Ein Weiteres: Das, was euch mancher CSU-Direktor sagt, ist nicht Meinung der Lehrer und der Philologen am Gymnasium. Dies nur zur Klarstellung der Gesamtsituation.
Ich darf Ihnen auch noch sagen, dass wir im Landkreis Cham eine Übertrittsquote ans Gymnasium von 28 % haben. Warum? – Weil die Eltern die Schüler in die Realschule schicken, weil sie Schwierigkeiten fürchten, weil die Wege lang sind usw. Genau deswegen wollen wir die Wahlfreiheit.
Ich kann einfach nicht verstehen, dass Sie das immer noch nicht kapieren, sondern sogar sagen, dass das G 8 im Interesse des ländlichen Raumes besser als das G 9 ist. Das entspricht einfach nicht der Wahrheit.
Werter Kollege, ich habe dieses Beispiel deswegen erneut gebracht, weil ich im Bildungsausschuss ähnliche Fälle wie den zitiert habe, den Sie in Bad Kötzting erlebt haben. Auch ich bin an die Schulen gegangen. Auch ich habe mit vielen Schulleitern gesprochen. Interessanterweise waren die Schulleiter keine CSU-Mitglieder. Wissen Sie, was mir von Ihren Kollegen vorgehalten wurde? – Ich müsse eben zu den richtigen Lehrern gehen. Deswegen habe ich ein Beispiel gebracht, in dem ein FREIER WÄHLER anscheinend zu jemand gegangen ist, der die richtige Einstellung hat.
Die Schulleiter in kleineren Gymnasien, wie wir sie im ländlichen Raum des Öfteren haben, haben hinsichtlich der Wahlfreiheit Befürchtungen, weil sie nicht beides bieten können. Sie können das G 8 und das G 9 nicht parallel führen.
Sie müssen sich für das eine oder andere entscheiden und haben definitiv Angst, dass sie zu den Verlierern gehören werden,
der weiten Schulwege. Dadurch sind auch die Schüler im ländlichen Raum benachteiligt. Aus diesem Grund werden wir Ihren Gesetzentwurf ablehnen.
Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort gebe, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass zu Tagesordnungspunkt 4 zu den fünf Dringlichkeitsanträgen in Sachen Energie
wende jeweils namentliche Abstimmung beantragt worden ist. – Jetzt kommt als nächste Rednerin Frau Kollegin Dr. Strohmayr von der SPD zu Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Lederer, Sie haben gesagt, es freut Sie immer sehr, wenn Kolleginnen und Kollegen Schulen vor Ort besuchen. Wir haben Ihnen diese Freude gemacht und waren gestern bei einer Schule. Wir haben komischerweise eine ganz andere Wahrnehmung mitgenommen. Uns hat man vor allen Dingen gesagt: Bildung braucht Zeit, Kinder brauchen Zeit, Entwicklung braucht Zeit. Das war eine der Hauptbotschaften, die wir mitgenommen haben. Nicht Beschleunigung, sondern Entschleunigung ist geboten. Das hat mir der Leiter des Gymnasiums für die heutige Diskussion noch extra mit auf den Weg gegeben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin seit 2003 Mitglied des Bayerischen Landtags, und sozusagen von der ersten Stunde an begleitet mich die Diskussion über das bayerische Gymnasium. Ich kann Ihnen unzählige Diskussionen im Parlament nennen, in denen vonseiten der Mehrheitsfraktion immer wieder beteuert wurde, dass alle Schwierigkeiten mit dem G 8 nur Anlaufschwierigkeiten sind. Ich muss einfach feststellen: Diese Anlaufschwierigkeiten dauern jetzt schon zehn Jahre.
Ruhe, Ruhe, Ruhe, haben der Herr Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung und vorhin auch Herr Lederer den Schulen verordnet. Ich möchte Ihnen sagen: Ruhe ist für die Bildung sicherlich wichtig. Mit der Ruhe ist es am Gymnasium aber seit 2003 vorbei, nämlich genau seit dem Tag, an dem damals Herr Dr. Stoiber in seiner Regierungserklärung das G 8 völlig überstürzt und im Alleingang verordnet hat. Dafür sind Sie verantwortlich; Sie müssen dafür die Verantwortung tragen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU.
Es ist einfach nicht wegzudiskutieren: Bis heute sind Schüler, Lehrer und Eltern mit dem G 8 unzufrieden. Alle Rettungsversuche, zuletzt das Flexijahr – ein totaler Rohrkrepierer –, waren untauglich, eine Gesundung des Patienten herbeizuführen. Das müssen Sie doch endlich einsehen, Herr Spaenle.
Die FREIEN WÄHLER haben 25.000 Unterschriften vorgelegt. Der Philologenverband will ein Konzept für ein reformiertes G 9 vorlegen. Ich frage Sie also: Wann begreifen auch Sie endlich, dass wir das Gymnasium in Bayern auf neue Füße stellen müssen?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir meinen, dass es notwendig ist, sich endlich ernsthaft mit dem Gymnasium auseinanderzusetzen. Wir brauchen einen großen Dialog mit Betroffenen, mit den Lehrern, mit den Lehrerverbänden, mit den Schülern und mit den Eltern. Nur wenn alle mitgenommen werden, können wir endlich auch eine Akzeptanz für Veränderungen am Gymnasium schaffen. Wir – damit meine ich meine Fraktion – wollen ein pädagogisch modernes, ein gut aufgestelltes Gymnasium, eines mit einer ausreichenden Zahl gebundener Ganztagsklassen. An dieser Stelle möchte ich Sie daran erinnern: Gerade einmal 2,98 % der Gymnasiasten besuchen bei uns in Bayern derzeit eine gebundene Ganztagsklasse. Auch in Ganztagsklassen bestünde die Möglichkeit, Kindern und Lehrern mehr Zeit zu geben. Wir wollen darüber hinaus aber individuelle Förderung am Gymnasium. Wir wollen ein Gymnasium, das Inklusion und Integration meistert, und damit all diese Aufgaben gut gelingen, brauchen wir vor allen Dingen eines: Lehrer, Lehrer, Lehrer.
Die Klassen dürfen einfach nicht zu groß sein. Wir brauchen multiprofessionelle Teams, die Lehrer unterstützen. Ich bin Herrn Lederer sehr dankbar, weil er auch das individualisierte Lernen angesprochen und gesagt hat, wie wichtig dies ihm und seiner Fraktion ist. Herr Lederer, ich möchte jetzt aber mit Ihnen eine kleine Rechnung aufmachen. In Bayern gibt es 60.000 Klassen. Wenn Sie individuelles Lernen fördern möchten, brauchen Sie in den Klassen einen Zweitlehrer. Sie können sich selber ausrechnen, wie viele Lehrerstellen eigentlich notwendig wären, um individuelles Lernen umzusetzen.
Völlig kontraproduktiv ist es auf jeden Fall, Herr Spaenle, in so einer Situation auch noch Lehrerstellen zu streichen. Über 800 Stellen sollen im August gestrichen werden. Von 800 Referendaren im Gymnasium sollen gerade einmal 170 übernommen werden. Selbst die Besten der Besten bekommen hier bei uns in Bayern im Gymnasium keine Anstellung mehr. So kann es doch nicht weitergehen. Das muss aufhören. Die demografische Rendite muss letztendlich im System bleiben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir hatten heute die Vertreter der Lehrerverbände in unserer Fraktion. Hier wurde klargestellt: Wenn man für den Schülerverkehr einen Bus für 70 Schüler bereitstellt und 30 Schüler wegfallen, Herr Ministerpräsident, dann würde es kei
ner Kommune einfallen, den Bus zu streichen. Aber genau das tun Sie hier mit Ihren Lehrerstellenstreichungen. Sie wollen, wie auch immer, anscheinend Klassen streichen, nur weil die Hälfte der Schüler wegfällt. So kann Schule einfach nicht gelingen, und so kann auch das Gymnasium nicht gelingen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, für die Struktur des Gymnasiums ist es sicherlich wichtig, jetzt das aufzunehmen, was die Lehrer vor Ort sagen. Uns wurde zum Beispiel gesagt, dass die Schüler im G 8 nicht mehr so vertieft lernen, nicht mehr so nachhaltig lernen, sodass die Studierfähigkeit leidet. Das muss man sicherlich angehen. Uns wurde ferner von Unterstufenlehrern gesagt, dass die zweite Fremdsprache zu früh kommt. Auch hier muss man sicherlich nachdenken. Manchmal ist es ein Problem, dass die Fächervielfalt nur schwer handhabbar ist. Auch das ist ein Punkt, den man sich anschauen muss. Man muss, wenn man sich die Zahlen anschaut, einfach immer wieder feststellen: Es fallen immer noch mehr Schüler durch die Abiturprüfung des G 8 als früher beim G 9. Auch da müssen wir genau hinschauen und Veränderungen herbeiführen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass viele Eltern mittlerweile ihre gymnasial geeigneten Kinder auf andere Schulen schicken, sollte uns zu denken geben. Das zeigt nämlich, dass wir nach zehn Jahren Feldversuch G 8 eben vielerorts keine Akzeptanz für das G 8 haben.
Zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss ich persönlich nach zehn Jahren Diskussion zum G 8 daran erinnern, dass das wichtigste Argument bei Einführung des G 8 damals – neben dem fiskalischen Argument natürlich – war, dass die Wirtschaft jüngere Absolventen braucht. Man hat damals davon gesprochen, dass unsere Abiturienten im internationalen Vergleich zu alt sind. Was ist denn aus diesem Argument geworden? Heute stellen unsere Universitäten fest, dass ihre Absolventen und Absolventinnen immer jünger werden. Vielerorts kommen an die Universitäten Eltern in die Sprechstunde. Junge Studenten finden keine Wohnungen, weil sie selber noch keine Verträge abschließen können. Sie sind unselbstständig, kommen mit der Universität nicht zurecht. Viele sind zu jung, um im Anschluss an das Studium in der Wirtschaft unterzukommen.
Sie müssen nämlich bedenken: Wir haben mittlerweile viele Reformen eingeleitet, und daher werden unsere Absolventen immer jünger. Die Schule fängt zum Beispiel früher an; die Kinder kommen heute oft schon mit fünf Jahren in die Schule. Wir haben die Wehrpflicht abgeschafft. All das waren Maßnahmen, damit die Kinder auch wieder jünger aus der Schule heraus
das alles sollte Ihnen zu denken geben. Ich kann Sie nur einladen, mit uns gemeinsam im Dialog mit Lehrerinnen und Lehrern, mit Lehrerverbänden, mit Schulen und Eltern und nicht erneut in einem Schnellschuss, der alle wieder überrumpelt, der wieder die Menschen vor den Kopf stößt, das Gymnasium zu erneuern. Aus den dargestellten Gründen werden wir uns bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER enthalten.
Danke schön, Frau Dr. Strohmayr. Bleiben Sie bitte noch am Redepult. Herr Dr. Fahn hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Bitte schön, Herr Dr. Fahn.
Frau Kollegin Strohmayr, ich stimme mit Ihnen in vielen Punkten überein, auch mit Ihrem ersten Satz: Wir brauchen Lehrer, Lehrer, Lehrer. Aber beim G 8 haben wir auch gemerkt, dass den Schülern besonders eines fehlt, das wir so umschreiben könnten: Zeit, Zeit, Zeit. Die Schüler im G 8 haben einfach kaum noch Zeit für ehrenamtliche Tätigkeiten. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass das ehrenamtliche Engagement von Schülern im G 8 um 20 % zurückgegangen ist. Wir haben jetzt das Ehrenamt in die Bayerische Verfassung gebracht. Welches Konzept hat die SPD, damit die Schüler mehr Zeit haben für ehrenamtliche Tätigkeiten?
Sehr geehrter Herr Kollege Fahn, genau das wollte ich mit meinem Redebeitrag eigentlich hier bewirken, dass wir uns heute eben nicht in einem erneuten Schnellschuss festlegen, wie wir weiter vorgehen wollen. Wir sind der Meinung, wir müssen Lehrerinnen und Lehrer, Lehrerverbände, Eltern, Schüler bei dieser Diskussion mitnehmen. Nur so können wir letztendlich Akzeptanz für das neue Gymnasium erreichen. Es ist der falsche Weg, jetzt hier quasi im Schnellschuss zu sagen, was letztendlich der richtige Weg ist. Sicherlich gibt es viele Überlegungen. Zum Beispiel könnte auch eine Ausweitung der Ganztagsschule, in die man etwa auch ehrenamtliche Angebote mit einbeziehen kann,
Danke schön, Frau Kollegin. Als Nächster hat der Kollege Gehring vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist jetzt die vierte Landtagsdebatte innerhalb kurzer Zeit, die wir zu diesem Thema haben. Das ist gut so; denn das Thema Gymnasium und G 8 muss debattiert werden. Wir haben diese Debatten in der Gesellschaft, wir haben sie bei den Verbänden, wir haben sie vor Ort an vielen Schulen. Die CSU und der Ministerpräsident haben ja die Parole "Ruhe" ausgegeben. Der Kollege Lederer hat sie bestätigt. Das klingt so nach dem Motto: Lasst uns nun endlich in Ruhe mit dieser ganzen G-8-Geschichte, und wir sehen keinen Handlungsbedarf.
Ich meine, das mit der Ruhe ist Ihnen ja ziemlich misslungen, wenn ich nur an die Übungsklausuren denke. Die haben für viel Unruhe gesorgt. Bei der Lehrerstellenstreichung hat es richtig Krach gegeben, und gibt es nach wie vor Krach. Also mit der Ruhe funktioniert es nicht bei der CSU.