Protokoll der Sitzung vom 30.05.2017

Herr Kollege Gehring, zum einen möchte ich ganz klar feststellen, dass das G 8 nicht gescheitert ist.

(Florian von Brunn (SPD): Nein, die Staatsregierung ist gescheitert!)

Sie waren doch selbst bei den Anhörungen in den Jahren 2012 und 2014 dabei. Ich muss doch nicht wiederholen, dass 2012 im Bildungsausschuss – Sie waren damals dabei, ich nicht – ganz klar festgestellt wurde, das G 8 sei nicht totgelaufen. Im Gegenteil, es wurde akzeptiert.

(Dr. Simone Strohmayr (SPD): Warum haben Sie es jetzt geändert?)

Dass der Rahmen des achtjährigen Gymnasiums für die Weiterentwicklung, für das, was wir in Zukunft machen wollen, sehr eingeschränkte Möglichkeiten bietet, während ein neunjähriges Gymnasium weitere Möglichkeiten bietet, darin sind wir uns ganz einig.

(Dr. Simone Strohmayr (SPD): Hoffentlich glauben Sie auch daran!)

Herr Kollege Gehring, auf die Frage, ob ich in der Auseinandersetzung mit Ihrem Gesetzentwurf sehr viel gelernt habe, kann ich Ihnen eine Antwort geben. Das, was Sie gerade alles gesagt haben, kann ich nicht beurteilen. Ob Sie eine ähnliche Stundentafel entworfen haben wie das, was wir geplant haben, weiß ich nicht; denn ich habe von Ihnen noch kein einziges Wort über eine Stundentafel oder einen Lehrplan gehört; überhaupt noch nichts habe ich davon gehört.

(Thomas Gehring (GRÜNE): Wir von Ihnen auch nicht!)

Das ist eben der große Unterschied zwischen dem, was wir, die CSU, gemacht haben, und dem, was Sie als Oppositionspartei gemacht haben. Sie haben es sich sehr einfach gemacht und ein Gesetz in die Wege geleitet, in dem neun Jahre als Lernzeit festgelegt werden. Dazu, wie diese neun Jahre ausgefüllt werden sollen, welche Stundentafel dahintersteckt und welche Gedanken Sie sich über den Lehrplan gemacht haben, haben wir gar nichts gehört, auch nicht in der Diskussion im Ausschuss. Deswegen konnte ich leider sehr wenig lernen, weil zu diesen Fragen nichts vorhanden war.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege Lederer. – Als Nächster hat Herr Prof. Dr. Piazolo von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die gute Nachricht, die wir schon seit einer ganzen Weile hören, lautet, dass das neunjährige Gymnasium in Bayern wieder kommt. Das hat bei der CSU lange, zu lange gedauert. Ich will ein bisschen zurückblättern. Wir FREIE WÄHLER hatten schon im Oktober 2013 einen recht schmalen Gesetzentwurf eingereicht, aber der von der CSU wird wahrscheinlich auch nicht sehr dick sein. In diesem Gesetzentwurf werden auch keine Stundentafeln stehen.

Bei diesem Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER ging es darum, das neunjährige Gymnasium in Bayern wieder einzuführen. Damals, vor dreieinhalb Jahren, hat die Kollegin von der CSU, Frau Kerstin Schreyer-Stäblein, Folgendes gesagt:

Aus unserer Sicht hat sich das Gymnasium so, wie es jetzt läuft, bewährt.

Das kann man aus der Sicht der CSU so sagen. Jetzt kommt es:

Die Idee eines neuen G 9 ist überholt. Das ist keine Weiterentwicklung, sondern an dieser Stelle ein Rückschritt.

Das war die Aussage der CSU im Jahr 2013. Genau diese Idee hat die CSU aber heute. Dreieinhalb Jahr später folgen Sie dieser damals von den FREIEN WÄHLERN vorgebrachten Idee. Damals folgten Sie dieser Idee nicht, weil sie überholt war. Was vor dreieinhalb Jahren überholt war, machen Sie jetzt. Das erklären Sie einmal den Leuten! Genau das ist das Problem. Heute haben Sie zu erklären, warum Sie das G 9 unter Herrn Stoiber abgeschafft haben,

warum Sie dann die ganzen Jahre über das G 8 für toll befanden und warum Sie es jetzt wieder abschaffen und das G 9, das Sie jahrelang verteufelt haben, wieder einführen. Das G 8 ist nun einmal nicht leicht zu erklären. Genau deshalb haben Sie sich mit dem Wechsel so schwergetan. Das verstehe ich auch. Wenn Sie aber jetzt sagen, Sie hätten alles so toll gefunden, das alte G 9 sei toll gewesen, das G 8 sei toll gewesen und das neue G 9 sei toll, dann glauben es Ihnen die Menschen im Lande nicht.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Die Wahrheit, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ist Folgende: Nach dem Stoiber‘schen Bildungskahlschlag von damals ist jetzt langsam die Aufforstung wieder gelungen. Ich zähle es noch einmal auf: Das Büchergeld wurde abgeschafft, inzwischen ist es wieder eingeführt. Die Studiengebühren wurden damals eingeführt, vor einiger Zeit wurden sie wieder abgeschafft. Damals wurde von Stoiber auch das G 8 eingeführt, jetzt wird es wieder abgeschafft. Nach diesem enormen Kahlschlag in der Bildungspolitik haben Sie jetzt über zehn Jahre gebraucht, um wieder sorgfältig ein paar Pflänzchen wachsen zu lassen. Sich dafür aber auch noch loben lassen zu wollen, schlägt dem Fass den Boden aus, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich will jetzt zu den Gesetzentwürfen kommen. Wir werden genauso abstimmen, wie wir es im Ausschuss getan haben. Wir werden uns beim Gesetzentwurf der GRÜNEN enthalten und dem Gesetzentwurf der SPD zustimmen. Wir werden dem Entwurf der SPD nicht deshalb zustimmen, weil uns daran jede Einzelheit gefällt oder weil jede Einzelheit perfekt ist. Wir wollen mit unserer Zustimmung aber ein Zeichen setzen, wir wollen deutlich machen, dass die verschiedenen Fraktionen der Opposition – Kollege Lederer hat es zu Recht gesagt – schon zehn Initiativen ergriffen haben. Ich will gar nicht sagen, dass alle zehn Initiativen perfekt waren. Es hat aber zehn Initiativen gebraucht, bis auch die CSU endlich eingesehen hat: Ja, wir brauchen ein neues G 9. Da waren alle anderen schneller: Der Philologenverband war schneller; der BLLV war schneller; der Realschullehrerverband war sogar einverstanden. Die Eltern waren einverstanden, sogar die Schulleiter waren davon überzeugt, obwohl das nicht immer diejenigen sind, die gleich nach Neuerungen schreien.

Worum geht es jetzt? – Ich glaube, darin sind wir uns einig. Es geht nicht nur um einen neuen Gesetzentwurf, sondern es geht – und hier stimme ich wieder Herrn Kollegen Lederer zu –, um die Fragen der Aus

gestaltung. Einer der Punkte, die hier anzusprechen sind, ist die Gerechtigkeit. Das Fallbeil fällt jetzt, und diejenigen, die jetzt in der 4. Klasse sind, dürfen das neunjährige Gymnasium machen. Die aber, die jetzt in der 5. Klasse sind – und hier verwende ich den Ausdruck, den Sie hier gerade auch verwendet haben, Herr Lederer –, diejenigen also, die jetzt in der 5., 6., 7. oder auch 8. Klasse sind, befinden sich in den Pechvogelklassen. Das sind jetzt die Pechvogelklassen, weil sie nicht mehr – –

(Gudrun Brendel-Fischer (CSU): Die haben sich dafür angemeldet und wussten, was auf sie zukommt!)

Das ist ein einfaches Argument, Frau Kollegin. Man kann nicht einfach sagen, sie haben sich angemeldet, sie wussten es. Die konnten doch gar nichts anderes nehmen!

(Gudrun Brendel-Fischer (CSU): Aber sie wollten es!)

Nein, sie mussten das nehmen, weil es in Bayern nur die eine Form des Gymnasiums gibt. Deshalb haben sich die Schüler angemeldet. Nun aber weigert sich die CSU, darüber nachzudenken, wie man diesen Klassenstufen auch ein neunjähriges Gymnasium, in welcher Form auch immer, ermöglichen kann. Diese Bedenken hatten Sie übrigens damals bei der Einführung des G 8 nicht, Frau Kollegin. Damals hat Herr Stoiber gesagt: Wir nehmen sowohl die 5. als auch die 6. Klasse. – Die hatten sich damals aber sehr wohl für etwas anderes angemeldet, nämlich für das neunjährige Gymnasium. Da gab es aber anscheinend keine Bedenken bei der CSU zu sagen: Die haben sich dafür angemeldet, wir bieten ihnen trotzdem etwas anderes. Jetzt aber wird die Argumentation umgedreht. Ich glaube, es ist nicht sehr ehrlich, so zu argumentieren. Wir müssen uns schon überlegen, was wir für die Schüler tun, die jetzt in der 5., 6., 7. oder 8. Klasse sind, um den Übergang abzufedern.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wir FREIE WÄHLER haben deshalb eine Petition gestartet. Es ist kein Wunder, dass sich in diese Petition Tausende eingetragen haben. Die Menschen draußen im Lande sagen nämlich: Das ist ungerecht. Wir haben jahrelang dafür gekämpft, wir haben als Eltern zwei Volksbegehren mit initiiert und gestartet, und nun, nur weil die CSU so langsam ist, weil sie nicht in die Gänge gekommen ist, müssen unsere Kinder leiden.

(Petra Guttenberger (CSU): Warum sind Sie dann nicht erfolgreich gewesen, Herr Kollege?)

Beide Volksbegehren waren natürlich erfolgreich, weil die CSU – –

(Petra Guttenberger (CSU): Das stimmt doch nicht!)

Weil die CSU dann eingesehen hat – –

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Nein, Sie müssen schon sehen, was Erfolg heißt.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Jetzt hat er Realitätsverluste!)

Erfolg heißt, wie früher schon Helmut – –

(Gudrun Brendel-Fischer (CSU): Erfolgreich wie die FREIEN WÄHLER?)

Erfolgreich wie die FREIEN WÄHLER, das unterschreibe ich natürlich, Frau Kollegin. Ich bitte sogar, diesen Zuruf ins Protokoll aufzunehmen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich bedanke mich dafür. Danke schön!

(Josef Zellmeier (CSU): Das war doch eine rhetorische Frage!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, uns ist Folgendes wichtig: Wir müssen etwas für die Schülerinnen und Schüler tun, die jetzt auf dem Gymnasium sind, damit sie die Chance einer längeren Lernzeit haben. Wir müssen – und das ist schon angesprochen worden – etwas tun, um die digitale Bildung zu stärken. Auch hier ist etwas in Ihrem Bildungspaket geschehen. Ich bin, das sage ich ganz offen, Ihrer Meinung, dass – und das unterstütze ich – auch etwas für die anderen Schularten getan werden musste. Aus meiner Sicht ist es noch zu wenig, aber immerhin.

Wenn wir zusammenfassen, dann muss man konstatieren, dass die CSU eine enorme Unruhe in die Schullandschaft gebracht hat, eine enorme Unruhe! Über zehn Jahre lang hat uns das Gymnasium beschäftigt, gerade aber in der vergangenen und in dieser Legislaturperiode. Insofern gibt es eine Bringschuld. Allerdings haben Sie nachgebessert, das muss man klar sagen. Ich begrüße es, dass es jetzt wieder ein neunjähriges Gymnasium gibt. Der Zeitplan wurde aber nicht eingehalten, es wurde sehr viel Porzellan zerschlagen. Auch aus diesem Grund rufe ich die Kollegen der CSU dazu auf, sich noch einmal zu überlegen, ob es für diejenigen Schülerinnen und Schüler, die jetzt schon auf dem Gymnasium sind, insbesondere in der 5. Klasse, vielleicht doch Mög

lichkeiten gibt, eine verlängerte Schulzeit anzubieten. Gerade in der Mittelstufe oder der Oberstufe könnten Entzerrungen vorgenommen werden. Denken Sie doch noch einmal darüber nach. Sie befinden sich doch in einer Phase des Nachdenkens und des Überlegens. Dem Redebeitrag von Herrn Kollegen Lederer habe ich entnommen, dass das sehr ernsthaft und gründlich gemacht wird. Insofern kann man solche Überlegungen auch mit einspeisen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege. – Jetzt hat noch Frau Kollegen Claudia Stamm das Wort für bis zu drei Minuten. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Als ich vor acht Jahren in den Landtag nachgerückt bin, wollte ich unbedingt in den Bildungsausschuss. Das war mein Lieblingsausschuss. Ich habe gesagt, da möchte ich hinein. Ich bin dann aber für die GRÜNEN-Fraktion in den Ausschuss für Landwirtschaft und Forsten gegangen. Ehrlich gesagt bin ich darüber froh, ich bin sogar wirklich dankbar; denn wie oft hätte ich den Ausschuss genervt mit Vorwürfen wie diesen: Wie viel Unterricht fällt bei meiner Tochter wieder aus? Muss es wirklich so wenig Sport sein? – Als Mutter von zwei schulpflichtigen Kindern hätte man es kaum geschafft, in diesem Ausschuss abstrakt zu sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht aber gerade nicht um die eigenen Kinder, auch nicht um die Kinder des Nachbarn oder der Nachbarin. In der Politik geht es vielmehr darum, Visionen zu entwickeln und gute Rahmenbedingungen für den Einzelnen in Bayern oder für ganz Bayern zu schaffen. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es gut, dass Bayern endlich zum G 9 zurückkehrt. Sehr geehrte Staatsregierung, sehr geehrter Herr Staatssekretär Sibler, machen Sie es aber bitte endlich gescheit. Bitte setzen Sie nicht einfach eine Klasse oben drauf, und lassen Sie die zweite Fremdsprache nicht einfach in der 6. Klasse. Das ist so absurd, das gibt es überhaupt nicht mehr. Aber okay, heute hat auch die Staatsregierung öffentlichkeitswirksam dargestellt, dass sie jetzt endlich für die Digitalisierung an den bayerischen Schulen sorgen wird. Ich weiß nicht, wie lange wir das schön hören, seit wie vielen Jahrzehnten, dass es das Internet, den Computer an den bayerischen Schulen gibt. Auch heute haben wir das wieder gehört. Anspruch und Wirklichkeit gehen in Bayern wirklich sehr weit auseinander, gerade an den Schulen. Nach der ganzen G-8-Dauerbaustelle setzen Sie bitte nicht die alte Bildungsdebatte wieder neu auf!

Ich finde aber auch, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dass es nicht um die eigenen Kinder geht. Es geht auch nicht nur um die Gymnasien. Deshalb ist es gut, dass wir diese Debatte jetzt endlich hinter uns haben. Wir haben nämlich auch andere Schulen im Land, und es muss endlich wieder eine Vision von einem längeren gemeinsamen Lernen geben. Es muss endlich darüber geredet werden, dass auf dem Land Gemeinschaftsschulen möglich sind, wie beispielsweise im Landkreis Ansbach. Das ist nämlich eine Chance für den ländlichen Raum. Sie reden ständig von gleichen Lebensverhältnissen in Bayern. Dafür müssen Sie es aber der Schule vor Ort ermöglichen, sich zu öffnen. Sie müssen endlich sagen: Okay, die Schüler sollen länger gemeinsam lernen, damit der Standort erhalten werden kann. – Das ist wichtig für den ländlichen Raum. Das ist der Punkt, so kommen wir weiter. Es gibt Schulen, Bürgermeister und Direktoren, wie beispielsweise im Landkreis Ansbach, die das machen wollen. Machen Sie das, tun Sie etwas für den ländlichen Raum. Machen Sie auch etwas für die Schülerinnen und Schüler in Bayern. Ermöglichen Sie endlich das gemeinsame Lernen für die Schülerinnen und Schüler.