Protokoll der Sitzung vom 13.12.2011

Unsere Pflicht ist es, die Verhältnisse in den Gemeinschaftsunterkünften so zu verändern, dass die Menschen dort zumindest menschenwürdig aufgenommen werden. Viel wichtiger ist, dass diese Menschen endlich in die Gesellschaft integriert werden können, weil sie dezentral wohnen dürfen und damit ganz anders wahrgenommen werden als in der Masse in diesen Unterkünften. Davon sind wir noch weit entfernt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Denken Sie bitte an das Ende Ihrer Redezeit.

Das zeigt der Beschluss im Sozialausschuss, mit dem Sie das Coburger Modell der dezentralen Wohnsitznahme abgelehnt haben. Da haben Sie wieder einmal gezeigt, wes Geistes Kind Sie sind.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und den FREIEN WÄHLERN)

Für die FDP bitte ich Frau Meyer nach vorne.

Sehr verehrter Herr Ministerpräsident, werte Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Schon mehrfach wurde angesprochen, dass der Weg zu diesem Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Aufnahmegesetzes sehr lang und steinig gewesen ist. Zugegeben: Der Weg ist auch mit Kompromissen gepflastert. Im Lexikon steht unter dem Begriff Kompromiss: Eine Einigung, die

durch den Verzicht auf Forderungen entsteht. Damit ist klar, dass ein solches Ergebnis in weiten Teilen immer unzulänglich bleibt. Wer jemals in einer Koalition gelebt hat, weiß, dass Kompromisse das Geschäft bestimmen und zum Geschäft gehören.

Ein sehr eindrucksvolles Beispiel dafür haben wir in der Geschichte Baden-Württembergs erlebt. So gesehen ist es für mich auch verständlich, dass der Gesetzentwurf zur Änderung des Aufnahmegesetzes in vielen Punkten auf Kritik stößt. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, dennoch freue ich mich, dass wir diesen Kompromiss überhaupt zustande gebracht haben. Schließlich sind damit für viele Menschen Erleichterungen verbunden, die zu uns gekommen sind, weil sie die Situation in ihrem Heimatland als so aussichtslos empfunden haben, dass sie den weiten und gefährlichen Weg der Flucht eingeschlagen haben.

Für uns Liberale ist es eine Frage der Menschlichkeit, diese Menschen offen zu empfangen und sie bei der Bewältigung ihrer Erlebnisse sowie beim Aufbau eines neuen Lebens zu unterstützen, auch dann, wenn sie nur als Geduldete bei uns sind. Auch wenn diese Menschen ohne einen anerkannten Schutzgrund bei uns leben, leben sie viele Jahre in solchen Unterkünften. Kinder werden in diesen Unterkünften geboren und wachsen bei uns auf. Der Staat trägt für diese Kinder und ihre Familien in der Zeit, in der sie bei uns leben, eine große Verantwortung.

Durch die Änderung des Aufnahmegesetzes können nun Familien und Alleinerziehende nach Abschluss des Erstverfahrens eine Privatwohnung beziehen, sofern ein rechtliches oder faktisches Ausweisungsoder Abschiebungshindernis besteht. Alle anderen Personen - und ich denke, das ist ein wichtiger Schritt - können nach Abschluss des Erstverfahrens nach vier Jahren ausziehen, auch wenn vier Jahre immer noch eine lange Zeit sind. Das ist ein Fortschritt in Sachen humanere Flüchtlingspolitik in Bayern, den sich zu Beginn dieser Legislaturperiode niemand hat vorstellen können.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Hans Jürgen Fahn (FREIE WÄHLER))

Wichtig ist, dass dieses Gesetz nicht nur eine leere Worthülse bleibt, sondern dass seine Durchführung in der Praxis tatsächlich gelingt. Dazu sind wir alle aufgefordert. Mein Appell an dieser Stelle richtet sich ausdrücklich an uns alle, verehrte Kolleginnen und Kollegen, auch an die Kirchen, die Wohlfahrtsverbände, die Flüchtlingsorganisationen, die Vertreter der Kommunen. Er richtet sich an alle, die sich immer wieder für eine humanere Asylpolitik eingesetzt haben. All denen möchte ich hier an dieser Stelle aus

drücklich Dank sagen für ihre Arbeit, ihren Einsatz, für ihr Engagement in den Gemeinschaftsunterkünften und in den Erstaufnahmeeinrichtungen. Lassen Sie uns jetzt gemeinsam alles dafür tun, dass all diejenigen, die nicht mehr in Gemeinschaftsunterkünften leben müssen, auch tatsächlich in Wohnungen unterkommen. Ich denke, das ist auch vor dem Hintergrund der überquellenden Gemeinschaftsunterkünfte wichtig, die wir nun einmal haben. Das ist auch wichtig im Hinblick auf die Enge in den Erstaufnahmeeinrichtungen.

Nachdem seit April mit einer Vorgriffsregelung zum Teil schon die Voraussetzungen zum Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft geschaffen wurden, wissen wir in der Zwischenzeit auch - das wurde von den Kolleginnen schon angeführt -, dass es Probleme bei der Umsetzung gibt. Wir wissen, wo es hakt. Ich habe deshalb bereits Gespräche mit den Verbänden und den Asylberatern gesucht, und ich stehe deshalb auch in engem Kontakt mit ihnen, ebenso mit den Regierungen und dem Sozialministerium. Ich denke, es ist eine wichtige Aufgabe, dafür zu sorgen, dass wir die Regelungen jetzt auch zielstrebig durchführen können.

Ich bin sehr dankbar, dass der Ministerrat heute im Entwurf des Nachtragshaushalts 400.000 Euro für die Asylsozialberatung genehmigt hat. Wir wissen, dass die Arbeit dort nicht mehr geschultert werden kann, dass es dringend notwendig ist, aufzustocken. Seitdem die schwarz-gelbe Koalition in Bayern an der Regierung ist, ist deutlich Bewegung in die Asylpolitik gekommen. Es hat lange gedauert, das muss ich gestehen, bis wir diesen ersten Gesetzentwurf hier zur Ersten Lesung vorlegen konnten. Ich hoffe, dass wir den Gesetzentwurf zügig voranbringen.

(Dr. Hans Jürgen Fahn (FREIE WÄHLER): Noch vor der nächsten Landtagswahl!)

Wir wissen und kennen die Positionen, wir haben sie bei verschiedenen Gelegenheiten diskutiert.

Denken Sie an das Ende Ihrer Redezeit?

Ich bin gleich fertig. Wir haben in der Tat hart und fair gerungen. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich gehe davon aus, dass wir noch bestimmte Dinge ändern können. Ich meine, dass wir diesen Gesetzentwurf als gemeinsamen Fortschritt sehen können.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Für die Staatsregierung bitte ich Frau Haderthauer an das

Mikrofon. Es tut mir wirklich leid, dass ich den Rednern und Rednerinnen immer ins Wort fallen muss. Es geht aber leider nicht anders. Bitte, Frau Haderthauer.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! In aller Kürze: Wenn hier von der Opposition genau das Gleiche eingewendet wird, was schon bei der Debatte um den Landtagsbeschluss Thema war, dann ist das nachvollziehbar, weil wir mit dem Gesetzentwurf den Landtagsbeschluss genau nachgezeichnet haben, und zwar genau so, wie hier die Willensbildung erfolgt ist.

Frau Weikert, genau die Familien, die Sie genannt haben, dürfen jetzt nach Abschluss des Erstverfahrens ausziehen, und zwar nicht aufgrund einer Einzelfallgenehmigung, sondern eines Regelauszugsgrundes. Das heißt, wir haben genau das gemacht, was Sie eingefordert haben; genau um diese Personen haben wir uns gekümmert. Dabei muss man wissen, dass das Erstverfahren im Schnitt sechs Monate dauert. Die meisten Verfahren dauern aber kürzer als sechs Monate.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Ackermann?

Nein. - Eine Wohnungsbeschaffungspflicht kann es nicht geben. Aber jetzt leben bereits über 9.000 Personen in Privatwohnungen. Sie alle haben eine Wohnung gefunden. Wenn aber jeder meint, er möchte in München leben, dann steht er auf der gleichen Warteliste wie Familien mit Kindern, die in München keine Wohnung finden und die nicht aus dem Bereich des Asylbewerberleistungsgesetzes kommen. Ich denke, wir müssen hier schon die Kirche im Dorf lassen. Ich habe die Regierungen angewiesen, zu helfen und die Möglichkeit eröffnet, gegebenenfalls auch selbst Wohnungen anzumieten. Ich werde aber nicht einen Wohnungsbeschaffungsanspruch an dem Ort, an dem diejenigen es gerne möchten, in das Gesetz hineinschreiben. Ich glaube auch nicht, dass das ernsthaft verlangt werden kann.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Herr Fahn, ganz kurz zu den "Tagesthemen". Das waren Worte, denen ich viele, viele Taten habe folgen lassen. Ich habe damals gesagt: Zustände, wie sie damals in der Gemeinschaftsunterkunft Würzburg herrschten, wird es nicht mehr geben. Daraufhin haben wir den Haushaltsansatz, auch für die Baumaßnahmen, um knapp 30 Millionen Euro erhöht. Die Gemeinschaftsunterkünfte wurden auch aufgrund der Leitlinien, die ich daraufhin unverzüglich erlassen

habe, saniert, und zwar von den Regierungen, die die Sanierung nach Anmeldung bei uns vollständig in der Hand haben. Dieser Prozess hält noch immer an, weil alles den Leitlinien entsprechen muss.

Zum Schluss noch zu Ihnen, Frau Ackermann. Wenn Sie sich am Grundsatz der Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften stören und am Sachleistungsprinzip, dann muss ich Ihnen sagen: Das Ganze ist im Asylverfahrengesetz und Asylbewerberleistungsgesetz des Bundes niedergelegt. Dieses Gesetz gibt es seit 1993, und Rot-Grün hat daran bis heute auch nichts geändert.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Alexander König (CSU): Sehr gut!)

Bleiben Sie bitte am Redepult, Frau Haderthauer. Es gibt Zwischenbemerkungen von Frau Kollegin Ackermann und Herrn Kollegen Dr. Fahn. Bitte, Frau Ackermann.

Frau Haderthauer, Sie wissen ganz genau, dass das Sachleistungsprinzip auslegbar ist. Anders wäre es nicht möglich, dass es beispielsweise das "Krefelder Modell" gibt oder dass in Köln eine dezentrale Wohnsitznahme von Asylbewerbern rechtmäßig ist.

(Zuruf von der CSU: Was soll denn das jetzt?)

Es ist einzig und allein die bayerische Auslegung, die dazu führt, dass Asylbewerber hier nicht als willkommene Gäste betrachtet werden, sondern als Menschen, die zurückgehen sollen, und zwar so schnell wie möglich. Das wissen Sie ganz genau; denn Sie wollten den Halbsatz aus dem Gesetz streichen, mit dem die Rückkehrwilligkeit gefördert werden soll. Tun Sie also bitte nicht so, als ob Sie es nicht wüssten; denn Sie wissen es ganz genau. Wir werden weiter daran arbeiten, das umzusetzen.

Ich wollte Sie aber auch noch fragen, weshalb das Gesetz so lange gedauert hat, wenn Sie nur den Landtagsbeschluss umgesetzt haben. Sie hätten den Gesetzentwurf doch dann am nächsten Tag vorlegen können. Sie haben doch sowieso nur alles abgeschrieben.

An Ihrer Frage sieht man, dass Sie noch nie ein Gesetz gemacht haben.

(Beifall bei der CSU - Renate Ackermann (GRÜ- NE): Wir haben schon viele Gesetze gemacht!)

- Jedenfalls kein Gesetz in Bayern, das dann auch umgesetzt worden ist. Es galt, das, was im Landtags

beschluss auf einer halben Seite niedergelegt wurde, vollzugsfreundlich und bürokratiearm in ein Gesetz zu fassen. Ich weiß, dass das Sachleistungsprinzip auslegungsfähig ist, deshalb bekommen über 9.000 vor allem abgelehnte Asylbewerber Bargeld im Bedarfsfall und leben in Bayern in Privatwohnungen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Bitte, Herr Kollege Dr. Fahn.

Frau Ministerin, Sie haben zwar geschickt geantwortet, aber ich komme noch einmal zu den "Tagesthemen". Sie haben gesagt: "Zustände wie in Würzburg". Die haben sich verbessert. Tom Buhrow hat aber gefragt, ich habe mir das Zitat extra noch einmal besorgt: "Sammelunterkünfte wie in Würzburg, die soll es nicht länger geben, richtig?" Darauf Ihre Antwort: "So ist es. Dafür setze ich mich ein." Das heißt, Sie haben gesagt, Sie setzen sich für die Abschaffung der Sammelunterkünfte ein.

Nein, das habe ich mit Sicherheit nicht gesagt, lieber Herr Fahn. Wenn Sie das kleine Wörtchen "die" auch gesagt hätten, dann wären wir dort, wo wir uns auch bei der Sendung befunden haben. Tom Buhrow hat gefragt: "Sammelunterkünfte wie die in Würzburg…". Es ging um die Zustände, die damals in Würzburg bestanden. Die gibt es nicht mehr, die wird es auch nicht mehr geben.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Die Aussprache ist hiermit geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Soziales, Familie und Arbeit als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? - Dem ist so. - Dann ist das so beschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir versuchen, heute noch so viel wie möglich zu erledigen, damit wir morgen vielleicht statt um 0.30 Uhr schon um 00.00 Uhr Schluss machen können. Die Tagesordnungspunkte 4 bis 7, 9 und 8 werde ich noch beschließen. Wir könnten ebenso über die Tagesordnungspunkte 15, 23 und 24 abstimmen lassen. Für den Tagesordnungspunkt 12 reicht wegen fünf Minuten nicht mehr die Zeit. Wenn Sie damit einverstanden sind, verfahren wir so, damit wir wenigstens die Abstimmungen erledigt haben.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Anpassung von Gesetzen an das Gesetz zum Neuen Dienstrecht in Bayern (Drs. 16/9083) - Zweite Lesung

hierzu: