Protokoll der Sitzung vom 22.03.2018

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächste hat Frau Kollegin Osgyan vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen, Frau Staatsministerin! Ich höre bei allen Rednerinnen und Rednern zumindest eine verhaltene Freude über das Universitätsklinikum Augsburg. So geht es auch mir: Ich beglückwünsche die Stadt Augsburg, dass sie ein Universitätsklinikum bekommt. Ich freue mich auch, dass dadurch neue Kapazitäten in der Ausbildung von Medizinerinnen und Medizinern entstehen. Es ist wichtig, dass diese Ausbildung ausgebaut wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich kann nicht verhehlen, dass meine Freude trotzdem verhalten ist. Das liegt daran, dass die noch kommende Baustelle in Augsburg gleichzeitig ein Schlaglicht auf die anderen noch offenen Baustellen der Wissenschaftspolitik in Bayern wirft, und auch derer müssen wir uns annehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es gibt aber Schwerpunktsetzungen am Klinikum Augsburg, die wir durchaus für wichtig erachten und gutheißen, nämlich zum einen die Umweltmedizin und zum anderen die digitale Medizin. Wir hoffen, dass Augsburg diese Möglichkeit nutzt und eine Vorreiterrolle einnehmen wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Umweltmedizinerinnen und Umweltmediziner müssen eine wichtigere Rolle einnehmen, das ist uns allen klar. Das ist ein Zukunftsthema, das nicht nur positiv zu werten ist; denn wenn der Bedarf gegeben ist, dann heißt das, es gibt Herausforderungen, denen man künftig mehr Aufmerksamkeit schenken muss. Als Beispiel nenne ich die Feinstaub- und Stickoxidbelastungen in den Städten. Hier müssen wir präventiv entgegenwirken; denn hinterher alles zu richten, das wird die Umweltmedizin nicht schaffen. Wir bauen deshalb darauf, dass Dieselautos nachgerüstet werden; denn Fahrverbote sind nur die Ultima Ratio und werden uns nicht weiterhelfen. Diesem Thema werden wir uns aber an anderer Stelle weiter widmen müssen.

Der digitale Wandel umfasst alle gesellschaftlichen Bereiche, das ist eine Binsenwahrheit.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Wir müssen ihn gestalten, das ist unsere Aufgabe hier im Hause, aber auch die der Medizin. Wir GRÜNEN wünschen uns, dass es dabei nicht nur um digitale Bildgebung geht, um Telemedizin, sondern dass auch Themen wie der Schutz der Patientendaten und die IT-Sicherheit in Krankenhäusern in dem neuen Studiengang behandelt werden. Mir scheint aber, dieses Thema rutscht immer wieder unten durch.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In diesem Sinne wünschen wir uns eine zukunftsweisende Forschung in Augsburg. Ich freue mich, dass unser grüner Antrag zur Allgemeinmedizin angenommen wurde, dass wir uns alle einig darüber waren, dass die Allgemeinmedizin von Anfang an in Augsburg verankert werden muss.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir müssen auf dem Schirm haben, es geht auch um Alltagsthemen. Junge Menschen müssen auf das tatsächliche ärztliche Geschäft vorbereitet werden. An dieser Stelle ist die Allgemeinmedizin gefragt. Allerdings ist meine Freude auch hier etwas verhalten; denn die Ausbildung der Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner im Freistaat ist eine der großen Baustellen. Ich erinnere daran, wir haben in dieser ganzen Legislaturperiode darüber diskutiert, ob wir das Zulassungsverfahren nicht endlich ändern müssen in der Weise, dass wir die Abiturnote weniger gewichten und die Praxiserfahrung stärker nach vorne stellen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Numerus clausus in der Medizin hat uns darin bestätigt. Hier müssen wir tätig werden, das müssen wir fraktionsübergreifend auf dem Schirm haben. Frau Staatsministerin, Sie sind Expertin in diesem Bereich. Ich hoffe, dass Sie die Ausbildung der Medizinerinnen und Mediziner ganzheitlich angehen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Anzahl der Medizinstudienplätze hat in den letzten zehn Jahren tatsächlich stagniert. Das heißt, hier haben wir Aufholbedarf. Ob das Augsburg alleine richten wird, weiß ich nicht. Wir dürfen jedenfalls die anderen Universitätsklinika nicht aus den Augen lassen. Heute wurde schon mehrfach erwähnt, dass auch diese Kliniken gestärkt werden müssen. Wir fordern, dass das tatsächlich passiert. Wir müssen darauf achten, dass das auch in den künftigen Haushalten beachtet wird. Sie haben richtig gesagt, das ist ein Kraftakt. Das ist es wirklich; ich sehe im Moment aber noch nicht, dass der Kraftakt auch gelingen kann. Das war ein Kritikpunkt in der Vergangenheit, der ausgeräumt werden muss. Dabei geht es nicht nur um Augsburg, sondern es geht darum, wie wir die Universitätskliniken im Freistaat insgesamt zukunftsfest aufstellen können. Uns fehlt hier tatsächlich der Masterplan, von dem vorhin schon die Rede war.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was mich mehr bewegt, ist der Umstand, dass insgesamt betrachtet ein Masterplan in der bayerischen Hochschulpolitik fehlt. Hier und dort neue Standorte zu eröffnen, ist zwar, singulär betrachtet, durchaus gut, insgesamt gesehen ist das aber zu wenig Butter für zu viel Brot. Wir haben eine grassierende Unterfinanzierung, die seit Jahren relevant ist. Wir haben steigende Drittmittelquoten, und bei Bestandsgebäuden haben wir einen Sanierungsstau von drei Milliarden Euro. Den schieben wir seit Jahren vor uns her. Wir können ihn aber nicht künftigen Generationen aufbürden, sondern müssen mit dem Abbau dieses Sa

nierungsstaus beginnen. Ich bitte Sie, Frau Staatsministerin, nehmen Sie dieses Thema gleich in den Blick. Wir müssen unser Hochschulsystem endlich zukunftsfest ausbauen. Ich sehe da im Moment aber nur wenige bis gar keine Ansätze. Einzelne Leuchttürme werden uns nicht weiterbringen. Insofern gratulieren wir Augsburg. Wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen. Wir werden aber ein waches Auge darauf haben, dass die Hochschullandschaft in Bayern insgesamt profitiert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke, Frau Kollegin. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Wissenschaft und Kunst als federführendem Ausschuss zu überweisen. – Damit besteht offensichtlich Einverständnis. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 g auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Markus Ganserer u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Änderung des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr in Bayern (Drs. 17/20951) - Erste Lesung

Begründung und Aussprache werden miteinander verbunden. Damit hat die Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN eine Redezeit von 10 Minuten. Ich eröffne die Aussprache. Herr Kollege Ganserer hat sich bereits ans Pult begeben. Sie haben das Wort, bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Um Mobilität zu ermöglichen und die ökologischen und gesundheitlichen Schäden des dafür notwendigen Verkehrs so gering wie möglich zu halten, müssen wir den Menschen eine umweltfreundliche Alternative zum eigenen Auto bieten. Sprich, wir müssen das Angebot von Bus und Bahn in Bayern deutlich ausbauen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Heute geht es jedoch nicht um die ohne jeden Zweifel dringend notwendigen Investitionen in Schieneninfrastrukturprojekte in den Ballungsräumen München, Nürnberg, Regensburg, Augsburg oder Würzburg. Da die CSU-Regierung in Bayern beim Thema ÖPNV ohne jeglichen Fahrplan fährt, haben wir noch jede Menge andere politische Baustellen zu bewältigen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir müssen den ÖPNV in Bayern deutlich besser organisieren. Die Tatsache, dass die Aufstellung von Nahverkehrsplänen in Bayern eine freiwillige Aufgabe der Aufgabenträger – in der Regel der Landkreise und kreisfreien Städte – ist, verdeutlicht den Handlungsbedarf. In Bayern haben lediglich 37 von 71 Landkreisen einen Nahverkehrsplan, der jünger als fünf Jahre ist. Einige der Landkreise haben in den letzten 20 Jahren seit der Einführung des ÖPNV-Gesetzes überhaupt keinen solchen Plan aufgestellt. Gleichwohl gäbe es aber Richtlinien, um einen guten Nahverkehrsplan aufzustellen. Es gibt Richtwerte und Grenzwerte für die Nahverkehrsplanung in Bayern.

In einer Antwort auf meine Schriftliche Anfrage stellt die Staatsregierung deutlich klar, was ein guter ÖPNV ist: Für ein attraktives Angebot im ÖPNV sollte daher auf die Richtwerte und nicht auf die Grenzwerte abgestellt werden. Doch auf die Frage, in wie vielen gültigen Nahverkehrsplänen die in den Leitlinien festgehaltenen Grenzwerte unterschritten werden und damit das Mindestangebot nicht eingehalten wird, antwortet die Staatsregierung: Es liegen keine statistischen Erfassungen über die 2.700 Linien des ÖPNV im Freistaat Bayern vor. Diese Antwort dokumentiert doch im Wesentlichen die Gleichgültigkeit der CSU-Regierung gegenüber dem ÖPNV.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wirklich jede einzelne Linie dieser 2.700 Buslinien – jede einzelne – muss mit einem entsprechenden Fahrplan bei der Bezirksregierung genehmigt werden. Die Daten über die Fahrpläne der Buslinien liegen vor. Wenn man sich einen Überblick über den Zustand des ÖPNV verschaffen möchte, um zu schauen, wo wirklicher Ausbaubedarf besteht, kann man das machen. Die Daten wären vorhanden. Bisher fehlt jedoch der politische Wille.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In vielen Teilen Bayerns besteht der ÖPNV nur aus dem Schulbusverkehr. In einem Ort, in dem es heute schon keinen Bäcker, keinen Metzger und keinen Arzt gibt, in dem der Bus am Tag nur dreimal vorbeifährt und in den Abendstunden, am Wochenende sowie in den Ferien nichts fährt, fehlt es an ausreichender Lebensqualität, um das Leben auf dem Land lebenswert zu machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Mobilität ist die Grundvoraussetzung für gesellschaftliche und soziale Teilhabe. Ältere Menschen, Menschen mit Beeinträchtigungen, sozial Schwache, die sich kein Auto leisten können, oder Jugendliche, die noch keinen Führer

schein haben, haben Mobilitätsbedürfnisse. Sie sind auf einen funktionierenden ÖPNV dringend angewiesen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deswegen hat auch die Enquete-Kommission "Gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Bayern" in ihrem Abschlussbericht den dringenden Ausbau- und Verbesserungsbedarf beim ÖPNV deutlich herausgestellt und unterstrichen. Für den ländlichen Raum brauchen wir zweifellos neue, kostengünstige, flexible und bedarfsorientierte Bedienformen. Dazu zählen beispielsweise der Rufbus, das Anrufsammeltaxi sowie Mischformen aus flexiblen Bedienformen und festen Angeboten. Diese werden in Bayern projektbezogen gefördert. Aber was passiert, wenn die fünfjährige Förderphase ausläuft? Sollen die Kommunen den Unterhalt alleine finanzieren? Sollen die Kommunen Angebote, die sie mühevoll aufgebaut haben und über die sich die Menschen freuen, weil sie endlich ein Mobilitätsangebot haben, wieder einstampfen? – Nein. Wir sagen: Solche flexiblen Bedienformen müssen als fester Bestandteil des ÖPNV anerkannt und dauerhaft und zuverlässig gefördert werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bayerns ÖPNV-Landschaft ist von einer Kleinstaaterei geprägt – schlimmer als vor Napoleons Zeiten. Bayern ist unterversorgt mit leistungsfähigen Verkehrsverbünden. Das zeigt der Vergleich mit anderen Bundesländern und noch mehr mit den benachbarten Ländern Österreich und Schweiz. Zu diesem Befund kommt sogar der Bayerische Bauindustrieverband. Dadurch existiert ein regelrechter Tarif-Wirrwarr. Stellen Sie sich einmal vor: Wenn meine Frau mit unserem sechsjährigen Kind mit dem Regionalexpress von Nürnberg Richtung Regensburg fährt, aber in Neumarkt aussteigt, braucht der Kleine einen Fahrschein. Wenn aber der Große mit elf Jahren mitfährt und sie mit dem gleichen Zug mit zwei Kindern nach Regensburg weiterfährt, fahren beide Kinder kostenlos. Das braucht man nicht zu verstehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das kann man normal sterblichen Menschen auch nicht erklären. Das regelrechte Ticket-Wirrwarr geht weiter: Bayern-Ticket, Bayern-Böhmen-Ticket, EgroNet-Ticket, Franken-Hopper-Ticket, Franken-Karte-9, Freizeit-Karte-9 Werdenfels, Freizeit-Karte-9 München-Nürnberg, Gästekarte Ostallgäu, Garmischer Ski-Ticket, Garmischer Sommer-Ticket, Hopper-Ticket Bayern, Hopper-Ticket Werdenfels, Kurkarte Chiemgau, Oberallgäu-Ticket, Oberpfalz-Ticket, Prag Spezial, Kombi-Ticket Schnee-Express-Allgäu, Studi-SparTicket, 3-Monate-Aktiv +65, Südostbayern-Ticket und

Traun-Alz-Ticket – nur um ein paar wenige zu benennen.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN)

Ich habe mehr als die Hälfte ausgelassen, wobei ich mir nicht ganz sicher bin. Ich hoffe, dass es wenigstens einen Beamten in Bayern gibt, der einen Überblick über das Ticket-Wirrwarr in Bayern hat.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Ministerin, wenn es diesen Beamten gibt, hoffe ich, dass dieser bei der Umressortierung nicht versehentlich im Innenministerium sitzen bleibt.

(Beifall bei den GRÜNEN)