimmen, wenn wir in der Lage dazu sind, aber auch diejenigen mitnehmen, die dazu nicht in der Lage sind. Das ist für mich Solidarität, Gerechtigkeit und Chancengerechtigkeit für alle diejenigen, die geistig oder körperlich nicht in der Lage sind, an unserem System selbstbewusst teilzunehmen. Ich hoffe, das ist der richtige Weg. Dafür werde ich persönlich und dafür wird meine Fraktion kämpfen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege, bleiben Sie bitte noch am Redepult. Wir haben eine Zwischenbemerkung von Frau Kollegin Dittmar.

Herr Kollege Bertermann, zwei Aussagen haben mich zu einer Zwischenintervention bewogen. Erst noch etwas ganz Generelles zum Honorar. Ich gebe Ihnen recht, wenn Sie sagen, wir brauchen mehr Geld in Bayern, weil wir eine andere Qualität bezahlen müssen. Das sagt das KVB-Qualitätsprogramm mit "Pay for performance". Ich gebe Ihnen auch recht, wenn Sie sagen, wir brauchen mehr Geld in Bayern, weil wir besondere Versorgungsstrukturen mit Belegarztwesen und ambulantem Operieren haben. Ich gebe Ihnen aber nicht recht und widerspreche Ihnen heftig, wenn Sie sagen, wir brauchen mehr Geld, weil wir höhere Löhne haben, weil wir höhere Personalkosten und höhere Mieten haben. Ich sage: Es ist nicht angebracht, dass die Solidargemeinschaft das bezahlt. Das haben Sie weder in der GOÄ, das haben Sie nicht bei den Berufsgenossenschaften, auch in den Apotheken werden in Hamburg die gleichen Abgabepreise verlangt wie in München. Eine Blinddarmoperation in München muss nicht teurer sein als in einem anderen Bundesland. Und bei den regionalen Investitions- und Betriebskosten - das ist schon des Öfteren nachgewiesen worden - gibt es keinen Unterschied zwischen den Bundesländern, sondern nur in den Bundesländern. Das heißt, bei mir in der Rhön ist es anders als in München. Da kostet die Leberkässemmel halt auch nur halb so viel. Aber deswegen gibt es auch kein anderes Honorar.

Nun zu Ihrer anderen Bemerkung zur Freiberuflichkeit. Sie erwecken hier immer den Eindruck - das zieht sich auch durch die Interpellation und durch das Versorgungsstrukturgesetz -, dass Freiberuflichkeit mit einer Tätigkeit in selbstständiger Praxis zu tun habe. Freiberuflichkeit heißt lediglich, nicht weisungsgebunden gegenüber Nichtmedizinern zu sein. Das ist völlig unabhängig vom Berufsstand und davon, ob sie abhängig beschäftigt sind oder selbstständig arbeiten. Das hat auch Dr. Hoppe klargestellt. Was hier passiert, ist wirklich ein Affront gegenüber angestellten Ärzten. Auch die Klinikärzte geben an der Türklinke ihre Ethik, ihre berufliche Moral, ihre Verantwortung für die Patienten nicht ab.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dittmar. Herr Dr. Bertermann, wenn Sie darauf antworten möchten.

Liebe Frau Dittmar, Ihr letzter Satz ist hundertprozentig deckungsgleich mit

meiner Aussage. Die Freiberuflichkeit hört nicht da auf, wo man als Arbeitnehmer in der Klinik arbeitet, sondern es geht um die Therapiefreiheit und um die Unabhängigkeit. Da stimme ich mit Ihnen hundertprozentig überein. Freiberuflichkeit heißt nicht nur selbstständig zu sein, sondern bedeutet Therapiefreiheit und selber Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Das ist eine ganz klare Sache. Da gibt es keinen Widerspruch. Auch der Arbeitnehmer und angestellte Arzt ist freiberuflich tätig.

Zu Ihrer ersten Frage hinsichtlich der Bezahlung und dazu, dass Menschen Leistungen nicht erhalten, weil sie finanziell schlechtergestellt sind. Ich weiß nicht, ob ich Sie richtig verstanden habe. Ich habe Sie so verstanden, dass bestimmte Personengruppen von medizinischen Leistungen ausgeschlossen sind, weil sie nicht versichert sind.

(Sabine Dittmar (SPD): Gleiches Geld für gleiche Leistung!)

Gleiches Geld für gleiche Leistungen, das ist gar kein Thema. Das ist eine klare Sache. Gleiches Geld für gleiche Leistung, ja sicher. Die Nachfrage bestimmt den Preis. Sie müssen eine Grundleistung haben, wo die Qualität stimmt. Wenn die Blinddarmoperation 150 Euro kostet und die Qualität stimmt, dann kostet sie in München 150 Euro. Wenn einer in Hamburg sagt, ich zahle 200 Euro für die Blinddarmoperation und die Qualität stimmt, dann lassen Sie den doch 200 Euro zahlen.

(Sabine Dittmar (SPD): Wir sind eine Solidargemeinschaft!)

Wenn einer 200 Euro bezahlen will, dann soll er die Mehrkosten doch auf sich nehmen. Aber die 150 Euro bleiben gleich, ganz einfach. Die Qualität muss stimmen, und der Preis richtet sich nach der Qualität.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Bertermann. Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Sonnenholzner. Bitte schön, Frau Kollegin.

Herr Präsident, Kollegen und Kolleginnen! Ich möchte nur einige wenige Dinge ergänzen zu dem, was Frau Dittmar für die SPD-Fraktion gesagt hat.

Aber Herr Kollege Bertermann, Ihr Wortbeitrag hat doch den einen oder anderen Unwillen provoziert. Sie haben von einem Propädeutikseminar gesprochen, das Sie hier halten wollen. Was die Angriffe auf die SPD oder auf Rot-Grün angeht, war es mehr Klassen

kampf als Propädeutik. Den FREIEN WÄHLERN jetzt vorzuwerfen, dass sie Dinge nicht berücksichtigt haben, die zum 01.01.2011 in Kraft getreten sind wenn Sie freundlicherweise schauen wollen, welches Datum diese Interpellation trägt, so ist es Mai 2010. Das ist den FREIEN WÄHLERN bei dieser Interpellation wahrlich nicht anzulasten.

Außerdem haben Sie vollmundig von Solidarität geredet. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, wo Sie hier als Tiger gestartet sind und vollmundig erklärt haben, dass Sie den Gesundheitsfonds abschaffen wollen. Von all dem ist überhaupt nichts mehr zu hören. Sie sind bestenfalls als Bettvorleger gelandet. Zu meinem allergrößten Erstaunen, Herr Kollege Bertermann, haben Sie jetzt gerade die gute Arbeit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns gelobt. Ich kann mich an viele Diskussionen erinnern, wo ich gemeinsam mit Herrn Dr. Munte die Kassenärztliche Vereinigung verteidigt habe und Sie im weiten Rund derjenige waren, der als Erster gesagt hat, die KVen müssen weg.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Otto Bertermann (FDP))

Irgendwann muss man sich schon entscheiden, was man wirklich meint. Denn so schnell können wir uns nicht drehen, wie Sie Ihre Meinung ändern.

(Beifall bei der SPD)

Dass die Beantwortung dieser Interpellation lange, sogar viel zu lange gedauert hat, ist richtig. Nichtsdestotrotz möchte ich mich an der Stelle dem Dank von Herrn Dr. Zimmermann an das Ministerium anschließen, weil in dieser Interpellation annähernd keine Frage enthalten ist, die sich um spezifisch bayerische Belange dreht. Von daher war die Beantwortung sicherlich schwieriger, als wenn es um bayerische Gesundheitspolitik gegangen wäre.

Ich kann Ihnen, Kollegen und Kolleginnen von den FREIEN WÄHLERN, den Vorwurf nicht ersparen, dass Sie mit dieser Interpellation mit dem Titel "Medizinische Versorgung in Bayern", in der Sie eigentlich nur die ärztliche Versorgung und ein bisschen die Krankenhausversorgung abgefragt haben, eine Riesenchance vertan haben, tatsächlich umfänglich Fragen zur medizinischen Versorgung in Bayern zu stellen. So sind die Psychotherapeuten mit keinem einzigen Wort erwähnt. Mit keinem einzigen Wort erwähnen Sie die pflegerische Versorgung. Auch die Frage des Pflegenotstands und alles das, was wir hier in Bayern nicht nur tun können, sondern auch tun müssen, bzw. das, was diejenigen tun müssen, die derzeit hier noch regieren, gehört mit dazu, wenn man eine gute medizinische Versorgung in diesem Land in

der Fläche aufrechterhalten oder an der einen oder anderen Stelle verbessern möchte.

Herr Kollege Bertermann hat schon die Physiotherapeuten erwähnt. Da gebe ich Ihnen explizit recht. Weiterhin haben Sie nicht die Frage der Übertragung ärztlicher Aufgaben erwähnt. Auch das wäre an dieser Stelle ein Thema gewesen, gerade weil es im Moment die Emotionen der ärztlichen Kolleginnen und Kollegen hochkochen lässt.

Sie machen sich große sozialdemokratische Gedanken, würde ich fast sagen, um die Solidarität im Gesundheitswesen. Das ist gut so.

Ihre Analysen sind sehr richtig. Die Schlussfolgerungen in Form Ihrer "Sozialen Gesundheitsversicherung" - das kann ich Ihnen auch heute nicht ersparen, Herr Kollege Dr. Vetter - sind falsch, weil Sie mit diesem Konzept die Solidarität aufgeben. Die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung ist keine Frage, die wir in diesem Parlament je werden lösen können. Deswegen würde ich vorschlagen: Vertrauen Sie an dieser Stelle der SPD und den GRÜNEN.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden das in Berlin ab 2013 schon im Sinne der solidarischen Bürgerversicherung regeln.

(Zuruf der Abgeordneten Julika Sandt (FDP))

- Liebe Frau Kollegin Sandt, das liegt daran, dass Sie erst so kurz und nicht mehr lange in diesem Hause Mitglied sind.

(Beifall bei der SPD - Tobias Thalhammer (FDP): Arroganz, die zum Himmel schreit!)

Ich habe gemeinsam mit dem Kollegen Wahnschaffe und der gesamten SPD-Fraktion von diesem Pult aus Frau Stewens und Herrn Dr. Stoiber vor dem Gesundheitsfonds gewarnt.

(Zuruf der Abgeordneten Julika Sandt (FDP))

- Aber Sie regieren doch jetzt. Sie regieren im Moment auch in Berlin. Sie könnten ihn doch abschaffen, anstatt immer nur davon zu reden.