Protokoll der Sitzung vom 30.05.2017

Lieber Kollege Gehring, wir haben hier im Plenum und im Ausschuss diskutiert. Natürlich hat sich die CSU dieser Diskussion gestellt. Wir weisen während dieser Diskussion auf diese Fehler hin, und Sie werden in Gesprächen mit Fachleuten auf diese Fehler hingewiesen. Daher verstehe ich nicht, weshalb Sie dieses

Gesetzgebungsverfahren nicht dazu genutzt haben, Änderungsanträge einzubringen, um diese Fehler zu korrigieren. Das haben Sie nicht gemacht.

(Zuruf von der CSU: Richtig! – Dr. Simone Stroh- mayr (SPD): Wieso machen Sie das dann nicht? Was ist mit Ihren Fehlern?)

Deswegen können wir Ihren Gesetzentwürfen nicht zustimmen. Mir bleibt nicht erspart, diese Fehler auch heute klar zu benennen, um zu dokumentieren, weshalb es nicht damit getan ist, einfach in das Gesetz reinzuschreiben: Das Gymnasium umfasst die Jahrgangsstufen fünf bis dreizehn. – Damit ist nicht alles erledigt, sondern es steckt mehr dahinter.

Gehen wir zum Gesetzentwurf der GRÜNEN zum "G 9 neu". Sie wollen in Ihrem Gesetzentwurf erstens dieses "G 9 neu" gleichzeitig in der Jahrgangsstufe fünf und in der Jahrgangsstufe acht einführen. Das heißt, Sie müssen eine Stundentafel, einen Lehrplan und die entsprechenden Lehrmaterialien für ein Gymnasium entwickeln, das die Jahrgangsstufen fünf bis dreizehn umfasst, und gleichzeitig eine Stundentafel, einen Lehrplan und das entsprechende Lehrmaterial für ein Gymnasium, das die Jahrgangsstufen acht mit dreizehn umfasst; denn Sie wollen es ja gleichzeitig in der fünften und in der achten Jahrgangsstufe einführen.

(Zuruf des Abgeordneten Thomas Gehring (GRÜNE))

Das werden nur drei Schülerjahrgänge sein; denn dann wächst das Gymnasium von unten her an. Diese drei Schülerjahrgänge wachsen dann wie eine Baumscheibe durch das Gymnasium hindurch. Es wird wohl so sein, dass es für diese drei Jahrgänge keine Lehrmaterialien geben wird, weil es sich nicht rentiert, nur für drei Jahrgänge Lehrmaterialien zu entwickeln. Diese drei Jahrgänge haben dann einfach Pech. Deswegen werde ich sie im weiteren Verlauf "Pechvogeljahrgänge" nennen.

(Dr. Simone Strohmayr (SPD): Oh Mann!)

Das muss man sich praktisch vorstellen: Wenn dieses Gymnasium, das G 9 der GRÜNEN, eingeführt wird, dann unterrichten wir in der fünften Jahrgangsstufe nach der Stundentafel des neunjährigen Gymnasiums, in der sechsten und siebten Jahrgangsstufe nach der Stundentafel und dem Lehrplan des G 8,

(Thomas Gehring (GRÜNE): Das wird doch bei Ihnen auch so sein!)

in der achten Jahrgangsstufe den Pechvogeljahrgang und in den Jahrgangsstufen neun bis dreizehn wieder G 8.

(Thomas Gehring (GRÜNE): Aber wie schaut es denn bei euch aus?)

Das möchten Sie an jedem Gymnasium umsetzen. Ich wünsche nicht nur den Lehrern, sondern auch den Schülern und Eltern sehr viel Spaß dabei.

Das Zweite ist die Frage, wann dieses "G 9 neu" eingeführt werden soll. Das Inkrafttreten ist zum 01.08.2017 vorgesehen, also in rund zwei Monaten. Wann soll es umgesetzt werden? Wann wird es an den Gymnasien eingeführt? – In dreieinhalb Monaten, nämlich Mitte September. Bis dahin muss nicht nur die Gymnasialschulordnung – GSO – geändert werden, sondern es müssen auch zwei Stundentafeln entwickelt werden und zwei Lehrpläne gemacht werden. Die Lehrer sollen in diese Lehrpläne eingewiesen werden, damit sie in dreieinhalb Monaten entsprechend unterrichten können.

(Zuruf des Abgeordneten Thomas Gehring (GRÜNE))

Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Schulbuchverlage innerhalb von dreieinhalb Monaten die entsprechenden Schulbücher auf den Markt bringen werden, geschweige denn, dass die Kommunen überhaupt die Möglichkeit hätten, diese zu erwerben. Die Vorlaufzeit von zwei bzw. dreieinhalb Monaten ist viel zu kurz. Herr Kollege Gehring, ich sage Ihnen das eine: Wer diesem Gesetzentwurf heute zustimmt, hat aus meiner Sicht das moralische Recht verloren, die Einführung des G 8 noch zu kritisieren. Das muss ich Ihnen ganz offen sagen.

(Beifall bei der CSU)

Ein dritter Punkt: Der mittlere Schulabschluss soll nach dem Gesetzentwurf nach der zehnten Jahrgangsstufe erreicht werden. Die SPD hat wenigstens hineingeschrieben, dass dies nach erfolgreichem Besuch der zehnten Jahrgangsstufe der Fall sein soll. Sie haben einfach gesagt, dass dieser Abschluss nach der zehnten Jahrgangsstufe erreicht wird.

Jetzt schauen wir uns diesen Pechvogeljahrgang an. Dieser hat in der fünften, sechsten und siebten Jahrgangsstufe das G 8, in der achten, neunten und zehnten Jahrgangsstufe Ihren neuen Lehrplan. Trotzdem soll dieser Jahrgang die KMK-Bestimmungen für die mittlere Reife nach der zehnten Klasse erfüllen. Wir haben es bei der Mittelstufe Plus nicht geschafft. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie uns vorstellen, wie Sie hier die KMK-Bestimmungen erfüllen. Das war wohl

der Grund, weshalb die SPD zumindest im Ausschuss nicht zugestimmt hat, Herr Kollege Güll, und auch die FREIEN WÄHLER nicht. Sie von den GRÜNEN waren die Einzigen, die den Gesetzentwurf positiv begleitet haben.

Nun komme ich zum Gesetzentwurf der SPD zum neunjährigen Gymnasium in Bayern. Meine Damen und Herren, wenn man tiefgreifende Eingriffe in die Gymnasialstruktur macht, hat das natürlich erhebliche Auswirkungen. Beachtet man dies nicht, dann kann es passieren, dass man Vorgaben macht, die sich gegenseitig ausschließen. Zum Beispiel wurde die Pflichtwochenstundenzahl vonseiten der SPD auf 270 Wochenstunden festgelegt. Im G 8 haben wir 265 Wochenstunden, hier hätten wir 270. Wir bekommen 12,5 % mehr an Jahren, aber nicht einmal 2 % mehr an tatsächlich unterrichteten Stunden. Ob das der große Qualitätssprung ist, Herr Güll, den Sie vorher angepriesen haben, wage ich zu bezweifeln; denn durchschnittlich haben die einzelnen Klassen rund 30 Wochenstunden. Das sind weniger Stunden, als die Schüler an der Mittelschule haben. Gleichzeitig möchten Sie aber die Erhöhung der Wochenstundenzahl in den Kernfächern, die Beibehaltung der Intensivierungsstunden,

(Zuruf des Abgeordneten Martin Güll (SPD))

die Stärkung der politischen Bildung, mehr Lernzeit, verstärkte Allgemeinbildung, mehr Entschleunigung und verstärkte Persönlichkeitsbildung. Das alles wollen Sie mit ganzen fünf Wochenstunden mehr.

(Michael Hofmann (CSU): Zauberer!)

Wer sich jemals mit dem Thema Stundentafel beschäftigt hat, wird Ihnen bestätigen, dass das bei bestem Willen nicht realisierbar ist. Deswegen ist dieser Gesetzentwurf eine Mogelpackung. Wer dennoch daran festhält, lügt sich aus meiner Sicht in die eigene Tasche.

(Beifall bei der CSU)

Sie haben weiter festgelegt, dass in jeder Stufe – Ober-, Mittel- und Unterstufe – 90 Wochenstunden unterrichtet werden. Das heißt, dass auch in der Oberstufe 90 Wochenstunden unterrichtet werden.

(Martin Güll (SPD): In der Regel!)

Das ist nicht die Regel. Das steht in Ihrem Gesetzestext drin.

(Martin Güll (SPD): Das steht nicht im Gesetz!)

90 Wochenstunden für drei Schuljahre, das heißt, durchschnittlich 30 Wochenstunden je Schuljahr. Das ist der Umfang, in dem auch die vierte Jahrgangsstufe an der Grundschule Unterricht hat. Damit reduzieren Sie automatisch die bestehende Belegungsverpflichtung in der Qualifikationsphase. Wir haben aber KMKBestimmungen, die erfüllt werden müssen. Das heißt, dank der Festlegung des Umfangs der Stundenzahl in der Oberstufe, nämlich deutlich niedriger als jetzt, nehmen Sie automatisch in Kauf, dass wir eine Reduzierung der gesellschaftswissenschaftlichen Fächerbelegung in der Qualifikationsphase haben. Gleichzeitig machen Sie aber die Vorgabe, die politische Bildung zu stärken. Das ist ein Widerspruch. Darüber hinaus sagen Sie, dass Sie in der Q-Phase zwei Leistungskurse einführen wollen. Das geht leider nicht zusammen. Das sind Vorgaben, die nicht kompatibel sind.

Darüber hinaus machen Sie in Ihrem Gesetzentwurf keinerlei Aussagen zur Mittelstufe Plus, obwohl Sie das von uns bis vor Kurzem noch vehement verlangt haben.

Herr Kollege Gehring, Sie haben die Kosten angesprochen. Angeblich haben Sie etwas von einer Milliarde Euro gesagt. Die CSU ist bei einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag. Aber in Ihrem Gesetzentwurf stehen allein für die Kosten der Konnexität nicht eine Milliarde Euro, sondern 1,5 Milliarden Euro.

(Dr. Thomas Goppel (CSU): Typisch!)

Das ist die Hälfte mehr, als Sie uns vorher in Ihrer Rede – ich hätte fast gesagt: untergejubelt haben – hier an diesem Tisch gesagt haben. Eine halbe Milliarde Euro ist sehr viel Geld. Deshalb würde ich sagen: Bleiben wir doch bei den Fakten. Bleiben wir bei den Zahlen, die Sie in Ihren Entwürfen genannt haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich richtig zusammengezählt habe, haben wir in den letzten Jahren zehn verschiedene Vorschläge zur Weiterentwicklung des bayerischen Gymnasiums vonseiten der Oppositionsfraktionen bekommen und darüber diskutiert. Deswegen mein Rat: nicht Masse statt Klasse, sondern Qualität vor Quantität!

(Beifall bei der CSU)

Aus diesem Grund können wir beide Gesetzentwürfe nicht mittragen.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege Lederer, bleiben Sie bitte am Rednerpult. Der Kol

lege Gehring hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.

Herr Kollege Lederer, das moralische Recht, wer was kritisieren darf, würde ich ein bisschen tiefer hängen.

(Widerspruch des Abgeordneten Dr. Thomas Goppel (CSU))

Wir reden nicht über moralische Rechte, wenn wir über das G 8 und das G 9 reden. Wir reden über unterschiedliche Konzepte. Dass das G 8 schiefgelaufen ist, haben Sie letztlich selber einsehen müssen. Ich will aber gar nicht mehr über die Vergangenheit reden. Ich will über unseren Gesetzentwurf sprechen.

Wir reden über die Einführung des G 9 für die Schülerinnen und Schüler, die im kommenden Schuljahr in die 5. Klasse kommen. Wir haben einen unterschiedlichen Zeitraum für das Inkrafttreten des Gesetzes. Faktisch sind aber die Schülerinnen und Schüler, die im kommenden Schuljahr in die 5. Klasse kommen, die ersten G-9-Schüler. Das ist nach unserem Gesetzentwurf so, und soviel ich weiß, wird es nach Ihrem Gesetzentwurf genauso sein. Nach Ihrem Gesetzentwurf werden die Schüler in der 5. Klasse faktisch noch G-8-Schüler und ab der 6. Klasse G-9-Schüler sein. In der pädagogischen Arbeit gibt es keinen Unterschied gegenüber unserem Gesetzentwurf. In der 5. Klasse wird sich zunächst nicht sehr viel ändern. Erst ab der 6. Klasse werden mit dem neuen Lehrplan die neuen Konzepte entwickelt und die entsprechenden Unterrichtsmaterialien vorbereitet, sodass mit dem Aufwachsen dieses Schülerjahrgangs die erforderlichen Materialien geliefert werden. Wir brauchen für die jetzigen Fünftklässler im nächsten Jahr noch nicht die Materialien für die 7., die 8. oder die 9. Klasse dieses Schülerjahrgangs zu haben. Das muss aufgebaut werden, und das wird nach unserem Gesetzentwurf nicht anders sein als nach Ihrem. Wir machen es gesetzestechnisch anders, aber faktisch ist es das Gleiche.

Die Ansage an die Schülerinnen und Schüler der 5. Klasse des kommenden Schuljahrs lautet: Ihr seid die ersten G-9-Schüler. Das haben die Eltern gefordert. Es wäre gut gewesen, das den Eltern schon im März bei den Anmeldungen und den Informationsveranstaltungen an den Schulen zu sagen. Wir hätten es ihnen gesagt, Sie haben es ihnen nicht gesagt. Das wäre besser gewesen, faktisch ist es aber das Gleiche.

Das Zweite, die 8. Klasse – –

Herr Kollege, darf ich Sie an die zwei Minuten erinnern?

Ich will nur sagen: Auch das ist zu schaffen. Achtklässler, die im G 8 nach der 10. Klasse die Mittlere Reife haben, hätten dann noch drei Jahre Zeit bis zum Abitur. Sie bauen einen Popanz auf. Aber ich sehe, Sie haben sich sehr mit dem Thema beschäftigt. Ich gehe davon aus, dass Sie in der Auseinandersetzung mit unseren Gesetzentwürfen sehr viel gelernt haben. Ich bin gespannt, wie diese Lernerfahrung bei Ihrem Gesetzentwurf zum Tragen kommt.

Danke schön, Herr Kollege. – Jetzt hat Kollege Lederer das Wort. Bitte schön.

Herr Kollege Gehring, zum einen möchte ich ganz klar feststellen, dass das G 8 nicht gescheitert ist.