Protokoll der Sitzung vom 05.02.2014

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nun will ich Ihnen fünf Rechenbeispiele vortragen.

(Zurufe von den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

- Ich habe Taschenrechner dabei für den Fall, dass jemand nicht mitrechnen kann. Herr Kultusminister, soll ich Ihnen einen leihen? - Es geht um ganz einfache Grundrechenarten im Hunderter- und Tausenderbereich, die man in der zweiten Klasse der Grundschule lernt. Das geht also.

Beispiel eins: 87.402 minus 86.626 ergibt 776. Das ist ganz leicht. Die Zahl der Lehrerplanstellen 2013 minus die Zahl der Lehrerplanstellen 2014 ergibt ein Defizit von 776. Die Zahl 830 ergibt sich dabei nicht, dafür fehlt etwas; aber immerhin zeigt sich ein Abbau.

Ich komme zu Beispiel zwei. Wahrscheinlich kommen Ihnen allen die Zahlen bekannt vor. 309 plus 520 ergibt 829, also fast 830, die von Kultusminister Spaenle genannte Zahl an Lehrerstellen, die zum 1. August 2014 abgebaut werden. Das ist alles im Haushalt nachzulesen.

Rechenbeispiel drei: 1.309 minus 1.113 ergibt 196. Herr Söder ist gerade nicht da, schade. Kommt Ihnen die Zahl auch bekannt vor? Die Zahl 196 wurde am zweiten Tag kommuniziert. 1.309 steht für die Stellenmehrung der beiden demografischen Renditezahlen; das muss man nicht verstehen, aber es ist nachzule

sen. Die Zahl 1.113 steht im Haushalt für den Stellenabbau.

Beispiel vier: 1.326 minus 829 ergibt 497. Das ist die Zahl der Stellen, über die Kultusminister Spaenle noch im Nachtragshaushalt verhandeln will. Nun kommt das Interessante: Es wird kommuniziert, im Bildungsbereich werde es 340 Stellen mehr geben. Auch diese Zahl kann man nachvollziehen. 1.453 minus 1.113 ergibt 340. 1.453 steht für den Unterschied zwischen den beiden demografischen Renditen aus den beiden Jahren. Davon werden die tatsächlichen Stellenstreichungen im Haushalt abgezogen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was gilt jetzt? Das wäre doch einmal eine spannende Frage. Was zählt denn jetzt? Handelt es sich hierbei um einen Fall von Dyskalkulie, um so etwas wie eine Rechenschwäche?

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den GRÜ- NEN – Helga Schmitt-Bussinger (SPD): Bestimmt!)

Es könnte ja sein. Oder ist es ein bewusstes Verschleiern? Mal so, mal so – es wird schon keiner darauf kommen. Ist es, gemessen am Bayernplan und den ursprünglich genannten demografischen Renditezielen, sogar Wahlbetrug?

(Markus Rinderspacher (SPD): Das ist es! – Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in jedem Fall haben wir alle in diesem Haus Anspruch auf Wahrheit und Klarheit. Deshalb haben wir auch diesen Dringlichkeitsantrag gestellt. Wir brauchen verlässliche Rahmenbedingungen. In den Schulen müssen die Schulleiter, die Lehrer, die Eltern und die Schülerinnen und Schüler wissen, wie es weitergeht. Deshalb stelle ich eine klare Forderung: Hier muss reiner Tisch gemacht werden. Wir werden den Herrn Minister heute noch hören, und wir werden, sofern Sie dem Antrag zustimmen, den Herrn Minister dann im Bildungsausschuss die Zahlen referieren hören; denn das erwarten wir.

In jedem Fall steht fest: Wir können im Schulbereich keine einzige Stelle streichen, verschieben oder verschleiern, weil wir sie für mehr Ganztagsschulen, mehr individuelle Förderung und für Inklusion brauchen. Das ist jetzt keine SPD-Forderung, obgleich auch die SPD das fordert, sondern eine Forderung der Staatsregierung. Richtig. Auch richtig. Streichen geht gar nicht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, stimmen Sie deshalb diesem Antrag zu. Dann haben wir noch gar nicht von Klassenaufbau usw. geredet. Es gibt im Bildungsbereich sehr viel zu tun. Dafür brauchen wir Lehrer, Lehrer, Lehrer.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Ich bitte dann den Herrn Kollegen Günther Felbinger ans Rednerpult.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Herr Kollege Güll, Sie setzen für das Kultusministerium einen ganz schönen hohen Intellekt voraus, den man eigentlich nach den Vorkommnissen der letzten zehn Tage – ich will es einmal so sagen – in Zweifel ziehen muss. Im Kultusministerium herrscht anscheinend ein mathematisches Grundverständnis, das für niemanden in Bayern so richtig nachvollziehbar ist. Ich denke, es ist auch für den Herrn Kultusminister selbst nicht nachvollziehbar. Nachdem am Sonntag 830 Stellen gestrichen wurden und am Montag wieder die gegenläufige Bewegung eingeleitet wurde – hin und her und keiner weiß, ob 196 oder 136 Stellen, was auch immer –, habe ich mich ehrlich gefragt: Ist denn schon Fasching hier in Bayern? Denn das, was wir hier geboten bekommen haben, ist gnadenlos. So möchte ich das mal ausdrücken. Als ich am vergangenen Samstag in der "Augsburger Allgemeinen" gelesen habe, dass der Kultusminister Spaenle, ich zitiere, einen totalen Strategiewechsel in der Bildungspolitik angekündigt habe, habe ich genau hingeschaut und mir überlegt, wo denn diese Strategie überhaupt ist. Eines ist sicher: Es scheint eine Änderung zu geben, was nach dem Wirrwarr der letzten Tage fast nicht zu glauben ist, und Herr Minister Spaenle gesteht damit ein, dass seine bisherige Strategie gescheitert ist.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Herzlichen Glückwunsch, Herr Kultusminister Spaenle, Ihre Bildungspolitik des Vertuschens, des Schönredens und des Blendens ist in der Tat gescheitert.

(Unruhe bei der CSU)

Wir wissen eigentlich überhaupt nicht, welche Strategie Sie verfolgen. Sie haben auf jeden Fall angekündigt – damit wollen Sie wahrscheinlich nur von der aktuellen Einstellungspolitik ablenken –, dass der Zugang zum Referendariat unter Umständen beschränkt werden soll. Als Nächstes haben Sie dargestellt, dass die Präsenzpflicht für die Lehrkräfte ausgebaut werden soll und sie zum Teil bis 17.00 Uhr an den Schulen präsent seien sollen. Der dritte Baustein dieser anscheinend neuen Strategie ist, dass Sie nun Lehrerstellen kürzen, diese Kürzungen dann wieder

zurücknehmen und doch wieder 300 zusätzliche Stellen haben. Keiner weiß es so genau. Fakt ist – das habe ich schwarz auf weiß –, dass gekürzt werden wird, nämlich um 371 Stellen; denn das haben Sie mir am 20.12.2013 auf meine schriftliche Anfrage hin bestätigt, und es ist bis heute nicht widerlegt. Also gehe ich davon aus, dass es auch so ist.

Aber wie der Herr Kollege Güll schon völlig richtig gesagt hat, können wir keine einzige Stelle streichen; denn wir brauchen jede einzelne Stelle. Sie kennen die Aufgaben, die vor uns stehen, ganz genau. Vor dieser Politik, die Sie hier an den Tag legen, graut es selbst Ihren eigenen Parteikollegen. Ich zitiere Uwe Brandl, den Abensberger Bürgermeister und Präsident des Bayerischen Gemeindetags:

Da kennt sich doch, Entschuldigung, kein Schwein mehr aus. Man kann nicht andauernd über Inklusion, Ganztagsschulen und andere Verbesserungen reden und dann Personal streichen.

Da muss ich sagen: 100 % Zustimmung für den Herrn Brandl. Wenigstens einer aus der CSU hat die Zeichen der Zeit erkannt und orientiert sich in die richtige Richtung.

Meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Kultusminister, hören Sie endlich mit diesem Versteckspiel im Bildungssystem auf. Da heißt es von der CSU "Ja, die Stellen bleiben im Bildungssystem". Was ist das Bildungssystem? Es ist ein Hin- und Hergeschiebe zwischen dem Schulsystem und dem Wissenschaftsministerium. Das können wir nicht länger dulden. Bringen Sie endlich die Fakten und die Zahlen auf den Tisch und erklären Sie, wie viele Lehrerstellen Sie für die Schulen haben, wie viele gestrichen sind und was wir überhaupt in diesem ganzen Bereich für die Zukunft zu erwarten haben. Wir erwarten jedenfalls eine Klarstellung und Transparenz und dass Sie endlich Farbe bekennen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Danke schön. – Als Nächstem erteile ich Herrn Kollegen Thomas Gehring das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir hören heute viel von Problemen der CSU und der Staatsregierung. Ich will Ihnen jetzt einmal gut zureden und sagen, dass Sie ein bestimmtes Problem gar nicht haben. Es hieß ja, Sie hätten ein Kommunikationsproblem. Dieses Problem haben Sie nicht. Sie haben ein anderes Problem. Sie haben ein Glaubwürdigkeitsproblem, und dieses Problem ist wesentlich größer.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und den FREIEN WÄHLERN)

Dieses Glaubwürdigkeitsproblem ist so groß, dass alle bayerischen Lehrerverbände zusammen in der letzten Woche eine Resolution verfasst haben – vom Philologenverband BLLV bis zur GEW. Das kommt alle zehn Jahre vor.

(Isabell Zacharias (SPD): Das ist Geschichte!)

Das zeigt, wie sehr momentan bei Ihnen im Haus der Kittel brennt. Sie haben jetzt gesagt, Sie wollen alle Lehrerverbände wieder einladen. Sie schaffen es nicht einmal und haben es nicht einmal im Kreuz, alle Lehrerverbände gemeinsam in dieser Woche an einen Tisch einzuladen. Sie haben also dieses erste Versprechen schon wieder gebrochen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Abgeordneter Güll hat die Zahlen vorgelegt. Diese Zahlen sind uns eigentlich nicht neu. Wir haben bereits darüber diskutiert, als wir über den letzten Haushalt gesprochen haben. Damals wurde schon versucht, diese Zahlen zu verschieben und zu versetzen, hier zu streichen und dort umzubuchen. Der Kultusminister hat nichts anderes gesagt als das, was im Haushalt steht. Dort steht einfach, dass die demografische Rendite, diese 829 Stellen, gestrichen werden.

Was mich an dieser Zahlenrederei ärgert, ist, dass sich die Regierungsseite immer Zahlen herausnimmt, die schön klingen. Da heißt es zum Beispiel im Doppelhaushalt 2013/2014: So viele Stellen gab es noch nie. Dann muss man aber dazu sagen, dass es 2014 über 700 Stellen weniger als im Jahr 2013 geben wird. Sie haben in diesem Doppelhaushalt schon wieder mit dem Abbau angefangen.

Das Glaubwürdigkeitsproblem ist groß; es darf nicht unterschätzt werden. Es zeigt sich: Wer ständig verschwiemelt argumentiert, der täuscht. Wer unlauter argumentiert, hat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Sie werden von diesem Problem nicht schnell herunterkommen. Herr Ministerpräsident Seehofer, Sie müssen nicht nur in der Energiepolitik, sondern auch in der Bildungspolitik langsam anfangen, zu regieren. Sie sollten nicht nur schöne Ziele nennen, sondern sagen, wie es konkret geht. Deswegen unser Dringlichkeitsantrag. Darin ist die Ganztagsschulgarantie angesprochen. Dazu muss vom Kultusministerium ausgerechnet werden, wie viele Stellen es kostet, wenn wir eine Ganztagsschulgarantie haben wollen. Diese Zahlen müssen auf den Tisch.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch zur Grundschulgarantie kann man Szenarien entwickeln und ausrechnen, wie viele Stellen diese Garantie kostet. Wir alle wissen, dass die Unterrichtsversorgung nicht ausreichend ist. Ein Beispiel: An einer Grundschule in Bayern fallen fünf Lehrerinnen aus. Zwei sind krank, zwei sind als Multiplikatorinnen unterwegs. Eine Lehrkraft ist Ersatz. Das ist die heutige Situation in Bayern.

Das Thema Inklusion an den bayerischen Schulen finden alle toll, und alle loben unsere interfraktionelle Arbeitsgruppe "Inklusion". Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem Konsens in der interfraktionellen Arbeitsgruppe kommen wir nur weiter, wenn wir auch im Haushalt etwas für die Inklusion erreichen, und zwar mehr als bisher. Sonst können wir das bleiben lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir brauchen deshalb klare Zahlen. Wie viele Lehrerstellen stehen zur Verfügung? Wie hoch ist die demografische Rendite? Sie haben gesagt, die demografische Rendite bleibe im System. Wir wissen aber nicht, wie hoch sie ist. Man kann leicht etwas versprechen, wenn man die Zahl nicht sagt. Wie hoch wird sie in diesem Jahr, im nächsten Jahr und im übernächsten Jahr bis zum Jahr 2018 sein? Das kann man ausrechnen. Ich gehe davon aus, dass dies jemand im Finanzministerium ausgerechnet hat. Beim Kultusministerium glaube ich nicht mehr daran. Diese Zahlen gehören auf den Tisch. Dann sehen wir die Bedarfe und die Ressourcen und können miteinander über Politik reden und Politik machen. So bewegen wir uns aber nur im luftleeren Raum. Versprechungen können wir uns nicht mehr leisten, vor allem Sie nicht, weil Sie keine Glaubwürdigkeit mehr haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Als Nächsten bitte ich Herrn Professor Dr. Waschler ans Mikrofon.

Frau Präsidentin, Hohes Haus! Es ist schon interessant: Herr Kollege Güll und die SPD-Fraktion unterstellen, dass etwas verschleiert werde. Die Oppositions-Fraktionen haben von Defiziten gesprochen und wollen suggerieren, dass sie allein Verbesserungen im Bildungssystem erreichen wollten. Ich sage Ihnen: Wir alle wollen das. Wenn man aber die Dringlichkeitsanträge betrachtet, wird dieser Anstrich der Seriosität sehr schnell nichtig. Denn in Wirklichkeit wollen sie der breiten Öffentlichkeit vermitteln, dass Personaldefizite bestünden und das Bildungswesen in Bayern mehr oder weniger auf einem Abstiegsplatz sei.

Herr Kollege Felbinger kommt mir gerade recht, da er im Bildungsausschuss wohltuende Parallelen aus dem Sport herangezogen hat. Sie haben krampfhaft versucht, zu unterstellen, dass bei uns der Standard nicht gewährleistet sei. Das ist so, als wenn ein Trainer Athleten für hohe Meisterschaften vorbereitet, der Athlet dort gewinnt und anschließend behauptet wird, die Trainer hätten versagt oder es habe zu wenige Trainer gegeben habe. Die Trainer sind hierbei die Lehrer. Das Trainingsprogramm ist der Unterricht.

(Markus Rinderspacher (SPD): Zur Sache!)

- Lieber Herr Kollege Rinderspacher, ich bin bei der Sache. Wir haben in Bayern die am besten qualifizierten Lehrer.

(Markus Rinderspacher (SPD): Lehrerstellenabbau? Was ist Sache?)

Wir haben die besten Rahmenbedingungen. Jetzt kommt die Oppositionsgruppe im Bayerischen Landtag und versucht,