Protokoll der Sitzung vom 02.02.2012

Ich will einmal in der Sprache der Wirtschaft die Beurteilung eines Abteilungsleiters in einem gut dastehenden Unternehmen versuchen. Er ist selbstgefällig und erkennt die Probleme nicht ausreichend. Das kommt mindestens in drei Punkten zum Ausdruck: Erstens bringen Sie, sehr geehrter Herr Zeil, die angekündigten Produkte nicht rechtzeitig auf den Markt, zweitens verzögern Sie die Neuausrichtung des Unternehmens, und drittens fehlt es auch an der Innovationskraft im Unternehmen, weil keine Kritikfähigkeit und Veränderungsbereitschaft besteht. An diesen drei Punkten will ich es Ihnen beispielhaft deutlich machen.

(Tobias Thalhammer (FDP): Sie reden wie ein Gewerkschaftler!)

- Langsam.

(Tobias Thalhammer (FDP): Das ist schon so!)

Erstens bringen Sie angekündigte Produkte nicht auf den Markt, Thema Breitband. Um gleichwertige Lebensbedingungen in ganz Bayern zu gewährleisten, ist es Ihre Aufgabe, dafür die Infrastrukturvoraussetzungen zu schaffen. Sie haben Ende letzten Jahres das Programm hierfür auslaufen lassen und konnten kein Anschlussprogramm organisieren. Ob es in diesem Jahr überhaupt noch kommt, werden wir beobachten. Insoweit können Sie Ihre Leistungsfähigkeit durchaus unter Beweis stellen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Noch eine Anmerkung zu diesem Thema: Von Anfang an haben wir gesagt, auf Glasfaser sei zu setzen. Da haben Sie uns immer gesagt, das müsse alles tech

nologieneutral ausgeschrieben werden, und das sei nicht möglich. Es dauerte ein bisschen länger, bis auch in der Staatsregierung, im Wirtschaftsministerium, die Idee Einzug hielt, dass man doch Breitband fördern könne. Wir hoffen, Sie sind an dieser Stelle erfolgreich.

Ein letzter Punkt hierzu: Auch die Gebietsabgrenzung, die Sie bislang im Hinblick darauf, wo Sie noch Glasfaserprogramme auflegen wollen, vorgetragen haben, macht deutlich, dass Sie die Probleme im Land nicht ausreichend kennen. Es gibt weit mehr problematische Regionen als jene, die Sie bislang in Ihrer Karte präsentiert haben.

Zweitens. Die Neuausrichtung des Unternehmens müsste mit dem Landesentwicklungsplan erfolgen. Endlich, sehr verzögert haben wir nun das Landesplanungsgesetz bekommen; auf das Landesentwicklungsprogramm warten wir nach wie vor. Ich bin gespannt, ob Sie in dieser Legislaturperiode eine maßgebliche Neuausrichtung, die im LEP stehen müsste, noch zustande bringen. Wenn sie überhaupt noch kommt, kommt sie sehr spät, auch dies ist ein massiver Kritikpunkt.

Drittens, Veränderungsbereitschaft. Außer der Aussage heute und auch sonst, es sei alles bestens und mehr könne nicht getan werden, haben wir nichts gehört. Dass Sie sich nur auf die Schulter klopfen und nicht erkennen lassen, wo es weitere Verbesserungsmöglichkeiten gibt, macht uns große Sorge. Lieber Kollege Blume, auch in guten Unternehmen, wie das Land Bayern eines ist, ist - das wissen wir alle - ständige Optimierungsarbeit vonnöten, und nur den Stand der Dinge zu beschreiben und zu sagen, mehr sei nicht möglich, ist allemal zu wenig.

Mit Blick auf die Uhr bleibt mir nur noch, stichwortartig zu fragen: Wie schaut es mit dem Bürokratieabbau aus? Wie schaut es mit der Verlagerung von Kompetenzen aus? Wie schaut es mit der Wirtschaftsförderung aus, um die Innovationsbereitschaft der Unternehmen zu unterstützen und zu stärken? Wie schaut es mit der Unterstützung der Energiewende gerade für Mittelstand und Handwerk aus? Davon haben wir auch noch nichts gehört. Da ist viel zu tun. Packen Sie es an!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. Für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN darf ich Herrn Kollegen Dr. Runge das Wort erteilen.

Guten Morgen, Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wirtschaftspolitik hat selbstredend die Aufgabe, das gesellschaftliche und individuelle Wohlergehen zu fördern. Dabei muss sie unserer Meinung nach aber auch der Begrenztheit der Ressourcen Rechnung tragen, sie muss mithelfen, dass die Wertschöpfung bei möglichst allen ankommt, und sie muss die Anliegen der Menschen in allen Teilen dieser Erde und auch die Anliegen der Menschen künftiger Generationen berücksichtigen.

Wirtschaftspolitik in Bayern muss dafür Sorge tragen, dass Bayern als Wirtschaftsstandort zukunftsfähig bleibt, dass Chancen genutzt werden, dass Defiziten entgegengearbeitet wird. Bayern ist - das sagen wir hier immer wieder unverblümt - ein wirtschaftsstarkes Land; wir wollen aber auch, dass dafür Sorge getragen wird, dass das so bleibt.

Selbstredend gibt es jede Menge Defizite, jede Menge Versäumnisse. Kollege Karsten Klein hat vorhin das Stichwort Fachkräftemangel genannt. Insoweit ist in unseren Augen zu wenig geschehen. Dabei können wir das Feld der Bildung insgesamt aufblättern. Im Bildungsbereich gibt es große Defizite. Auch in der Infrastrukturpolitik gibt es Defizite. Beim Dynamik-Ranking fällt Bayern mehr und mehr nach hinten. Es besteht also tatsächlich Handlungsbedarf.

(Tobias Thalhammer (FDP): Fachkräftemangel gibt es erst, wenn es der Wirtschaft gut geht! Das müssen Sie anerkennen!)

Herr Thalhammer, Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Wachstum, Wachstum, Wachstum - das scheint Ihr neues Mantra zu sein. In ganz kurzen und wenig substanziellen Rösler-Reden kam achtzehn Mal die Begrifflichkeit "Wachstum" vor. Hier wird nach dem Motto verfahren, weiter so wie bisher, als sei nichts passiert und als drohe nicht noch Gravierendes. Wir müssen doch alle froh sein, dass die Konjunktur noch nicht eingebrochen ist. Wir haben das Finanzmarktdebakel erlebt, wir haben das Aufschlagen der Verschuldungskrise erlebt; aber schon zuvor haben sich doch die Krisenzeichen massiert: der Klimawandel mit seinen drohenden gravierenden Auswirkungen, zunehmende Ressourcenknappheit, Welternährungskrise, schreiend ungerechte Verteilung vor allem zwischen Nord und Süd. All dies zeigt uns, dass wir eben nicht so weiterwirtschaften können wie bisher.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir sind mit einer Systemkrise konfrontiert, und dagegen gilt es, mit einem Gesamtkonzept zu arbeiten. Das heißt, die Finanzmärkte müssen reguliert werden, die Banken müssen wieder auf ihre eigentliche Aufga

be zurückgeführt werden. Das sind Themen, die wir immer wieder anzudiskutieren versuchen und bei denen wir auch über den Bund und die Europäische Union einfach mehr Druck machen sollten. Selbstverständlich gilt es auch - da ist der Landtag als Spieler gefordert -, die Umverteilung von unten nach oben wieder umzukehren. Hierzu gibt es Instrumente auf Bundesebene, die wir diskutieren, die Vermögensabgabe oder einen höheren Einkommensteuersatz, aber auch wir könnten aktiv werden. Ich erinnere an die beiden Gesetzentwürfe von der SPD und von uns zur Wiedereinführung einer Tariftreueregelung, in die auch eine Mindestlohnregelung aufgenommen worden ist. Hier muss wirklich umgesteuert werden, und hier ergeht die Aufforderung zur Umsteuerung auch an den Landtag.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Außerdem gilt es, endlich den ökologisch-sozialen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft anzugehen, das heißt eine die Ressourcen und das Klima schonende, sozialverträgliche Wirtschaftsweise zu forcieren und daran zu arbeiten, endlich den Wachstumszwängen zu entkommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Thalhammer und Herr Klein, Wachstumsraten von 3,9 % oder 5 % sind doch alles andere als immer gegeben. Sie wird es und kann es nicht durchgehend geben. Das heißt, Sie müssen sich auf andere Zeiten, auf andere Zahlen einstellen.

(Tobias Thalhammer (FDP): Später, wenn Sie an der Regierung sind!)

- Herr Thalhammer, das heißt, sich der Wachstumsfrage anzunehmen.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Das heißt überhaupt nicht, Wirtschaftswachstum zu verteufeln, es heißt überhaupt nicht, jedes Wachstum in einzelnen Unternehmen, Branchen oder gar Volkswirtschaften streitig zu stellen. Nein, es geht uns darum, deutlich zu machen, wohin uns großmaßstäbliches und auf Ausbeutung beruhendes Wachstum führt. Stichworte sind hierbei Ressourcenknappheit, Klimawandel, aber auch eine Weltungerechtigkeit. Es geht uns auch darum aufzuzeigen, zu welchen Krisen und Verwerfungen das Platzen von Blasen als besonderen Wachstumsträgern immer wieder führt. Das heißt, wir müssen unbedingt auch die zwingende Verknüpfung des Funktionierens der Systeme der sozialen Sicherung wie aller öffentlicher Kassen mit ganz deutlichen Wachstumsraten infrage stellen.

Als Überschriften benannt - da bin ich dann wieder bei uns selber, beim Landtag -: Wirtschaftswachstum ist überhaupt keine Selbstverständlichkeit. Umweltschutz und großmaßstäbliches Wachstum beißen sich doch. Das Bauen auf Wirtschaftswachstum verhindert dringend erforderliche Reformen. Der Nord-Süd-Ausgleich ist bei weiterem gravierenden Wirtschaftswachstum nicht gangbar.

Wir haben hier seit gestern die Ausstellung "Entwicklungsland Bayern". Dazu gab es feierliche Eröffnungsworte zum Thema "Eine-Welt-Politik, Eine-Welt-Gerechtigkeit". Auch darüber sollte man einmal diskutieren und sich nicht nur wohlfeile Worte anhören oder sich in diesen üben. Vielmehr sollte man den Worten dann auch einmal Taten folgen lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich komme zum Schluss: Wir brauchen eine zielführende, vorausschauende Rahmensetzung. Bildung und Infrastruktur sind angesprochen worden. Ganz wichtige Standortfaktoren sind Umwelt, Klimaschutz und Ressourcenschonung sowie Verteilungsgerechtigkeit und sozialer Ausgleich. Auch das ist ein wichtiger Standortfaktor. Daran muss auch hier in Bayern noch ganz erheblich gearbeitet werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Nächste Wortmeldung für die CSU-Fraktion: Herr Kollege Martin Schöffel. Bitte schön, Herr Kollege.

Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Florierende Wirtschaft und Wachstum erleben die Menschen in Bayern, und zwar in allen Landesteilen. Bayern hat sich da in den letzten Jahren überall positiv entwickelt. Überall können die Menschen mit Selbstbewusstsein, Zuversicht und Kreativität in die Zukunft blicken. Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit, die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Stellen sowie die Stimmung bei Handwerk und Industrie sind wichtige Belege dafür.

Dass heute alle bayerischen Regionen besser als der Bundesdurchschnitt abschneiden, meine Damen und Herren, hat viel mit der bayerischen Landespolitik über Jahrzehnte zu tun, aber gerade auch in den letzten Jahren.

(Beifall bei der CSU)

Liebe Frau Karl, wir stimmen völlig darin überein, dass das nur mit großem Engagement, mit großem

Fleiß der Menschen in Bayern und mit einem starken Mittelstand zu schaffen ist.

(Beifall bei der CSU)

Aber ich frage Sie: Haben Sie Ihre Argumentation, dass das nichts mit der Politik und nur mit dem Fleiß der Menschen zu tun hat, schon einmal in norddeutschen Bundesländern ausprobiert? Das würde nämlich bedeuten, dass das dort nichts mit der Politik, sondern nur mit der Faulheit der Menschen zu tun hat. Das kann aber wohl nicht schlüssig sein. Dies hat viel mit der bayerischen Politik zu tun.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wir haben auch zur Kenntnis zu nehmen, dass der Strukturwandel zu Beginn der 1990er-Jahre und der demografische Wandel manche Landesteile vor große Herausforderungen stellen, insbesondere die Kommunen, die diesen Wandel mit hohen Investitionen abzumildern haben. Aber angesichts unserer wirtschaftlichen, finanziellen, sozialen und demografischen Lage hat der Freistaat den nötigen Gestaltungsspielraum, um heute Entscheidungen zu treffen, damit auch für eine kleinere, älter werdende Gesellschaft hohe Lebensqualität, Wohlstand und Innovationskraft erhalten und weiter gesteigert werden können, und zwar in der Stadt wie auf dem Land. Wie sich die demografische Entwicklung in den Regionen und Kommunen tatsächlich auswirkt, hängt in entscheidendem Maße davon ab, ob eine Region Abwanderung vermeiden kann und attraktiv für Zuwanderung ist. Arbeitsplätze sind dafür die Grundlage.

Wir können die Menschen ansprechen, die ihre Geschäfte ortsunabhängig betreiben. Bayern hat eine hohe Anziehungskraft, die wir in allen Regionen nutzen wollen und nutzen werden. Wir verfügen mit unserer wirtschaftlichen Situation über große Vorteile. Wachstums- und Entwicklungspotenziale bestehen nicht nur in wenigen urbanen Zentren, sondern im ganzen Land. Das zeigt beispielsweise die aktuelle Prognos-Studie, wonach sich Regionen in Oberfranken und Niederbayern im bundesweiten Vergleich sehr gut entwickeln. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft vbw.

Zentrale landespolitische Herausforderung ist, mit dem gesamten regionalpolitischen Instrumentarium gerade die Landesteile zu stärken, die im Vergleich zum sehr guten Landesdurchschnitt Nachholbedarf haben.

(Zuruf von der SPD: Aha! Gibt es das?)

Wichtige Aspekte sind in diesem Zusammenhang Wanderungssalden junger Menschen, die Bevölkerungsprognose und wirtschaftliche Teilindikatoren wie Arbeitslosigkeit, Beschäftigungsmöglichkeiten und Einkommenssituation. Das muss natürlich berücksichtigt werden. Die Staatsregierung tut dies seit Jahrzehnten und wird dies auch weiterhin tun.

Ich erinnere nur an die Entwicklung bei den Fachhochschulen im ganzen Land. Wir stimmen völlig darin überein: Ein nächster Schritt ist und wird sein, außeruniversitäre und wirtschaftsnahe Forschungseinrichtungen sowie Hochschulzweigstellen im ganzen Land zu entwickeln. Das können Bindeglieder zwischen der Spitzenforschung und dem Mittelstand sein. Das sind auch Bindeglieder zwischen den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der einzelnen Unternehmen. Allein mit diesem Doppelhaushalt bringen wir da einiges auf den Weg. Ich möchte mich bei Ihnen, Herr Minister, für viele neue Einrichtungen im ganzen Land bedanken, die Sie mit Ihrer Initiative auf den Weg bringen. Ich denke auch an ein Zentrum zum Dispergieren und vieles andere mehr.

(Beifall bei der CSU und der FDP)