Nun zum Reförmchen der Pflegefinanzierung; anders können wir das gar nicht nennen: Ihre Kollegin Daniela Ludwig aus dem Bundestag hat das ganz wunderbar ausgedrückt. Sie hat gesagt: Es hätte ein großer Wurf werden sollen, aber wir heben nicht einmal den Arm. So armselig war das, was Sie hier gemacht haben. Wie wir alle wissen, besteht in der Finanzierung der Pflegeversicherung ein riesiger Reformbedarf, aber Sie bringen nichts anderes zuwege als eine kalte Beitragserhöhung. Das ist der falsche Weg.
Wir haben die Pkw-Maut in unseren Antrag hineingepackt, weil der Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende gesagt hat, das sei ihm noch nicht gleich gelungen, aber in fünf Jahren minus x hätten wir da einen Erfolg. Er hat auch gleich den Bundesverkehrsminister beauftragt, vordringlich die Pkw-Maut durchzusetzen. Wir halten eine solche Maut für den falschen Weg. Eine Vignetten-Lösung ist im Grunde genommen nichts anderes als ein Anreiz, möglichst viel zu fahren. Wird dagegen versucht, kilometergenau abzurechnen, führt das zu einem riesigen Verwaltungsaufwand und zu Problemen mit dem Ausweichverkehr. Das ist also sicher falsch. Wir wollen dagegen für eine höhere Spritsteuer sorgen. Grundsätzlich ist an dieser Stelle festzuhalten: Die Politik müsste endlich einmal versuchen, dem ständig zunehmenden motorisierten Individualverkehr und dem ständig zunehmenden Güterverkehr auf der Straße - das ist doch alles andere als naturgegeben - gegenzusteuern, beispielsweise durch bessere Angebote im öffentlichen Verkehr und durch eine höhere Kostenbelastung im Individualverkehr.
Nun zur Causa Betreuungsgeld: Ich will das Betreuungsgeld gar nicht als Herdprämie abtun; es geht um etwas ganz anderes. Das Geld ist knapp, und alle entsprechenden Gelder gehören in den Ausbau von Kindertagesstätten und Krippen gesteckt.
Es ist doch kein Geheimnis, dass dann, wenn es eine Wahl zwischen dem Betreuungsgeld und einem vielleicht nicht ganz so guten Angebot an Kitas und Krippen gibt, Kinder aus sozial schwächeren und bildungsferneren Haushalten nicht Krippen und Kindertagesstätten besuchen, wo sie eine frühe Förderung und Bildung genießen könnten.
Wenn Sie sich für Betreuungsgeld entscheiden und deshalb weniger Geld für Kinderkrippen und frühere Bildung haben, dann ist das alles andere als kindgerecht, alles andere als familiengerecht, und es ist vor allem zum Schaden für die Gesellschaft.
Was Ihre Leute in Berlin beschlossen haben, ist unendlicher Murks, und es gilt, dem schleunigst ein Ende zu bereiten.
Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, gebe ich bekannt, dass die CSU namentliche Abstimmung über den nachgezogenen Antrag von FDP und CSU auf Drucksache 16/10192 beantragt hat. - Nächster Redner ist Kollege Pointner für die FREIEN WÄHLER, bitte schön.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der Situation in Europa und der hohen Verschuldung der Länder ist es geradezu abenteuerlich, was die Koalitionäre in Berlin beschlossen haben. Sie haben nämlich eine Steuerentlastung auf Pump beschlossen. Wir meinen, dass die Haushaltskonsolidierung Vorrang haben muss. Sie muss in allen Ländern, auch wenn wir hier nicht gerade in Griechenland sind, das Wichtigste sein.
Wir liegen nach wie vor bei der Gesamtverschuldung im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt erheblich über den Maastricht-Kriterien. Die Gesamtverschuldung von Bund, Ländern und Gemeinden wird die Zwei-Billionen-Grenze überschreiten.
Wir sind grundsätzlich für Steuerentlastungen, wenn Spielräume vorhanden sind. Spielräume bestehen dann und so lange nicht, als die Steuerentlastungen mit Krediten finanziert werden müssen. Die von der Koalition beschlossenen Steuerentlastungen werden auf Pump finanziert. Sie werden deswegen auf Pump finanziert, weil sowohl der Bund als auch die meisten Länder - ich sage, die meisten, weil Bayern nicht darunter fällt - und viele Kommunen sich weiterhin neu verschulden müssen. 2012 wird folgende Situation eintreten: Der Bund hat in seinem Haushalt 27 Milliarden Euro Neuverschuldung, also zusätzliche Verschuldung zu den vorhandenen Schulden, beschlossen. Das kann aufgrund der sprudelnden Steuereinnahmen etwas weniger sein, aber es wird eine erhebliche Neuverschuldung geben.
Die Länder haben in ihren Haushaltsansätzen für 2012 24 Milliarden Euro Neuverschuldung. Auch das wird weniger werden, das kann sich sogar halbieren. Trotzdem wird eine Neuverschuldung stattfinden. Die Kommunen in Deutschland, aber auch in Bayern, sind zum Teil hoch verschuldet, was sich verstärken wird.
Die Steuerpläne werden sich auch auf die Kommunen und die Länder auswirken. Es handelt sich zwar um einen relativ bescheidenen Betrag, aber bei den Kommunen - so habe ich ausgerechnet - werden es 2014 100 Millionen Euro sein und beim Freistaat Bayern um die 300 Millionen Euro. Aber auch dieses Geld wird fehlen.
Auch wenn die Planung offensichtlich dem kommenden Wahljahr 2013 geschuldet ist, muss sie dennoch differenziert betrachtet werden. Die Pläne können nicht pauschal vom Tisch gewischt werden. Die Erhöhung des Grundfreibetrags ist dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1992 geschuldet. Das Gericht hat damals festgestellt, dass dem Steuerzahler ein Existenzminimum bleiben muss. Der Freibetrag von jetzt 8.004 Euro im Jahr müsste entsprechend erhöht werden. Der Grundfreibetrag soll in zwei Stufen erhöht werden: 2013 um 100 Euro und 2014 noch einmal um 250 Euro. Ob die 4 Milliarden Euro, die in Berlin ausgehandelt worden sind, genau dem entsprechen, was wegen der Erhöhung des Existenzminimums nötig ist, muss die Bundesregierung noch belegen. Ich bezweifle es, ich kann aber das Gegenteil jetzt nicht beweisen, weil dazu umfangreiche Untersuchungen nötig sind. Die Verschiebung der Eckbeträge zur Abmilderung der kalten Progression würden wir für wünschenswert und begrüßenswert halten, aber es fehlen die Spielräume. Auch dann, wenn der Bund die 2 Milliarden Euro, die die Verschiebung ausmachen soll, übernehmen würde, bliebe doch die Finanzierung dieser Maßnahme auf Kredit. Das lehnen wir ab. Der Bund könnte sich ebenso an der Entlastung des Existenzminimums beteiligen. Dann würden die Länder und Gemeinden nicht oder weniger belastet werden, und damit wäre die Maßnahme erträglicher.
Meine Damen und Herren, den Anträgen der SPD und der GRÜNEN können wir nicht zustimmen, weil sie zu pauschal sind und nicht im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts differenzieren. Den Antrag der CSU lehnen wir ab, weil er die Maßnahmen ohne Wenn und Aber befürwortet.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ergebnisse der schwarz-gelben Regierungskoalition in Berlin sind von der Presse, der Öffentlichkeit und der Bevölkerung als das aufgenommen worden, was sie wirklich sind, nämlich eine gegenseitige Stützungsaktion angeschlagener Boxer, die sich ineinander verkeilen. Die Koalitionäre vereinbaren wechselseitig den kleinsten gemeinsamen Nenner, statt gemeinwohlorientierte Politik zu machen. Vor allem wird eines erkannt: Hier wird nicht Sachpolitik, sondern hier wird Public-Relations-Politik mit Blick auf das Wahljahr 2013 gemacht. Von dieser Art von Politik haben die Bürgerinnen und Bürger genug. Sie haben genug davon, dass Dinge versprochen und in Aussicht gestellt werden und die Taten der Politik dazu im Gegensatz stehen.
Erstens. Sie sagten, Sie wollten die kleinen und mittleren Einkommen entlasten. Die Bilanz ihrer Regierungszeit sieht ganz anders aus. Das muss an einem solchen Tag betont werden.
Was haben Sie nach ihrem Regierungsantritt gemacht? - Sie haben nicht die kleinen und mittleren Einkommen entlastet, sondern Sie haben das gemacht, wofür Ihre Regierungskoalition steht, nämlich Steuergeschenke an Ihre Klientel verteilt, also nicht an die Kleinen, sondern die Großen wie Hoteliers bei der Mehrwertsteuer und die Erben von Vermögen privilegiert. Sie haben aber nichts für die unteren und kleinen Einkommen gemacht. Das ist Ihre Politik.
Zweitens. Wenn Sie etwas für die kleinen Einkommen machen wollten, sorgen Sie endlich dafür, dass wir in Deutschland einen flächendeckenden Mindestlohn bekommen; denn das ist das Nötigste für die unteren Einkommen.
Hören Sie mit den Überlegungen zur Pkw-Maut auf. Wenn sie fiskalisch etwas bringen soll, belastet sie vor allem die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die unteren Lohngruppen am meisten, statt sie zu entlasten. Wenn Sie wirklich etwas für die Familien und für die unteren und mittleren Einkommen tun wollen, verweigern Sie sich nicht länger den Maßnahmen, die den Familien finanziell tatsächlich zugute kommen, nämlich den Kindergartenbesuch kostenfrei zu stellen und die Studiengebühren abzuschaffen. Damit würden Sie den Familien mit den mittleren und unteren Einkommen helfen. Aber Sie verweigern sich, stattdessen machen Sie Placebo-Politik.
Sehr verwunderlich ist, was Sie steuer- und finanzpolitisch machen. Die CSU in Berlin hat offensichtlich ganz andere Grundsätze als die in Bayern. Je nach geografischen Koordinaten wird genau das Gegenteil gemacht. Hier in Bayern werden die großen Worte vom ausgeglichenen Haushalt gesprochen. Wenn der Ministerpräsident Bayern aber verlässt, nach Berlin fliegt und aus dem Flugzeug steigt, spielt der ausgeglichene Haushalt für den Bundeshaushalt überhaupt keine Rolle, sondern es wird so nebenbei eine deutliche Erhöhung der Nettoneuverschuldung auf Bundesebene verkündet. Dies ist Finanzpolitik mit zweierlei Maß. Das passt nicht zusammen.
Der dritte Punkt: Sie beklagen zu Recht sowohl in Bayern als auch in Berlin die massive Unterdeckung der Finanzierung der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur namentlich bei Straßen und Bahnen. Auch in Bayern liegt eine Vielzahl an Projekten auf Eis, die aber dringend vorangebracht werden müssten. Ihre Reaktion darauf ist, nicht zu fragen, wie die staatlichen Einnahmen gestärkt werden können, damit die dringenden Infrastrukturprojekte vorangebracht werden können. Vielmehr senken Sie die staatlichen Einnahmen, sodass die Herausforderungen der Zukunft nicht bewältigt werden können. Sie tarnen das sehr mühsam mit einem kleinen Trostpflaster für den Verkehrsminister. Dieser Tropfen auf dem heißen Stein wird mit der dauerhaften Fortsetzung der Unterfinanzierung teuer erkauft. Es ist eine falsche Politik, nicht nach vorne zu gehen, nicht die Infrastruktur voranzubringen, sondern das Gegenteil zu machen.
Die Art und Weise, wie Sie finanzpolitische Entscheidungen treffen, ist kein Beleg für das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit Ihrer Finanzpolitik. Der bayerische Ministerpräsident und der bayerische Finanzminister haben einen steuerpolitischen Schlingerkurs gefahren. Ministerpräsident Seehofer hat Finanzminister Fahrenschon ein steuerpolitisches Konzept erarbeiten lassen. Als dann die Koalitionspartner FDP Philipp Rösler - und CDU - Wolfgang Schäuble - das Konzept in Berlin akzeptiert haben, hatte die Lösung Seehofer/Fahrenschon gerade mal eine Stunde Bestand, bis aus München das Veto gegen den eigenen CSU-Vorschlag kam. Finanzminister Fahrenschon wurde gezwungen, sein eigenes bisheriges Konzept zu verleugnen und in die Tonne zu treten und ein neues Konzept zur Absenkung des Solidaritätszuschlags zu erarbeiten, von dem im Koalitionsausschuss keine Rede war. Die Rücknahme der Rücknahme des eigenen Vorschlags ist CSU-Politik, wie sie leibt und lebt.
Man kann gut verstehen, dass Finanzminister Fahrenschon bei dem Schlingerkurs, der ihm da aufgenötigt wurde, die Entscheidung, diese Art von Politik zu verlassen, eher leichter als schwerer fiel. Vielleicht war dann die Entscheidung des Ministerpräsidenten für Markus Söder als Nachfolger für das Amt des Finanzministers damit zu begründen, dass sich die Flexibilität des Kollegen Söder in finanzpolitischen Angelegenheiten mehr am Ministerpräsidenten orientiert als an vernünftigen steuerpolitischen Grundsätzen.
Die finanzpolitischen Auswirkungen sind nicht von der Hand zu weisen, auch nicht für den Freistaat Bayern. Es geht immerhin um etwa 300 Millionen Euro Mindereinnahmen pro Jahr. Man darf schon darauf hinweisen, dass wir auch in Bayern eine Fülle von finanzpolitischen Herausforderungen haben. Diese finanzpolitischen Baustellen haben wir heute schon bei der Vereidigung der Minister diskutiert. Es drohen weitere Belastungen, auch das sollten Sie zur Kenntnis nehmen, Herr Finanzminister. Bei der Landesbank stehen zum Beispiel noch 1,6 Milliarden Euro an Zahlungen des Freistaats an die Landesbank aus, nämlich aus der Garantie für die ABS-Papiere. All das muss man im Blick behalten.
Noch ein letzter Punkt: Sie halten Ihren Staatshaushalt zulasten der bayerischen Kommunen sauber. Die bayerischen Kommunen sind im Ländervergleich beim Schuldenanteil am meisten dabei.
In Bayern liegt der Anteil der Gesamtverschuldung von Staat und Kommunen bei 30 %. In Hessen liegt er bei nur 21 % und in Baden-Württemberg bei 12,1 %. Sie verschieben Schuldenlasten vom Freistaat Bayern auf die Kommunen. Das muss man an dieser Stelle sagen!
Versuchen Sie, Ihre finanzpolitischen Baustellen in Ordnung zu bringen, dann würden Sie endlich wieder Glaubwürdigkeit erringen. Tun Sie das, anstatt die Art von Politik, die Sie im Moment machen, fortzusetzen.
Herr Kollege, wir haben noch eine Zwischenbemerkung des Herrn Kollegen Professor Dr. Barfuß. Bitte schön.
Herr Kollege, ich verstehe nicht, weshalb Sie sagen, wir würden das auf Pump machen. Seit 1965 hat keine deutsche Regierung, keine schwarze,
- Das stimmt schon, schauen Sie nach. Es gab immer eine Nettoneuverschuldung. Jetzt sind die Leute, die das Bruttoinlandsprodukt erarbeiten -
- Ich habe alle Parteien erwähnt, wenn Sie zugehört haben, auch unsere. Worum es mir geht, ist Folgendes: Man kann keine Momentaufnahme machen und sagen: Wir haben jetzt mehr als zwei Billionen Schulden. Das habe ich schon vor zwei Jahren angeprangert. Vielmehr sollen die Menschen, die das erarbeitet haben, jetzt auch wieder etwas davon zurückbekommen. Gerade Sie als Sozialdemokraten sollten das doch befürworten. Das zielt auf die sogenannten kleinen Leute ab, die das bezahlen. Die haben heute eine Progression, wie sie früher Rechtsanwälte hatten. Ich finde, das ist ungerecht. Ich weiß nicht, ob Sie meine Meinung teilen, ich bitte Sie aber, sie wenigstens zur Kenntnis zu nehmen.
Herr Kollege Dr. Barfuß, ich könnte noch mehr Beispiele als die, die ich in meinen Beitrag genannt habe, nennen. Wenn Sie wirklich etwas für kleine Leute tun wollen, für Familien mit kleinem Einkommen, dann sorgen Sie für den Mindestlohn.
Sie sind doch der politische Blockierer des Mindestlohnes in Deutschland. Sie, die FDP, sorgen dafür, dass wir bei den Kindergartengebühren in der Koalition nicht weiterkommen. Das Gleiche gilt für die Studiengebühren. Das wären qualifizierte Entlastungen für die Familien in Deutschland, für die Familien in Bayern. Da könnten Sie Ihren Beitrag leisten, doch bisher verweigern Sie den.