Protokoll der Sitzung vom 14.02.2012

Und was macht die Staatsregierung? Sie schürt lieber peinliche Neiddebatten wie immer pünktlich vor Wahlen. München, übrigens seit Langem zum Nutzen von Bayerns Metropole rot-grün regiert, ist hui, und Armaber-sexy-Berlin, wo nicht die GRÜNEN, aber Ihre Schwestern und Brüder in der Regierung sind, ist pfui. So einfach ist die Welt. Vielleicht nehmen Sie einmal zur Kenntnis, dass Berlin als Hauptstadt Deutschlands aufgrund dieser Funktion einen strukturell höheren Finanzbedarf hat als alle anderen Bundesländer. Vielleicht nehmen Sie auch zur Kenntnis, dass wir uns einmal über die Frage unterhalten sollten, ob der Bund deswegen nicht noch stärker an der Finanzierung der Hauptstadt Deutschlands beteiligt werden sollte, anstatt sich auf populistische Sprüche zu beschränken, die zur Lösung der strukturellen Finanzprobleme Berlins nichts beitragen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber konstruktiv zu sein ist vor Wahlen nicht Ihr Ding. Ihre Botschaft an alle Bayern lautet stattdessen: Es

gibt noch eine Runde des Redens, dann wird geklagt. Dabei wissen Sie genau - Kollege Halbleib hat darauf hingewiesen -: Vor zehn Jahren wurde der Länderfinanzausgleich nach Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zwischen Bund und Ländern neu ausgehandelt. Die Bayern stimmten nicht nur zu - auch Herr Seehofer stimmte zu -, sondern der damalige Ministerpräsident stellte sich auch hier hin und sagte: Es ist toll, was wir alles durchgesetzt haben. Der Länderfinanzausgleich ist also nicht nur verfassungsfest, sondern von Ihnen auch selbst verhandelt, selbst unterschrieben und selbstverständlich selbst gelobt worden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb ist alles Gerede, dass Bayern in Karlsruhe klagen wird, nichts als hohles Geschrei. Die Klage hätte keine Aussicht auf Erfolg. Seit 2001 hat sich nämlich nur eines geändert: Nächstes Jahr haben wir Wahlen. Aufgrund meiner großen Fürsorgepflicht und in Kenntnis des ebenfalls auf eine solch primitive Neidkampagne setzenden, mäßig erfolgreichen Mappus rate ich Ihnen, nicht mit solchen Neiddebatten populistisch Wahlkampf zu treiben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn das aber so ist, warum sagt dann der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, der Länderfinanzausgleich ist ein absolut bescheuertes System? - Nicht, wie Sie suggerieren wollen, weil es einen Anreiz zum Schuldenmachen gebe. Das Problem liegt auf der Einnahmenseite. Die Nehmerländer erhalten bei zusätzlichen Steuereinnahmen deutlich weniger vom Ausgleich; die Geberländer müssen das Meiste abführen. Volkmar Halbleib hat dazu wesentliche Dinge gesagt. Diese falsche Konstruktion kostet Deutschland im Jahr einen zweistelligen Milliardenbetrag. Deshalb muss an dieser Stelle nachgebessert werden.

Die GRÜNEN fordern daher wie auch Winfried Kretschmann seit Langem die Ablösung des horizontalen Länderfinanzausgleichs durch einen vertikalen, vom Bund organisierten Umsatzsteuerausgleich, der sich an der Einwohnerzahl und an weiteren Bedarfsindikatoren orientiert. Dann wird auch der Anreiz steigen, Steuern zu erheben. Letztlich führt dies zu höheren Steuereinnahmen für uns alle.

Finanzminister Söder springt nun endlich auf den Zug auf. Er hat seinem Ministerium umgehend den Auftrag gegeben, ein Modell für einen vertikalen Finanzausgleich auszuarbeiten. Umgehend den Auftrag geben heißt doch vor allem eines: Bisher gab es im Ministerium keine Vorarbeiten; bisher steht die Arbeit dieses Finanzministeriums in Sachen Länderfinanzausgleich

in keinem Verhältnis zur eindrucksvollen Medienarbeit. Inhaltlich hinken Sie sowieso weit hinterher. Ich habe noch zwei Auszüge aus Plenardebatten, in denen der damalige Minister Fahrenschon sagte: Die Vertikalisierung ist grundfalsch; wir sprechen uns explizit für einen horizontalen Finanzausgleich aus. Das war vor zwei Jahren; das können Sie im Protokoll nachlesen.

Jetzt kommt Herr Söder zu uns. Das ist grundsätzlich zu begrüßen. Weil Sie aber wie sonst niemand in Bayern, außer vielleicht Ihrem hier sitzenden Vorgesetzten, so schnelle Pirouetten drehen können, sind wir naturgemäß skeptisch, ob nicht Ihre nächste 180Grad-Wendung kommt. Dennoch gebe ich Ihnen einen guten Rat, Herr Söder: Wenn Sie vernünftige Konzepte suchen, fragen Sie häufiger bei GRÜN nach. Bei GRÜN werden Sie geholfen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Für die FDP-Fraktion Herr Kollege Klein. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben dieses Thema schon vor einiger Zeit einmal als Aktuelle Stunde aufgerufen, nämlich am 19. Oktober 2010. Ich bin der CSU-Fraktion dankbar, diese Thematik hier sachlich debattieren zu können. Ich glaube nämlich, dass ganz schön viel wie Kraut und Rüben durcheinander geht.

Zuallererst muss man doch festhalten, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass der aktuelle Länderfinanzausgleich für die Länder eben keine Anreize setzt, um die eigenen Steuereinnahmen zu erhöhen. Das ist ein Dilemma.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Wir stellen das ganz sachlich fest und wollen an einer Neuausrichtung dieses Länderfinanzausgleichs arbeiten. Deshalb ist es absolut legitim, diese Diskussion jetzt zu starten.

(Volkmar Halbleib (SPD): Ihr habt verhandelt! Seehofer hat zugestimmt!)

Die Bestrebungen, die uns jetzt von der neuen Regierung in Baden-Württemberg offenbart werden, sind allerdings nicht besonders glaubwürdig, Herr Kollege Halbleib. Deshalb ist es auch richtig, darauf hinzuweisen, dass ein paar nette, in der Presse abgedruckte Plauderreden von Herrn Kretschmann aus BadenWürttemberg noch keine Lösung bringen. Wenn es hart auf hart kommt, sind wir gespannt, ob Ihre Kolleginnen und Kollegen dann an unserer Seite stehen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Wo ist denn Ihr Konzept, Herr Klein?)

- Zum Konzept gleich noch ein paar Takte.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Im Übrigen hat sich die Situation auch dramatisch geändert. Bayern ist das einzige Land, das vom Nehmer zum Geber geworden ist. Sie werden nur ein Bundesland finden, das eine gleichartige Verwandlung durchgemacht hat, nämlich Nordrhein-Westfalen, das vom Geber zum Nehmer geworden ist. Herr Kollege Halbleib, ich darf Sie korrigieren: Ihre Behauptung, dass NRW zum ersten Mal unter Schwarz-Gelb Geld aus dem Länderfinanzausgleich bekommen hat, ist absolut falsch. Die ersten Male waren 1985, 1987 und 1988. Damals war Herr Rau Ministerpräsident; er ist, glaube ich, von der SPD. Ihre Partei war damals an der Macht.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

2008 hat Bayern als Geber in den Länderfinanzausgleich noch 35 % eingezahlt, Baden-Württemberg 30 % und Hessen 29 %. Heute sind wir bei 50 % angelangt. Ich muss schon sagen: Die Schmerzgrenze ist langsam erreicht. Wir sind solidarisch, aber nicht grenzenlos.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Das wird man doch wohl einmal sagen dürfen.

In aller Kürze noch ein paar Punkte, die wir ändern möchten. Es geht darum, die im Grundgesetz angelegte Thematik der Länderhoheit und Eigenverantwortung mit der Solidarität wieder in Übereinstimmung zu bringen. Das sehen wir nämlich aktuell nicht so.

(Volkmar Halbleib (SPD): Wo ist denn Ihr Konzept, ein konkretes Konzept?)

Deshalb möchten wir zuallererst den Umsatzsteuervorausgleich abschaffen; er steht nämlich der Konkurrenz der Bundesländer im Weg, weil er auf reinen Steuermesszahlen aufsetzt. Wir möchten ihn abschaffen und den Ländern weiterhin Gelder zufließen lassen.

Ein zweiter Punkt ist - das habe ich hier übrigens alles schon im Oktober 2010 gesagt, Herr Kollege Halbleib; Sie sollten vielleicht öfter zuhören -,

(Zurufe von der SPD)

dass wir auch bei den Sonderzahlungen zwischen den Ländern eine Nachsteuerung haben wollen. Die aktuellen Bundesergänzungsleistungen missachten

nämlich das Nivellierungsverbot. Deshalb sind wir der Meinung, dass an dieser Stelle nachgebessert werden muss. Auch die Zuweisungen wegen überdurchschnittlich hoher Kosten politischer Führung sind so nicht mehr haltbar. Zehn Bundesländer sind auf derartige Zuweisungen angewiesen. Diese Bundesländer können nicht mehr eigenpolitisch handeln. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, an dieser Stelle muss etwas geändert werden.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Ich lade Sie dazu ganz herzlich ein.

(Markus Rinderspacher (SPD): Sie brauchen uns nicht einzuladen! Sie regieren! Sie müssen endlich einmal etwas tun!)

- Wir führen Gespräche. Wenn in sechs Monaten keine Verhandlungsergebnisse mit Ihren Ministerpräsidenten erzielt worden sind, werden wir einfordern, vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Ich möchte an Sie eine Frage richten. Sie vertreten die Bürgerinnen und Bürger des Freistaats Bayern und nicht die von Nordrhein-Westfalen. Deswegen erwarte ich von Ihnen auf dieser Seite mehr Engagement und die Rückkehr zur Sachlichkeit.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und der CSU)

Lassen Sie mich noch einen Takt zum Kollegen Hallitzky sagen. Wir halten von einem vertikalen Ausgleich oder von einem Ausgleich zwischen Bund und Ländern in dieser Form nichts. Wir haben uns den vertikalen Ausgleich vorstellen lassen, auch in Kanada. Sie wissen aber, dass in Kanada ganz andere Bedingungen herrschen. Dort haben die Länder die Steuerhoheit. Diese haben wir in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Deshalb halten wir von dieser Systematik nichts. Wir wollen die Solidarität zwischen den Bundesländern. Hier wollen wir in dem Sinne nachbessern, wie ich gerade vorgetragen habe.

(Beifall bei der FDP und der CSU - Zurufe der Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD) und Markus Rinderspacher (SPD))

Nächste Wortmeldung: Für die CSU-Fraktion Herr Kollege Georg Winter. Ich darf anregen, etwas mehr zuzuhören. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zunächst auch von mir

allen Damen einen herzlichen Glückwunsch zum Valentinstag!

(Zurufe von allen Fraktionen: Oh! - Beifall bei Ab- geordneten der CSU)

Darüber, dass die Frau Präsidentin heute Blumen verschenkt hat, habe ich mich gefreut. Bei einer so trockenen Materie wie dem Länderfinanzausgleich tun die Blumen gut.

Wir sollten uns noch einmal die Ausgangssituation bewusst machen: Solidarität wird in Bayern ganz groß geschrieben. In unserer Verfassung steht, dass Bayern ein Sozialstaat und ein Kulturstaat ist. Wir pflegen Solidarität. Wir haben weit mehr einbezahlt, als wir bekommen haben. Das wird auch von uns nicht beklagt. Worum geht es? Es muss eine vernünftige Verteilung der Mittel geben. Das Ganze muss überschaubar bleiben. Leistung muss sich lohnen, die Anreize müssen stimmen.

Wir wollen die Menschen informieren - dazu trägt auch die heutige Aktuelle Stunde bei -, damit sich alle diesen schwierigen Sachverhalt bewusst machen können. Wir reden nicht erst heute über das Thema und diskutieren nicht erst heute über eine Lösung; ich verweise auf die Erste Lesung von vorletzter Woche. Im Jahr 2011 wurden 27 Milliarden Euro in Deutschland umverteilt. Es kann doch niemand sagen, dass es nicht solidarisch gewesen wäre, wenn wir zwei Milliarden Euro weniger, also nur 25 Milliarden Euro, umverteilt hätten. Auch damit wäre den Ländern, die tatsächlich auf Hilfe angewiesen sind, geholfen worden.

Auf die Äußerungen von Herrn Kretschmann komme ich noch zurück. Er hat sich konkret geäußert; das, was er gesagt hat, kann man gar nicht überbieten.