Protokoll der Sitzung vom 05.02.2014

Ich meine, das mit der Ruhe ist Ihnen ja ziemlich misslungen, wenn ich nur an die Übungsklausuren denke. Die haben für viel Unruhe gesorgt. Bei der Lehrerstellenstreichung hat es richtig Krach gegeben, und gibt es nach wie vor Krach. Also mit der Ruhe funktioniert es nicht bei der CSU.

Was auch nicht funktioniert, ist das sogenannte Flexijahr. Es wird, wenn es gut geht, von etwa 300 von 300.000 in Anspruch genommen. Es ist, wie wir immer gesagt haben, ein freiwilliges Wiederholen mit etwas pädagogischer Anreicherung, aber nicht die Möglichkeit der individuellen Schulzeitverlängerung für einen Teil der Schülerinnen und Schüler. Die Unzufriedenheit ist groß. Es bewegt sich überall etwas in Bayern. Die Lehrerverbände denken verschärft darüber nach. Die Philologen haben sich schon für das G 9 positioniert. Die sind sicherlich sonst immer sehr auf CSU-Linie. Wir stellen auch häufig vor Ort fest, dass darüber diskutiert wird und dass die Unzufriedenheit groß ist.

Lieber Kollege Lederer, zu Ihrer Aussage, das G 8 braucht Ruhe, damit es sich entwickeln kann, muss ich feststellen: Wenn der Patient nach zehn Jahren immer noch Ruhe braucht, dann muss man sich einmal überlegen, ob die Therapie vielleicht vollkommen falsch ist.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und den FREIEN WÄHLERN)

Der Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER hat unseres Erachtens Mängel, vor allem wenn es um das

Volksbegehren geht. Wir können uns nicht vorstellen, dass dieses Volksbegehren nicht haushaltsrelevant ist. Aber das zu entscheiden, ist nicht unsere Aufgabe. Ich halte diesen Gesetzentwurf mit dieser Doppelstruktur, mit zwei Zügen G 8 und G 9 an einer Schule, für problematisch. Das ist an kleineren Schulen nicht machbar. Gerade die FREIEN WÄHLER sind an den Schulen im ländlichen Raum interessiert. Da haben Sie einfach ein Problem in Ihrer Konzeption.

Der große Einwand hier bei diesem Gesetzentwurf ist ein inhaltlicher. Es wird im Prinzip das unbestritten unzureichende G 8 auf neun Jahre gestreckt, und dabei werden noch Dinge, die beim G 8 ganz gut waren, geschliffen, damit die Zeit ausreicht. Wir müssen das G 8 reformieren und da wirklich neue Wege gehen. Aber die Botschaft kann nicht sein: zurück zum G 9; denn auch das G 9 hat viele Mängel gehabt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber das G 8 ist mittlerweile ja zum Symbol geworden für eine nicht kind- und nicht jugendgerechte Schule, für Überforderung von Schülerinnen und Schülern, für zu wenig Zeit, auch für zu wenig Freizeit. Natürlich bringen das Schulen vor Ort ganz gut hin, und sie sagen: Wir bekommen den Stoff in den acht Jahren durch. Aber Stoff durchbringen heißt nicht: gelernt haben, Stoff durchbringen heißt nicht: verstanden haben, und Stoff durchbringen heißt nicht: etwas gelernt haben für sich und sein Leben, mit dem man etwas anfangen kann.

Wir GRÜNEN stellen einerseits die inhaltliche Reform voran und stellen andererseits fest, dass das G 8 von dieser Landtagsmehrheit nicht reformiert wird. Die Bereitschaft ist noch nicht da, es zu reformieren. Deswegen sind wir dafür, neue Wege zu gehen. Das müssen auch neunjährige Wege sein. Wir brauchen einen großen Diskussionsprozess für diesen Weg.

An erster Stelle steht für uns die Persönlichkeitsbildung. Wir müssen uns überlegen, wie gymnasiale Bildung im 21. Jahrhundert ausschaut. Wir sind uns, glaube ich, einig. Aber wir müssen über diesen Konsens reden und deutlich machen, dass wir Persönlichkeiten brauchen, die selbstständig sind, wenn sie die Schule verlassen, Eigenverantwortung und Verantwortung für andere übernehmen können, Persönlichkeiten, die nicht nur in Bayern, sondern mental auch in der Welt zu Hause sind, weltoffen sind, die nicht mit Wissen vollgestopft sind, sondern Wissen verstehen und anwenden können, die auch reflektieren und nachdenken können. Wenn nachdenkliche Menschen aus dem Gymnasium kommen, wäre das ganz gut, würde ich sagen.

Die Schulen brauchen Freiraum, um das zu organisieren. Wir müssen uns um die Unterstufe kümmern. Wir brauchen in der Mittelstufe ein anderes Lernen. Vierzehn Fächer im 45-Minuten-Takt in der Mittelstufe das ist Unsinn. Damit muss Schluss sein. Wir brauchen neue Modelle.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir werden das Gymnasium weiterentwickeln, neue Wege gehen. Ich werbe dafür, dass wir das in einem großen, gemeinsamen Bündnis machen, mit den verschiedenen Lehrerverbänden zusammen, mit den Eltern, mit den Praktikern vor Ort, mit den Schülerinnen und Schülern. Ich bin sicher, dass die drei Oppositionsparteien diesen Weg miteinander gehen. Ob die CSU irgendwann mitgeht, ist relativ sekundär. Irgendwann wird der Ministerpräsident, wenn er sieht, dass sich die Stimmung ändert, anders entschieden haben.

(Beifall bei den GRÜNEN – Volkmar Halbleib (SPD): Vielleicht hat er sich schon anders entschieden, und wir wissen es noch gar nicht! – Markus Rinderspacher (SPD): Vielleicht weiß er es noch nicht!)

- Vielleicht weiß er es selber auch noch nicht. Wir werden es dann erfahren. Ich meine, wir führen jetzt einfach einmal diese Diskussion und erzeugen einen gesellschaftlichen Druck. Dann wird er sich schon so entscheiden, wie wir uns das vorstellen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den FREIEN WÄHLERN, mit Ihrem Gesetzentwurf stellen Sie die richtigen Fragen. Wir glauben, dass die Antworten nicht ganz passen. Deswegen werden wir uns enthalten. Aber die Debatte geht jetzt erst richtig los. Ich bin froh, sie mit Ihnen gemeinsam gestalten zu dürfen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Gehring. Bleiben Sie bitte am Rednerpult. Kollege Dr. Fahn hat sich noch einmal zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Herr Gehring, ich freue mich über Ihre Äußerung. Das zeigt, dass die GRÜNEN jetzt doch langsam auf unsere Linie umschwenken. Wir sollten in den nächsten Wochen und Monaten intensiv diskutieren.

Ich möchte Ihnen noch einen anderen Aspekt nennen, der die Probleme des G 8 zeigt, zum Beispiel die gesundheitlichen Belastungen, die die Schülerinnen und Schüler durch das G 8 haben. Eine landesweite Umfrage in Schleswig-Holstein im Oktober 2013 ergab,

dass die G-8-Schülerinnen und –Schüler deutlich mehr unter Schlafstörungen leiden als G-9-Schüler. Professor Hurrelmann sagt, G-8-Schüler seien häufiger krank. Es gibt eine Studie der LMU München, die ganz klar ergibt, dass 60 % der G-8-Schüler angeben, die Freizeit reiche nicht mehr aus; von den G-9-Schülern sagen das nur 45 %.

Frage also: Welches inhaltliche Konzept haben die GRÜNEN, um die gesundheitliche Belastung der G-8Schüler, die es offensichtlich gibt, zu reduzieren?

Danke schön, Herr Kollege. Herr Gehring, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Wir müssen feststellen, dass auch das G 9 gesundheitliche Belastungen verursacht hat. Es kann also nicht darum gehen, einfach ein Jahr draufzusetzen. Wir müssen vielmehr die Art und Weise, wie an unseren Schulen gelernt wird, verändern.

Vielleicht noch eine Zusatzinformation. Auf die Frage, wie länderübergreifend die Belastungen im G 8 sind, antworten die bayerischen Schüler: Wir haben die größten Belastungen. Ich bin davon überzeugt, dass die bayerischen Schülerinnen und Schüler keine größeren Weicheier sind als die Schüler in anderen Bundesländern. Im Gegenteil, ich glaube dass das bayerische G 8 am schlechtesten funktioniert und die größten Belastungen für die Schülerinnen und Schüler erzeugt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege. Als Nächster hat das Wort Herr Kollege Professor Dr. Michael Piazolo von den FREIEN WÄHLERN. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, in der Ersten Lesung haben Sie gesagt, was das Gymnasium in Bayern braucht, ist Ruhe. Da kann ich nur sagen, Mann, haben Sie das in der letzten Woche mit der Ruhe gut hingebracht, Herr Minister. Mann oh Mann!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Ich sage in ganz deutlichen Worten: Wer in Bayern Lehrerstellen streicht, ist ein Unruhestifter in der Schullandschaft.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der SPD und den GRÜNEN)

Ich sage auch: Machen Sie die Dinge offen in dieser Politik. Wovor haben Sie Angst? Warum diese Hasenfüßigkeit? Gute Politik braucht nichts zu verschleiern. Wer Angst hat vor Zahlen, der nennt sie nicht. Sie nennen sie nicht. Sie scheinen Angst zu haben, offenzulegen, wie viele Lehrerstellen wir in Bayern haben. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Das ganze Parlament und die Bevölkerung möchten wissen, wie viele Lehrerstellen wir in Bayern haben. Das ist Ihre Aufgabe, dafür sind Sie gewählt. Deshalb sind Sie Kultusminister. Das möchte ich ganz deutlich sagen.

Ich sage den Kollegen der CSU: Eine Debatte jetzt darüber zu führen, wie viel Lehrer arbeiten, wie lange sie zu arbeiten haben, das zeugt nur von Misstrauen gegenüber diesem Beruf. Wir FREIEN WÄHLER sind überzeugt, dass die Lehrer in Bayern eine gute Arbeit leisten. Wir brauchen keine Debatte über Arbeitszeit, weiß Gott nicht.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, warum übt das Grundgesetz so eine Wirkung auf uns aus? Warum fasziniert die Erklärung der Menschenrechte? Warum vertrauen wir den Vorschriften des Strafgesetzbuches nach über hundert Jahren? - Sicherlich wegen der Inhalte, aber auch wegen der Kürze und Prägnanz der Formulierungen. Wir nehmen uns den Verfassungsgeber, den Gesetzgeber zum Vorbild bei unserem Volksbegehren. Es ist kurz, prägnant, es ist deutlich und offen. Da kann man viel hineingeheimnissen. Das wird verschiedentlich getan. Es wird dabei vieles übersehen. Dieser Gesetzentwurf ist klar und transparent.

Unsere drei Anliegen sind: Wir wollen für das G 8 und G 9 Wahlfreiheit. Wir wollen, dass die Entscheidung bei den Schulen liegt und die Ausgestaltung bei der Verwaltung der Schulen vor Ort. Das sind die drei Komponenten. Damit eröffnen wir Chancen für die Schüler, Lehrer, Eltern und für die bayerische Bevölkerung. Das ist klar und deutlich. Da kann man nur zustimmen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Herr Professor Piazolo, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein, jetzt nicht, erst am Ende. - Noch eine Randbemerkung zu Herrn Gehring von den GRÜNEN. Ich erinnere mich noch gut, es war damals auch das Argument der GRÜNEN bei den Studiengebühren, dass ihre Abschaffung kostenrelevant ist, und deshalb sind Sie damals nicht mitgegangen. Jetzt kommt das gleiche Argument. Ich persönlich bin der Auffassung, dieser

Gesetzentwurf, wie er vorliegt, bedeutet keine Kosten. Er greift nicht in den Haushalt ein. Insofern glaube ich, dass Sie zustimmen können.

Ich glaube, das gilt auch für die CSU – ich hätte beinahe CSU-Genossen gesagt -

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Ich meine die CSU-Mitglieder. Sie sehen Gespenster in dieser Debatte, wo es keine gibt. Sie bauen Mauern, um den Blick zu verstellen, und Sie verirren sich im Labyrinth des eigenen Misstrauens.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir stellen uns der Diskussion. Wir zeigen Möglichkeiten auf, wir geben Chancen, und wir vertrauen den Menschen, dass sie die Reform vor Ort gut in die Hände nehmen. Wir vertrauen den Menschen, den Schülern, den Lehrern und den Eltern, dass sie die Chancen, die wir ihnen per Volksgesetzgebung geben werden, auch nutzen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Herr Professor Piazolo, bleiben Sie bitte noch am Rednerpult. Frau Kollegin Brendel-Fischer hat sich zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Herr Professor Piazolo, Sie werfen uns vor, wir würden Gespenster sehen. Ich glaube, Sie sehen auch manchmal welche. Die CSU hat zu keinem Moment jemals die Arbeitszeit infrage gestellt und nicht diese Debatte aufgeworfen. Ich bitte also, wirklich zuzuhören und Presseverlautbarungen genau wahrzunehmen, sich die Originaltöne im Radio anzuhören und nicht irgendwelche verkürzten Varianten, die Sie andernorts finden.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. Herr Professor Piazolo, Sie haben das Wort.

Ich habe schon mitgekriegt, dass die Vorschläge der CSU noch nicht so weit gediehen sind. Ich habe das nur der Presse entnommen. Ich komme gern zu den CSU-Fraktionssitzungen oder Arbeitskreissitzungen, soweit ich eingeladen bin. Dann hätte ich es aus erster Hand mitbekommen. Ich war aber auf die Medien angewiesen.