Protokoll der Sitzung vom 14.12.2011

nicht, ob es damals Demonstrationen, Castor-Transporte oder Gruppierungen vermummter Störer und vieles weitere gegeben hat. Ich bitte, dies bei der Diskussion zu berücksichtigen.

Ein Weiteres wurde von Ihnen, Herr Kollege Schindler, angesprochen, nämlich dass es keinen einzigen Fall gibt, und Sie haben ein zweites und ein drittes Mal betont, dass es keinen einzigen Fall gibt, wo sich ein Polizist nur im Geringsten belästigt oder bedroht gefühlt hat.

(Zuruf des Abgeordneten Franz Schindler (SPD))

Diesen Fall gibt es schon. Ich kann Ihnen diesen Fall übergeben, damit Sie sich damit beschäftigen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Letztes ist mir wichtig anzusprechen. Die Polizistinnen und Polizisten können ermittelt werden. Es gibt eine numerische Kennzeichnung der Einheiten. Wenn sich der Beschwerdeführer von einem Polizisten wirklich bedroht und belästigt fühlt, wird er ihn auch beschreiben können. Er wird Zahlen, Daten und Fakten nennen können. Aufgrund dieser Situation kann jeder diensttuende Polizist ermittelt werden. Man sollte nicht behaupten, dass die Ermittlung nicht möglich wäre. Sie ist möglich.

Last but not least möchte ich ansprechen: Hier reden viele Kolleginnen und Kollegen über Dinge, die sie selbst noch nicht erlebt haben. Kollege Ländner hat als einziger aktiv Dienst getan. Ich weiß nicht, ob Sie, Herr Schindler und Frau Kollegin Tausendfreund, schon vor Hunderten oder Tausenden Demonstranten gestanden haben, ob Sie persönlich miterlebt haben, was es heißt, dort Dienst zu tun.

(Margarete Bause (GRÜNE): Wir waren die Demonstranten!)

Die Gewerkschaften sagen unisono, sie lehnten die Änderung ab, um die Polizisten zu schützen. Ist das nicht Fundament und Entscheidungshilfe genug zu sagen, wir belassen es bei der jetzigen Regelung, weil sie einwandfrei funktioniert? - Aus den genannten Gründen bitte ich, den Gesetzentwurf abzulehnen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Uns liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir können zur Abstimmung schreiten. Der Abstimmung liegt der Initiativgesetzentwurf des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes auf Drucksache 16/7057 zugrunde. Der federführende Ausschuss

für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit empfiehlt auf Drucksache 16/10586 die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Wer dagegen dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Ich bitte die Gegenstimmen anzuzeigen. - Das sind die Fraktionen der CSU, der FREIEN WÄHLER und der FDP sowie die Abgeordneten Bernhard Roos (SPD) und Harald Schneider (SPD). Ich bitte die Enthaltungen anzuzeigen. - Ich sehe keine. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Helga Schmitt-Bussinger, Franz Schindler u. a. und Fraktion (SPD) zur Änderung der Verfassung des Freistaates Bayern Schaffung der verfassungsmäßigen Voraussetzungen zur Absenkung des aktiven Wahlalters auf 16 Jahre bei Gemeinde- und Landkreiswahlen und Bezirkswahlen (Drs. 16/9191) - Zweite Lesung

Im Ältestenrat wurde vereinbart, dass für diesen Antrag zehn Minuten Redezeit zur Verfügung stehen und für den später zu beratenden Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/9770 fünf Minuten. Ich eröffne die Aussprache. Für die SPD-Fraktion hat sich Herr Dr. Förster zu Wort gemeldet. Bitte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Niedersachsen hat die Regelung seit 1996, Sachsen-Anhalt seit 1998, Schleswig-Holstein seit 1998, Mecklenburg-Vorpommern seit 1999, genauso Nordrhein-Westfalen. Sechs Länder haben das aktive Wahlrecht für Kommunalwahlen auf 16 Jahre gesenkt. In Richtung FDP will ich darauf hinweisen, dass die Generalsekretärin der FDP in Bayern, Miriam Gruß, sofern man "Spiegel Online" vom 21.05.2011 glauben darf, ebenfalls Sympathie dafür bekundet. Die Österreicher, die ausdrücklich auf ihre guten Erfahrungen mit dieser Regelung hinweisen, haben das Wahlrecht mit 16 seit 2007, und seit 2009 dürfen die 16-Jährigen auch bei Europawahlen wählen. So weit wollen wir hier gar nicht gehen, auch wenn die SPD der festen Überzeugung ist, dass es richtig wäre, dass 16-Jährige an allen Wahlen teilnehmen.

Unser Gesetzentwurf zur Schaffung der verfassungsmäßigen Voraussetzungen zur Absenkung des aktiven Wahlalters auf 16 Jahre bezieht sich auf die Gemeinde-, Landkreis- und Bezirkswahlen. Wir wollen nicht streiten um des Streitens willen, sondern wir

wollen um die Mehrheit werben für etwas, was wir für richtig halten und was Bayern gut anstehen würde.

Nach den sechs deutschen Ländern und einigen europäischen Nachbarn wird es meiner Meinung nach Zeit für Bayern, wenigstens up to date zu sein, wenn wir schon nicht, wie es sonst einige Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses gerne sein möchten, Vorreiter und Meinungsmacher sein können.

Die GRÜNEN sind wie wir schon lange für die Absenkung des allgemeinen Wahlalters auf 16 Jahre. Die FREIEN WÄHLER befürworten dieses Wahlalter zumindest bei den Gemeinde-, Landkreis- und Bezirkswahlen. Und auch einige Vertreter der Regierungsparteien CSU und FDP haben - ich war öfter dabei und könnte sogar Namen nennen - bei Diskussionen mit Jugendverbänden und Jugendringen ihre Sympathie für das Wahlalter "16" bekundet. Deswegen bin ich sehr optimistisch, dass heute im Hohen Haus eine Mehrheit dafür erreicht werden kann, es sei denn, diese Aussagen von Politikern der CSU und der FDP vor Jugendlichen waren reine Lippenbekenntnisse und somit - ich wähle jetzt bewusst die Sprache der jungen Menschen - eine "Riesenverarsche" der jungen Menschen.

(Alexander König (CSU): Na, na, na! - Jörg Rohde (FDP): Entschuldigung?)

Unter diesen Umständen könnte man die Jugendlichen verstehen, die im Rahmen der im September veröffentlichten Jugendstudie "Sprichst Du Politik?" der Friedrich-Ebert-Stiftung erklärten, dass sie mit den Politikern in den Parlamenten nichts mehr am Hut hätten, weil sie sehr verklausuliert sprächen, selten die Wahrheit sagten und die Jugendlichen viel zu wenig ernst nähmen. Deswegen gehen die Jugendlichen weniger wählen und engagieren sich weniger in politischen Parteien. - Das sind keine rosigen Aussichten für ein demokratisches System.

Das ist aber kein Grund, die üblichen Floskeln zu bemühen, die Jugendlichen seien zu unreif, zu faul, zu spaßorientiert, um sich zu engagieren. Nicht nur die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung sondern auch die berühmte Shell-Studie und der viel bessere, aber von uns sträflich vernachlässigte Bericht der Jugend-Enquete-Kommission des Bayerischen Landtags, auf den wir nachher noch einmal zu sprechen kommen werden, zeigen: Die Jugend hat Wissen, Interesse und Leidenschaft, um sich einzumischen, aber sie findet aufgrund der tiefen Skepsis gegenüber den Politikern und Parteien keinen Anknüpfungspunkt und keine Repräsentanz in diesen Parteien.

Wir diskutieren hier im Hohen Haus über eine Anhebung der Altersgrenze für berufsmäßige Bürgermeister/Bürgermeisterinnen und Landräte/Landrätinnen. Wir wissen noch nicht, ob wir die Altersgrenze völlig aufheben wollen oder erst einmal heraufsetzen. Die Veränderung ist sinnvoll; denn Fakt ist, dass in Deutschland immer weniger Kinder und Jugendliche leben, aber immer mehr ältere Menschen immer länger fit sind, sowohl geistig als auch körperlich.

Klar ist aber auch: Die Jugendlichen werden immer früher fit, und das nicht nur körperlich, sondern auch geistig, weil die Anforderungen der Gesellschaft an sie ständig steigen. Dann sollten sie auch mitbestimmen können, warum und wie das hier abläuft. Aufgrund der demografischen Entwicklung richtet sich die Politik immer mehr an den Interessen der Älteren aus. Der Genosse Peter Paul Gantzer wird sagen: Zeit wurde es. Aktuelle Studien sagen aber - ich zitiere einen Abschlussbericht des Kreisverwaltungsreferats München -:

Durch die demografische Überalterung der Wählerschaft werden Themen der Jugendpolitik nur peripher behandelt, wodurch das Desinteresse der Jugendlichen steigt.

Weiter unten heißt es in diesem Bericht:

Eine Wahlalterabsenkung führt zu einer weiteren Demokratisierung der Gesellschaft.

Den 16- bis 18-Jährigen die Absenkung des Wahlalters vorzuenthalten, gleichzeitig aber den älteren Generationen, und sei es nur der älteren Generation der Mandatsträger, Avancen zu machen, ist nicht fair. Solange junge Menschen von der politischen Willensbildung ausgeschlossen sind, wird die Politik, deren Repräsentanten wir sind, ihre Interessen weiterhin nicht angemessen berücksichtigen.

Vielleicht sind Ältere als Wählerschicht homogener; es sind schließlich mehr. Der Bayerische Jugendring und seine Mitgliedsverbände halten uns deswegen vor: "Abgeordnete und Parteien wollen gewählt werden, also sehen sie vor allem die Interessen derjenigen, die ihnen am meisten Stimmen bringen".

Das sind heute schon die Älteren, und dieser Trend wird sich aufgrund der Bevölkerungsentwicklung in Zukunft noch deutlich verstärken. Ich sage das so provokativ, weil wir uns in der Vergangenheit oft genug mit den Argumenten Pro und Kontra eine Absenkung des Wahlalters auseinandergesetzt haben; ich will das nicht zum x-ten Mal wiederholen. Zahlreiche Befragungen und Studien, nicht zuletzt der Jugend-Enquete-Kommission des Bayerischen Landtags als dem Instrument der hier anwesenden

Abgeordneten, haben immer wieder festgestellt und belegt, dass es weder entwicklungspsychologische noch juristische Gründe gibt, die einer Absenkung des Wahlalters widersprechen würden. Argumente wie "Die jungen Menschen sind politisch zu unreif, wollen selbst überhaupt nicht wählen oder wählen nur radikal", lasse ich nicht gelten. Diese sollten Sie, liebe Kollegen und Kolleginnen von der CDU - CSU - und der FDP, bei Ihrer Argumentation nach meiner Rede gar nicht erst anführen. - CSU. Entschuldigen Sie. Das ist wirklich ein Fauxpas. Das gebe ich zu. - Sonst schießen Sie vielleicht ein Eigentor.

Von den jungen Wählern zwischen 16 und 18 Jahren würden 3 % mehr FDP wählen als in der Gruppe der 18- bis 25-Jährigen. Von den 16- bis 18-Jährigen würden 7 % mehr CSU wählen als in der Gruppe der 25bis 35-Jährigen.

(Jörg Rohde (FDP): Wir haben Geduld, Herr Kollege! - Harald Güller (SPD): Kollege Rohde, aber keine Zeit mehr!)

Wenn Sie von der FDP oder der CSU darin ein Zeichen der Dummheit sehen, dann erübrigt sich für mich jeder weitere Kommentar.

(Beifall bei der SPD)

Außerdem erlauben Sie den jungen Menschen, mit 16 Jahren in Ihre Partei einzutreten. Wenn Sie jetzt im Anschluss hier am Redepult sagen wollen, ein junges Mitglied der Jungen Union in Bayern sei politisch noch nicht mündig, um Entscheidungen zu treffen, dann erübrigt sich dazu ebenfalls jeder weitere Kommentar.

Für den Fall, dass das Argument der formalen Bildung nicht reicht, sage ich: Für die Bildung, die nötig ist, damit junge Menschen kompetent entscheiden können, sind wir selbst zuständig. Der Bayerische Landtag kann die politische Bildungsarbeit im Sozialkundeunterricht an den Schulen verbessern und so die jungen Menschen befähigen. Das ist übrigens eine Maßnahme, die wir in Verbindung mit einer Absenkung des Wahlalters fordern - nicht aus Misstrauen gegenüber jungen Menschen, sondern weil wir sie ertüchtigen wollen, ihren Weg selbstständig zu gehen.

Die Urteilskraft Jugendlicher ist tatsächlich viel früher ausgeprägt, als viele von Ihnen das annehmen mögen. Viele Kommissionen und Wissenschaftler haben sich bereits intensiv mit dieser Frage auseinandergesetzt und immer wieder belegt, zum Beispiel Professor Hurrelmann von der Universität Bielefeld. Er hat gesagt, dass nach seiner Meinung sogar schon Jugendliche im Alter von 12 Jahren politisch befähigt seien.

Aber ganz nebenbei: Von keiner anderen Wählerschicht erwarten wir die Erfüllung eines Reifekriteriums. Oder wollen Sie in Zukunft so etwas wie einen Alterssenilitätstest für Rentner einzuführen, bevor diese an die Wahlurnen treten dürfen? - Unsere Rechtsprechung geht in vielen Fällen davon aus, dass 14 Jahre ein gutes Alter sind, um bestimmte Dinge zu entscheiden. Von konservativer Seite wollen Sie das Alter der Strafmündigkeit sogar senken, wenn Sie an Jugendlichen ein Exempel statuieren wollen. Sie sehen das auch daran, dass 14-Jährige sich entscheiden können, bei welchem Elternteil sie nach einer Scheidung leben wollen. Sie können in diesem Alter auch entscheiden, ob sie aus der Kirche austreten wollen.

Auch das immer wieder angeführte Argument, Wahlrecht und Volljährigkeit sollten aneinander gekoppelt sein, trifft nicht zu. Sie wissen, bei der Bundestagswahl im Jahr 1972 durften erstmals die damals noch nicht volljährigen 18- bis 21-Jährigen wählen. Die Volljährigkeit begann damals mit 21 Jahren.

(Jörg Rohde (FDP): Das ist lange her und heute ist es gleich!)

- Ich sehe das nicht so. Das ist aber interpretationsfähig. Das Kreisverwaltungsreferat der Stadt München empfiehlt Ihnen übrigens auch nach intensiver Prüfung und einigen Hearings - ich zitiere aus dem Abschlussbericht -:

Die aufgezeigten befürwortenden Argumente, die Einführung in anderen Bundesländern und die dortigen Erfahrungswerte bewegen das Kreisverwaltungsreferat nach intensiver Abwägung zu einer tendenziell zustimmenden Haltung zu dem in Rede stehenden Antrag.

Auch wenn die Stadt München das gerne tun würde, die Zuständigkeit liegt beim Bayerischen Landtag. Der Landtag kann es noch verhindern. Aber wenn Sie heute mitspielen und unserem Antrag zustimmen, dann müssen wir nicht bis zum Jahr 2013 warten, bis wir das unter Ministerpräsident Ude ändern, sondern wir können es heute schon tun.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Kollege Dr. Förster. - Für die CSU bitte ich Herrn Heike ans Mikrofon. - Bitte schön, lieber Herr Kollege Heike.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Kollegen! Herr Förster, die 10 Minuten hätten Sie sich wirklich sparen können. Neues haben Sie heute nicht gebracht.

(Harald Güller (SPD): Aber Richtiges!)

- Kollege Güller, sagen Sie einmal konkret, was Sie meinen. Wir haben dazu eine andere Auffassung.

(Harald Güller (SPD): Das hat Herr Förster gerade gesagt!)